Steinbruchpolka

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Steinbruchpolka
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Birgid Windisch

Steinbruchpolka

Mümlingtalkrimi

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Inhaltsverzeichnis

Titel

E I N S

Z W E I

D R E I

V I E R

F Ü N F

S E C H S

S I E B E N

A C H T

N E U N

Z E H N

E L F

Z W Ö L F

D R E I Z E H N

V I E R Z E H N

F Ü N F Z E H N

S E C H Z E H N

S I E B Z E H N

A C H T Z E H N

N E U N Z E H N

Z W A N Z I G

E I N U N D Z W A N Z I G

Z W E I U N D Z W A N Z I G

D R E I U N D Z W A N Z I G

V I E R U N D Z W A N Z I G

F Ü N F U N D Z W A N Z I G

S E C H S U N D Z W A N Z I G

S I E B E N U N D Z W A N Z I G

A C H T U N D Z W A N Z I G

N E U N U N D Z W A N Z I G

D R E I ß I G

E I N U N D D R E I ß I G

Z W E I U N D D R E I ß I G

D R E I U N D D R E I ß I G

V I E R U N D D R E I ß I G

F Ü N F U N D D R E I ß I G

S E C H S U N D D R E I ß I G

S I E B E N U N D D R E I ß I G

A C H T U N D R E I ß I G

N E U N U N D D R E I ß I G

V I E R Z I G

E I N U N D V I E R Z I G

Z W E I U N D V I E R Z I G

D R E I U N D V I E R Z I G

V I E R U N D V I E R Z I G

F Ü N F U N D V I E R Z I G

S E C H S U N D V I E R Z I G

S I E B E N U N D V I E R Z I G

Impressum neobooks

E I N S

Im Zwielicht des Waldes herrschte eine seltsame Ruhe. Sogar die Vögel hatten aufgehört zu zwitschern, doch das konnte auch an der brütenden Hitze liegen, die das Land nun schon seit mindestens vier Wochen fest im Griff hatte, obwohl das für den Monat September wirklich nicht normal war.

Stöhnend stieg die ältere Dame die Treppe, aus Holz und dunkler Walderde, zum Mömlinger Steinbruch hoch. Sie liebte diesen Weg, den weichen Boden, der bei jedem Schritt nachgab und federte und den tollen Ausblick, als Belohnung für die Mühe des Aufstiegs.

Unten lag der Freizeitpark Königswald in tiefem Frieden. Momentan waren keine Besucher da, was im Herbst eher selten vorkam. Sie ließ den Blick über den Grillplatz schweifen und kniff die Augen zusammen, weil sie kurz dachte, eine verdächtige Bewegung gesehen zu haben - anscheinend doch nichts. Sie schüttelte den Kopf. Ihren Augen konnte sie auch bald nicht mehr trauen, sie sah in letzter Zeit immer schlechter. Stoßweise atmend, hielt sie sich die Seiten und stützte sich schwer auf ihre Wanderstöcke, ohne die es im Wald nicht mehr ging. Mit jedem Jahr tat sie sich schwerer, besonders wenn es bergauf ging. Sie musste einsehen, dass ihre Waldwanderungen wohl bald der Vergangenheit angehören würden.

Seufzend lief sie langsam weiter und wandte sich nach links, um den Weg über die großen Steinbrüche zu nehmen. Das kleine Tal mit der großen Übernachtungsscheune, Grillmöglichkeiten und Zeltplatz ließ sie rechts unter sich liegen und das Versorgungshäuschen lag auch bald hinter ihr.

Versonnen lächelnd, hörte sie einer Amsel zu, die nun doch begonnen hatte, ihr melodisches Lied zu singen. Extra für mich, dachte sie. Besonders schön kam es ihr heute vor. Hoffentlich kein Abschiedskonzert, schoss es ihr wehmütig durch den Kopf, als sie an die Weggabelung kam, wo der eine Weg steil nach unten führte und der andere nach rechts, bergauf. Schwer atmend blieb sie stehen und überlegte kurz, welchen Weg sie nehmen sollte.

Dann beschloss sie mutig, den steilen Abstieg noch einmal zu wagen und wandte sich nach links, während sie sich versprach, dass es diesmal aber wirklich zum letzten Mal sei.

Sie konnte nicht wissen, dass es tatsächlich kein nächstes Mal für sie geben würde und dass dies nicht mehr in ihrer Macht liegen würde.

Z W E I

Magda genoss ihr umfangreiches Sonntagsfrühstück und las dabei in ihrem neuesten Schmöker, der von Abenteuern und Liebe handelte. Gut, dass die Kollegen keine Ahnung hatten, wie gerne sie romantische Bücher las, dachte sie. Dabei wussten es ihre befreundeten Mitarbeiter natürlich längst alle. Sie gönnten ihr die Entspannung von Herzen und verloren kein Wort darüber. Schließlich standen die zahlreichen Liebesromane in rauen Mengen in ihrem Bücherregal und jeder, der schon einmal in Magdas Haus gewesen war, konnte sich denken, dass sie nicht nur zur Dekoration da waren. Sogar ohne kriminalistischen Spürsinn.

Sie lächelte und blätterte dabei um. Mord und Totschlag gab es bei der Arbeit genug, das musste sie daheim nicht auch noch haben.

Fränzchen, ihr Riesendackel, mit dem Aussehen und den Proportionen eines Dackels in überdimensionalen Ausmaßen, schnarchte derweil in seinem Hundekörbchen neben dem Ofen. Ab und zu öffnete er ein Auge, ob sein Frauchen nicht langsam Anstalten machte, aufzustehen. Nein? Immer noch nicht? Dann schnarchte er eben weiter.

Magda seufzte zufrieden, die Heldin in ihrem Buch brauchte zwar lange, aber nun schien sie endlich zu kapieren, dass sie doch zu ihrem Jugendfreund gehörte. Sie sah sich auf dem Tisch um und bemerkte, dass sie unbemerkt alles aufgegessen hatte. Das leere Müslischälchen und der mit Bröseln bedeckte Teller, zeugten von ihrem guten Appetit. Na und - dachte sie - ich kann es mir schließlich leisten. Sie grinste.

„Fränzchen, mein Butzelchen, wir gehen gleich los. Nur noch einen Moment!“ Der so Angesprochene stand auf und dehnte sich, indem er sich durchbog und den Po nach hinten streckte. Dann schüttelte er sich und setzte sich vor die Badezimmertür, hinter der sein Frauchen verschwunden war. Aus Erfahrung wusste er, dass es nicht lange dauern würde, bis sie wieder herauskam. Sie gehörte zu den uneitlen Frauen, fuhr sich mit der Bürste kräftig durch die Haare und war ruckzuck fertig.

Sie betrachtete ihren leicht molligen Körper im Spiegel und warf ihr schulterlanges, braunes Haar, das bereits leicht mit Grau durchsetzt war, zurück und zuckte die Achseln. Wenn sie nicht gar so klein wäre, wäre ihre Figur fast perfekt, aber mit 1,60m sah man sehr schnell moppelig aus. Hauptsache, ihren Verehrer Herbert, den Chef des SEK, den sie bei ihrem letzten Fall kennengelernt hatte, störte es nicht. Im Gegenteil, er schien Gefallen an ihr und ihrer Erscheinung gefunden zu haben und beteuerte, wie sehr er ihre weichen Kurven liebte. Sie ihrerseits, wusste seine stattliche Erscheinung durchaus auch zu schätzen, obwohl ihr Äußerlichkeiten nicht so wichtig waren. Was nutzte einem der schönste Kerl, wenn er ein Idiot war.

 

Bald würde sie sich wieder in seinen Armen wiegen lassen. Sie lächelte gedankenversunken. Wie schön, dass er sich spontan bereit erklärt hatte, an ihrem Tanzkurs als ihr Tanzpartner teilzunehmen. Ihre Stammtanzschule hatte länger geschlossen, weil die schwulen Besitzer ihren Traum von einer Australienreise verwirklichten. Magda vermisste die beiden sehr, denn die Atmosphäre bei ihnen war freundlich bis liebevoll und das Tanzen war fast eine tolle Beigabe, aber nicht das Wichtigste.

Herbert tanzte wirklich gut und die Polka, die dort momentan geübt wurde, war zwar sehr schwungvoll, aber danach hielt er sie immer einen Moment in seinen Armen und sie lächelten sich schweratmend, aber glücklich an. Nein, er war wirklich ein Prachtexemplar von Mann und sie gelangte immer mehr zu der Überzeugung, dass sie endlich doch den richtigen Deckel gefunden hatte - oder er sie.

Der Tanzlehrer und seine Partnerin in dieser neuen Tanzschule, waren zwar auch gut, sehr akkurat und genau, aber gleichzeitig für ihren Geschmack zu sehr geschäftsmäßig – und eher kalt. Kein Vergleich mit ihrer Stamm-Tanzschule. Hoffentlich kamen die Beiden bald gut erholt aus ihrem Urlaub zurück.

Fränzchen sah sie geduldig an. Er kannte sein Frauchen genau und wenn sie so unbeweglich dastand, dachte sie wohl gerade wieder allerlei krause Gedanken.

Endlich öffnete sie die Haustür und Fränzchen stand auf und wedelte erwartungsvoll. „Komm!“ Sie zog sich ihre Jacke an, legte dem Hund sein Geschirr um und dann marschierten sie los, die Molkereigasse hoch, in Richtung Königswald. Am Parkplatz, oben vor dem Schützenhaus, sah Magda einen einsamen, schmutzig-weißen Sprinter stehen, den sie nur unbewusst wahrnahm. Sie gingen die Abkürzung den Berg hoch, Richtung Steinbruch und genossen den morgendlichen Frieden. Beiläufig drehte sie sich dabei einmal um die eigene Achse, weil sie plötzlich ein komisches Gefühl befallen hatte, beobachtet zu werden. Es war jedoch niemand zu sehen.

War das heute eine seltsame Atmosphäre! Unwillkürlich schüttelte sie sich und lauschte angestrengt. Sie traten auf eine kleine Lichtung und Fränzchen schnüffelte eifrig. „Was riechst du denn schon wieder? Eine heiße Spur?“ Magda lachte und sah zum Aussichtsturm hoch, der kerzengerade über ihr, in der blendenden Sonne stand. Sie legte die Hand als Schirm vor die Augen, konnte jedoch nichts erkennen. Komisch, aber sie hatte immer noch das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden.

„Komm Franz, wir gehen weiter!“ Sie zog den widerstrebenden Dackel hinter sich her, der beleidigt mittrottete. „Hab dich nicht so,“ murmelte sie ihm zu. „Ich fühle mich nicht wohl hier, wir müssen weiter nach oben!“ Sie zuckelten gemächlich in den Steinbruch, der sich majestätisch und sonnenbeschienen vor ihnen öffnete und Magda dachte wieder einmal, wie gut sie es hatte, an solch einem schönen Ort zu leben. Die Steinbruchwände erstreckten sich bestimmt über fast einen Kilometer und begleiteten den Weg des Wanderers mit seinen hohen Sandsteinwänden, an denen es hin und wieder kleine Pfade gab, mit Bäumen, die sich tapfer daran festklammerten. Dann marschierte sie über den großen Grillplatz, mit seiner Naturbühne, an den Grillhütten vorbei, wo sie am Ende, rechts, die Treppe erklommen, die auf den Weg, oberhalb der Steinbrüche, führte. Fränzchen war mit seinem Allfußantrieb ruckzuck oben, während Magda langsam hinterherkeuchte. „Ja, ja, ich hab halt nur zwei Füße, im Gegensatz zu dir!“ Fränzchen sah nachsichtig auf sie herab und wartete geduldig. Zusammen machten sie sich auf den Weg nach links und ließen den anderen Steinbruch, mit Grillplatz, Zeltplatz, Schutzhütte und großer Scheune, rechts hinter sich liegen.

Als sie ein Stück auf dem Weg, über den Steinbrüchen gelaufen waren, fing Fränzchen plötzlich an zu ziehen wie ein Verrückter. Magda stemmte sich erst dagegen, bevor sie resigniert nachgab und ihm nachrannte, so schnell ihre Beine sie tragen konnten. Sie kannte ihren Hund gut genug, um zu wissen, dass es sicher einen Grund für sein Ziehen gab und leider sollte sie recht behalten.

An der Weggabelung wurde Fränzchen ganz aufgeregt und zog noch fester nach links. „Halt!“ Magda zog ihn zu sich heran. „Ich möchte nicht gern hinfallen!“ Fränzchen sah sie treuherzig an, bis sie, wie immer, dahinschmolz und zog dann wiederum nach links, den Hang hinab. Magda blieb stehen. „Da hinunter willst du? Den Mountainbikepfad?“ Fränzchen bellte wild und machte Anstalten, sich den Abhang hinunterzustürzen, doch Magda hielt die Leine fest um ihre Hand gewickelt. Sie kniff die Augen zusammen. Lag da etwa jemand? Es sah aus, als schliefe dort ein Mensch, dem Umriss nach. Sie beugte sich vor und dachte nach. Es half nichts, sie musste hinunter. Außen herum würde es zu lange dauern. Vielleicht brauchte die Person dort unten schnell Hilfe! Sie sah suchend auf dem Boden herum und entdeckte einen stabilen Ast, den sie kurzerhand zum Stock umfunktionierte. Dann machte sie sich Schritt für Schritt an den Abstieg, während Fränzchen ihr immer ein Stück vorauslief. Kurz darauf waren sie unten. Sie atmete erleichtert aus und ermahnte ihn, vorsichtig zu sein und hieß ihn Sitz machen. Brav setzte sich der Hund neben die Gestalt auf dem Boden und Magda kniete sich neben die ältere Dame, um ihr Hilfe anzubieten. Doch sie war schon viel zu lange Kommissarin und hatte eigentlich sofort erkannt, dass ihr nicht mehr zu helfen war. Trotzdem hatte sie die unrealistische Hoffnung gehegt, sie hätte vielleicht doch nur einen Schwächeanfall erlitten.

Mit blicklosen Augen starrte die alte Dame in den Himmel und Magda sah sie schaudernd an. Sie kannte und mochte diese Frau. Jahrelang war sie ihr immer wieder im Wald begegnet, wenn sie wie jetzt, mit ihrem Fränzchen unterwegs war. Frau Mollebusch, hieß sie, soweit sie sich erinnerte. Im Ort war sie nur unter „alte Anna“ bekannt, weil sie schon Jahr und Tag allein herumstiefelte und schon immer abgeschafft und alt aussah. „Vielleicht auch vor Gram, wer weiß das schon,“ schoss es ihr durch den Kopf. Sie hatte sie gemocht und es machte sie traurig, zu wissen, dass sie sie nie wieder bei einem Spaziergang hier treffen würde.

Moment mal - ihr Blick glitt langsam an der Leiche hinab. Was war denn das? Sie sah ein Loch, mitten in Annas Brust, das viel zu groß war für ein Messer. Jetzt erst sah sie, dass Annas rote Bluse, blutdurchtränkt war. Schnell ließ sie die Augen nach oben wandern und stirnrunzelnd fiel ihr ein Blumenkranz ins Auge. Nanu? Er sah fast genauso aus, wie der, den sie als Kind bei der Fronleichnamsprozession immer getragen hatte. Blaue Blüten, in einen Haarreif gefasst. Der Mörder hatte ihn seinem Opfer in die weißen Haare gedrückt. Er schien ziemlich fest zu sitzen. Sicher ein Kinder-Reif, dachte sie und zog rasch ihr Handy aus der Tasche, um entschlossen Bens Nummer zu wählen. „Ben Lieb,“ meldete sich dieser kurz darauf. „Ja, ich bin auch lieb, Ben,“ versuchte sie den alten Scherz, ihre Namen Wild und Lieb betreffend. Aber es gelang ihr nicht, Ben als langjähriger Kollege hörte sofort, dass ihr nicht zum Scherzen zumute war. „Ich brauche dich, es gibt eine Tote hier.“ Ben seufzte vernehmlich. „Kannst du nicht einmal irgendwohin gehen, ohne eine Leiche zu finden?“ Magda verdrehte die Augen, ohne dran zu denken, dass er das gar nicht sehen konnte.

„Anscheinend nicht. Bitte informiere sofort die Spusi, ich brauche das volle Programm. Es war Mord!“

„Alles klar, Magda, wir sind unterwegs! Moment – wo bist du überhaupt?“ „Fahr, wenn du von Hainstadt kommst, im Mömlinger Kreisel die zweite Ausfahrt den Berg hoch, bis ganz oben. Am Schützenhaus parkst du und ich telefoniere dich zu mir.“ „Alles klar!“ Ben legte auf und Magda wischte sich erleichtert über die Augen. Der Tod von Anna ging ihr näher, als sie gedacht hätte.

Ihre Nackenhärchen richteten sich auf und sie drehte sich erschrocken, mit einem Ruck um. Forschend ließ sie ihre Augen von Baum zu Baum gleiten. Fränzchen fing plötzlich an zu knurren und Magda beruhigte ihn mit sanften Worten. Dann packte sie ihn fest an der Leine, zog ihre Pistole, die sie im Wald immer bei sich trug, obwohl es gegen die Vorschrift war und schob sich langsam mit ihm in Richtung der Bäume, bis sie es laut knacken hörte, als würde etwas Großes durchs Unterholz brechen. „Der hat einen ganz schönen Zahn drauf, gell, Fränzchen?“ Der Hund sah zustimmend zu ihr hoch und Magda drehte sich wieder um, nicht ohne sich vorher den Baum zu merken, hinter dem der mutmaßliche Beobachter gestanden hatte. „Wir kriegen dich!“ Laut brüllte sie es hinter ihm her und registrierte befriedigt, dass sie zusammen mit Fränzchen, der wieder begonnen hatte zu bellen, anscheinend ganz schön einschüchternd wirken konnte.

D R E I

Zornig stand der Mörder hinter der dicken Buche und beobachtete, wie die Frau mit dem komischen Hund, „seine“ Leiche untersuchte. Er war noch nicht ganz fertig gewesen und hatte sie noch schöner betten wollen. Nun musste er sich damit begnügen, seine Handyfotos anzusehen, die er zum Glück gleich nach dem Mord gemacht hatte. Wenigstens den Blütenkranz hatte er ihr aufsetzen können. Er lächelte versonnen. Schön, hatte sie ausgesehen. So friedlich und jung. Sicher hatte sie sich über den Kranz gefreut. Er hatte ihr den blauen Kranz aufgesetzt, weil er am besten zu ihren Haaren ausgesehen hatte. Wie ein Mädchen wirkte sie jetzt. Keine alte Frau sollte allein im Wald umherlaufen müssen. Aber jetzt war sie ja erlöst.

Doch dass er seinen Tanz nicht vollenden konnte, das nahm er der Frau mit dem Hund sehr übel. Schließlich gehörte das zu seinem Ritual und war ihm sehr wichtig!

Unwillig schüttelte er den Kopf und zog sich vorsichtig zurück.

Zuhause nahm er das Handy in die Hand, um die Speicherkarte herauszunehmen, wobei sich seine Miene leicht aufhellte. Dann schaltete er den Laptop ein, den er in seinem alten Kinderzimmer, im Haus seiner Mutter, versteckt hatte. Flink steckte er sie in den Adapter. Dann lud er die Bilder auf den Rechner, wobei er jedes noch einmal genau musterte. Sein Herz klopfte schneller vor Aufregung.

Seine zweite Leiche in dieser Gegend! Stolz vor sich hin schmunzelnd, hob er seinen Rucksack, in der er die Kränzchen, in ihrer Schatulle sicher verwahrt, transportiert hatte und holte sie nacheinander heraus, um sie auf dem Schreibtisch auszulegen. Gänseblümchen und lila Veilchen waren dabei, rote und zwei mit rosa Rosen. Die würden noch eine Weile reichen. Voll Genugtuung legte er sie vorsichtig zurück, wobei er zärtlich zwischen jeden Kranz eine Lage Seidenpapier legte.

Er legte die Stirn in Falten. Er musste noch einmal zu diesem Flohmarkt gehen, wo er drei Kränzchen gekauft hatte. Schließlich mussten sie zu seiner Trägerin auch passen!

Die anderen Kränze hatte er von seinen alten Damen redlich erworben. Er lachte laut auf. So konnte man es auch nennen!“ Sie brauchten sie jetzt nicht mehr. Er dagegen konnte sie gut verwenden.

Nachdenklich betrachtete er die silberne Spange in seiner Hand. Es war nicht mehr als recht und billig, dass er sie als Andenken behalten hatte. Schließlich hatte die alte Dame seinen wunderschönen Blütenkranz dafür bekommen und ein Haarschmuck war wirklich genug für eine alte Frau!

V I E R

Zehn Minuten später waren Ben, Eddie, Anne und Freddy da. Sie hatten von unterwegs angerufen und Magda hatte sie zum Parkplatz an den Steinbrüchen gelotst. Glücklicherweise war die Schranke oben gewesen, wie sie bei ihrem Aufgang bereits gesehen hatte und so war es für ihr Team kein Problem, zum bezeichneten Parkplatz zu gelangen. Von dort aus waren es höchstens zwei Minuten zu Fuß zum Tatort.

Kurz danach stieß auch Susi zu ihnen, die mollige Rechtsmedizinerin. Sie kannte sich in Mömlingen gut aus, von ihren früheren Spaziergängen mit Magda und hatte problemlos alleine hergefunden.

Freddy begann sofort damit, die Leiche zu fotografieren, während Eddie und Anne vorsichtig die Umgebung absuchten. Magda hatte ihnen den Baum gezeigt, hinter dem der mutmaßliche Täter gestanden hatte und kurz darauf hielt Anne triumphierend ein gebrauchtes Papiertaschentuch in der Hand. Magda grinste spöttisch. „Du bist eine absolut genügsame Frau. Schon ein gebrauchtes Papiertaschentuch kann dich glücklich machen!“

 

„Das ist wahr, Chefin,“ lächelte Anne zufrieden. „Besonders dieses, denn ich hoffe, es ist die DNA des Täters drauf.“ „Ich denke schon,“ meinte Eddie langsam. „Aber wenn er nicht in unserer Datei ist, nutzt es uns wenig.“ „Warte nur ab,“ blitzte ihn Anne temperamentvoll an. „Wir werden schon noch ein paar Verdächtige finden und dann haben wir ihn!“ Magda sah sie nachdenklich an. „Möglich! Aber nur dann.“

„Ja, ich weiß,“ sagte Anne kleinlaut. „Macht nichts,“ beschwichtigte Ben. „Wir finden ihn einfach und damit basta.“

„Habt ihr den Blumenkranz gesehen?“ wandte sich Magda an ihr Team. „Klar Chefin, so etwas würde mir nie entgehen,“ rief Anna mit blitzenden Augen. „Das glaub ich sofort,“ lächelte Ben süffisant. „Habt ihr ihn eingetütet?“ Eddie hob seinen Spurenkoffer. „Na klar, was denkst du denn!“ „Was meint ihr dazu?“ wollte Magda wissen. Nachdenklich zog Eddie die Nase hoch. „Ich würde auf den ersten Blick sagen, dass es sich um einen alten Kinderreif handelt. Die Blüten sind zerdrückt und ein wenig vergilbt.“ „Er hat recht,“ meinte Anne kurz. „Er sieht fast aus wie meiner, als ich noch Kind war,“ sagte Magda langsam. „Vielleicht hat er ihn vom Flohmarkt,“ erwiderte Ben. „Möglicherweise.“ Magda wandte sich um.

Susi hatte inzwischen Frau Mollebusch untersucht und zog ihr Handy heraus, um den vorläufigen Text darauf zu sprechen. Sie räusperte sich und begann: "Im Wald von Mömlingen, Nähe Königswald und Steinbrüchen, wurde am heutigen 25. September 2020, um 10 Uhr, die 72jährige Frau Anna Mollebusch aufgefunden.“ Sie hatte vom Ausweis der Frau abgelesen, den sie in deren Jackentasche in der Geldbörse gefunden hatte. Dann sprach sie weiter: „Sie starb durch äußere Gewalteinwirkung im Brustbereich. Eine tiefe Stichwunde direkt ins Herz war die Todesursache.“ Sie hob die Hände der toten Frau hoch und drehte die Handinnenflächen nach außen. "Massive Abwehrverletzungen an beiden Händen.“ Behutsam legte sie sie wieder ab. „Der Todeszeitpunkt liegt höchstens eine Stunde zurück. Sie kam ungefähr um 9 Uhr zu Tode.“ Sie sah auf.

„Den Rest kann ich erst nach eingehender Untersuchung in der Rechtsmedizin sagen.“ Langsam sagte sie: „Wahrscheinlich hast du ihn gestört.“ Magda zuckte zusammen, dann straffte sie sich energisch. „Weißt du schon, was die Tatwaffe gewesen sein könnte?“ Susi schüttelte bedauernd den Kopf. „Leider nicht. Ich habe noch nie eine derartige Verletzung gesehen. Es kommt mir fast so vor, als habe der Mörder mit einem spitzen Ast zugestochen, weil die Wunde einen so großen Umfang hat.“ Magda nickte zustimmend.

„Alles klar. Näheres nach der Obduktion?“ Sie lächelte die kleine Rechtsmedizinerin freundlich an, die sich errötend abwandte, weil ihre Augen die Freddys gestreift hatten. In seiner Nähe befiel sie immer eine unverständliche Schüchternheit. Magda lächelte zartfühlend. Es war offensichtlich, dass die sensible Susi und der elegante Freddy füreinander bestimmt waren. Die einzigen, denen das nicht bewusst war, waren die beiden selbst. Magda seufzte und betrachtete den schönen Freddy, der mit seinem Freund Adalbert zusammenlebte, in der Illusion, schwul zu sein.

Sie zuckte die Achseln und sah ihre Mitarbeiter der Reihe nach an. „Also wie es aussieht, haben wir wieder einen Mordfall, den es aufzuklären gilt.“ „Aber das hier ist doch Bayern,“ wandte Eddie vorsichtig ein. „Wir sind aber ein hessisches Polizeirevier!“ Magda wischte seinen Einwand mit einer Handbewegung beiseite. „Wir waren zuerst da, erster geht schon gar nicht mehr.“ Die anderen gackerten im Hintergrund. Sie hörte von Anne: „Seht ihr, das hab ich euch gleich gesagt!“ Dann brach sie in Lachen aus. Magda verzog unwillkürlich die Mundwinkel und sagte dabei: „Schön, dass ihr euch so freut, obwohl ein Mensch ums Leben gekommen ist. Ich rufe gleich, vom Revier aus, die Kollegen aus Obernburg an. Vielleicht ist der nette Kommissar, der nette Jugendfreund meiner Mutter, wieder da, dann können wir uns die Ermittlungen teilen.“ „Der dicke Glatzkopp?“ Eddie konnte es nicht lassen. „Da kann er schließlich nichts dafür!“ „Aber sein Kollege, der hat einen richtigen Knackarsch, kann ich euch sagen,“ warf Anne frech ein. „Na, na, na,“ tadelte Magda, während Ben verstohlen sein Hinterteil befingerte. Er schwärmte heimlich für Anne, die ein paar Jahre älter war, als er. Für seine körperlichen Attribute hatte Anne zu seinem Leidwesen noch keine Komplimente übriggehabt. Magda knuffte ihn liebevoll in die Seite und raunte ihm: „Deiner ist auch nicht von schlechten Eltern,“ zu. Ben sah sie überrascht an und wurde prompt rot. „Na klar, meine Eltern sind einsame Spitze!“ „Sag ich doch,“ murmelte Magda und blinzelte ihm lächelnd zu.