EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018)

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018)
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

EBQUIZEON

Die Welt hinter der Welt

(2018)

Gesamtband der 2012 erschienenen

eBook-Version in überarbeiteter Fassung

***

Ebquizeon © Andreas Bulgaropulos 2009-2018

Inhalt

Gruß des Autors

Prolog

Kap Rosa Mining City

Unter null

Rushhour

Zwischen Mond und Erde

Gewächshaus-Patrouille

Allison Vangristen

Brymm

Sol Guard vs. Duquette

Kristallreinigungszelle

Virus

Mahlstrom aus Eis

Outbreak

Jäger und Beute

Ein Hauch Violett

Countdown

Spuren eines Engels

Meltdown

Ein guter Cop

Equilibrium

Kristallregen

Stunde X

Omikron

Göttlicher Kontakt

Sygmatas

Desert Winds

Eiskaltes Brennen

Hinter der Welt

Ambrosia

Ebquizeon

Etymos Eidos und das Wort

Im Licht der Wahrheit

Der Asverianer

David gegen Goliath

Ein Physiker in Mantinea

Sog der Straße

Mother’s Womb

Im Herz der Metropole

RADICA

SûDjedrôn

Chi-Rho

Leuchtfeuer

Esokylith und Tempion

Auld Lang Syne

Die Essenz

Nightride

Mutters Hass

Schutzengel

Die stumme Herrscherin

Damage Report

Sturm über Perilun

Yoshiko, Nyla und das Medium

Schicksalsfäden

Vollmond

Ratten im Labyrinth

Geisterstadt

Epilog

Charakterliste

Glossar

Geschichtliche Eckdaten

Über den Autor

Impressum

Kap Rosa

(© Andreas Bulgaropulos)


Giga City Omega

(© Andreas Bulgaropulos)


Gruß des Autors

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank, dass Sie sich für mein Werk interessieren, es Probe lesen und vielleicht kaufen möchten oder dies schon getan haben. Wenn Sie etwas über dessen Entwicklung erfahren wollen, bleiben Sie kurz bei mir. Ansonsten stürzen Sie sich einfach ins Abenteuer.

In der Form, in der Ihnen mein Roman vorliegt, hat er einen langen Weg hinter sich und begleitet mich in seinen Grundzügen seit dem Jahr 2003. Eigentlich kamen mir die ersten Ideen bereits 2001, doch bis ich ernsthaft mit der Schreibarbeit begann, musste ich mir zunächst über meine künstlerischen Ambitionen klarwerden. Da ich vorher jahrelang professionell Musik gemacht und in drei Bands gespielt hatte, stand mir Anfang der Nullerjahre der Sinn nach etwas Neuem, bei dem ich die Grenzen meiner Fantasie ausloten konnte. So entschied ich mich, eine durchdachte, tiefsinnige und spannende Science-Fiction-Geschichte zu erzählen, komme was da wolle. Ich hatte nur nicht mit meinem Perfektionismus und einem solchen Aufwand gerechnet!

Klar war für mich von Anfang an, dass die Handlung auf dem Mond angesiedelt sein sollte, der seit Kindheitstagen eine geradezu magische Faszination auf mich ausübt und Schauplatz meiner 70er Lieblingsserien UFO und Mondbasis Alpha 1 war. Stark inspiriert hatten mich außerdem der Kinofilm »Tron« (1982), das PC-Spiel »System Shock« (1994) sowie die Romane: John Shirley »Rebellion der Stadt« (1980, City Come A-Walkin’) *** H.P. Lovecraft »Die Traumfahrt zum unbekannten Kadath« (1970) *** Philip K. Dick »Ubik« (1969) und »Die drei Stigmata des Palmer Eldrich« (1964) *** und Philip José Farmer »Die Welt der tausend Ebenen« (1965).

Nachdem ich zu Beginn einen Mount Everest an Ideen bewältigen musste, der mich beinahe meine Motivation kostete, strukturierte ich mich, wog alle Einfälle auf ihren Wert ab und tauchte mit Begeisterung in die Wissenschaftsfelder der Quanten- und Astrophysik ein. Mai 2009 hatte ich endlich mein 550-seitiges Werk fertiggestellt, zufälligerweise im 40sten Jubiläumsjahr der Mondlandung. Ich veröffentlichte es in physischer Form samt ISB-Nummer über eine On-Demand-Druckerei, verzichtete aber aufgrund des hohen Herstellungs- und Verkaufspreises von 27,95 Euro auf jeglichen Eigengewinn, damit das Preis-/Leistungsverhältnis für den Debütroman eines Newcomers nicht völlig aus den Fugen geriet. Im Anschluss an einige freundliche Rezensionen und dem Werben meinerseits in SciFi-Foren, fanden wenigsten ein paar Exemplare ihre Abnehmer, doch die Gelegenheit, ein breiteres Publikum zu erreichen, bot sich mir erst, als sich das eBook-Format etablierte.

2012 erweiterte ich wichtige Aspekte der Geschichte, merzte Fehler aus und teilte Ebquizeon in fünf Teile zu je 120 Seiten auf, um es im Laufe mehrerer Monate für den Kindle eReader zu publizieren. Dank des neuen Leseformats und wesentlich günstigeren Preises stieg die Nachfrage, was sicherlich auch mit dem Bewerben des Romans durch das Verteilen von Flyern zusammenhing.

Mittlerweile hatte ich an einer Fortsetzung gearbeitet, schmiss aber 2013 alles hin, weil meine endlosen Bemühungen um Literaturstipendien, Anfragen bei Agenturen und Verlagen nicht fruchteten. Zu der Zeit wollte ich gerne wieder etwas Unkompliziertes frei Schnauze erschaffen, und nach einigen begonnenen Projekten gewann ich durch die Pennyflax-Kinderromane (2013 + 2015, www.pennyflax.de) die Freude am Schreiben zurück.

 

Und nun, Anfang 2018, veröffentliche ich Ebquizeon als überarbeitete Komplettversion der 2012 erschienenen, fünf einzelnen Teile, diesmal für alle eBook-Formate und Systeme. Inzwischen habe ich genug Abstand zur Komplexität der Geschichte bekommen, dass ich mir wieder vorstellen kann, die Materie erneut aufzurollen. Ob das aber reicht, um eine Fortsetzung auf die Beine zu stellen, möchte ich nicht versprechen. Immerhin, begonnen hatte ich ja damals bereits …

Teilen Sie, geschätzter Leser, mir gerne Ihre Meinung dazu mit.

Unter info@ebquizeon.de bin ich ebenso für Anregungen, konstruktive Kritik und Lob dankbar, genau wie für eine kurze Bewertung meines Romans auf dem Portal, auf dem Sie ihn erworben haben.

Schön also, dass Sie mit mir auf diese Reise gehen, und denken Sie daran:

You are bound for the stars!

In diesem Sinne viel Vergnügen

Andreas Bulgaropulos

(weitere Infos zum Roman: ebquizeon.de )

Prolog

Die Stadt träumte.

Es war ein Traum voller Energieströmungen, erfüllt vom Herzschlag der Straßen, in denen sich Menschenmassen tummelten und die Datenschübe der Computer den Puls vorgaben. Wie Adern durchzogen die Fahrzeugrouten den Organismus der Metropole, wie Nervenimpulse in einem Gehirn schossen die Skytube-Bahnen zwischen den Wolkenkratzern aus Stahl und Bioglas hindurch.

Brymm … Die Stadt träumte, und die Verbrennungsstrahlung des Brymm-Kristalls war der Grund dafür. Ein Zustand, der bereits mehrere Jahre andauerte und sie vom Tiefschlaf zum leichten Schlummer begleitet hatte. Maschinen, Antriebssysteme, Kraftwerke – die Stadt war weich gebettet.

Brymm … Energiewogen brandeten in ihrem Geist auf, rollten von den Terrassen und Gärten des westlichen Nobelviertels Pacifica bis zu den Raumhafentürmen des Ostbezirks. Im Norden umspülten sie Industrieanlagen, drangen in den Untergrund der Giga-City vor und fluteten gen Süden, wo kilometerlange Schwebebrücken das New Athens Delta überspannten.

Brymm … Die Wogen ließen auf den Schrottplätzen der Slums ausrangierte Sex- und Vergnügungsdroiden erzittern, deren Augenoptiken zum Himmel starrten und deren Münder vom Regenwasser überflossen. Unbemerktes Flehen, synthetische Seufzer.

Brymm … Künstliche Realitäten, deren Nutzer ihre Alternativ-Existenzen wie im Rausch konsumierten, beugten sich unter der Last der Brandung.

Brymm … Myriaden von Nanobots sorgten in den Blutbahnen der Bürger für die Erhaltung der Gesundheit und schwangen im Rhythmus der träumenden Stadt. Eine Gattung der mikroskopisch kleinen Maschinen zeigte sich besonders empfänglich dafür und begann, individuell zu agieren.

Brymm … So begünstigte der Mensch durch den Energiekristallverbrauch die Geburt einer Wesenheit, die am Saum der Wirklichkeit ihr Dasein begann.

Brymm … Rhythmische Wogen. Morgendämmerung. Weckrufe.

Und langsam, ganz langsam wachte die Stadt auf.

*** 7. September 2207 ***

*** Giga-City Omega, Erde ***

John McGloominter kam die Magensäure hoch – Stress und Kaffee forderten den üblichen Tribut. Er befand sich auf dem Weg zur Firma. Das Shuttle passierte in diesem Moment die Grenze des Upper-North-Sektors und überflog die Ausläufer eines Wohngebiets, dessen Häuser von hier oben kaum zu erkennen waren.

Die Sonne schwang sich über der Skyline empor. Ihre Strahlen vertrieben den Frühnebel am Boden und glitten über Johns Gesicht, während das schlanke, silberne Shuttle einen Bogen flog, um sich in eine tiefere Verkehrsroute einzufädeln. Eine Hochhausschlucht tat sich jenseits der Frontscheibe auf. Er registrierte die Gebäude, die vor ihm anwuchsen und kurz darauf vorbeiwischten.

Zeit, dachte John, ich brauche mehr Zeit!

Wenn die Neuberechnungen stimmten, würden sie sich verheerend auf seine Forschungen auswirken. Jahre harter Arbeit standen auf dem Spiel. Zunächst hatte er an einen Fehler geglaubt, als er bis spät in die Nacht hinein über den Formeln gebrütet und den Test wieder und wieder simuliert hatte. Solange, bis seine Frau in der Tür stand, um ihn mit strengem Blick ins Bett zu beordern.

An Schlaf war kaum zu denken gewesen, die Fakten waren alarmierend. Selbst als er vor einer halben Stunde die Wohnung verlassen und unbewusst den Kuss seiner Tochter Louise wahrgenommen hatte, liefen die Berechnungen in seinem Gehirn weiter. Das Ergebnis blieb dasselbe: kein Fehler.

Gott … wir müssen bei null anfangen! Aber die werden mich für verrückt erklären. Oder lasse ich’s drauf ankommen? Mein Team mit der Durchführung beauftragen? Nein … zu riskant! Die Menschheit einer solchen Gefahr auszusetzen, ist mit guten Absichten nicht zu rechtfertigen. Ich trage die Verantwortung für das Experiment!

Sein Vorgesetzter würde an die Decke gehen.

Ich muss ihm die Brisanz aufzeigen, Evan überzeugen. Dann verschiebt er die Tests. Schließlich hat er auch Familie. Doch was, wenn er auf der Durchführung besteht? Mich gegen den Chef auflehnen?

John raufte sich die Haare und wünschte sich, eine Alternative zu sehen.

Ich sollte Nyla und Scott um Hilfe bitten … und die Daten sichern.

Das Shuttle hatte sich durch die Straßenschluchten gekämpft und erreichte das Industriegebiet. Ein markantes Gelände schälte sich aus dem Dunst, stahlgraue Gebäude, die sich dem Morgenlicht entgegen wuchteten.

Um 07:45 Uhr landete John auf dem Areal seiner Firma. Nach den Sicherheitsprozeduren verließ er die Shuttle-Bay und begab sich zum Bereich Quantum-Engineering, wo er seine Kollegen zur Besprechung treffen würde.

Im lichtdurchfluteten Meetingcenter steuerte er auf eines der Transcend-Terminals zu, die jeweils zu einer Gruppe von sechs Liegesesseln gehörten. Er ließ sich in den erstbesten Sessel fallen und loggte sich mittels des SuperMindCell, des Biochips in seinem Gehirn, in den firmeninternen Extended-Reality-Space ein. Sofort wurde sein Körper von einem Antigrav-Feld angehoben und in der Schwebe gehalten. Die Außenwelt samt ihren Gesetzmäßigkeiten verschwand: Ihn umhüllte das milchig weiße Nichts des Ex-R-Space.

Das Logo der »Gyroscope & Bionics Technologies Corporation« erschien in seinem Geist, und im nächsten Moment befand er sich in einem virtuellen Konferenzraum, der einen Rundumblick auf die Stadt bot.

Alle Kollegen waren bereits anwesend. Einige der Wissenschaftler versuchten John in Fachgespräche zu verwickelten, doch er ging nur halbherzig darauf ein. Als das Abbild des Abteilungschefs Evan Yanderbrook erschien, erstarben die Unterhaltungen. Gespannte Gesichter wendeten sich dem Zweimetermann am Ende des Tischs zu.

»Guten Morgen, meine Damen und Herren«, begrüßte Yanderbrook seine Angestellten. »Unser Unternehmen steht kurz davor, den Durchbruch auf dem Gebiet des zielgerichteten Transports von Materie in einem freien Umfeld zu erreichen. Mit anderen Worten, Ihnen, dem Quantumbot-Research-Team, verdanken wir es, dass Gyronics-Tech als erster Konzern die Teleportation zur Marktreife entwickeln wird, und zwar Monate vor der internationalen Konkurrenz!«

Die Anwesenden klatschten Beifall.

John war in Gedanken meilenweit entfernt. Reglos fixierte er den Tisch.

Sein Chef lächelte und hob die Hände. »Lassen Sie mich speziell dem Mann danken, der schon in der Vergangenheit durch seine revolutionäre Forschungsarbeit auffiel, mir vor allem aber durch seine Hartnäckigkeit auf den Wecker ging …«, einige Mitarbeiter lachten, »… und der maßgeblich zum Erfolg von GTC als führendem Technologieunternehmen beigetragen hat. Ich bin überzeugt, er wird mit diesem Projekt Geschichte schreiben. Jonathan McGloominter!«

Begeisterter Applaus.

Als sein Name fiel, schreckte John auf. Er erhob sich.

Sein Assistent Scott Greene, ein junger Jamaikaner, klatschte besonders laut und grinste ihn ermutigend an.

John blickte in die Runde, die Züge vom Ernst der Lage gezeichnet. Himmel, wie bringe ich euch das bei … Er wartete, bis sich der Beifall gelegt hatte. »Danke, Mr. Yanderbrook. Danke, Ihnen allen. Wenn ich gewusst hätte, dass man mich heute Morgen wie bei einem Staatsempfang feiert, wäre ich zu Hause geblieben.«

Erneutes Gelächter.

»Wer mich kennt, der weiß, dass ich nur aus wichtigen Anlässen auf Partys gehe. Daher muss ich Ihnen gestehen …« Er zögerte. Eben noch hatte er seine Entdeckung von vergangener Nacht zu erklären versucht, entschied sich jedoch spontan, die Details nur Yanderbrook anzuvertrauen. »… muss ich Ihren Enthusiasmus dämpfen und Ihnen mitteilen, dass ich auf eine Sache gestoßen bin, die in Anbetracht ihrer Bedeutsamkeit die Verschiebung der Tests nötig macht.«

Unter den Wissenschaftlern breitete sich ein Gemurmel der Ratlosigkeit aus.

»Ich weiß, wie viel Herzblut von uns allen in das Projekt geflossen ist. Deswegen möchte ich einen sicheren Ablauf garantieren können, um Tragödien zu vermeiden. Mehr kann ich im Moment nicht dazu sagen. Ich danke Ihnen.«

Die Anwesenden bestürmten ihn mit Fragen.

John ignorierte den Tumult. Er wandte sich an seinen Assistenten und betete, dass die unzulässige Gesprächsabschirmung, die er soeben per Gedankenbefehl initiiert hatte, hielt. »Scott, hör zu. Es ist wichtig! Du loggst dich sofort aus und gehst runter in die Datenverarbeitung. Lass dir von Nyla helfen, den aktuellen Teil unserer Forschung vom Hauptrechner auf unabhängige Protein-Speichermodule zu kopieren. Verwendet dafür den neuesten Virenfilter. Alle anderen Kopien vernichtest du, verstanden? Und erledige es unauffällig. Ich weiß, du schaffst das!«

Scott nickte mechanisch, doch die Fassungslosigkeit war ihm anzusehen. »Boss … wieso um alles in der Welt latschst du uns so auf die Füße?! Besonders dem Oberguru. Der Termin für die finale Testphase stand, also was soll die Änderung? Und warum befiehlst du mir einen illegalen Datentransfer? Wenn die das merken, schmeißen sie uns raus!«

»Erkläre ich dir später, aber zuerst muss ich mit Evan reden. Geh jetzt und starte den Kopiervorgang. Ich übernehme die Verantwortung für die Aktion!«

Scott Greenes virtueller Körper verschwand aus dem Konferenzzimmer.

Johns Herz pochte ihm bis zum Hals. Er schaute sich nach seinem Chef um und sah, wie dieser das Meeting beendete und ihm ein Zeichen gab. Der Raum löste sich in milchiges Weiß auf, um ein neues Szenario zu formen. Sekunden später stand er in einer Nachbildung des Büros von Evan Yanderbrook, der bereits vor Wut kochte.

»Erläutern Sie mir das gefälligst, John! Ist Ihnen klar, dass der Vorstand für kurzfristige Modifikationen null Verständnis aufbringt? Und ich auch nicht. Das könnte uns die Jobs kosten. Die Konkurrenz schläft nicht!«

»Sir, wir …« John schluckte. Seine Kehle war so trocken wie Sandpapier. »Wir haben einen unzulässigen Systemzugriff.«

»Ist das ein Scherz?! Machen Sie sich wieder Sorgen wegen der Spionageprogramme, die seit Wochen unseren Hauptrechner attackieren?« Die Stimmlage seines Chefs rutschte ins Hysterische ab. »Bis jetzt hat niemand unsere BlackHole-Walls geknackt, und soll ich Ihnen etwas verraten, John? Das schafft auch keiner!«

Ich wusste, es wird schwierig. »Der Zugriff kommt von innerhalb der Firma.«

Yanderbrook setzte eine Miene auf, als hätte ihm jemand die Erde als Scheibe beschrieben. John registrierte das mitleidige Lächeln eines Mannes, der ihm niemals glauben würde, egal wie die Beweise aussahen.

»Jonathan … Sie wollen mir allen Ernstes erzählen, wir hätten einen Eindringling im System? Den Zauberkünstler möchte ich kennenlernen! Unsere Sicherheitsmaßnahmen sind die effektivsten weltweit. Alle MindCell-Signaturen der Angestellten werden permanent überprüft, die Gedanken der SuperMindCell-Träger analysiert und sämtliche Computerzugriffe registriert. Das System ist perfekt!«

Leg ihm trotzdem die Fakten dar, versuchte John sich zu strukturieren und platzte heraus: »Ich möchte Ihnen etwas zeigen, Sir.«

Er ließ mit einem Gedankenbefehl mehrere Grafiken im Zimmer erscheinen, die zu rotieren begannen.

»Ausgangspunkt unserer Teleportationsforschung waren die Nanobots, welche in jedem menschlichen Körper Krankheitserreger bekämpfen, Krebszellen vernichten, Organe oder Wunden heilen, et cetera. Über unzählige Zwischenstufen haben wir daraus die Quantumbots entwickelt. Hier sehen Sie, wie wir die Maschinen in die Blutbahn der zu teleportierenden Testperson schleusen und hier, wie sie mit einem leblosen Objekt in Kontakt gebracht werden. Die Q-Bots hüllen den Körper, beziehungsweise das Objekt, in ein hyperdimensionales Feld aus Vergangenheits- und Zukunftsvariablen, starten die Quantenverschränkung und führen den Von-Ort-zu-Ort-Transport durch … vorausgesetzt, am Zielort existieren ebenso Q-Bots.«

 

Yanderbrook unterbrach ihn genervt: »Müssen Sie beim Urknall anfangen?«

»Ähm … nein. Entschuldigung. Aber gestern Nacht entdeckte ich zu Hause, dass die Q-Bots der Alpha-Testreihe manipuliert wurden. Sie sind jetzt in der Lage, sich als gewöhnliche Nanobots zu tarnen und in einem MindCell einzunisten. Dort reproduzieren sie sich selbstständig, übernehmen die Kontrolle über den Biochip des Kopfes und letztendlich den Wirtskörper.«

John fixierte seinen Vorgesetzten. »Ich habe keine Ahnung, wer hinter der Manipulation steckt, aber wissen Sie, was das bedeutet, Evan? Dieser Jemand könnte mithilfe unserer Technologie und dem neuen Datenpaket, mit dem die Bots heute ausgestattet werden, einen Menschen zum willenlosen Werkzeug machen. Mehr noch, man könnte den Menschen gezielt an einen bestimmten Ort teleportieren, um ihn als Spion oder Waffe zu missbrauchen! Sie, mich, jeden! Denn nicht einmal die MindCell-Signatur würde dadurch verändert. Wir blieben wir und würden von den Überwachungscomputern als zugelassen eingestuft. Einzig und allein die Wärmebarriere des Umfelds schränkt die Bots stark ein, den Wirtskörper zu verlassen und sich ohne Injektion, sprich durch die Luft, auszubreiten. Denn bis jetzt gelingen uns die Teleportationstests nur bei kalten Temperaturen. Daran arbeiten wir noch.«

Evan Yanderbrook besah sich die schwebenden Diagramme, wirkte aber wenig beeindruckt. »Sie mit Ihrem Fachchinesisch! Ich erkenne hier lediglich, dass Ihre Berechnungen erstens hypothetischer Natur sind und Sie zweitens dem Worst-Case-Szenario eine Chance von unter fünfzehn Prozent einräumen. Das halte ich für ein durchaus vertretbares Risiko. Sie werden es auf null reduzieren, bis wir das Projekt in zwei Wochen abschließen, die Patente einreichen und an die Öffentlichkeit gehen. Aber für die heutigen Tests spielt das keine Rolle. Wir verstehen uns?«

John spürte wieder den Kaffee hochkommen. Er versuchte seinem Chef mit steigender Verzweiflung klarzumachen, wie groß die Gefahr einer Katastrophe war, da der Abschlussversuch den Q-Bots gestattete, sich in einem freien Milieu zu bewegen. Als er bemerkte, dass seine Emotionen die von ihm angeführten Argumente wie die eines Stümpers klingen ließen, zwang er sich zur Selbstbeherrschung.

Er holte Luft.

»Bisher verliefen unsere Experimente nicht zielgerichtet, Evan. Das heißt, wir mussten die Labors mit einem starken, von den Fluktuationskammern erzeugten Energiefeld eindämmen, um das Teleportationsobjekt nicht an die Umwelt zu verlieren. Der Nachteil: Es materialisierte irgendwo in den Labors. Heute jedoch teleportieren wir draußen auf dem Testgelände. Dort benötigen wir dank der aktuellsten Erkenntnisse keine Eindämmung mehr, sondern legen den Zielpunkt fest, indem wir eine mit Quantumbots gesättigte Eiswolke platzieren. Die Bots in der Wolke und diejenigen in der Versuchsperson sind durch ihre Programmierung aufeinander geeicht. So schließen wir den Verlust des Subjekts aus. Ist der Prozess beendet, verflüchtigt sich die Q-Bot-Wolke. Und das bedeutet, sind unsere Maschinen einmal raus, bleiben sie draußen. Gemäß ihrer Natur ›entwischen‹ sie in Raum und Zeit. Wohin, kann niemand sagen. Das Problem ist, sie wurden manipuliert … also könnten sie unter den ungünstigsten Bedingungen Menschen umpolen!«

Yanderbrook umrundete seinen Schreibtisch, über dem eine dreidimensionale Darstellung des Firmengebäudes leuchtete, die jede Mitarbeiteraktivität anzeigte. Er blieb am Fenster stehen und blickte hinaus.

»Auf welchem Weg kontrolliert, nach Ihrer Theorie, der Saboteur die Q-Bots?«

John schöpfte Hoffnung und fuhr durch sein dichtes braunes Haar. »Richtig, Sir. Das vergaß ich zu erwähnen. Der Zugriff geschieht über die atomgroßen Antriebszellen der Bots. Der Saboteur hat einen Weg gefunden, das Brymm der Zellen in Negativ-Energie umzuwandeln, ein Vorgang, den man konkret einleiten muss und den ich bisher für nicht realisierbar hielt. Dieser Jemand kennt sich genauestens mit der Materie aus und ist ehrlich gesagt ein Genie.«

»Klingt weit hergeholt. Doch die Möglichkeiten, die sich daraus ergäben, wären … immens, nicht wahr?«

John runzelte die Stirn. Er vermochte den Unterton in Yanderbrooks Stimme nicht zu definieren. Überhaupt verhielt dieser sich seltsam.

»Wenn tatsächlich ein Eindringling existiert«, ordnete sein Vorgesetzter an, »dann will ich, dass Sie ihn bis heute Nachmittag finden und eliminieren. Und falls es sich um eine echte Person handelt, brauchen wir nur den Namen, damit der Werksschutz es wie einen Unfall aussehen lassen kann. Problem gelöst!«

Entsetzt starrte John den Mann am Fenster an. Niemals hatte er mit einer solchen Skrupellosigkeit gerechnet. Er machte einen letzten Versuch. »Evan, ich beschwöre Sie! Geben Sie mir drei Tage. Bitte! Ich kann unmöglich so schnell …«

Yanderbrook drehte sich um und brüllte: »Genug! Ich habe hier das Sagen! Tun Sie sich selbst einen Gefallen, Jonathan, und vermasseln Sie sich nicht Ihre Karriere. Sie sind schließlich erst Ende dreißig.«

Die Drohung, die der Abteilungschef ausgesprochen hatte, lastete unheilschwanger auf dem Büro.

»Trotz Ihres angeborenen Pessimismus haben Sie sich bis jetzt durchgebissen, und das schätze ich an Ihnen. Sehen Sie zu, dass es so bleibt. Die Tests werden termingerecht über die Bühne gehen, haben wir uns verstanden? Sonst müsste ich mir einen anderen leitenden Quantum-Engineer für das wichtigste Forschungsprojekt in der Firmengeschichte von Gyronics-Tech suchen. Diese Unterhaltung ist beendet!«

Milchiges Weiß.

Jonathan McGloominter loggte sich aus.

Verstört verließ er das Meetingcenter und stieg in eine Gleiterbahn, die ihn über das Firmengelände zu seinem Arbeitsbereich brachte. Als er noch immer wie betäubt bei »Quantum-Researches-Lab« ausstieg, stand sein Entschluss fest.

Am Eingang des Gebäudekomplexes fegte ihm Nyla Singer entgegen, die Empörung in Person.

»John … was läuft hier eigentlich?!«, schnaubte seine Assistentin und ging neben ihm her. »Wie Scott mir vor einer Viertelstunde gebeichtet hat, ist die finale Testreihe von dir abgeblasen worden. Kannst du mir das erklären? Wir stehen kurz vor dem Durchbruch. Du hättest deine Entscheidung mit mir absprechen müssen!«

Beide blieben am Ende des Gangs vor dem Panzerschott stehen, wo der Kontrollpunkt ihre Signaturen scannte. Die Augen der schlanken Frau funkelten. Er wusste, sie erwartete eine verdammt gute Rechtfertigung von ihm.

»Die Tests finden nun doch statt«, gestand John emotionslos.

Wie konnte ich so naiv sein, mir einzubilden, für diese Firma stünde die Sicherheit an erster Stelle?!

Sein Blick ging ins Leere. Und sollte er Nyla einweihen? Ihr von seinem Plan erzählen? Das hieße, sich länger mit ihr zu unterhalten. Jedes Gespräch wurde analysiert.

Riskant! Die Abschirmung fällt auf. Mir bleibt nur eine Möglichkeit …

»Oh«, stichelte Nyla, »dann hat dir Yanderbrook einen Strich durch die Rechnung gemacht. Kann nicht behaupten, mir täte das leid!«

Das Schott zischte und öffnete sich. Sie begaben sich zu Abteilung 7, Experimentelle Quantumbot-Teleportation.

»Hör zu, John«, lenkte sie ein, »ich bin auf deiner Seite … wirklich. Wie wir aus Erfahrung wissen, kriegst du jedes Mal kalte Füße am Ende eines Projektes, und trotzdem ging immer alles glatt. Hab endlich mehr Vertrauen in deine Fähigkeiten. Sogar unter den neuen Kollegen bist du als Oberzweifler verschrien, weißt du?«

Nyla lächelte. Ihr Ärger verpuffte bereits. Sie besaß eine schwarze Kurzhaarfrisur, war achtundzwanzig, äußerst clever und hübsch, und wäre John nicht verheiratet gewesen, er hätte längst eine Affäre mit ihr angefangen.

»Mir war nicht bewusst, dass hier jeder so über mich denkt, Kollegin.«

»Ach komm schon, John! Das ist unfair. Du weißt genau, wie sehr ich deine Fachkompetenz schätze. Nur könntest du von Zeit zu Zeit deine Skepsis daheim lassen, dann würde unsere Arbeit doppelt so flüssig laufen.«

»Ja … ich weiß.« Seine Stimme klang nervös und brüchig. Sie betraten das Labor. »Und du hast recht. Abschlusstests bringen mich aus dem Konzept. Wird schon schiefgehen, was?«

Begleitet von einer Tonfolge entstand ein Heliogramm-Gesicht vor ihnen im Raum. Delphi, die Künstliche Intelligenz, die alle Computerfunktionen des Forschungscenters kontrollierte, manifestierte sich in Form eines Frauenkopfes, der an südeuropäische Marmorbüsten der Antike erinnerte.

»Guten Morgen, Professor McGloominter«, begrüßte ihn die Lichtenergie-Projektion sanft. »Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Herfahrt. Laut Tagesplan stehen die Kalkulationen der euklidischen Verzögerungsvariablen für das neue Koordinatensystem an. Sollen wir damit beginnen?«

John wühlte seine Aufzeichnungen durch. »Später, Delphi. Ich habe zuerst etwas mit Nyla und Scott zu besprechen. Würdest du inzwischen die Herstellung der neuen Q-Bot-Serie initiieren und sie mit allen Daten des Raumzeitgefüges füttern, unter Berücksichtigung der Riemannschen Mannigfaltigkeit?«

»Natürlich, Professor McGloominter. Wenn Sie es wünschen …«, bestätigte die KI, und ihr Gesicht verwandelte sich in einen vollständigen Körper. Sie trat auf John zu und hielt ihm ein Autorisierungs-Pad entgegen. »Ich benötige für die Ausführung Ihrer Anordnung eine DNA-Verifizierung.«

»Ja, richtig«, murmelte er. Dass die Projektionen der neuartigen Heliogramm-Technologie feste Formen annehmen und Materie selbstständig bewegen konnten, irritierte ihn manchmal. Obwohl es sich um eine Gyronics-Entwicklung handelte.

Er legte die Hand auf das Pad.

»Ich registriere erhöhte Stressmuster in Ihrer Stimme. Geht es Ihnen gut, Professor McGloominter?« Delphi nahm das Analysegerät wieder an sich.

»Meine Güte … ja doch!« Er riss sich zusammen. »Ich habe letzte Nacht schlecht geschlafen. Das ist alles.«

Ohne eine Erwiderung verschwand das Heliogramm.

John zog seine Assistentin mit sich zum anderen Ende des Raums und schob sie in den Antigrav-Lift. Beide schwebten ein Stockwerk nach unten.

»Sag mal, ist tatsächlich alles in Ordnung?«, hakte Nyla Singer beunruhigt nach. »Du wirkst so zerstreut. Du hast Delphi eine Aufgabe gegeben, die sie bis an ihre Grenzen auslastet. Da bleiben keine Kapazitäten mehr für …«

»Ich weiß.« Seine Miene verhärtete sich, Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn.

Ich habe nur die eine Chance. Wenn es beim ersten Mal nicht klappt, bin ich mitsamt meinen Forschungen erledigt!

Unten traten beide aus der Liftröhre und erreichten die Abteilung, hinter deren Schutzwänden die Fluktuationskammern lagen. In jeder Kammer transformierten mächtige Konverter das Brymm-Mineral zu reiner Energie und erschufen das für die Versuchsreihe wichtige Eindämmungsfeld.

Scott Greene stürzte aus der Photonischen Datenverarbeitung. Als Wunderkind war er bereits mit vierzehn von Gyronics eingestellt worden und hatte sich innerhalb der vergangenen fünf Jahre zum Computercrack entwickelt.

»Boss!«, regte sich der junge Mann auf. »Irgendwer in der Chefetage hat unseren Zugangsstatus für den Q-Bot-Researches-Bereich gesenkt. Wir stehen infolgedessen so limitiert da, als ob wir Laborgehilfen wären. Das gab’s noch nie!«

John spielte den Gleichgültigen. »Eine Vorsichtsmaßnahme von Yanderbrook wegen eines Sicherheitsproblems. Kein Grund zur Sorge, Scott.« Er dirigierte seine Mitarbeiter in den Computerkernraum und an das Transcend-Terminal.

Greene warf Nyla einen fragenden Blick zu, erntete jedoch ein Schulterzucken. »Aber, Boss … die schicken weitere Sicherheitsdroiden. Zu uns! Ich kriege langsam Muffensausen. Könntest du mich endlich aufklären?«