Heilen ohne Medikamente

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Im Umkehrschluss heißt das aber: Was erlebt wird, ist permanent präsent. Zur Erinnerung: Ein Kind hat kein teleologisches (zeitlich nach vorn gerichtetes und absichtlich aufrufbares) Bewusstsein. Alles Erlebte wird im verborgenen Unterbewusstsein abgespeichert. Deshalb werden genau in dieser Zeit unterbewusst Verhaltensmuster aufgrund von Erlebnissen und Erfahrungen gebildet, die ein Leben lang aufrechterhalten bleiben können. Ein Kleinstkind nimmt seine Umwelt rein emotional wahr – nicht rational. Da Gefühle stets als gegenwärtig empfunden werden, glaubt ein Kleinkind, seine Erlebnisse dauerten ewig – es kennt noch keine Zukunft, kein Vergehen, kein Abwarten. Deshalb weinen Kinder auch oftmals so herzzerreißend, wenn ihnen etwas Angst macht oder wehtut. Sie glauben, dieser Zustand würde ewig bestehen.

Macht ein Kind innerhalb genau dieser drei Jahre traumatische Erfahrungen – dazu gehören bereits Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen genauso wie frühkindliche Krankenhausaufenthalte oder schmerzhafte Erlebnisse –, so bildet sich hierdurch beim Kind eine besonders hohe Sensibilität für potenzielle Gefahrensituationen aus. Hier liegt der Ursprung von Traumatisierungen. Nicht später! Die Wochen um die Geburt herum scheinen der Zeitraum zu sein, in welchem die Schwelle für empfundene Lebensgefahr am niedrigsten ist. Gefahren oder schlechte Nachrichten haben deshalb generell in unserer Wahrnehmung einen höheren Stellenwert als gute Nachrichten, weil ein Mensch ohne Positivmeldungen zumindest überleben kann – in Gefahr ist dies jedoch fraglich. Bis ins dritte Lebensjahr hinein verfügt ein Kind noch nicht im Geringsten über die kognitiven Fähigkeiten, die uns Menschen so erfolgreich Erlebtes verarbeiten lassen, aber dennoch – und das ist das Tragische – merkt sich das kindliche Gehirn alles, was es erlebt, und es vergisst nichts – schon gar nicht Angst machende Dinge. Im Zeitraum von rund drei Monaten ab der Geburt scheint die Sensitivität für Traumatisierungen sogar am höchsten zu sein.

Doch bereits in der dritten Schwangerschaftswoche – zu dieser Zeit weiß eine Mutter meist noch gar nicht, dass sie schwanger ist – beginnt das Herz zu schlagen, und die ersten Nervenzellen entwickeln sich. Mit Letzteren sind wir in der Lage, chemische Unterschiede aus dem mütterlichen Blut in unserer Umgebung zu registrieren. Allerdings gibt es in der Gebärmutter noch nicht allzu viele spürbare Unterschiede – es ist für den Follikel immer einigermaßen gleich warm und gleich dunkel. Doch ab diesem Zeitpunkt ist der kleine Zellknubbel, der zweieinhalb Wochen später unser Nervenzentrum ist, bereits in der Lage zu spüren, ob sich Stresshormone, Glückshormone, Schlafhormone oder etwa Drogen in seiner Umgebung befinden. Das Kind tritt in Interaktion mit dem mütterlichen Körper. Es beginnt – im weitesten Sinne – zu denken. Nach weiteren sechs Wochen etwa nennt man diesen kleinen Haufen von Nervenzellen, der sich stetig weiterentwickelt, bereits Gehirn.

Im Alter von etwa fünf Monaten bekommt das Kind sogar eine ganz genaue Vorstellung davon, ob es im Bauch willkommen oder etwa ungewollt ist. Es braucht sich lediglich beim mütterlichen Organismus bemerkbar zu machen, beispielsweise indem es sich herumdreht oder von innen gegen die Bauchdecke der Mutter tritt. Das tut es ab diesem Zeitraum für gewöhnlich und bekommt darauf die Antwort seiner Mutter in Form von Neurotransmittern, die durch die Nabelschnur direkt zum embryonalen Gehirn rasen und ihm die gleichen Gefühle ermöglichen, die seine Mutter empfindet. Entweder sie freut sich, ihr Kind zu spüren, dann bekommt dieses einen Endorphinstoß, der als Glücksgefühl wahrgenommen wird, oder sie ist verzweifelt, weil sie gar kein Kind will, dann spürt der Embryo einen Adrenalinstoß. Dieses Stresshormon wird von einem Ungeborenen fast wie ein Stromschlag empfunden. Wenn das Kind diese Erfahrung ein paar Mal gemacht hat, schlussfolgert es, dass es offenbar eine ganz schlechte Idee ist, sich allzu deutlich bemerkbar zu machen. In der Zeit vor der Geburt ist Stress nicht subjektiv interpretierbar und wird daher vom Embryo als absolut wahrgenommen! Die Ursache aller stressbedingten Symptome ist folglich hier zu finden.

Konditionierung

Damit sind wir im Bereich der Reiz-Reaktions-Verknüpfungen oder auch Konditionierungen. Das Prinzip der Konditionierung lässt sich recht einfach beschreiben: Sie spüren etwas (etwa einen kleinen Stromschlag), worauf Sie mit dem unbeschreiblichen Gefühl eines Elektroschocks (starkes Unwohlsein und Erregtheit) reagieren, und zeitgleich nehmen Sie etwas Bestimmtes wahr, das Ihnen bislang völlig gleichgültig war (vielleicht die an sich bedeutungslose Lautfolge Zick). Je öfter das geschieht, desto eher glauben Sie, dass das bislang Gleichgültige Ihr Gefühl erzeugte: Das heißt, Sie zucken bereits zusammen, wenn Sie nur das Wort Zick hören. Durch das ständige Zusammentreffen beider Reize wird die emotionale Bedeutung des ersten Reizes einfach auf einen weiteren Reiz ausgeweitet. So kommt es, dass Menschen tatsächlich glauben, Zigarettenrauch würde das Ausschütten von Glückshormonen erzeugen, obwohl ihnen jeder Nichtraucher beim Einatmen von Qualm etwas husten und somit bestätigen würde, dass der Qualm keineswegs glücklich macht. Der Raucher ist darauf konditioniert, dass Rauchen offenbar nur Erwachsenen erlaubt ist und in kleinen Pausen stattfindet: Er fühlt sich, sobald er qualmt, frei von Erwartungsdruck.

Dabei zeigt sich, dass wir voller Konditionierungen sind. Beispielsweise bekommen fast alle Menschen einen Adrenalinstoß, wenn man sie anschreit – dabei ist eine laute Stimme keinesfalls bedrohlich, wie jeder bestätigen kann, der schon einmal einen Operntenor live singen hörte. Das eigentlich Bedrohliche an einer lauten Stimme haben Menschen oftmals bereits im Mutterleib erfahren, wenn die eigene Mutter von Eltern, Partnern oder jemand anderem angeschrien wurde oder selbst Grund zum erregten Schreien hatte. Mütterliche Stresshormone werden zeitgleich mit der lauten Stimme, die das Kind im Bauch ja deutlich vernimmt, ausgestoßen – und das auch nur, weil früher bei der Kindeserziehung nicht nur geschrien, sondern auch geschlagen und verletzt wurde. So differenziert und nachhaltig können sich Konditionierungen auswirken.

Nun wissen Sie, dass Sie im Umgang mit lernfähigen Kindern sehr behutsam sein müssen, da diese nach kurzer Zeit automatisch davon ausgehen, dass A und B zusammengehören. Die Konditionierung ist leider ein unglaublich mächtiger Faktor beim Erlernen von Verhaltensweisen – sie begleiten einen Menschen oft ein Leben lang. Daraus resultierende Verhaltensmuster nehmen ihren Ursprung in der Kindheit und werden durch Wiederholung, Bestätigung und tiefe emotionale

Eindrücke verstärkt und unterbewusst auf weitere Reize generalisiert. In Zusammenhang mit Stress lassen sich Konditionierungen übrigens wesentlich effektiver, nachhaltiger und schneller schaffen als mit Glücksgefühlen – das korrespondiert mit dem, was ich weiter oben bereits erwähnte: Stress hat eine höhere Relevanz für uns (→ Seite 30). Solche unterbewussten Verknüpfungen lassen sich jedoch dank der hier beschriebenen Coachingtechniken gut und schnell wieder auflösen.

Beispiele: Erlernte Reiz-Reaktions-Paare

Orale Stimulation und Mutterliebe werden so lang verknüpft, bis das Kind tatsächlich glaubt, ein Schnuller im Mund würde beruhigen, und womöglich bis zum Lebensende das Gefühl hat, bei Stress durch Einsamkeit oder Hilflosigkeit etwas essen zu müssen – selbst wenn der Körper bereits übergewichtig ist. Eine Wespe oder Biene braucht uns nur einmal zu stechen oder überbesorgte Eltern wedeln aufgeregt rufend mit einer Zeitung herum und warnen das nichtsahnende Kind – schon werden wir bereits beim Anblick einer völlig harmlosen gelb-schwarzen Schwebfliege oder Hummel ängstlich. Das sogenannte Fremdeln bei Babys, die beim Anblick eines bärtigen Mannes anfangen zu weinen, lässt sich oft darauf zurückführen, dass der Mundschutz der Geburtshelfer, die vom Kind als stressauslösend empfunden werden, an einen Bart erinnert. Wenn dann also Wochen später ein bärtiges Gesicht auftaucht, befürchtet das Baby erneut nachgeburtliche Untersuchungen mit schmerzhaften Blutentnahmen und unkomfortablen Prozeduren.

Erforscht wurde die immense Verknüpfungsfähigkeit des Gehirns übrigens bereits Anfang des letzten Jahrhunderts vom russischen Naturforscher und Nobelpreisträger Iwan Pawlow (1849 – 1936). Dieser stellte fest, dass immer dann, wenn er seine Laborhunde füttern wollte, die Tiere in freudiger Erwartung aufsprangen, noch bevor er die Näpfe gefüllt hatte. Er untersuchte diese Beobachtung wissenschaftlich. Dazu schlug er ein kleines Glöckchen an, kurz bevor er den Tieren etwas zu fressen gab. Dies setzte er drei Wochen lang täglich fort und kontrollierte dabei, wie die körperliche Reaktion der Hunde auf das Glöckchen ausfiel. Dazu maß er in einem kleinen Röhrchen den Speichelfluss des Tieres, eine Reaktion auf das zu erwartende Futter. Anfangs reagierten die Hunde auf den Ton noch nicht mit Speichelfluss. Mit dem Glockenton wurde noch nichts Weiteres verknüpft. Doch bereits nach drei Wochen konnte er beobachten, dass die Hunde schon allein auf den Glockenton mit Speichelfluss reagierten. Der Körper des Hundes zeigte eine Reaktion. Pawlow hatte nur das Glöckchen angeschlagen und gar kein Futter ausgeteilt, trotzdem bekamen die Hunde Speichelfluss – eine Verknüpfung zwischen Glöckchen und Futter hatte stattgefunden. Den Tieren lief das Wasser im Mund zusammen, weil sie erwarteten, es gäbe gleich etwas zu fressen.

Die Wissenschaft nennt dies eine bedingte (konditionierte) Reaktion. Mit anderen Worten: Ein Verhalten wurde durch den zweiten Reiz einer nicht kausal begründeten Wenn-dann-Beziehung ausgelöst. Für die Hunde wurde durch das stetige Zusammentreffen zweier Reize (Futter und Glockenton) ein Symbol erzeugt. Nicht wegen des Tons, sondern aufgrund der damit verknüpften Erwartung des Futters reagierten sie mit Speichelfluss.

 

Ist es nicht schon fast eine Frechheit? Das Wissen über Konditionierungen ist bereits seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt und wurde sogar mit einem Nobelpreis bedacht. Und trotzdem werden klassische Reiz-Reaktions-Muster wie Rauchen, Allergien und Naschzwang von der WHO als Krankheiten oder Süchte bezeichnet – mit der Konsequenz, dass sie eine langwierige medikamentöse Behandlung erfordern. Das ist meines Erachtens vorsätzliche Volksverdummung unter Inkaufnahme von Todesfällen. Die Praxis zeigt ganz eindeutig: Konditionierungen spielen eine zentrale Rolle bei der Psychosomatik. Allerdings muss man in der Patientenbiografie sehr weit zurückgehen, wenn man den Ursprung aufdecken will.

Depressionen und Introvertiertheit nehmen ihren Ursprung bereits vor der Geburt, bedingt durch die sich zunehmend ausbildende Verschaltungsfähigkeit, Intelligenz genannt. Wenn Sie also ein Kind empfangen haben, dann seien Sie als Mutter vorsichtig mit dem, was Sie dem Kind gegenüber empfinden, und dem, was Sie generell empfinden. Das Beste wäre, Sie vermeiden während der gesamten Schwangerschaft Angst machende Situationen. Allein die Besorgnis eines unerfahrenen Arztes kann eine junge Mutter derart unter Stress setzen, dass das Kind vorzeitig die Wehen auslöst. In den Kriegsjahren 1944/1945 sind oft nach Fliegeralarmen Kinder frühzeitig zur Welt gekommen. Zur Erklärung sollte man wissen, dass die Geburt tatsächlich mittels eines chemischen Signals vom Embryo veranlasst wird und nicht vom mütterlichen Organismus. Das Baby registriert, wann seine Entwicklungsmöglichkeiten in seiner bisherigen Umgebung erschöpft sind. Stellen Sie sich vor, es wird immer enger, das Baby braucht Bewegung und Sauerstoff. Irgendwann nimmt der Stress im Mutterleib enorm zu, und das Kind entscheidet, sein Dasein an einem anderen Ort fortzusetzen. Ich begreife das embryonale Auslösen der Geburt als eine Art Selbstmord. Der Embryo hat selbstverständlich keine Todesabsicht, aber die hat ein Suizidaler auch nicht. Er will lediglich die Bedingungen des Jetzt verändern und nimmt dafür alles in Kauf. Die Geburt ist damit, so zeigt sich in der täglichen Praxis durch Befragung in Hypnose, ein notwendiges Übel, das man nicht noch verschlimmern sollte. Doch genau das geschieht zumeist in den zivilisierten Ländern. Hier wird oft bereits den Neuankömmlingen in unserer Gesellschaft ein Trauma bereitet, welches man mit psychologischen Analyseverfahren noch bis ins hohe Alter nachweisen kann. Der Charakter mit all seinem Konfliktpotenzial entstammt gleichsam unserer frühesten Kindheit. Die meisten unserer Verhaltensmuster werden in dieser Zeit unterbewusst entworfen – und damit auch unsere potenziellen Symptome.

Viele Menschen sind überrascht, wenn ich ihnen erkläre, dass sie als Kind in den ersten drei Jahren des Lebens ab Zeugung Erlebtes rein emotional erfahren haben und sie daher keinerlei zeitliches Einordungsvermögen hatten. Die Konsequenz, dass Bedrohliches als Situation von ewiger Dauer abgespeichert wird und somit ein Angstmuster erzeugen kann, verblüfft viele, wenngleich dies den meisten Klienten einleuchtet. Da dieses Ur-Trauma vom Kind als existenzbedrohlich empfunden und völlig unterbewusst verschaltet wird, kann es ein Leben lang durch entsprechende Trigger, also Erinnerungen, die die gleiche körperliche Stresssituation auslösen wie während des Ursprungserlebnisses, aufgerufen werden. „Genau das ist ja der Grund, warum Angehörige immer so ratlos sind, wenn sie sehen, wie bei einem erwachsenen Menschen durch einen harmlosen Fahrstuhl, eine bevorstehende Flugreise oder einen Zahnarzttermin eine überschießende Panikreaktion ausgelöst wird“, erkläre ich dann. Ein Erwachsener empfindet Situationen mit einem ganz anderen kontextuellen Verständnis als ein Kleinkind – er weiß, dass Dinge einfach wieder vorbeigehen und man sie auch aushalten kann. Ein Kind weiß das nicht. Dinge, bei denen ein Erwachsener nur gelassen mit den Achseln zuckt, erscheinen einem Kind wie eine lebensbedrohliche Katastrophe – und umgekehrt: Dinge, bei denen ein Kind glaubt, sein Leben wäre nun zu Ende, empfindet ein Erwachsener als überschaubare Lappalie.

Da die Logik der Symptome aber auf der Reife und der Macht eines Säuglings oder Kleinkindes basiert, welches sich vor der Wiederholung einer Traumatisierung schützen will und dieses Schutzmuster folglich im Unterbewussten konzipiert, wird ein Symptom immer deutlicher und stärker, je öfter die zu vermeidende Befürchtung eintritt. Je öfter ein Mensch re-traumatisiert wird, desto schlimmer wird seine Krankheit. Wenn Sie einfach nur Symptome bekämpfen, fürchtet der Mensch unterbewusst den Verlust seines Schutzkonzeptes – und das Symptom verschlimmert sich.

Unser Denken beginnt also bereits weit vor der Geburt (was in unserer Gesellschaft noch völlig unterschätzt wird). Darüber hinaus kann unser Gehirn nichts vergessen und jederzeit alles Datenmaterial abrufen (erinnern), vorausgesetzt, wir nutzen es erlebend (passiv). Und was diese Fähigkeit unseres eigenen biologischen Supercomputers nun für unsere Lebensqualität bedeutet, sehen Sie an einem Phänomen, das bislang nur bei uns Menschen festgestellt wurde:

Albtraum der Medizin: der Placeboeffekt

„Alles nur Einbildung, Simulation und Aberglauben“, der Begriff Placeboeffekt ist Ihnen sicherlich unter solchen Vorbehalten bekannt. Doch was genau steckt eigentlich dahinter? Wenn Sie einem Menschen Morphium verabreichen, eines der stärksten und wirksamsten Schmerzmittel, das auch zur Analgesie bei Operationen verwendet wird, dem Probanden jedoch mitteilen, es handle sich um eine wirkungslose Lösung, wird er bei Schmerzreizen fast genauso reagieren wie ohne Morphium.

Als Placebos gelten Medikamente oder Maßnahmen wie Operationen ohne medizinisch nachgewiesenen Wirkstoff oder therapeutischen Effekt, die trotzdem eine Heilung hervorrufen können. Placebomedikamente enthalten nur Füllstoffe wie Milchzucker und Stärke, chirurgische Eingriffe bestehen aus oberflächlichen Schnitten. Der erzielte Effekt wird Placeboeffekt genannt (nach dem lateinischen Ausdruck placebo, wörtlich: „Ich werde gefällig sein“).

Was genau die Wirkung eines Placebos ist, kann die Schulmedizin nicht erklären. In der Regel ist die Rede von der Aktivierung der Selbstheilungskräfte, hervorgerufen durch den Glauben an das Medikament.

Heißt das nun, dass alle Krankheiten eingebildet sind? Sind das alles Hypochonder, bei denen der Placeboeffekt auftritt? Nein, es ist ganz anders. Erinnern Sie sich: Die Psyche reagiert zwar auf substanzielle Wirkungen, ist aber an sich völlig substanzunabhängig. Ein Beispiel: Es ist Ihrer Psyche absolut egal, ob Sie gerade nur denken, jemand ruft Ihren Namen oder ob das tatsächlich jemand tut. In beiden Fällen ist die subjektiv empfundene Wirkung gleich. Wenn Sie sich dabei erschrecken, stößt Ihr Körper Adrenalin aus, das Stresshormon. Der erhöhte Adrenalinspiegel ist nicht eingebildet, er ist im Blut labortechnisch nachweisbar. Ein Gedanke hat also Ihre Körperfunktionen gesteuert.

Um die Wirksamkeit eines neuen Medikaments bewerten zu können, wird seine Wirkung mit der bisherigen Standardtherapie verglichen. Wo es keine Standardtherapie gibt, wird das neue Präparat gegen Placebos getestet. Einer Patientengruppe wird das echte Medikament verabreicht, der anderen Gruppe das Scheinmedikament. Ein Medikament wird erst dann als wirksam eingestuft, wenn es die Wirkung des Placebos deutlich übertrifft. Das Placebo sollte in Form, Farbe und Geschmack dem richtigen Medikament gleichen.

Nun können Sie sich auch erklären, warum sehr kleine und sehr große Tabletten besser wirken als mittelgroße. Rote Tabletten helfen besser als weiße, teuere besser als billige, und Spritzen wirken sowieso besser als Tabletten. Wenn die Spritzen von Ärzten gegeben werden, zeigen sie zudem mehr Wirkung als diejenigen, die von Krankenschwestern verabreicht werden. Das liegt ganz einfach daran, dass viele Patienten die Darreichungsform des Medikamentes registrieren und bewerten und dass sie Ärzte für kompetenter halten als Krankenschwestern. Überdies spürt der Patient auch Tausende von unterbewussten Signalen, die der Arzt aussendet. Wissen die Ärzte nämlich, welche Patienten das Placebo erhalten, ist es in dieser Gruppe weniger wirksam. Daher werden Versuche meistens als Doppelblindstudien angelegt. Hier wissen weder Patienten noch Ärzte, wer das echte Medikament erhält. Dies wird gemacht, um eventuelle Suggestionswirkungen auszuschließen. Dabei übersieht die Placeboforschung glatt, dass der Placeboeffekt auf einer Suggestionswirkung basiert – aber eben auf einer Autosuggestion. Das, was der Patient für heilsam hält, sorgt für die Ausschüttung körpereigener Botenstoffe und wirkt dementsprechend auf den Körper. Dabei ist es dem Körper völlig egal, ob Sie hierfür Placebos oder Aspirin nehmen, ob Sie sich einer Hypnose unterziehen oder ob es sich um Voodoo handelt.

Um die rein pharmakologische Wirkung von Arzneimitteln zu untersuchen, müsste man folglich sämtliche Reize abschirmen, die ein Patient mit einer therapeutischen Handlung verknüpft. Übrigens können Patienten auch unter Placebos unerwünschte Nebenwirkungen entwickeln.

Ein wissenschaftlich dokumentierter amerikanischer Fall aus den Fünfzigerjahren berichtet von einem kalifornischen Krebspatienten, genannt Mr Wright (unter anderem beschrieben in Howard und Daralyn Brody: Der Placeboeffekt. Die Selbstheilungskräfte unseres Körpers. dtv-Verlag, München 2002, und in Bernie Siegel: Love, Medicine & Miracles. Harper & Row, New York 1986).

Mr Wright hatte Lymphknotenkrebs im Endstadium. Die Tumoren erreichten bereits die Größe von Orangen, und der behandelnde Arzt rechnete mit dem nahen Ende seines Patienten. Als Wright von sensationellen Testergebnissen eines aus Pferdeserum gewonnenen Krebsmedikaments namens Krebiozen erfuhr, bekniete er seinen Arzt, dieses Mittel sofort zu besorgen. Der Arzt kam dem Wunsch nach, und schon kurze Zeit später injizierte er Wright das experimentelle Pferdeserum. Als der Arzt nach dem Wochenende in die Klinik kam, fand er seinen Patienten im Gang, wo dieser prächtig gelaunt mit den Krankenschwestern scherzte. Seine Tumoren verschwanden binnen weniger Tage und „schmolzen wie Schneebälle in der Sonne“. Wright war nach nur zehn Wochen sogar in der Lage, mit seinem Privatflugzeug 4.000 Meter hoch zu fliegen, obwohl er zuvor noch künstlich beatmet worden war und als todkrank galt.

Nach einigen Wochen tauchten in den Zeitungen widersprüchliche Meldungen über die Wirksamkeit von Krebiozen auf. Fast augenblicklich verschlechterte sich Wrights Zustand, der Krebs brach wieder aus. Der Arzt erklärte ihm, er solle nicht an den Quatsch in den Medien glauben, und injizierte ihm eine, wie er es nannte, „extrapotente Neuversion“ des Mittels. Der Erfolg war diesmal noch erstaunlicher. Wright konnte sogar das Spital verlassen. Zwei Monate erfreute er sich bester Gesundheit. Bis er den vernichtenden Endbericht der American Medical Association über die Krebiozen-Studie las. Das Mittel wurde als völlig wirkungslos beurteilt und als glatter Fehlschlag abqualifiziert. Darauf erlitt Wright einen neuerlichen Rückfall und starb innerhalb von zwei Tagen.

Dieser Bericht gilt als gesichert. Doch auch heute noch gibt es zahlreiche eindrucksvolle Schilderungen des Placeboeffekts, welcher übrigens nichts mit Spontanheilung zu tun hat, sondern die Wirkung von Informationen auf den Körper beschreibt. Der zeitgenössische Heidelberger Medizin-Ethnologe Dr. med. Gerhard Heller berichtete im Jahr 2000 von einem Fall im Klinikum Freiburg, wo ein Patient in Selbstmordabsicht Schlaftabletten hortete. Die Pfleger hatten wohl schon mit etwas Ähnlichem gerechnet und gaben ihm Zuckerpillen. Tatsächlich hat dieser Patient dann alle Placebos auf einmal geschluckt. Ärzte und Pfleger haben sich zwar insgeheim darüber lustig gemacht, aber am nächsten Tag war der Mann tot. Die russische Ärztin Tatjana Lackmann betreibt eine Klinik am Bodensee, in der sie innerhalb einer Woche schwer kranke Menschen allein mit angedeuteten chirurgischen Eingriffen erfolgreich und überprüfbar kuriert. Sie benutzt dabei keine Skalpelle, sondern sagt einfach nur, sie würde schneiden und Gewebe entfernen, derweil sie mit ihren Fingern an den zu behandelnden Körperstellen herumnestelt. Ich selbst habe während des Studiums in Dortmund einige Psychologievorlesungen besucht, in denen philippinische Wunderheiler mit ähnlichen Verfahren verblüffende Erfolge erzielten.

 

Der Placeboeffekt sollte daher nicht unterschätzt werden, er hat viele Gesichter:

Je bedeutsamer der Name des Präparats klingt und je komplizierter die Anweisungen sind, desto größer ist der Heilerfolg. Die Ansprechrate lässt sich dadurch von 20 Prozent bis auf 70 Prozent steigern. Grundsätzlich können Placebos bei allen Krankheiten eine Wirkung zeigen. Schon rein statistisch betrachtet zeigen die meisten Placebos dieselbe Wirksamkeit wie die substanziell orientierten Medikamente. Damit leuchtet auch ein, dass auch Nebenwirkungen unter der Einnahme von Placebos auftreten, darunter Kopfschmerzen, Müdigkeit, Benommenheit, Verstopfungen, Erbrechen und Hautausschläge.

Beunruhigend an der Placebodiskussion ist, dass wahrscheinlich die meisten Ärzte sich absolut im Klaren darüber sind, dass die Gedanken und Gefühle des Patienten einen Einfluss auf seine Biochemie, auf seinen Zellstoffwechsel, also letztlich auf seinen gesamten Organismus ausüben, doch scheint es, als sei dieses Wissen unzulässig. Ich frage mich allen Ernstes: Wenn doch die herkömmliche Chirurgie zum einen eine Menge tödlicher Risiken birgt, zum anderen enorme Kosten verursacht und den Ausgang einer Operation nicht vorhersagen geschweige denn garantieren kann, wieso wird die Placeboforschung dann nicht zur Selbstverständlichkeit? Wieso wird Psychologie nicht Schulfach in der Mittelstufe? Sollen wir etwa gar nicht wissen, wie einfach es ist, gesund zu sein?

Medikamente werden von den Pharmakonzernen mit einem ungeheuren finanziellen Aufwand getestet, bevor sie durch die Behörden zugelassen werden. Bevor ein Medikament durch klinische Testphasen geht, muss zunächst am Computer und in Tierversuchen der Nachweis erbracht werden, dass das Präparat für Menschen unbedenklich ist. Überlegen Sie bitte: Viele medizinische Probanden erhalten bis zu 1.000 Euro und durchlaufen in den Studien mehrere klinische Phasen. Hinzu kommen Personalkosten für Ärzte und Schwestern sowie Laboruntersuchungen. Das ergibt alles in allem zusammen Hunderttausende von Euros. Damit sich diese hohen Investitionen für einen Konzern überhaupt rechnen, muss er dafür sorgen, dass seine Vertriebspartner am besten gar nicht erst auf die Idee kommen, es gäbe eine für sie lohnenswerte Alternative zu Medikamenten. Ärzte könnten heilen, wenn sie wollten – allerdings bekämen sie wohl kein Geld dafür, denn den stressreduzierenden Einfluss, den ein Arzt hat, wenn er seinem Patienten Mut und Hoffnung macht, kann man nicht ICD10-verschlüsseln, also nicht im kassenärztlichen Abrechnungssystem unterbringen.

Der Placeboeffekt bedeutet also nichts anderes, als dass statt exogener (äußerer) Einflüsse endogene (innere) Einflüsse unseren Körper steuern, also Gedanken, die unser Gehirn zum Handeln veranlassen.

Auch unseren Muskeln ist es völlig egal, aus welchem Grund das Gehirn die Ausschüttung von Carnitin und den Bau von Muskelfasern veranlasst. Ob ich nun im Fitnessstudio Gewichte hebe oder mir nur bildlich und lebhaft vorstelle, ich stemme eine Hantel, ist für den Muskelaufbau absolut einerlei. Der Sportphysiologe Guang Yue von der Cleveland-Klinik im US-Bundesstaat Ohio bewies im Jahre 2001, dass allein der Gedanke an Sport das Muskelwachstum anregt. Zehn Probanden im Alter zwischen 25 und 35 Jahren mussten fünf mentale Trainingseinheiten pro Woche absolvieren. Die Probanden sollten sich dabei vorstellen, dass sie den Bizeps so stark wie möglich anspannen würden. Die Gehirnaktivität wurde mit Elektroden aufgezeichnet, zudem überwachten die Forscher, dass die Teilnehmer die Muskeln nicht wirklich anspannten. Bereits nach 14 Tagen waren die Muskeln um bis zu 13,5 Prozent gewachsen. Bereits in den späten 1970er Jahren trainierten russische Wintersportler zu 75 Prozent allein mental und erreichten mit 22 Medaillen, davon zehnmal Gold, den ersten Platz bei den Olympischen Winterspielen 1980 in Lake Placid.

Das können Sie auch: Sie legen sich schön bequem auf eine Liege und stellen sich 20 Minuten lang ganz intensiv und bildhaft vor, Sie würden eine bestimmte Muskelgruppe trainieren, etwa die Bauchmuskeln. Idealerweise machen Sie danach ein paar wenige entsprechende Gymnastikübungen. Sie werden sehen, was dieses Mentaltraining bewirkt. Falls Sie professionelle Unterstützung möchten: Meinem Buch Anti-Aging liegt eine CD bei, mit deren Hilfe Sie mittels Ihres bildhaften Vorstellungsvermögens Ihren Körper gezielt formen und aufbauen können.

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