Hochschulrecht im Freistaat Bayern

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b) Träger der Lehrfreiheit

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Träger der Lehrfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG, Art. 108 BV) ist jeder, dem das Recht zur eigenständigen wissenschaftlichen Lehre im Hochschulbereich zusteht.[20] Dies ist neben den Professoren und Juniorprofessoren (Art. 5 Abs. 1 S. 1, Art. 2 Abs. 3 S. 1 BayHSchPG) auch bei Privatdozenten (Art. 65 Abs. 10 BayHSchG), Honorarprofessoren (arg e Art. 25 Abs. 1 S. 1 Zf. 2 BayHSchPG), Professurvertretern (Art. 8 Abs. 3 BayHSchPG) und Lehrbeauftragten (Art. 31 Abs. 3 Hs. 1 BayHSchPG), sowie für wissenschaftliche Mitarbeiter nach Maßgabe des Art. 21 Abs. 1 S. 4 BayHSchPG (Übertragung eigenverantwortlicher Lehraufgaben durch den Dekan) der Fall. Die Abhaltung von sonstigen – typischerweise Hauptvorlesungen begleitenden – Lehrveranstaltungen (Tutorien, Arbeitsgemeinschaften etc.) wird nicht per se von der Lehrfreiheit erfasst; die Lehrpersonen unterliegen insoweit im Hinblick auf Inhalt und methodische Vermittlung den fachlichen Weisungen der Hochschullehrer, denen sie zugeordnet sind, subsidiär auch den Weisungen des Dekans und des Studiendekans. Auch die Abgabe von Stellungnahmen zu Lehrangelegenheiten durch Universitätsgremien und Studentenvertretungen fällt nicht unter die Lehrfreiheit, auch wenn dabei auf wissenschaftliche Äußerungen Bezug genommen wird.

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Auch Fachhochschulprofessoren sind Träger der Lehrfreiheit, da der bayerische Gesetzgeber in Art. 5 Abs. 1 BayHSchPG insoweit nicht differenziert. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in jüngerer Zeit ausdrücklich bestätigt.[21] Die ältere, teilweise standespolitisch bedingte Auffassung[22] ist mittlerweise als überholt anzusehen. Die Freiheit der Lehre ist auch eigenständiges Schutzgut, nicht bloßes „Derivat der Forschung“[23]. Sie kommt daher in vollem Umfang auch den sog. Lehrprofessoren – ungeachtet der grundsätzlichen Bedenken gegen dieses Amt – zu Gute.

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Aus der Lehrfreiheit lässt sich allerdings weder ein individuelles Recht eines einzelnen Hochschullehrers noch ein solches einer Fakultät/eines Fachbereichs auf exklusive Zuordnung, Bestimmung und Wahrnehmung des Lehrangebotes ableiten.[24] Es gibt also kein Recht auf Wahrung überkommener Besitzstände; sofern das Lehrangebot insgesamt vollständig ist. Die Freiheit der Lehre berechtigt in diesem Fall auch zu Parallelveranstaltungen. Die Lehrfreiheit schließt allerdings auch nicht aus, dass die zeitliche und räumliche Verteilung der Pflichtvorlesungen einvernehmlich nach dem Anciennitätsprinzip vorgenommen wird. Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber kann Teile eines Studiengangs aus einem Fachbereich ausgliedern und einem anderen zuweisen.[25] Schließlich verlangt die Lehrfreiheit nicht, dass alle Lehrenden korporativ in einer Gruppe zusammengefasst werden,[26] da sie uneingeschränkt nur den Hochschullehrern im materiellen Sinne zukommt.

c) Grenzen der Lehrfreiheit

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Grenzen der Lehrfreiheit ergeben sich aus den mit der Lehrfunktion verbundenen Aufgaben und Pflichten. Dies richtet sich zum einen nach der dienstrechtlichen Stellung des Lehrenden im Lehrkörper, zum anderen nach den konkreten Anforderungen des Lehrangebots.[27]

aa) Lehrdeputat

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Das Gebot der Kapazitätsausschöpfung[28] erlaubt – ungeachtet seiner verfassungsrechtlich wankenden Begründung – die normative Festlegung von Lehrdeputaten,[29] die für Professoren und sonstige Lehrende differenziert werden können. Das Lehrdeputat für Hochschullehrer muss so bemessen sein, dass dieser auch seinen Aufgaben in Forschung und Selbstverwaltung nachkommen kann. Bei Zugrundelegung eines sog. „Realzeitfaktors“ von 4[30] galt daher für Professoren lange Zeit ein Lehrdeputat von 8 Semesterwochenstunden als verfassungsrechtlich hinnehmbare Obergrenze.[31] Erstmals hatte Baden-Württemberg in der KMK-Vereinbarung von 2005 den Wert für Professoren auf 9 hochgesetzt, um angesichts weiter steigender Studentenzahlen einerseits, des erhöhten Betreuungsbedarfs in den neuen BA/MA-Studiengängen andererseits die Kapazität kostenneutral zu erhöhen.[32] Bayern ist diesem Beispiel wie die meisten Bundesländer 2007 gefolgt. Für wissenschaftliche Mitarbeiter auf befristeten Stellen bzw. in befristeten Arbeitsverhältnissen ist ein Lehrdeputat von 5 SWS, für unbefristete zwischen 10 und 18 SWS vorgesehen (§ 4 LUFV).

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Gegenüber früheren – wegen der Kapazitätsrechtsprechung meist starren – Regelungen gestattet § 2 LUFV jedoch eine flexible Erfüllung des Lehrdeputats: Ein Überschuss an Lehrkapazität kann eine vorübergehende Verringerung rechtfertigen, wenn eine Erbringung der Lehrleistung in verwandten Fachgebieten nicht möglich oder nicht zumutbar ist (Abs. 2). Auch kann die Fakultät festlegen, dass die Lehrleistung variieren, jedoch nicht mehr als auf die Hälfte reduziert werden darf, sofern sie insgesamt innerhalb eines Zeitraums zweier Studienjahre erbracht wird. Nach S. 3 sind innerhalb eines Faches Lehrveranstaltungen vorrangig von Professoren zu erbringen; dies ist nicht rein quantitativ („50+x %“) zu verstehen, sondern soll sicherstellen, dass die Lehre nicht sukzessive auf den Mittelbau „abgewälzt“ wird. Dies gilt vor allem für Bachelor-Studiengänge. Der Stellenwert der akademischen Lehre und ihre Gleichwertigkeit mit der Forschung äußert sich gerade darin, dass er maßgeblich von den Hochschullehrern im materiellen Sinne getragen werden soll.[33] Auch kann die Fakultät aus Gründen wechselnden Lehrbedarfs bestimmen, das Deputat bis zur Hälfte zu unterschreiten oder zu überschreiten. Funktionell zuständig ist der Dekan (Art. 28 Abs. 4 S. 2 BayHSchG); er wirkt dabei mit dem Studiendekan zusammen, der die Sicherstellung des Lehrangebots zu überwachen hat. Der Dekan hat aber das Letztentscheidungsrecht. Er kann allerdings nicht aus eigenem Recht die Anrechnungsfaktoren abändern, da dann keine ausreichende normative Grundlage für die Einschränkung des Art. 12 GG bestünde.

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Der Bestimmung der Lehrdeputate kommt über die Kapazitätsberechnung besondere Bedeutung im Hochschulzulassungsrecht zu. Die Rechtsprechung hat sich fortlaufend mit Fragen der Bestimmung des Lehrdeputats sowie der Einbeziehung von Stellen wissenschaftlicher Mitarbeiter in das Lehrangebot zu befassen.[34] So wurde vom BayVGH entschieden, dass allein aus der Mitgliedschaft von Professoren in Prüfungsausschüssen und Hochschulgremien eine Deputatsreduzierung nicht zu rechtfertigen ist.[35] Werden im Einzelfall Professoren bzw. Professorinnen anderer Hochschultypen an eine wissenschaftliche Hochschule versetzt (z.B. ein Kunsthochschulprofessor an eine Universität), so gilt mangels abweichender normativer Regelungen die Regellehrdeputatsverpflichtung der aufnehmenden Institution; eine konstitutive Anpassung ist im Übernahmebescheid vorzunehmen.

bb) Erfordernisse des Lehrbetriebs

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Die Lehrfreiheit ist im Hinblick auf ihre Funktion in der akademischen Berufsausbildung zu sehen. Da das Studium in der Regel auf einen berufsqualifizierenden Abschluss hinführen soll, haben die Hochschulen Studiengänge zu schaffen und diese durch Studien- und Prüfungsordnungen zu organisieren, in denen der zu behandelnde Stoff definiert wird. Ihr Inhalt ist in den Art. 58, 61 BayHSchG detailliert geregelt. Auf ihrer Grundlage sind sie zur Sicherstellung und zur gegenständlichen, zeitlichen und örtlichen Koordination des Lehrangebots verpflichtet. Der Studienaufbau ist eine notwendig gemeinschaftlich zu regelnde Angelegenheit; dies gestattet entsprechende Einschränkungen der Lehrfreiheit. Durch die Verpflichtung zur Abstimmung des Lehrangebots in zeitlicher, gegenständlicher und örtlicher Hinsicht, die auf eine Umsetzung der Studienordnung in das Lehrangebot abzielt, und zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Studiums sowie der Einhaltung der Regelstudienzeit wird die Lehrfreiheit der zur Lehre Verpflichteten verfassungsrechtlich unbedenklich eingeschränkt.[36]

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Andererseits muss die themenmäßige Festlegung der Gesamtheit der Lehrveranstaltungen so generell sein, dass der wissenschaftlichen Eigenwertung der Lehrenden bei der Setzung von Schwerpunkten und der Behandlung von Sonderthemen genügend Spielraum bleibt. Es können daher nicht alle vertiefenden oder schwerpunktbildenden Lehrveranstaltungen detailliert festgelegt werden. Ebenso müssen die Lernzielbestimmungen so allgemein gehalten sein, dass die oben umrissene Freiheit des Lehrenden bei der Aufbereitung und Darbietung des Stoffes gewahrt bleibt.

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Lehre ist kein wissenschaftlicher Selbstzweck, sondern dient vor allem der Erfüllung des Ausbildungsauftrags der Hochschule.[37] Lehrfreiheit besteht also nur im Rahmen der zu erfüllenden Lehraufgaben; sie ist damit keine Freiheit von, sondern eine Freiheit in der Lehre.[38] Das Recht der Studierenden auf eine nach Gegenstand und Methode wissenschaftliche, berufsorientierte Ausbildung (Art. 12 GG) schließt es aus, dass Hochschullehrer unter Berufung auf Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ohne Rücksicht auf Studienpläne, Prüfungsordnungen und Vorlesungsverzeichnisse in ihren Veranstaltungen jeden beliebigen Stoff in jeder Form vortragen und lehren können.[39] Bei Verstößen gegen diese Verpflichtungen, insbesondere bei erheblichen Abweichungen von zwingenden Regelungen der Studienpläne und Prüfungsordnung durch Lehrende, kann ein Einschreiten des zuständigen Dekans gegen den betreffenden Hochschullehrer geboten sein.

 

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Bestehen Meinungsverschiedenheiten über die Zuständigkeit für eine in der Studienordnung vorgesehene Lehrveranstaltung und wird dadurch die Erfüllung des Lehrangebots gefährdet, kann der Dekan im Zusammenwirken mit dem Studiendekan die Veranstaltung einem bestimmten Hochschullehrer zuweisen (Art. 28 Abs. 4 S. 2 BayHSchG)[40]. Dagegen folgt aus der Lehrfreiheit kein Rechtsanspruch auf Übertragung ganz bestimmter Lehrveranstaltungen[41] oder auf Schutz vor „Parallelangeboten“, etwa durch Emeriti, auch dann nicht, wenn dabei divergierende Lehrmeinungen vertreten werden.[42] Die Organisationsentscheidung der Hochschule darf allerdings nicht sachwidrig, unverhältnismäßig oder willkürlich sein; insofern besteht ein individueller Anspruch auf fehlerfreie Ermessenausübung.[43]

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Die Lehrfreiheit setzt auch der Festlegung didaktischer Konzeptionen in Studienordnungen und Organbeschlüssen Grenzen; die inhaltliche und methodische Gestaltung einer Lehrveranstaltung gehört zum Kernbereich der gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Lehrfreiheit.[44] Abgesehen von der Ausweisung als Vorlesung oder Übung etc. ist die didaktische Festlegung einer einzelnen Lehrveranstaltung oder eines ganzes Faches – etwa das Vorschreiben von Lehrstrategien[45] – unzulässig. Auch bei der Abhaltung von Praktika und Seminaren hat der Hochschullehrer im Rahmen seiner Lehrfreiheit grundsätzlich das Recht, Inhalt und Anforderungen des Praktikums oder Seminars zu bestimmen;[46] insoweit steht ihm sowohl bei der Bestimmung, als auch bei der Bewertung ein wissenschaftlich-didaktischer Beurteilungsspielraum zu, der auch durch den Grundsatz der Studierfreiheit nicht eingeschränkt wird.[47]

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Der Lehrfreiheit unterfällt auch die Vermittlung von Inhalten, die nicht zwingend zum Studienplan gehören, sondern zusätzlich angeboten werden. Selbstverständlich unterliegen der Lehrfreiheit auch Gegenstände, die in der Berufsausbildung und beruflichen Praxis nur eine geringe Rolle spielen, da die Fähigkeit zu wissenschaftlicher Arbeit auch das Verständnis der Grundlagen und der Randbereiche einbezieht. Allerdings ist es gerechtfertigt, die zur Verfügung stehenden räumlichen und sächlichen Ressourcen vorrangig für das Pflichtangebot zu verwenden.

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Die äußere Durchführung der Veranstaltung steht unter dem Vorbehalt der Sicherstellung des Lehrangebots in Fakultät/Fachbereich und der Vereinbarkeit mit anderen Lehrveranstaltungen, da die räumlichen und zeitlichen Ressourcen nur beschränkt verfügbar sind. Auch koordinierende Richtlinien und die Zuweisung von bestimmten Vorlesungsorten bzw. -zeiten bei Engpässen sind zulässig. Ort und Zeit der Lehrveranstaltung können auch im Einzelfall vom Dekan oder Studiendekan nach Anhörung des Hochschullehrers verändert werden.

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Die Organisation des Lehrbetriebs umfasst zunächst die Maßnahmen für den technisch ungestörten Ablauf des Lehrbetriebs (Verteilung von Räumen und technischen Hilfsmitteln, Zuweisung von Hilfspersonal). Darüber hinaus hat der Studiendekan zu prüfen, ob im Vorlesungstableau wesentliche Lücken bestehen, die der Ausfüllung bedürfen,[48] wenn dies für eine geordnete Ausbildung, insbesondere im Hinblick auf die Durchführung der Studien- und Prüfungsordnungen notwendig ist. Lässt sich das im Studienplan vorgesehene Lehrprogramm anderweitig nicht sichern, kann ein Hochschullehrer auch zum Abhalten bestimmter Vorlesungen seines Fachgebiets – das sich durch die venia legendi bestimmt – verpflichtet werden, solange dadurch nicht in die inhaltliche und methodische Konzeption der Lehrveranstaltung eingegriffen wird.[49] Die Entscheidung, mit welchen konkreten Lehrveranstaltungen das jeweilige Fach in der Ausbildung vertreten sein soll (Hauptvorlesung, Übung, Kolloquium etc.) ist nicht Angelegenheit des einzelnen Hochschullehrers, sondern regelmäßig Entscheidung des Fakultäts-/Fachbereichsrates nach Art. 31 BayHSchG, nach Maßgabe des Art. 33 BayHSchG auch des Studienfakultätsrats einer nach der Grundordnung eingerichteten Studienfakultät. Aus dem Wesen der angekündigten Lehrveranstaltung ergeben sich jedoch immanente Beschränkungen der Gestaltung. So erfordern jedenfalls die Formen Seminar, Kolloquium, Übung, Propädeutikum etc. – im Gegensatz zur klassischen „Vorlesung“ –, dass den Studierenden die Möglichkeit eingeräumt wird, sich messbar aktiv zu beteiligen.

cc) Erfordernisse des Prüfungsbetriebs

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Auch die Prüfungstätigkeit von Hochschullehrern wird prinzipiell von der Lehrfreiheit geschützt,[50] sie wird freilich durch die Prüfungsordnungen beschränkt. Da diese letztlich die subjektiven Zugangsvoraussetzungen im Sinne des Art. 12 GG begründen, die ihrerseits die wissenschaftliche Qualität des Studiums sicherstellen sollen, sind sie als Ausformungen immanenter Schranken der Lehrfreiheit zulässig. Dies gilt etwa für den prüfungsrechtlichen Grundsatz, dass der Prüfer selbst mindestens die durch die Prüfung festzustellende Qualifikation haben muss (Art. 62 Abs. 1 BayHSchG). Daher konnten die an einem integrierten Studiengang einer Gesamthochschule tätigen Professoren, die nicht das Anforderungsprofil der wissenschaftlichen Qualifikation erfüllten, von der Mitwirkung als Prüfer im Rahmen einer Promotion ausgeschlossen werden.[51] Vergleichbares gilt für die Mitwirkung im Rahmen einer Habilitation. Fraglich ist, ob ein über eine Juniorprofessur auf eine Vollprofessur berufener Hochschullehrer (tenure track) über eine Habilitation mitabstimmen kann. Dies ist nicht unproblematisch und zeigt, dass das seit 2002 politisch forcierte Institut der Juniorprofessur immer wieder zu dogmatischen Verwerfungen führt. Die Praxis geht jedoch davon aus, das die Berufung eines nichthabilierten Juniorprofessors auf eine Vollprofessur (W 2 oder W 3) prüfungsrechtlich die Abstimmungsbefugnis verleiht („Heilung“); dagegen hat der Noch-Juniorprofessor kein Mitbestimmungsrecht in einer Habilitationskommission, auch wenn er bereits positiv zwischenevaluiert worden ist. Dagegen verleiht die Berufung eines externen Juniorprofessors auf eine Professur durch das durchgeführte Berufungsverfahren in jedem Fall die adäquate Qualifikation.

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Generell bedingen Prüfungen und Leistungskontrollen jeder Art im Hinblick auf die Gleichheit der Prüfungsbedingungen eine weitgehende Standardisierung in den Anforderungen und eine klare Limitierung durch Verfahrensvorschriften.[52] Dies folgt auch aus der funktionellen Trennung von Prüfungs- und Lehrtätigkeit, die sich u.a. auch in der organisatorischen Verselbstständigung des Prüfungsvorgangs zeigt.[53] Ein Hochschullehrer, der nach Art. 9 Abs. 1 Zf. 4, 2. Alt. BayHSchPG die hauptberufliche Aufgabe hat, an Staatsprüfungen nach Maßgabe der Prüfungsordnungen mitzuwirken, verstößt deshalb gegen die ihm als Prüfer obliegenden Pflichten, wenn er erklärt, er sei nur noch bereit, Kandidaten zu prüfen, die wenigstens einen Leistungsnachweis vorlegen können, den sie bei ihm erworben haben.[54]

dd) Verfassungstreue

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Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verleiht den deutschen Hochschullehrern/Hochschullehrerinnen eine wesentlich über die allgemeine beamtenrechtliche Stellung hinausgehende Unabhängigkeit bei der Ausübung ihres Berufs, befreit sie aber nach Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GG nicht von der Pflicht zur Verfassungstreue.[55] Diese Pflicht, auf die Art. 3 Abs. 3 S. 1 BayHSchG Bezug nimmt, war vor allem in den Unruhen der 70-er Jahre ein Streitpunkt. Teils wurde ihr rein appellative, keine selbstständige normative Bedeutung zugesprochen.[56] Praktisch bedeutsamer ist die Frage nach der Anwendbarkeit des in den Beamtengesetzen und Tarifverträgen niedergelegten Erfordernisses, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung positiv zu bekennen und jederzeit für deren Erhaltung einzutreten. Die Rechtsprechung war lange Zeit der Auffassung, dass für Forschungs- und Lehrfunktionen an wissenschaftlichen Hochschulen keine Differenzierungen geboten seien,[57] und daher der beamtete Hochschullehrer, der Lehrstuhlvertreter und der Inhaber eines privatrechtlichen Lehrauftrags gleichermaßen verpflichtet seien. Begründet wird diese Auffassung damit, dass Hochschullehrer Funktionen wahrnehmen, bei denen in besonderem Maße die Gefahr besteht, dass im Rahmen des Bildungsauftrags der Hochschule politische Einseitigkeit verbreitet oder gar agitiert werde.[58]

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Diese Auffassung ist insoweit richtig, als aus der Lehrfunktion die Verpflichtung abgeleitet werden kann, in sachlicher Form einen Lehrstoff unter Hinweis auf die wichtigsten hierzu vertretenen Auffassungen darzustellen. Der Hörsaal darf daher nicht zur Bühne politischer Propaganda gemacht werden, die die Stoffvermittlung letztlich im Wege einseitiger politischer Indoktrination betreibt, auch wenn diese auf einer bestimmten wissenschaftlichen Grundhaltung (z.B. dialektischer Materialismus) beruht.[59] Andererseits muss für Hochschullehrer die Pflicht zur Verfassungstreue nach Maßgabe ihrer wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrfunktionen bestimmt werden. Eine wissenschaftlich begründete „radikale“ Kritik an der Verfassung und ihrer Wertordnung wird von der Lehrfreiheit geschützt. Wissenschaftliche Lehre kann daher inhaltlich nicht auf die Grundsätze der Verfassung verpflichtet sein, sondern ist nur hinsichtlich der Form und Art der Ausgestaltung durch die Treueklausel beschränkt.[60]

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Auch Lehrbeauftragte nehmen ein öffentliches Amt im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG wahr und unterliegen deshalb grundsätzlich der Treuepflicht, unabhängig davon, wie das Lehrauftragsverhältnis dienstrechtlich ausgestattet ist und ob es auch hoheitliche Funktionen (Prüfungen, Erteilung von Übungsscheinen) umschließt. Allerdings handelt es sich hierbei um eine funktionale Treuepflicht. Das Lehrauftragsverhältnis begründet kein Treueverhältnis, das den Träger eines Amtes unabhängig von seiner konkreten Funktion verpflichtet, sich vorbehaltlos mit der freiheitlich- demokratischen Grundordnung zu identifizieren. Die als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG geltende politische Treuepflicht gegenüber dem Staat und seiner Verfassung obliegt nur der Beamtenschaft. Nicht verbeamtete Lehrbeauftragte werden von ihr nicht erfasst. Es würde eine unverhältnismäßige Beschränkung der Lehrfreiheit darstellen, wenn jeder Lehrauftrag nur einer Person erteilt werden dürfte, der wie ein beamteter Hochschullehrer die Verfassungstreuepflicht nach Art. 33 Abs. 5 GG erfüllt. Der Schutz der funktionsbezogenen Treuepflicht wird durch die zeitliche Beschränkung der Tätigkeit in der Regel ausreichend verwirklicht.[61]

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Auch darf die Pflicht zur Verfassungstreue nicht mit Regierungs- oder gar Parteientreue verwechselt werden. Deshalb ist ein Verhalten eines Wissenschaftlers zulässig, der Gesetzesentwürfe eines Ministeriums in einem Rundfunk- oder Presseinterview als verfassungswidrig bezeichnet, wenn er offenkundig für die Verfassung eintritt, insb. sich für die Wahrung der Grundrechte im Bereich des Daten- oder Umweltschutzes einsetzt.[62]