Zwangsvollstreckungsrecht

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VI. Übersicht: Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO)

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Prozessuale Gestaltungsklage bei materiell-rechtlichen Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung. Klageziel: Unzulässigerklärung der Vollstreckung aus Urteilen sowie aus den weiteren der in § 794 I ZPO aufgeführten Titeln (vgl. § 795 ZPO). Der Titel selbst bleibt bestehen.


I. Zulässigkeit 1. Statthaftigkeit – statthaft bei materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den dem Titel zugrunde liegenden Anspruch – Abgrenzung möglicherweise erforderlich a) zur Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) Abgrenzung insbesondere problematisch beim Vorliegen einer sog. Vollstreckungsvereinbarung sowie bei Mangelhaftigkeit der Zug um Zug angebotenen Gegenleistung im Rahmen der Zug um Zug-Vollstreckung nach § 756 ZPO. b) zur Klauselgegenklage (§ 768 ZPO) Klagegegenstand kann ähnlich sein oder sogar Eingreifen beider Klagen nebeneinander möglich (dann objektive Klagehäufung). c) zur Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) d) zur Abänderungsklage (§ 323 ZPO) Anwendungsbereich überschneidet sich nicht mit dem von § 767 ZPO. e) zur (umstrittenen) Klage auf Titelherausgabe nach § 826 BGB f) und zur Berufung Vollstreckungsabwehrklage und Berufung sind meist beide statthaft und zulässig, wenn der Schuldner nach der letzten mündlichen Verhandlung, aber noch innerhalb der Berufungsfrist, eine Einwendung gegen den titulierten Anspruch erhält. Der Schuldner kann den günstigeren Rechtsbehelf wählen. 2. Zuständigkeit Örtlich und sachlich ausschließlich das Prozessgericht des ersten Rechtszugs, also das Gericht, bei dem der Rechtsstreit, in welchem der Titel erwirkt wurde, in der ersten Instanz geführt worden ist (§§ 767 I, 802 ZPO); Sonderregeln in §§ 795 ff ZPO; § 796 III ZPO (Vollstreckungsbescheid): Gericht, das für eine Entscheidung im Streitverfahren zuständig gewesen wäre; § 797 III ZPO (notarielle Urkunde: Gericht am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners). 3. Rechtsschutzbedürfnis – zeitlicher Rahmen: Zwangsvollstreckung droht und ist noch nicht beendet. – Bei Klage gegen Vollstreckung aus einem Prozessvergleich muss geprüft werden, ob nicht Unwirksamkeit des Vergleichs zu einem Wiederaufleben des Ausgangsrechtsstreits führt.
II. Begründetheit – Bestehen der Einwendung und keine Präklusion nach § 767 II oder III ZPO 1. Einwendungen – jede materiell-rechtliche Einwendung, u.a. auch (unter strengen Voraussetzungen) die Verwirkung der Vollstreckung – nicht jedoch: Änderung der Rechtsprechung zugunsten des Schuldners 2. Präklusion – Zweck der Präklusion: Schutz der Rechtskraft des Vollstreckungstitels, Rechtssicherheit – Anwendbarkeit der Präklusionsvorschriften nur auf rechtskräftige Titel; daher nicht anwendbar bei vollstreckbaren Urkunden (§ 797 IV ZPO) – maßgeblicher Zeitpunkt beim streitigen Urteil: Entstehung der Einwendung vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung – maßgeblicher Zeitpunkt beim Versäumnisurteil und Vollstreckungsbescheid: Entstehung der Einwendung vor Ende der Einspruchsfrist – Entstehung der Einwendung bedeutet bei einfachen Einwendungen: erstmalige Möglichkeit der Geltendmachung – Bei Gestaltungsrechten ist sehr streitig, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist (h.L.: tatsächliche Ausübung; Rspr.: früheste objektive Möglichkeit der Ausübung). – Bei einzelnen Gestaltungsrechten kommt es (unstreitig) auf die tatsächliche Ausübung an; so bei vertraglich vereinbarten Ausübungsfristen oder beim Widerrufsrecht. 3. „Doppelte Vollstreckungsabwehrklage“ (§ 767 III ZPO) – Wiederholung der Vollstreckungsabwehrklage möglich, sofern nicht aufgrund von § 767 III ZPO wegen Präklusion (hier subjektiver Maßstab!) unzulässig.

Anmerkungen

[1]

Zöller/Herget, ZPO, § 767 Rn. 1.

[2]

BGH NJW 2009, 1282.

[3]

Dazu näher Schilken, Rn. 1072 (den Anspruch letztlich ablehnend).

[4]

BGH NJW 1987, 3256, 3257 f.

[5]

BGH NJW 2002, 2940, 2943.

[6]

Jauernig/Hess, § 64 Rn. 12.

[7]

Dazu Schwab, Rn. 622 ff.

[8]

Näher Schwab, Rn. 293 ff.

[9]

Vgl. Kaiser/Kaiser/Kaiser, Rn. 7 mit beispielhafter Formulierung.

[10]

Brox/Walker, Rn. 201 ff.

[11]

OLG Karlsruhe NJW 1974, 2242; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 766 Rn. 26.

[12]

Ausführlicher Kaiser, NJW 2010, 2330.

[13]

BGH NJW 2005, 2313.

[14]

BGH NJW 1980, 188, 189.

[15]

BGH NJW 2002, 444.

[16]

Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, § 794 Rn. 21.

[17]

BGH NJW 1996, 3345; näher Schuschke/Walker/Raebel, § 767 Rn. 28.

[18]

OLG Koblenz NJW-RR 2002, 1509.

[19]

MünchKommZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 767 Rn. 70.

[20]

BGH NJW 1993, 2178.

[21]

MünchKommBGB/Grothe, Vorbem. §§ 194 ff Rn. 13 m.N.

[22]

Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 767 Rn. 40.

[23]

In einem Ausnahmefall hat der BGH das Eingreifen des § 826 BGB allerdings auch einmal verneint. Dort hatte der Schuldner schon vor Klageerhebung bezahlt, hat dies aber nie vortragen, BGH NJW-RR 2012, 304.

[24]

 

BGH NJW-RR 1987, 1022; dazu auch die Übungsklausur von Wittschier, JuS 1999, 804.

[25]

BGH NJW 1994, 3292.

[26]

BGH NJW 2015, 955; zu allem Schmidt, JuS 2015, 845.

[27]

BGHZ 34, 274, 279 m. Anm. Maihold, JA 1995, 754; BGH NJW-RR 2006, 229; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 767 Rn. 22a; Zöller/Herget, ZPO, § 767 Rn. 14.

[28]

Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 767 Rn. 32 ff; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 40 Rn. 62.

[29]

OLG Koblenz OLGR 2001, 455 ff.

[30]

BGH NJW 2005, 2926.

[31]

BGH NJW 1994, 2769.

[32]

Auch Lüke, JuS 1995, 685.

[33]

Dazu Fischer, JuS 2007, 921.

[34]

Anders noch BGH NJW 1996, 57 – heute nicht mehr vertretbar. Ausführlich Schwab, JZ 2006, 170 (der außer der europarechtlichen Komponente weitere Argumente bringt); Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, 4. Auflage 2016, Rn. 356.

[35]

Zur Klauselrichtlinie EuGH Slg. 2002, 10875 (Cofidis); Slg. 2006, 10421 (Claro).

[36]

OLG Stuttgart NJW 1994, 1225, 1226.

[37]

BGH NJW 1994, 460; grundlegend anders MünchKommZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 767 Rn. 86; K. Schmidt, Festgabe 50 Jahre BGH, Bd. 3 (2000), S. 491, 508.

[38]

Brox/Walker, Rn. 1357.

[39]

BGH NJW-RR 1987, 59.

[40]

Ausführlich zu diesem Problem Rahak, JA 2011, 101 m.N.

[41]

BGH NJW 2002, 133, 135.

[42]

BGHZ 39, 97, 100; 55, 59, 62.

[43]

BGHZ 39, 97, 101.

[44]

Rahak, JA 2011, 101, 103.

[45]

MünchKommBGB/Schürnbrand, § 508 Rn. 54, der daher auf die Wegnahme abstellt.

[46]

So Brox/Walker, Rn. 440 f; MünchKommZPO/Gruber, § 817 Rn. 25 (sogar u.U. schon vor der Pfändung der konkreten Sache); Rahak, JA 2011, 101, 104.

[47]

Dagegen etwa AG Gelsenkirchen-Buer DGVZ 1979, 75.

[48]

MünchKommBGB/Schürnbrand, § 508 Rn. 59.

[49]

Zöller/Herget, ZPO, § 767 Rn. 14.

[50]

BGH NJW 2001, 231; Jauernig/Berger, § 12 Rn. 8; Thomas/Putzo/Seiler, § 767 Rn. 22.

[51]

BGH NJW 2001, 231, 232.

§ 6 Titelgegenklage (Klage sui generis analog § 767 ZPO)

Studienliteratur:

Deubner, Aktuelles Zivilprozessrecht, JuS 2008, 222; Özen/Hein, Die prozessuale Gestaltungsklage analog § 767 ZPO, JuS 2010, 124 ff; K. Schmidt, Vollstreckung aus abstraktem Schuldversprechen trotz Verjährung, JuS 2010, 263; Socha, Neues von der prozessualen Gestaltungsklage analog § 767 ZPO, JuS 2008, 794.

Inhaltsverzeichnis

I. Zielrichtung

II. Hauptanwendungsfall: Die notarielle Unterwerfungserklärung

III. Zulässigkeit

IV. Begründetheit

V. Übersicht: Titelgegenklage (Klage sui generis analog § 767 ZPO)

§ 6 Titelgegenklage (Klage sui generis analog § 767 ZPO) › I. Zielrichtung

I. Zielrichtung

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Die Klage nach § 767 ZPO ist nur statthaft, wenn der Kläger Einwendungen gegen den titulierten Anspruch geltend macht (Rn. 215 ff). Er trägt also nicht die Fehlerhaftigkeit des Titels selbst vor. Für Letzteres finden sich im Gesetz regelmäßig nur die §§ 732, 768 ZPO als statthafte Rechtsbehelfe. Diese passen aber längst nicht immer. § 768 ZPO greift ohnehin nur, wenn eine Voraussetzung für die Erteilung einer qualifizierten Klausel fehlt (Rn. 157). Und die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO ist ihrer Stellung und eigentlichen Aufgabe entsprechend immer deutlicher als rein formaler Rechtsbehelf aufgefasst worden. Die Erinnerung greift ein, wenn der Titel offenkundig nichtig ist, so dass der Urkundsbeamte es bei der Erteilung der Klausel hätte erkennen müssen. Aber sie greift nicht, wenn die Nichtigkeit des Titels versteckt war oder gar auf komplizierten materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen beruht (Rn. 171 ff).

259

Daher besteht eine Regelungslücke, die der BGH in ständiger Rechtsprechung füllt, indem er § 767 ZPO analog anwendet, wenn es um Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Titels an sich geht[1]. Man spricht von einer „Klage sui generis“, einer „prozessualen Gestaltungsklage analog § 767 I ZPO“ oder, klar und treffend, von einer Titelgegenklage[2]. Es ist inzwischen ganz herrschende Ansicht, dass § 767 ZPO analog angewendet werden kann, wenn der Titel nichtig ist[3]. Darin kann man einen Erst-recht-Schluss sehen: Wenn der Schuldner schon bei materiell-rechtlichen Einwendungen gegen die im Titel enthaltene Forderung die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklären lassen kann, muss er dies erst recht tun dürfen, wenn der ganze Titel nichtig ist.

Die in § 767 II und III ZPO enthaltenen Vorschriften zur Präklusion finden bei der Titelgegenklage keine Anwendung. Der Grund dafür liegt darin, dass es hier keine schützenswerte rechtskräftige Entscheidung gibt[4].

260

Auch die Titelgegenklage ist eine prozessuale Gestaltungsklage. Im stattgebenden Urteil wird die Zwangsvollstreckung wegen Unwirksamkeit des Titels für unzulässig erklärt.

BGH NJW 1994, 460:

„Ist ein Zahlungstitel nicht der materiellen Rechtskraft fähig, weil nicht erkennbar ist, über welchen Anspruch das Gericht entschieden hat, kann der Schuldner mit einer prozessualen Gestaltungsklage analog § 767 I ZPO beantragen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Titel für unzulässig erklärt wird.“

Klausurhinweis:

Die Vollstreckungsabwehrklage und die Titelgegenklage sollten nie in einer Prüfung „vermischt“ werden. Man prüft zuerst die Vollstreckungsabwehrklage an, die aber schon in der Statthaftigkeit scheitert, und prüft dann separat die Titelgegenklage.

§ 6 Titelgegenklage (Klage sui generis analog § 767 ZPO) › II. Hauptanwendungsfall: Die notarielle Unterwerfungserklärung

II. Hauptanwendungsfall: Die notarielle Unterwerfungserklärung

§ 6 Titelgegenklage (Klage sui generis analog § 767 ZPO) › II. Hauptanwendungsfall: Die notarielle Unterwerfungserklärung › 1. Typischer Umfang

1. Typischer Umfang

261

Die Titelgegenklage wird besonders häufig gegen die Vollstreckung aus notariellen Unterwerfungserklärungen erhoben. Spätestens wenn einem ein solcher Fall begegnet, ist es nötig, die notarielle Unterwerfungserklärung gut zu kennen. Oben wurde schon die Funktion der notariellen Unterwerfungserklärung als Titel dargestellt (Rn. 79). Für die Zwangsvollstreckung sind weitere Einzelheiten wichtig. Zur Veranschaulichung dient zunächst das folgende typische Beispiel einer solchen Erklärung:

„Grundschuldbestellung

mit Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung

1. Der Eigentümer X bestellt hiermit der B-Bank an dem ihm gehörenden, im Grundbuch von Münster (nähere Angaben) eingetragenen Grundstück (nachfolgend Pfandobjekt) eine Grundschuld ohne Brief in Höhe von 100 000 Euro.

2. Die Grundschuld ist vom heutigen Beurkundungstage an mit 12 % jährlich zu verzinsen. Die Zinsen sind jeweils am Ende des Kalenderjahres fällig.

3. Unterwerfung unter die sofortige Vollstreckung

3.1. Wegen des Grundschuldkapitals nebst Zinsen unterwerfe ich, S, mich als Sicherungsgeberin der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in das belastete Pfandobjekt in der Weise, dass die sofortige Zwangsvollstreckung in das Grundeigentum auch gegen den jeweiligen Eigentümer zulässig sein soll.

3.2. Für die Zahlung eines Geldbetrags, dessen Höhe der bewilligten Grundschuld – Kapital und Zinsen – entspricht, übernehme ich, S, die persönliche Haftung. Ich unterwerfe mich wegen dieser persönlichen Haftung der Gläubigerin gegenüber der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in das gesamte Vermögen. Die Gläubigerin kann die persönliche Haftung unabhängig von der Eintragung der Grundschuld und ohne vorherige Zwangsvollstreckung in das belastete Pfandobjekt geltend machen.

4. Schlussbestimmungen/Salvatorische Klauseln (…)“

262

Von Bedeutung ist Ziffer 3 (Unterwerfung). Dort finden sich typische Unterwerfungserklärungen. Ziffer 3.1 enthält eine dingliche Unterwerfungserklärung. Diese Erklärung dient der sofortigen Zwangsvollstreckung der eingetragenen Grundschuld. Grundsätzlich müsste die B-Bank aus der Grundschuld auf Duldung der Zwangsvollstreckung klagen (§§ 1192, 1147 BGB). Erst nach dem Urteil könnte die Zwangsvollstreckung in das Grundstück beginnen. Die notarielle Unterwerfungserklärung in Ziffer 3.1 ersetzt dieses Gerichtsurteil. Es kann direkt aus der Erklärung in das Grundstück vollstreckt werden. Da die Erklärung ein Grundschuldurteil ersetzt, kann sie nicht weitergehen, als ein solches Urteil reichen würde. Deshalb ist der Zugriff auf das unbewegliche Vermögen (§§ 1192, 1147 BGB) beschränkt. Aus diesem Grund heißt diese Art der Unterwerfungserklärung dingliche Unterwerfungserklärung. Nach § 800 ZPO kann die dingliche Unterwerfungserklärung (nach Erteilung einer qualifizierten Klausel iSd. § 727 ZPO) auch jeden Eigentümer des Grundstücks treffen. Diese Folge muss aber zum einen in der Unterwerfungserklärung ausdrücklich enthalten sein (vgl. Beispiel) und zum anderen muss die Unterwerfung ins Grundbuch eingetragen werden.

 

263

Ziffer 3.2 hingegen enthält eine persönliche Unterwerfungserklärung. Diese Erklärung stellt nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH ein abstraktes Schuldversprechen nach § 780 BGB dar[5]. Dadurch wird vom Schuldner nochmals unabhängig (abstrakt) anerkannt, dass eine Schuld gegenüber der Bank in Höhe des Grundschuldbetrags besteht. Das Schuldversprechen dient praktischen Zwecken. Das Anerkenntnis ist nämlich aufgrund der Rechtsnatur als notarielle Unterwerfungserklärung ebenfalls sofort vollstreckbar. Im Gegensatz zur dinglichen Unterwerfungserklärung ist die Zwangsvollstreckung nicht auf die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen beschränkt. Vielmehr kann die Bank auch in das gesamte persönliche Vermögen des Schuldners vollstrecken. Wird der Kredit notleidend, kann die Bank die Lohnansprüche des Schuldners oder aber bewegliche Vermögensgegenstände pfänden. Diese Erweiterung des Zugriffsbereichs der Zwangsvollstreckung hat insbesondere dann Bedeutung, wenn die Verwertung des Pfandgrundbesitzes zur Befriedigung der Bank nicht ausreicht oder aber eine Zwangsversteigerung des Grundstücks wirtschaftlich nicht zweckmäßig ist, zum Beispiel weil es sich um eine Gewerbeimmobilie handelt, deren Versteigerung den gesamten Betrieb des Schuldners lahmlegen würde.

264

Zur Vertiefung:

Durch die dingliche Unterwerfungserklärung tritt keine Beweislastumkehr ein, wenn darin kein abstraktes Schuldversprechen liegt. Zwar muss der Schuldner Vollstreckungsabwehrklage erheben, um die Vollstreckung zu verhindern, aber der Gläubiger bleibt beweispflichtig für alle den Anspruch begründenden Umstände[6].

Dagegen tritt bei der persönlichen Unterwerfungserklärung eine Beweislastumkehr ein, da in ihr (nach Auffassung der Rechtsprechung) immer zugleich ein abstraktes Schuldversprechen enthalten ist und der Gläubiger nur noch dessen Vorliegen beweisen muss. Wegen dieser (versteckten) Beweislastumkehr muss man einen Verstoß gegen § 309 Nr. 12 BGB prüfen – die Frage, ob ein solcher anzunehmen ist, ist sehr streitig[7]. In der Praxis wird die Anwendbarkeit des § 309 Nr. 12 BGB verneint, weil das Schuldversprechen als ein gesetzlich vorgesehenes Rechtsinstitut angesehen wird.

§ 6 Titelgegenklage (Klage sui generis analog § 767 ZPO) › II. Hauptanwendungsfall: Die notarielle Unterwerfungserklärung › 2. Materielle und verfahrensrechtliche Unwirksamkeitsgründe der notariellen Urkunde

2. Materielle und verfahrensrechtliche Unwirksamkeitsgründe der notariellen Urkunde

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Es kann (in der Klausur typischerweise) geschehen, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung der vollstreckbaren notariellen Urkunde fehlen. So unterliegt der notarielle Vertrag der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff BGB, die aus verschiedenen Gründen negativ ausfallen kann. Auch kann es sein, dass der Schuldner über bestimmte Tatsachen getäuscht wurde und den Vertrag anficht. Das ändert aber meist alles nichts an der Wirksamkeit der notariellen Urkunde selbst, da diese eine gewissermaßen isoliert zu betrachtende prozessuale Willenserklärung ist.

266

Es gibt hier wenigstens vier Konstellationen, die man erkennen können muss: Zunächst kann die Unterwerfungsurkunde selbst einen Fehler in sich tragen. Dann ist der Titel nichtig. Hierbei ist zwischen zwei Fällen zu unterscheiden: Der Titel ist offensichtlich nichtig (dann darf keine Klausel erteilt werden); der Titel ist zwar nichtig, aber dies ist erst bei näherer Prüfung der Rechtslage erkennbar (dann muss eine Klausel erteilt werden). Es kann aber auch sein, dass die Unterwerfungserklärung mit dem darin enthaltenen Schuldversprechen wirksam ist und nur die zugrunde liegende materiell-rechtliche Verpflichtung nicht besteht. Dann muss man unterscheiden zwischen den Fällen, in denen der Schuldner sein Schuldversprechen kondizieren kann und den Fällen, in denen die Abstraktheit des Schuldversprechens durchschlägt und der Gläubiger auf seiner Basis vollstrecken darf, obwohl die zugrunde liegende Forderung nicht (mehr) besteht. Das sei im Folgenden an Beispielen verdeutlicht.