Prozesstechnik und Technologie in der Brauerei

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Prozesstechnik und Technologie in der Brauerei
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PROZESSTECHNIK UND TECHNOLOGIE IN DER BRAUEREI

Annette Schwill-Miedaner


IMPRESSUM

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© 2021 Fachverlag Hans Carl GmbH, Nürnberg

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Titelbild: Christina Schönberger

Layout und Satz: Komhus Agentur für Kommunikation, Essen

ISBN 978-3-418-00930-8

eISBN 978-3-418-00929-2

VORWORT

Der Brauprozess bzw. die Bierbereitung setzt sich aus einer Aneinanderreihung von verfahrenstechnischen Grundoperationen unter Einbeziehung von langjähriger brautechnologischer Wissenschaft zusammen. Mein erstes Buch „Verfahrenstechnik im Brauprozess“ hatte die Zielsetzung, diesen Zusammenhang aufzuarbeiten. Im folgenden Buch „Prozesstechnik und Technologie in der Brauerei“ bleibt dieser Leitgedanke erhalten. Allerdings ergibt sich aufgrund von Entwicklungsarbeiten im Bereich der Sudhaustechnik der letzten 6 Jahre eine Schwerpunktverschiebung hin zur Technologie.

Desweiteren werden die Kapitel zur Filtrations- und Stabilisierungstechnik aktualisiert.

Das Buch wendet sich gleichermaßen an die Studierenden des Brauwesens wie an die Praktiker in Brauereien und Zulieferindustrie und soll als kompaktes Nachschlagewerk dienen. Neben der verfahrenstechnischen Betrachtung werden auch grundlegende hydrodynamische, thermodynamische, physikalisch-chemische und technologische Zusammenhänge aufgegriffen. Die Optimierung der Qualität des Endprodukts Bier steht dabei stets im Vordergrund.

Herrn Dipl.- Ing. Josef Englmann und Herrn Prof. Dr.-Ing. Heinz Miedaner danke ich für die Diskussionsbereitschaft im technisch-technologischen Bereich.

Folgenden Personen und Firmen möchte ich für den regen Informationsaustausch und für die Bereitstellung von Bildmaterial danken:

Dipl.-Ing. Friedrich Banke, Banke process solutions

Dipl.-Ing. Tobias Becher, Ziemann Holvrieka GmbH

Dipl.-Ing. Christoph Föhr, Filtrox AG

Dipl.-Brmstr. Christian Galaske, Lehmann&Voss&Co. KG

Dipl.-Brmstr., Dipl.-Ing. Reiner Gaub, Pall GmbH

Dr.-Ing. Frank Hebmüller, Ingenieurbüro Hebmüller GmbH

Dipl.-Ing. Wolf-Dietrich Herberg, GEA Westfalia Separator Group GmbH

Dipl.-Ing. FH Michael Kurzweil, Ziemann Holvrieka GmbH

Dipl.-Ing. Matthias Lustnauer, Eaton Technologies GmbH

Dr.-Ing. Rudolf Michel, GEA Brewery Systems GmbH

Dipl.-Ing. Michael Rittenauer, Bühler GmbH

Dr.-Ing. Ralph Schneid, Krones AG

Norbert Scholten, SF-Soepenberg GmbH

Dipl.-Ing. Clemens Thüsing, Künzel Maschinenbau GmbH

M. Eng. Isabel Wasmuht, Ziemann Holvrieka GmbH

Brmstr. Klaus Wasmuht

Pentair Flow and Filtration Solutions

Albert Handtmann Armaturenfabrik GmbH & Co.KG

Sonthofen, im Juli 2021

INHALT

1Zerkleinern – Schroten

1.1Allgemeines

1.2Bruchmechanische Grundlagen

1.3Einteilung der Zerkleinerungsprozesse und Beanspruchungsarten

1.4Zerkleinerungsmaschinen

1.4.1Trockenzerkleinerung

1.4.1.1Walzenmühlen

1.4.1.2Prallmühlen

1.4.2Nasszerkleinerung

1.4.2.1Dispergiermaschinen

1.4.2.2Rührwerkskugelmühle

1.4.2.3Nassschrotung

1.5Charakterisierung des zerkleinerten Produkts

1.5.1Partikelgrößenverteilung

1.5.2Kontrolle der Zerkleinerung (Analysenmethoden)

1.5.2.1Siebturm

1.5.2.2Luftstrahlsieb

1.5.2.3Laserbeugungsspektrometer (Streulichtmessung)

1.5.2.4Bildanalyse

1.6Zerkleinerung des Malzes

1.6.1Aufgaben

1.6.2Malzlösung

1.7Praktische Anwendung von selektiven Zerkleinerungstechniken

1.7.1Einfluss des Spelzeneintrags auf den Brauprozess

1.7.2Einfluss des Blattkeims auf den Brauprozess

Literatur

2Maischen

2.1Kennzeichnung der Stoffsysteme

2.2Verfahrenstechnische Ziele des Maischens

2.2.1Wärmeübertragung

2.2.2Stoffübertragung

2.3Ausführung von Maischgefäßen

2.4Prozessparameter - Bierqualität

2.5Reaktionskinetik

2.5.1Grundlagen

2.5.2Untersuchungen zur Zeitoptimierung von Maischverfahren

2.5.2.1Stärkeabbau

2.5.2.2Eiweißabbau

2.5.2.3ß-Glucanabbau

2.5.2.4Schlussfolgerung zur Zeitoptimierung von Maischverfahren

Literatur

3Rühren

3.1Sedimentation im Schwerefeld

3.2Rührertypen

3.3Rührerleistung

3.4Turbulenz und mechanische Beanspruchung

3.4.1Theorie

3.4.2Betrachtungen zur mechanischen Belastung der Maische

3.5Rheologie

3.5.1Theorie

3.5.2Viskositätsbestimmung in der Maische

 

Literatur

4Kontinuierliches Maischen

4.1Theoretische Grundlagen

4.2Ermittlung der Verweilzeitspektren einer 2-stufigen Rührkesselkaskade

4.3Kontinuierlicher Maischversuch

Literatur

5Abläutern

5.1Theoretische Grundlagen

5.1.1.Sedimentation im Schwerefeld

5.1.2Filtration

5.1.3Stofftransport

5.2Der Läuterbottich

5.3Untersuchungen zur Durchlässigkeit von Treberschichten in Läuterbottichen

5.4Der Maischefilter

5.5Alternative Trennsysteme

5.5.1Kontinuierliches Abläutern mit Dekanter

5.5.2Dynamische Membranfiltration

5.5.2.1Trennsystem mit oszillierenden Membranen

5.5.2.2Trennsystem mit Drehscheibenfiltern

Literatur

6Würzekochung

6.1Ausdampfverhalten von Aromastoffen bei der Würzekochung

6.1.1Atmosphärische Kochung

6.1.2.Entspannungsverdampfung

6.1.3Verdunstung

6.2Wärmeübertragung

6.2.1Dampfseitiger Wärmeübergang

6.2.2Produktseitiger Wärmeübergang

6.3Heißhalten der Würze

6.3.1Thermische Belastung – Thiobarbitursäurezahl (TBZ)

6.3.2Eiweißauscheidung – Koagulierbarer Stickstoff

6.3.3Isomerisierung – Bitterstoffe

6.3.4Entfernung flüchtiger Würzeinhaltsstoffe – Dimethylsulfid (DMS)

6.4Kochsysteme

6.4.1Außenkocher

6.4.2Innenkocher (Robertverdampfer, Naturumlaufverdampfer)

6.4.2.1Jet-Star® (submerged jet)

6.4.2.2Stromboli®

6.4.2.3Shark®

6.4.3Niederdruckkochung

6.4.3.1Dynamische Niederdruckkochung (NDK)

6.4.4Hochtemperaturwürzekochung (HTWK)

6.4.5Dünnfilmverdampfer (Merlin®)

6.4.6Externe Hopfenisomerisierung

6.5Beurteilung von Würzekochsystemen

6.6Maßnahmen zur Wärmerückgewinnung

6.6.1Energiespeicher

6.6.2Würzekochung und Brüdenverdichtung

6.7Korrektur der Würzearomastoffe

6.7.1Verdampfung im Vakuum

6.7.1.1Entspannungskühler

6.7.1.2Vakuumnachverdampfung

6.7.1.3Schonkochverfahren

6.7.2Volatile Stripping mittels Gas

6.7.2.1Stripping mittels Dampf

6.7.2.2Stripping System Boreas®

6.7.3Dünnfilmverdampfung

6.7.4Schaffung großer Oberflächen

6.7.5Unterdrückung der Nachbildung von Aromastoffen

6.8Das Sudhauskonzept OMNIUM®

Literatur

7Heißtrubentfernung

7.1Whirlpool

7.2Alternative Trennapparate

Literatur

8Würzekühlung

Literatur

9Belüftung

Literatur

10Kühltrubentfernung

Literatur

11Gärung und Reifung

11.1Allgemein

11.2Kontinuierliche Verfahren

11.2.1Coutts-Verfahren (Zulaufverfahren)

11.2.2APV-Gärturm (Durchlaufverfahren)

11.2.3Bio-Brew-Verfahren (Durchlaufverfahren)

11.2.4Optimiertes Bio-Brew-Verfahren

11.2.5Immobilisierung

11.2.6Reaktortypen

11.3Regelung und Optimierung von Gärung und Reifung

11.4Kalthopfung

Literatur

12Filtration

12.1Prinzip

12.2Filtrationsarten

12.3Theoretische Modellbeziehungen

12.4Kuchenfiltration

12.4.1Konstanter Volumenstrom (dV/dt = konst.)

12.4.2Konstanter Druck (Δp = konst., V2 ~ t)

12.4.3Filtration mit veränderlichem Druck und veränderlicher Leistung

12.5Filtration in der Praxis

12.5.1Vorfiltration

12.5.2Filterbauarten

12.5.2.1Kieselgurschichtenfilter

12.5.2.2Horizontalfilter (Drahtgewebefilter)

12.5.2.3Kerzenfilter

12.5.2.3.1Spaltfilter

12.5.2.3.2Kerzenfilter mit Drahtspirale

12.5.2.3.3Kerzenfilter System Twin-Flow®

12.5.3Membranfiltration

12.5.3.1Cross-Flow-Filtration

12.5.3.2Scherspaltfilter

12.5.3.3Filter mit oszillierenden Membranen (VMF-Verfahren)

12.5.4Nachfiltration

Literatur

13Stabilisierung

Literatur

14Probennahme

14.1Die Bedeutung der Probennahme im Brauprozess

14.2Probennahme und Probenteilung

14.3Eingangskontrolle am Beispiel Malz

14.4Zwischenproduktkontrolle

14.4.1Schrotprobe

14.4.2Treberprobe

14.4.3Pfanne-Voll-Würze

14.4.4Ausschlagwürze

14.4.5.Heißwürze nach dem Whirlpool

 

14.4.6Kühlmittewürze

14.4.7Kaltwürze

14.4.8Reifungsprobe

Literatur

15Anhang

15.1Formelzeichen und Abkürzungen

15.2Gebrauchsformeln für den Wärmeübergang (Quelle: Lehrstuhl V.d.S., Weihenstephan)

15.2.1Strömung in Rohren

15.2.2Strömung längs einer ebenen Wand

15.2.3Umströmter Einzelkörper (Kugel)

15.3Stoffwerte

15.4Wasserdampftafel

15.5AR-Ω-Diagramm

Register

1ZERKLEINERN – SCHROTEN
1.1ALLGEMEINES

Zerkleinerungsprozesse spielen bei der Verarbeitung von festen Stoffen in zahlreichen Industriebereichen (Baustoffindustrie, Bergbau, chemische und pharmazeutische Industrie, Lebensmittelindustrie usw.) eine maßgebliche Rolle. Der Vorgang des Zerkleinerns ist Bestandteil des Produktionsablaufs. Er liefert die Basis für weitere verfahrenstechnische Schritte (z. B. Sortieren, Mischen, Agglomerieren) und thermische und/oder chemische Umsetzungen. Man definiert die Zerkleinerung als das Zerteilen eines Feststoffgefüges in Teilstücke unter der Wirkung mechanischer Kräfte [1.1]. Damit ist eine Vergrößerung der spezifischen Oberfläche des zu zerkleinernden Guts, eine Verringerung der Korngrößen bzw. eine Veränderung der Korngrößenverteilung verbunden. Der neue Dispersitätszustand beeinflusst die nachfolgenden Prozesse (z. B. Maischen, Läutern). Infolge der vergrößerten Oberfläche können physikalische und chemische Reaktionen schneller ablaufen. Ob dies bei der Würzebereitung zutrifft, wird an späterer Stelle brautechnologisch diskutiert. Weiterhin tritt durch die Zerkleinerung u. a. eine Veränderung der Fließfähigkeit und Mischbarkeit sowie bestimmter Austauschvorgänge ein.

1.2BRUCHMECHANISCHE GRUNDLAGEN

Als Bruch wird die zum Verlust der Tragfähigkeit eines Festköpers führende Stofftrennung im makroskopischen Bereich definiert, bei dem durch äußere oder innere mechanische Spannungen die atomaren bzw. molekularen Bindungen aufgehoben werden [1.2]. Jedem Bruch geht eine Deformation in der beanspruchten Zone voraus. Damit ist die zur Zerkleinerung erforderliche Energie von der Größe des deformierten Bereichs, von den elastischen Eigenschaften des beanspruchten Festkörpers und von der Beanspruchungsart abhängig. Der Bruchvorgang basiert unter Annahme idealer Bedingungen auf folgender Vorstellung [1.2, 1.3]:

Ein fester Körper setzt sich aus einer Vielzahl kleinster Elementarteile zusammen z. B. Ionen, Atome, Moleküle, Kristalle. Seine Elastizität wird durch die Kraftwirkungen zwischen den Elementarteilen, den inneren Kräften (Gitterkräfte) bestimmt. Als mögliche Bindungsart unterscheidet man kovalente Bindungen, Ionenbindungen, metallische Bindungen und Van-der-Waals-Bindungen. Die aus der Deformation der inneren Elektronenschalen resultierenden abstoßenden Kräfte FS und die aus der Massewirkung resultierenden anziehenden Kräfte FZ wirken als innere Kräfte. Wenn auf den Feststoffkörper keine äußeren Kräfte einwirken, stehen die inneren Kräfte im Gleichgewicht. Die Elementarteilchen nehmen dann einen bestimmten Abstand r0 zueinander ein (Abb. 1.1).

Abb. 1.1:Schematische Darstellung der Kraftwirkungen zwischen benachbarten Elementarteilchen eines Feststoffkörpers [1.2]


Der Bruch tritt ein, wenn die Wechselwirkungskraft Fmax bei rmax überwunden wird. Die inneren Kräfte stehen nun nicht mehr im Gleichgewicht zueinander. Die Einwirkung von äußeren Kräften in Form von Zug- oder Schubspannungen (Abb. 1.2) führt zwischen den Elementarteilchen zu einer Abstandsvergrößerung r > rmax. Zur Einleitung des Bruchs muss einem Feststoffteilchen die nach Gleichung (1.1) ermittelte Bruchenergie zugeführt werden.


WBr = Bruchenergie
r = Abstand zwischen den Elementarteilchen
r0 = Abstand zwischen den Elementarteilchen im Ruhezustand
rmax = Abstand zwischen den Elementarteilchen beim Einsetzen der Rissbildung
F = Kraft

Abb. 1.2:Bruchverhalten (Trennbruch, Gleitbruch)


Der Zerkleinerungsvorgang kann in zwei Abschnitte unterteilt werden. Zuerst erfolgt die elastische Deformation in der Bruchzone, wodurch die zum Bruch erforderlichen Spannungen aufgebaut werden. Darauf folgt der eigentliche Bruchvorgang, der neue Grenzflächen schafft.

Abb. 1.3:Linear-elastisches Materialverhalten nach [1.4]


Man unterscheidet drei verschiedene Arten des Materialverhaltens von festen Stoffen: linear-elastisches, elastisch-plastisches und visko-elastisches Verhalten. Beim linear-elastischen Materialverhalten (Abb. 1.3) besteht eine Proportionalität zwischen der Dehnung ε und der Spannung σ.




σ = Bruchspannung
E = Elastizitätsmodul
Δx = Längenänderung unter Krafteinwirkung
x = charakteristische Abmessung

Spröde Stoffe haben ein hohes Elastizitätsmodul E (Stoffwert). Dem Sprödbruch geht nur eine geringe Verformung voraus. Nach einem kurzen Verformungsweg (Dehnung εB) baut sich eine hohe Spannung auf, was beim Erreichen der Bruchspannung σB einen Materialbruch zur Folge hat. Gummielastische Stoffe dagegen erfahren bereits durch kleine Spannungen eine deutliche Verformung, die Rissausbreitung schreitet langsam voran [1.4]. Die jeweils eingezeichnete Fläche unter σ-ε stellt die auf die Volumeneinheit bezogene eingebrachte Energie (erforderliche Zerkleinerungsarbeit bis zum Erreichen des Bruchs) dar.


Malz erfordert, bedingt durch seine spröden Eigenschaften, infolgedessen einen geringeren Energieaufwand zur Zerkleinerung als z. B. unvermälzte Gerste [1.5]. Der aus energetischen Gründen günstigere Sprödbruch (Gegensatz Zähbruch, besteht beim Gleitbruch) hängt, neben dem Material, von der Temperatur, der Beanspruchungsgeschwindigkeit und der Ausgangskorngröße ab.

Abb. 1.4:Visko-elastisches Materialverhalten [1.4]


Visko-elastische Stoffe zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich bei langsamer und lang andauernder Beanspruchung (Zeitabhängigkeit) ausdehnen und im Inneren gleichzeitig Spannungen abbauen (Relaxation), was entsprechende spezifische Arbeit erfordert (Abb. 1.4, Kurve a). Bei hoher Beanspruchungsgeschwindigkeit und kurzer Dauer tritt die energietechnisch günstigere Versprödung ein (Kurve b). Den gleichen Effekt hat eine Temperaturerniedrigung.

Abb. 1.5:Bruchphänomene bei elastisch-sprödem Materialverhalten [1.6]


Abb. 1.5 zeigt Bruchbilder bei Einzelkornbeanspruchung durch Druck oder Prall bei elastisch-sprödem Materialverhalten. Während beim Druck Risse von einer Kontaktstelle zur anderen verlaufen, wandern beim Prall die Risse divergent von der Kontaktstelle in die Partikel. Der Bruch beginnt mit einem Riss (Primärbruch), der sich mehrmals verzweigt (Sekundärbrüche). Dann entsteht in den Kontaktbereichen ein Bruchfeld mit großer Rissdichte (blaue Fläche), wodurch Feingut erzeugt wird. Bei großen Kugeln hoher Festigkeit bilden sich zwei berührende Feingutkegel aus.

Die theoretischen zum Bruch erforderlichen Spannungen lassen sich bei Zugbelastung des Materials mit und bei Scherbeanspruchungen mit (G Schubmodul) abschätzen [1.2].

Die in der Praxis erforderlichen Bruchspannungen liegen um zwei bis drei Zehnerpotenzen niedriger als die theoretische Bruchspannung, da reale Körper im Gitteraufbau Inhomogenitäten aufweisen. Diese können aus Gitterfehlern, Korngrenzen oder Anrissen bestehen. Infolge der Störungen im Kristallgitter liegt im beanspruchten Körper eine inhomogene Spannungsverteilung vor. Die Kraftlinien weichen den Störstellen aus und konzentrieren sich vermehrt an den Spitzen der Risse. An diesen Stellen treten dadurch Spannungsspitzen auf, die ein Mehrfaches des theoretischen Mittelwerts der Bruchspannung betragen. Hier ist die Bruchgrenze bereits bei geringer äußerer Beanspruchung überschritten. Der Bruch beginnt an diesen hoch belasteten Stellen (Kerbwirkung) und breitet sich von dort aus. Abb. 1.6 verdeutlicht die Gegebenheiten für einen Anriss in einer ebenen Platte, die von außen mit der zum Bruch erforderlichen Zugspannung σ0 beaufschlagt ist. Demnach verläuft die Ausbreitung eines bereits vorliegenden Primärrisses schon bei Spannungen, die deutlich unter der theoretischen Bruchspannung liegen. Die Spannungsüberhöhung an der Rissspitze wird umso größer, je länger der Anriss l und je kleiner der Krümmungsradius rK der Rissspitze ist [1.4, 1.7].

Abb. 1.6:Spannungsverteilung an der Rissspitze (ebene Platte, linear-elast., halb ellipt. Anriss) [1.4]



l = Länge des ganzen Anrisses
rK = Kerbradius
σm = Maximalspannung an der Rissspitze
σ0 = homogene Belastung der Probe


Mit abnehmender Korngröße infolge weiterer Zerkleinerung ist eine geringere Zahl an Fehlstellen verbunden, wodurch die Festigkeit des Mahlguts zunimmt und zur weiteren Zerkleinerung eine höhere spezifische Arbeit erforderlich ist. Schließlich wird die Mahlbarkeitsgrenze erreicht, die für viele Materialien bei 1 bis 5 μm liegt. In diesem Bereich treten plastische Verformungen, aber keine Brüche mehr auf. Die Zerkleinerung stellt einen sehr energieintensiven Vorgang dar. Nur ein geringer Teil der einer Zerkleinerungsapparatur zugeführten Energie wird als Nutzarbeit verbraucht. Die technische Zerkleinerungsarbeit Wges setzt sich zusammen aus:



WA = Grenzflächenenergie zum Trennen der Elementarteilchen
WVZ = zerkleinerungstechnische Verlustarbeit (z. B. plastische Deformation der Körner ohne Bruch, Reibung der Körner untereinander)
WVM = maschinentechnische Arbeitsverluste (z. B. Reibungsverluste der Antriebselemente)

Erste Ansätze zur Berechnung der Zusammenhänge zwischen der Zerkleinerungsarbeit und der neu geschaffenen Oberfläche bzw. Partikelgröße erarbeiteten Rittinger, Kick und später Bond [1.6] (Abb. 1.7). Die komplette mathematische Erfassung der Zerkleinerungsvorgänge für ein Körnerkollektiv ist, im Gegensatz zur Betrachtung des Einzelkorns [1.8], bis heute nicht möglich, sodass man sich nach wie vor auf Versuchsreihen und die Empirie der Mühlenbauer stützt.

Abb. 1.7:Spezifische Zerkleinerungsarbeit in Abhängigkeit von der Korngröße [1.6]