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Der Graf von Bragelonne

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»Somit als . . . «

»Somit habe ich kein Zimmer, kein Gasthaus, kein Lager mehr, und ich bin eben so entschlossen, als es vorhin mein Freund Manicamp war, nicht im Freien zu schlafen.«

»Was ist da zu thun?« rief Montalais.

»Das frage ich Euch!« sagte Malicorne.

»Nichts kann einfacher sein,« sprach eine dritte Stimme.

Montalais und Malicorne stießen gleichzeitig einen Schrei aus.

Saint-Aignan erschien.

»Lieber Herr Malicorne,« sagte Saint-Aignan, »ein glücklicher Zufall führt mich hierher zurück, um Euch der Verlegenheit zu entziehen. Kommt, ich biete Euch ein Zimmer bei mir an, und dieses, das schwöre ich Euch, wird Euch kein Franciskaner rauben. Was Euch betrifft, mein theures Fräulein, beruhigt Euch, ich habe schon das Geheimniß von Fräulein de la Vallière, das von Fräulein von Tonnay-Charente; Ihr habt nun die Güte gehabt, mir das Eurige anzuvertrauen, meinen Dank hierfür: ich werde eben so gut drei, als eines bewahren.«

Malicorne und Montalais schauten sich an, wie zwei Schüler, die man beim Obststehlen ertappt bat; da aber Malicorne am Ende einen großen Vortheil in dem Anerbieten von Saint-Aignan erblickte, so machte Montalais ein Zeichen der Resignation, das diese ihm erwiederte.

Dann stieg Malicorne Sprosse für Sprosse die Leiter hinab, wobei er auf jeder Stufe auf ein Mittel sann, Brocken für Brocken Saint-Aignan Alles zu entreißen, was er von dem großen Geheimniß wissen dürfte.

Montalais war schon leicht wie ein Hirsch weggeeilt und weder Kreuzweg noch Labyrinth vermochte sie zu täuschen.

Saint-Aignan aber führte Malicorne wirklich nach seiner Wohnung; er sagte ihm tausend Artigkeiten, denn er war entzückt, unter seiner Hand zwei Menschen zu haben, welche, vorausgesetzt, Guiche bliebe stumm, ihn noch viel besser über die Ehrenfräulein unterrichten würden.

VIII.
Was wirklich im Gasthaus zum Schönen Pfauen vorgefallen war

Geben wir unsern Lesern vor Allem einige Einzelheiten über den Gasthof zum schönen Pfauen, und gehen wir dann zum Signalement der Reisenden über, die denselben bewohnten.

Das Gasthaus zum Schönen Pfauen verdankte, wie jedes Gasthaus, seinen Namen seinem Schilde.

Dieses Schild stellte einen Pfauen vor, der ein Rad schlägt.

Nur hatte, nach dem Beispiel einiger Maler, die der Schlange, welche Eva verführt, das Gesicht eines hübschen Knaben gegeben haben, der Maler des Schildes dem Schönen Pfauen ein Frauengesicht gegeben.

Dieses Gasthaus, ein lebendiges Epigramm gegen jene Hälfte des Menschengeschlechts, welche den Reiz des Lebens bildet, wie Herr Legouve sagt, erhob sich in Fontainebleau, in der ersten Seitenstraße links, die, wenn man von Paris herkommt, die große Arterie durchschneidet, welche für sich allein die ganze Stadt Fontainebleau bildet.

Die Seitenstraße hieß damals Rue de Lyon, ohne Zweifel, weil sie sich geographisch, in der Richtung der zweiten Hauptstadt des Königreichs erstreckte.

Diese Straße bestand aus zwei von Bürgern bewohnten Häusern, welche durch zwei große, mit Hecken eingefaßten Gärten von einander getrennt waren.

Dem Anschein nach hätte man glauben sollen, es wären drei Häuser in der Straße; erklären wir, wie es trotz dieses Anscheines nur zwei waren.

Das Gasthaus zum schönen Pfauen hatte die Hauptfacade nach der Landstraße, aber rückwärts nach der Rue de Lyon, enthielt zwei Flügel, getrennt durch Höfe, große Wohnungen, geeignet, alle Reisende aufzunehmen, kamen sie zu Fuß, zu Pferd, oder im Wagen an, und nicht nur Zimmer und Tisch zu liefern, sondern auch Promenade und Einsamkeit für die reichsten Höflinge, wenn sie sich nach einer Niederlage bei Hofe mit sich selbst einzuschließen wünschen, um die Schmach zu verschlucken oder auf Rache zu sinnen.

Von den Fenstern dieser Hintergebäude erblickten die Reisenden einmal die Straße, mit ihrem zwischen dem Pflaster wachsenden Gras.

Sodann die schönen Hecken von Flieder und Weißdorn, welche zwischen zwei grüne blühende Arme die bürgerlichen Häuser einschloßen, von denen wir gesprochen.

Ferner, in den Zwischenräumen dieser Häuser, welche den Hintergrund des Gemäldes bildeten und sich wie ein unübersteigbarer Horizont hervorhoben, eine Linie von buschreichen, üppigen Bäumen, die ersten Schildwachen des großen Waldes, der sich vor Fontainebleau entrollt.

Man konnte also, wenn man ein Zimmer hatte, das eine Ecke bildete, durch die Landstraße nach Paris an dem Anblick und dem Geräusche der Vorübergehenden und der Feste und durch die Rue de Lyon an dem Anblick und der Ruhe des Landes Theil nehmen.

»Abgesehen davon, daß man im Nothfall in dem Augenblick, wo man an das große Thor an der Pariser Straße klopfte, durch die kleine Thüre der Rue de Lyon entwischen und längs den Gärten der bürgerlichen Häuser hinlaufend, die ersten Baumgruppen des Waldes erreichen konnte.

Malicorne, der zuerst, wie man sich erinnert, gegen uns des Gasthauses zum Schönen Pfauen erwähnte, um seine Vertreibung zu beklagen, Malicorne hatte, mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, Montalais entfernt nicht Alles über dieses seltsame Gasthaus mitgetheilt.

Wir wollen es versuchen, die ärgerliche Lücke zu füllen, welche Malicorne gelassen hat.

Malicorne vergaß zum Beispiel zu sagen, auf welche Art er in das Gasthaus zum Schönen Pfauen gekommen war.

Dabei hatte er, abgesehen von dem Franciscaner, von dem er ein Wort gesprochen, keine Erläuterung über die Reisenden gegeben, die das Haus bewohnten.

Die Art, wie sie hineingekommen, die Art, wie sie darin lebten, die Schwierigkeit, die es für jede andere Person, als die privilegirten Reisenden, hatte, Eintritt in das Gasthaus ohne das Loosungswort zu erhalten, und ohne gewisse vorbereitende Maßregeln darin zu wohnen, mußten doch Malicorne aufgefallen sein, und waren ihm auch, dafür wollen wir bürgen, aufgefallen.

Aber, wie gesagt, Malicorne war persönlich in Anspruch genommen, was ihn verhinderte, mancherlei Dinge zu sehen.

Alle Wohnungen des Gasthofes zum Schönen Pfauen hatten in der That beständig im Hause verweilende Fremde von einem sehr ruhigen Gewerbe inne – Träger einnehmender Gesichter, von denen Malicorne keiner bekannt war.

Alle diese Reisende waren im Gasthof angekommen, seitdem er selbst angekommen; Jeder war mit einer Art von Loosungswort eingetreten, was Anfangs die Aufmerksamkeit von Malicorne erregte, doch er erkundigte sich mittelbar, und erfuhr, der Wirth gebe als Grund dieser Wachsamkeit an, daß die Stadt, voll von vornehmen Herren, wie sie es war, auch geschickte Spitzbuben enthalten müsse.

Es heischte also der Ruf eines ehrlichen Hauses, wie das zum Schönen Pfauen, die Reisenden nicht bestehlen zu lassen.

Malicorne fragte sich auch, wenn er in sich ging, und seine Lage im Gasthof zum Schönen Pfauen sondirte, warum man ihm Eintritt in das Haus gewährt, während er, seitdem er hereingekommen, so viele hatte von der Thüre weisen sehen.

Er fragte sich besonders, warum Manicamp, der seiner Ansicht nach ein von aller Welt verehrter Herr sein mußte, warum Manicamp, der vor seiner Ankunft sein Roß hatte im Schönen Pfauen wollen fressen lassen, sammt diesem Roß mit einem höchst unfreundlichen nescio vos abgewiesen worden war.

Das war also ein Problem für Malicorne, das er übrigens, beschäftigt mit Intriguen der Liebe und des Ehrgeizes, wie er war, zu ergründen durchaus nicht sich anstrengte.

Hätte er es gewollt, so wollen wir, trotz des Verstandes, den wir ihm zuerkennen, nicht behaupten, daß es ihm gelungen wäre.

Einige Worte werden dem Leser beweisen, daß man nicht weniger gebraucht hätte, als einen Oedipus In Person, um dieses Räthsel zu lösen.

Seit acht Tagen hatten sich in diesem Gastbaus sieben Reisende eingefunden, die alle am andern Tag, nachdem Malicorne sein Augenmerk auf den Schönen Pfauen geworfen, angekommen waren.

Diese Personen, welche sämmtlich mit beträchtlichem Gefolge erschienen, waren:

Erstens, ein Brigadier vom deutschen Heer, sein Schreiber, sein Arzt, drei Lackeien und sieben Pferde.

Dieser Brigadier hieß Graf von Wostpur.

Ein spanischer Cardinal, mit zwei Neffen, zwei Geheimschreibern, einem Officianten seines Hauses und zwölf Pferden.

Dieser Cardinal hieß Monsignor Herrebin.

Ein reicher Kaufmann aus Bremen mit seinem Lackei und zwei Pferden.

Dieser Kaufmann hieß Herr Banstek.

Ein venetianischer Senator mit seiner Frau und seiner Tochter, beide von vollkommener Schönheit.

Dieser Senator hieß Signor Marini.

Ein Laird aus Schottland mit sieben Gebirgern von seinem Clac, alle zu Fuß.

Der Laird hieß Mac Cumnor.

Ein Oesterreicher aus Wien, ohne Titel und Wappen, der in einem Wagen ankam; er hatte viel vom Priester und wenig vom Soldaten.

Man nannte ihn Rath.

Endlich eine flämische Dame mit einem Lackei, einer Kammerfrau und einem Gesellschaftsfräulein. Vornehmes Wesen, große Pferde.

Man nannte sie die flämische Dame.

Alle diese Reisenden kamen, wie gesagt, an einem Tag an, und dennoch verursachte ihre Ankunft keine Verlegenheit im Hause, keine Versperrung auf der Straße, da ihre Wohnungen zum Voraus auf das Verlangen ihrer Couriere oder ihrer Geheimschreiber, welche am Tag zuvor oder am Morgen eintrafen, bezeichnet worden waren.

Malicorne, der einen Tag vor ihnen ankam, und auf einem magern, mit einem dünnen Mantelsack beladenen Pferd reiste, kündigte sich im Gasthof zum Schönen Pfauen als den Freund eines vornehmen Herrn an, der die Feste zu sehen wünsche, und ebenfalls bald eintreffen müsse.

Der Wirth lächelte bei diesen Worten, als kennte er ganz genau entweder Malicorne, oder den vornehmen Herrn, seinen Freund, und sagte zu ihm:

»Wählet, mein Herr, die Wohnung, die Euch genehm ist, da ihr zuerst ankommt.«

Und das mit der bei Wirthen so bezeichnenden Unterwürfigkeit, welche besagen will: Seid unbesorgt, mein Herr, man weiß mit wem man es zu thun hat, und wird Euch demgemäß behandeln.

 

Diese Worte und die Geberde, von der sie begleitet waren, kamen Malicorne freundlich, aber durchaus nicht klar vor. Da er aber nicht viel ausgeben wollte, und ein kleines Zimmer verlangend gerade wegen seiner geringen Bedeutung zurückgewiesen worden wäre, so beeilte er sich, die Worte des Gastgebers im Fluge aufzufassen und ihn mit seiner eigenen Feinheit zu verhören.

Lächelnd wie ein Mensch, für den man durchaus nur thut, was man thun soll, erwiederte er:

»Mein lieber Wirth, ich werde die beste und heiterste Wohnung nehmen.«

»Mit Stallungen?«

»Mit Stallungen.«

»Für welchen Tag?«

»Für sogleich, wenn es möglich ist.«

»Vortrefflich.«

»Nur,« fügte Malicorne rasch bei, »nur werde ich die große Wohnung nicht sogleich einnehmen.«

»Gut!« sagte der Wirth, mit einer Miene des Einverständnisses.

»Gewisse Gründe, die Ihr später begreifen werdet, nöthigen mich, für meine Rechnung nur dieses kleine Zimmer zu wählen.«

»Ja, ja, ja.«

»Mein Freund, wenn er ankommt, wird die große Wohnung nehmen, und natürlich, da die große Wohnung für ihn, wird er die Sache sogleich in Ordnung bringen.«

»Sehr gut, sehr gut, es war so verabredet,« versetzte der Wirth.

»Es war so verabredet?«

»Wort für Wort.«

»Das ist seltsam.« murmelte Malicorne. »Ihr versteht also?«

»Ja.«

»Weiter braucht es nicht. Nun, da Ihr versteht . . . denn Ihr versteht wohl, nicht wahr?«

»Vollkommen.«

»So werdet Ihr mich in mein Zimmer führen,«

Der Wirth zum Schönen Pfauen ging. Malicorne, seine Mütze in der Hand, voran.

Malicorne quartirte sich in seinem Zimmer ein und wohnte darin ganz erstaunt, als er den Wirth, so oft er hinauf oder hinabstieg, ihm mit den Augen auf eine Art zublinzeln sah, welche das beste Einverständniß zwischen zwei Korrespondenten bezeichnet.

»Dahinter steckt ein Mißverständniß,« sagte Malicorne zu sich selbst, »doch mittlerweile, bis es sich aufklärt, will ich Nutzen daraus ziehen, und das ist das Beste, was ich thun kann.«

Und von seinem Zimmer aus warf er sich wie ein Jagdhund auf die Fährte der Neuigkeiten und Sehenswürdigkeiten des Hofes, wobei er sich hier rösten und dort ertränken ließ, wie er zu Montalais sagte.

Beim Anblick von allen diesen Menschen, von allen diesen Equipagen, von all diesem Gepränge dachte Malicorne, indem er sich die Hände rieb, einen Tag verfehlend, würde er kein Nest gefunden haben, um bei der Heimkehr von seinen Forschungen auszuruhen.

Nachdem sich alle Fremde festgesetzt hatten, trat der Wirth in sein Zimmer und sagte mit seiner gewöhnlichen Freundlichkeit:

»Mein lieber Herr, Ihr habt noch die große Wohnung im dritten Flügel, Ihr wißt das.«

»Allerdings weiß ich es.«

»Und es ist ein wahres Geschenk, Was ich Euch damit mache.«

»Meinen Dank.«

»Und wenn Euer Freund kommt?«

»Nun?«

»Wird er zufrieden sein, wenn er nicht sehr wunderlicher Natur ist.«

»Verzeiht! wollt Ihr mir erlauben, daß ich Euch ein paar Worte über meinen Freund sage.«

»Sprecht immerhin, Ihr seid der Herr.«

»Er sollte kommen, wie Ihr wißt.«

»Und er soll immer noch kommen.«

»Er konnte anderer Ansicht geworden sein.«

»Nein.«

»Seid Ihr dessen sicher?«

»Ich bin meiner Sache gewiß.«

»Falls Ihr einen Zweifel hättet . . . «

»Nun?«

»Ich möchte nicht dafür stehen, daß er kommt.«

»Er hat es Euch aber doch gesagt . . . «

»Wohl hat er es mir gesagt, doch Ihr wißt, der Mensch denkt, Gott lenkt, verba volant, scripta manent

»Was will das besagen?«

»Die Worte entfliegen, das Geschriebene bleibt; und da er mir nicht geschrieben, da er es mir nur gesagt hat, so bevollmächtige ich Euch, ohne Euch jedoch aufzufordern . . . Ihr fühlt, das ist eine kitzeliche Sache.«

»Wozu bevollmächtigt Ihr mich?«

»Seine Wohnung zu vermiethen, wenn Ihr einen guten Preis dafür bekommen könnt.«

»Ich?«

»Ja, Ihr.«

»Nein, mein Herr, nie werde ich dergleichen thun. Er hat Euch nicht geschrieben?«

»Nein.«

»Er bat mir geschrieben.«

»Ah!«

»Ja.«

»Und in welchen Ausdrücken? Laßt sehen, ob der Brief mit seinen Worten übereinstimmt.«

»So lautet ungefähr der Text: »»An den Herrn Inhaber des Gasthauses zum Schönen Pfauen.

»»Ihr müßt von der Zusammenkunft unterrichtet sein, zu der sich einige Personen von Bedeutung in Eurem Gasthof beschieden haben. Ich gehöre zu der Gesellschaft, die sich in Fontainebleau versammelt. Behaltet ein kleines Zimmer für einen Freund, der vor oder nach mir ankommen wird . . . ««

»Nicht wahr, dieser Freund seid Ihr?« unterbrach sich der Wirth zum Schönen Pfauen.

Malicorne verbeugte sich bescheiden.

Der Wirth fuhr fort.

»»Und eine große Wohnung für mich. Die große Wohnung geht mich an, doch ich wünsche, daß der Preis des Zimmers mäßig sei, da dasselbe für einen armen Teufel bestimmt ist.««

»Nicht wahr, das seid gleichfalls Ihr?«

»Ja, gewiß,« antwortete Malicorne.

»So sind wir einverstanden; Euer Freund bezahlt den Preis für seine Wohnung, und Ihr den für die Eurige.«

»Ich will lebendig gerädert werden, wenn ich etwas von dem, was mir begegnet, verstehe!« sagte Malicorne zu sich selbst.

Dann sprach er laut:

»Und Ihr seid mit dem Namen zufrieden gewesen?«

»Mit welchem Namen?«

»Mit dem, der den Brief schließt.«

»Ich wollte ihn von Euch erfragen.«

»Wie? der Brief war nicht unterzeichnet?«

»Nein,« antwortete der Wirth, indem er seine Augen ganz geheimnißvoll und neugierig verdrehte.

»Gut,« sagte Malicorne, die geheimnisvolle Geberde nachahmend, »wenn er nicht genannt ist . . . «

»Nun?«

»Er muß seine Gründe hierfür haben.«

»Allerdings.«

»Und ich, sein Freund, ich, sein Vertrauter, werde sein Incognito nicht verrathen.«

»Das ist richtig,« sprach der Wirth; »ich dringe auch nicht in Euch.«

»Ich weiß dieses Zartgefühl zu schätzen. Was mich betrifft, so ist mein Zimmer besonders zu berechnen. Wir müssen uns hierüber verständigen.«

»Mein Herr, das ist Alles abgemacht.«

»Ihr wißt, gute Rechnungen machen gute Freunde. Rechnen wir also.«

»Das hat keine Eile.«

»Rechnen wir immerhin. Zimmer, Kost für mich, Platz an der Krippe und Futter für mein Pferd. Wie viel für den Tag?«

»Bier Livres, mein Herr.«

»Das macht also zwölf Livres für die drei abgelaufenen Tage.«

»Zwölf Livres, ja, mein Herr.«

»Hier sind Eure zwölf Livres.«

»Ah! mein Herr, wozu sogleich bezahlen?«

»Weil,« erwiederte, die Stimme dämpfend, Malicorne, der wieder zum Geheimnißvollen seine Zuflucht nahm, da er sah, daß das Geheimnißvolle günstig wirkte, »weil, wenn man plötzlich abzureisen, sich aus dem Staub zu machen hätte, die Rechnung abgethan wäre.«

»Ihr habt Recht, mein Herr.«

»Ich bin also zu Hause.«

»Ihr seid zu Hause.«

»Wohl dann! . . . Ich wünsche Euch einen guten Tag.«

Der Wirth entfernte sich.

Als Malicorne allein war, machte er sich folgende Schlußkette:

»Nur Herr von Guiche und Manicamp sind im Stande, an meinen Wirth geschrieben zu haben: Herr von Guiche, weil er sich eine Wohnung außerhalb des Hofs für den Fall des Gelingens oder Mißlingens vorbehalten will; Manicamp, weil er mit dieser Commission wird beauftragt worden sein.

»Herr von Guiche oder Manicamp wird also so gedacht haben: die große Wohnung, um auf eine anständige Weise eine dicht verschleierte Dame zu empfangen, mit Vorbehalt für genannte Dame eines doppelten Ausgangs auf eine beinahe öde und nach dem Wald ausmündende Straße.

»Das Zimmer, um zeitweise entweder Manicamp, den Vertrauten von Herrn von Guiche und wachsamen Hüter der Thüre, oder Herrn von Guiche selbst zu beherbergen, der zu größerer Sicherheit zugleich die Rolle des Herrn und die des Vertrauten spielt.

»Aber die Zusammenkunft, welche stattfinden soll, und wirklich im Gasthaus stattfindet.

»Das sind ohne Zweifel Leute, welche dem König vorgestellt werden sollen?

»Doch der arme Teufel, für den mein Zimmer bestimmt ist?

»Eine List, um Guiche oder Manicamp besser zu verbergen.

»Verhält es sich so, wie dies wahrscheinlich, so ist es nur ein halbes Uebel. Zwischen Manicamp und Herrn von Guiche gibt es keinen Streit, und zwischen Manicamp und Malicorne machen sich die Dinge mit der Börse ab.«

Seitdem er diese Schlußkette gemacht, schlief Malicorne auf beiden Ohren, und er ließ die sieben Fremden die sieben Wohnungen des Gasthofes einnehmen und in allen Richtungen darin umherziehen.

Wenn ihn nichts bei Hofe beunruhigte, wenn er seiner Excursionen und Inquisitionen müde war, müde, auch Billets zu schreiben, welche er an ihre Adresse zu bringen nie Gelegenheit fand, dann kehrte er in sein Zimmerchen zurück und beschäftigte sich, auf seinen mit Capucinerblumen und Nelken verzierten Balkon gelehnt, mit den fremden Reisenden, für welche Fontainebleau weder Lichter, noch Freuden, noch Feste zu haben schien.

Das dauerte so fort bis zum siebenten Tag, welchen Tag wir des Breiteren sammt seiner Nacht in den vorhergehenden Kapiteln geschildert haben.

In dieser Nacht, gegen ein Uhr Morgens, genoß Malicorne, an seinem Fenster stehend, der Kühle, als Manicamp, die Nase im Wind, mit besorgter, ärgerlicher Miene zu Pferde erschien.

»Gut!« sagte Malicorne, der ihn mit dem ersten Blick erkannte, zu sich selbst, »das ist mein Mann, der seine Wohnung, das heißt mein Zimmer in Anspruch nehmen wird.«

Und er rief Manicamp.

Manicamp schaute empor und erkannte Malicorne ebenfalls.

»Ah! bei Gott!« sagte dieser, dessen Gesicht sich sogleich aufheiterte,«seid willkommen, Malicorne. Ich schweife in Fontainebleau umher und suche drei Dinge, die ich nicht sinken kann ^ Guiche, ein Zimmer und einen Stall.«

»Was Herrn von Guiche betrifft, so kann ich Euch weder gute, noch schlimme Nachrichten von ihm geben, denn ich habe ihn nicht gesehen; was aber ein Zimmer und einen Stall anbelangt, so ist dies etwas Anderes.«

»Ah!«

»Es ist Beides hier bestellt worden.«

»Bestellt, und durch wen?«

»Durch Euch, wie mir scheint.«

»Durch mich?«

»Habt Ihr denn nicht eine Wohnung bestellt?«

»Durchaus nicht.«

In diesem Augenblick erschien der Wirth auf seiner Schwelle.

»Ein Zimmer,« stotterte Manicamp.

»Habt Ihr es bestellt, mein Herr?«

»Nein.«

»Dann gibt es kein Zimmer.«

»Wenn dem so ist, so habe ich ein Zimmer bestellt.«

»Ein Zimmer oder eine Wohnung?«

»Alles, was Ihr wollt.«

»Durch einen Brief?« fragte der Wirth.

Malicorne machte Manicamp mit dem Kopf ein bejahendes Zeichen.

»Ei! gewiß durch einen Brief,« erwiederte Manicamp. »Habt Ihr nicht einen Brief von mir erhalten?«

»Von welchem Tag datirt?« fragte der Wirth, bei dem das Zögern von Manicamp Verdacht erregte.

Manicamp kratzte sich hinter dem Ohr und schaute nach dem Fenster von Malicorne; Malicorne hatte aber sein Fenster verlassen und stieg die Treppe herab, um seinem Freunde zu Hilfe zu kommen.

Gerade in diesem Augenblick erschien ein Reisender, in einen spanischen Mantel gehüllt, im Vorhof, so, daß er das Gespräch hören konnte..

»Ich frage Euch, unter welchem Datum Ihr mir den Brief geschrieben habet, um eine Wohnung bei mir zu bestellen?« wiederholte der Wirth.

»Unter dem Datum des letzten Mittwochs« sagte mit sanftem, höflichem Ton der geheimnißvolle Fremde, indem er den Wirth an der Schulter berührte.

Manicamp wich zurück, und Malicorne, der auf der Schwelle erschien, kratzte sich ebenfalls hinter dem Ohr.

Der Wirth begrüßte den Ankömmling wie ein Mensch. der seinen wahren Reisenden erkennt.

»Mein Herr,« sprach er höflich, »Eure Wohnung, wie Eure Stallungen sind für Euch bereit. Nur . . . «

Er schaute umher und fragte dann:

»Eure Pferde?«

»Meine Pferde werden kommen oder nicht kommen. Nicht wahr, das geht Euch wenig an, wenn ich Euch nur bezahle, was bestellt worden ist.«

Der Wirth verbeugte sich noch tiefer.

»Ihr habt überdies das kleine Zimmer, das ich von Euch verlangt, für mich aufbewahrt?«

»Oh! weh!« machte Malicorne, der sich zu verbergen suchte.

»Mein Herr, Euer Freund hat es seit acht Tagen inne,« erwiederte der Wirth. Und dabei deutete er auf Malicorne, der sich so klein als möglich machte.

Der Reisende zog seinen Mantel bis an seine Nase herauf, warf einen raschen Blick auf Malicorne und entgegnete:

 

»Dieser Herr ist nicht mein Freund.«,

Der Wirth machte einen Sprung.

»Ich kenne den Herrn nicht,« fuhr der Fremde fort.

»Wie!« rief der Wirth, indem er sich an Malicorne wandte, »wie! Ihr seid nicht der Freund dieses Herrn!«

»Was ist Euch daran gelegen, wenn man Euch nur bezahlt?« sprach Malicorne, majestätisch den Fremden parodirend.

»Es ist mir sehr viel daran gelegen,« antwortete der Wirth, der zu bemerken anfing, es habe eine Unterschiebung der Person stattgefunden, »es ist mir so viel daran gelegen, daß ich Euch bitte, mein Herr, das zum Voraus und zwar von einem Andern als Euch bestellten Zimmer zu räumen.«

»Aber dieser Herr braucht nicht zugleich ein Zimmer im ersten Stock und eine Wohnung im zweiten,« entgegnete Malicorne. »Nimmt der Herr das Zimmer, so nehme ich die Wohnung: wählt der Herr die Wohnung, so behalte ich das Zimmer.«

»Ich bin in Verzweiflung,« sagte der Reisende mit seiner sanften Stimme, »aber ich brauche zugleich das Zimmer und die Wohnung.«

»Für wen denn?«

»Die Wohnung für mich.«

»Gut, doch das Zimmer?«

»Schaut,« sagte der Reisende.

Und er streckte die Hand nach einem Häuflein Menschen aus, das herbeikam.

Malicorne folgte mit dem Blick der angegebenen Richtung und sah auf einer Tragbahre den Franciscaner, dessen Einquartierung in sein Zimmer er Montalais mit einigen von ihm beigefügten Umständen erzählt hatte.

Das Resultat der Ankunft des unbekannten Reisenden und des Franciscaners war die Austreibung von Malicorne, der ohne alle Rücksicht außerhalb des Gasthofs zum schönen Pfauen vom Wirth und den Bauern, die dem Franciscaner als Träger dienten, zurückgehalten wurde.

Man hat den Leser mit den Folgen dieser Austreibung, mit dem Gespräch von Manicamp mit Montalais, welche Manicamp geschickter als Malicorne aufzufinden gewußt hatte, um von Ihr Kunde über Guiche zu erhalten, ferner mit der Unterredung von Montalais und Malicorne, und endlich mit dem doppelten Einquartirungsbillet bekannt gemacht, das der Graf von Saint-Aignan Manicamp und Malicorne lieferte.

Es bleibt uns noch übrig, unsern Lesern mitzutheilen, wer der Reisende mit dem Mantel, der ursprüngliche Miethsmann der doppelten Wohnung, von der Malicorne einen Theil inne gehabt, und der eben so geheimnißvolle Franciscaner waren, dessen Ankunft in Verbindung mit der des Reisenden im Mantel zum Unglück die Combinationen der zwei Freunde störte.