Vier Pilger - ein Ziel

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Hildegard Aepli, Esther Rüthemann, Christian Rutishauser, Franz Mali

Vier Pilger – ein Ziel Zu Fuß nach Jerusalem

Hildegard Aepli, Esther Rüthemann, Christian Rutishauser, Franz Mali
Vier Pilger – ein Ziel

Zu Fuß nach Jerusalem


Wir widmen dieses Buch

unsern Neffen und Nichten; wir wünschen euch den Mut, große Visionen zu haben;

der Gemeinschaft von Deir Mar Musa in Syrien und in besonderer Weise ihrem Gründer Paolo dall’Oglio SJ. Er wird seit Ende Juli 2013 vermisst. Wir unterstützen und wertschätzen den Einsatz der Gemeinschaft für Frieden und interreligiösen Dialog.

Vorwort

2011 pilgern wir zu viert von der Schweiz nach Jerusalem. Wir starten im Juni, an Christi Himmelfahrt, und erreichen das Ziel wie geplant zum Weihnachtsfest. Sieben Monate sind wir miteinander unterwegs und legen die ganze Strecke von 4300 km zu Fuß zurück. Wir betreten den Boden von elf Ländern, in denen mindestens neun verschiedene Sprachen gesprochen werden, und begegnen dem christlich geprägten Abendland, islamischen Ländern und am Ziel der jüdischen Gesellschaft.

Nach unserer Rückkehr sage ich einmal scherzhaft zu einem Onkel, dass normalerweise auf einer großen Wallfahrt ein Wunder geschehe. Er antwortet: Dass ihr zu viert angekommen seid, ist ein Wunder. Er hat Recht. Es ist nicht selbstverständlich, dass alle die physische und psychische Kraft und Ausdauer haben, dass niemand abbrechen muss, dass wir zusammenbleiben.

Wir vier Pilger sind verankert in der ignatianischen Spiritualität. Die Verwurzelung im christlichen Glauben ist unsere Stärke. Dieses Fundament trägt uns. Es lässt uns bis heute unterwegs sein für Frieden und den Dialog mit anderen Religionen. Es bewirkt, dass wir den Schatz unserer Erfahrungen unterwegs und daheim gerne mit anderen teilen.

Dieses Buch ist aus den Beiträgen entstanden, die wir während des Pilgerns im Blog veröffentlichten unter http://blog.lassalle-haus.org und aus Texten, die wir rückblickend auf diese unglaubliche Zeit schrieben. Am Schluss eines jeden Abschnittes erscheint ein Kürzel, welches den Autor oder die Autorin angibt: Esther Rüthemann (er), Hildegard Aepli (ha), Franz Mali (fm), Christian Rutishauser (chr). Die kursiv gedruckten Abschnitte sind dem Blog entnommen, die andern sind die neu geschriebenen.

Wir danken so vielen Menschen, die zum Wunder unseres Ankommens beigetragen haben. Wir bezeugen, dass Gedanken und Gebete tragen und unterstützen.

Im Namen der vier Pilger mit einem Ziel – Jerusalem!

Hildegard Aepli

Inhalt

ERSTES KAPITEL:

Die Vorgeschichte

ZWEITES KAPITEL:

Abschied

DRITTES KAPITEL:

Erfahrungen mit dem GPS

VIERTES KAPITEL:

Pilgeralltag

FÜNFTES KAPITEL:

Unterkünfte

SECHSTES KAPITEL:

Krisen

SIEBTES KAPITEL:

Begegnungen

ACHTES KAPITEL:

Spiritualität und Sinn des Pilgerns

NEUNTES KAPITEL:

Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft

ZEHNTES KAPITEL:

Unterwegs in der Türkei

ELFTES KAPITEL:

Syrien – eine schwierige Entscheidung

ZWÖLFTES KAPITEL:

Advent – Warten kurz vor dem Ziel

DREIZEHNTES KAPITEL:

Jerusalem, am Ziel ankommen

VIERZEHNTES KAPITEL:

Heimkehren

SCHLUSS-STATEMENTS



ERSTES KAPITEL:
Die Vorgeschichte
Eine Vision und dreimal Ja

Es ist Frühling im Jahr 2004. Ich verbringe mit einer Gruppe Theologiestudierender ein Wochenende im Lassalle-Haus Bad Schönbrunn der Schweizer Jesuiten. Christian Rutishauser, der Bildungsleiter, empfängt uns. Nach einer Hausführung nimmt er sich Zeit, mit uns gemütlich zusammenzusitzen. Plötzlich fragt er in die muntere Runde hinein, welche Visionen wir in unserem Leben hätten. Es wird augenblicklich still. Als es nach einigem Nachdenken noch immer still ist, sagt Christian: Ich habe eine Vision. Ich will einmal in meinem Leben zu Fuß nach Jerusalem pilgern. Er nimmt mich ins Visier und fragt: Hildegard, kommst du mit? Darauf bin ich nicht gefasst. Trotzdem sage ich spontan, ohne viel nachzudenken, ohne darüber zu schlafen: ja, ich komme mit.

Wir unterhalten uns etliche Zeit später wieder und machen uns Gedanken darüber, in welchem Jahr wir starten und wie die Gruppe aussehen könnte. Das Jahr 2009 scheint uns geeignet. Wir sind uns darin einig, dass es eine gute Voraussetzung ist, wenn die Beteiligten die Erfahrung der 30-tägigen Exerzitien mit sich bringen. Das heißt, dass es Menschen sind, die in ihrer Spiritualität geerdet und geübt sind und einen persönlichen inneren Weg kennen. Christian hätte gerne einen Juden und einen Muslim in der Gruppe gehabt. Der interreligiöse Gedanke ist faszinierend. Mich aber überfordert er und ich weiß, dass ich in meinem Umfeld niemanden kenne, der gefragt werden könnte. Das Jahr 2009 rückt näher und es zeigt sich, dass es für Christian und mich unmöglich ist aufzubrechen. In dieser Zeit aber schlage ich Christian vor, Franz Mali, einen Freund von mir, kennenzulernen. Mir scheint, dass er zu unserem Pilgerteam passen könnte. Kurz darauf begegnen sich die beiden an der Uni Freiburg / Fribourg. Christian fragt Franz nach diesem Treffen, ob er nach Jerusalem mitpilgern wolle. Franz sagt spontan, ohne weitere Bedenkzeit, ohne darüber zu schlafen: ja, ich komme mit. Er selber beschreibt seine Zusage ein wenig anders. Wenige Wochen später mache ich mich in die Langlaufferien auf. Es hat Tradition, dass ich hier mit meiner Freundin Esther ein Zimmer teile. An einem der Ferientage schneit es ohne Unterbruch. Esther und ich verkriechen uns nach dem Frühstück wieder ins Bett. Hier kommen wir ins Erzählen … Was aus dem Gespräch geworden ist, erzählt Esther in ihrer Vorgeschichte selber. Was ich noch dazu sagen kann: Esther ließ sich auf das Abenteuer der 30-tägigen Exerzitien als Vorbereitung der Wallfahrt ein. Sie meinte, dass diese bei ihr sowieso in der nächsten Zeit dran gewesen wären.

Auf jeden Fall: Unsere Vierergruppe ist geboren und wir entscheiden uns, nicht mehr nach weiteren Interessierten zu suchen. Wir legen fest, im Jahr 2011 an Christi Himmelfahrt zu starten. Bis Weihnachten wollen wir uns für den Weg Zeit nehmen, also sieben Monate Pilgerschaft. Wir sind uns einig, an unserem Projekt viele andere Menschen teilhaben zu lassen. Es gibt thematische Vorbereitungstreffen im Lassalle-Haus zu Jerusalem, der dreimal heiligen Stadt, zum Dialog mit Juden und Muslimen und ihren Pilgertraditionen und natürlich zum Pilgern im Allgemeinen. Wir laden Interessierte ein, ein Stück des Weges mitzupilgern in der Schweiz, der Türkei und von Amman nach Jerusalem. Und wir beginnen schon im Vorfeld einen Blog zu schreiben.

 

Jetzt wird die Vision konkret. Jetzt geht es um tausend Kleinigkeiten, die alle für sich überlegen, einfädeln und organisieren müssen. Das Pilgern hat für mich begonnen. (ha)

Noch viel Wasser

An einem Sonntag im Januar 2009 fällt im Goms viel Schnee. Nach dem Frühstück zieht es uns nochmals mit einem Buch ins kuschelig warme Bett. Hildegard erzählt davon, dass jetzt alles klar sei mit dem Pilgern nach Jerusalem, sie seien zu dritt und man könne zwischendurch mitgehen – drei Mal. Mein spontaner Ausruf: Ich komme mit! Denke mir, bei den drei Mal zwei Wochen. Worauf Hildegard fragt: die ganze Strecke? Ich schweige. Esther? Die ganze Strecke? Stille! Ja, warum nicht! Aber ich muss es zuerst Christoph, meinem Partner, erzählen. Das tue ich am Telefon. Was meinst du dazu, wenn ich sieben Monate nach Jerusalem pilgere ohne dich? Er lacht und sagt: Bis dahin fließt noch viel Wasser die Rotte runter, komm erst mal heim.

Das Ja in mir ist klar und bedenkenfrei. Zuhause angekommen, diskutieren wir zwei das Projekt nochmals und Christoph gibt zur Antwort: Kann ich dich denn halten? Würde es unserer Beziehung guttun, wenn ich sage, bleib doch da? Du musst es tun, und ich warte auf dich.

Es kribbelt und schafft in mir drin, und überall, wo ich davon erzähle, sind die Menschen verblüfft und staunen. Es ist wunderbar!

Es dauert noch über zwei Jahre, bis wir losgehen, und doch ist es mir jetzt schon wichtig, mit dem Arbeitgeber meine Situation zu klären. Ich informiere den Personalchef. Er meint, das könne er nicht selber entscheiden, er müsse zuerst den Kirchenverwaltungsrat fragen. Worauf ich nochmals sage, ich werde im Juni 2011 loslaufen. Er wiederum, das ginge nicht so schnell, er müsse es besprechen. Ich antworte ihm: Wenn es nicht geht, werde ich kündigen. Ich bin entschieden, im Juni 2011 zu Fuß nach Jerusalem zu pilgern. Stille. Okay, antwortet er schließlich, ich werde es so mitteilen. Ich gehe beschwingt aus diesem Gespräch heraus mit dem sicheren Gefühl: Es ist richtig. Es gibt kein Wenn und Aber, nur ein großes Ja. Dabei bin ich keine Mutige, sondern sehr ängstlich und sicherheitsbedürftig.

Darüber staune ich fast am meisten.

Irgendwie kommt es mir bekannt vor. Das habe ich in der Bibel doch schon oft gelesen. Da wird einer gerufen, lässt alles stehen und liegen und folgt Jesus nach. Ich wundere mich darüber, dass ich früher das Einfach-so-Gehen in den biblischen Texten gar nicht verstehen konnte. Man kann doch nicht einfach gehen, ohne sich zu verabschieden, etwas ganz Neues tun und nicht wissen, was die Zukunft bringt. Jetzt ist es für mich genauso. Ich kann alles stehen und liegen lassen und gehen. Es fühlt sich richtig an, dass ich dabei bin. Ich bin gerufen. Ich bin gemeint. Ich sage ja, hier bin ich. (er)

Meine Vorgeschichte

Hildegard hat mir erzählt, sie beteilige sich am Projekt der Wallfahrt nach Jerusalem. Sie machte mir Andeutungen, sie könnte sich gut vorstellen, dass ich auch mitlaufe. Das entscheidende Wort hatte Christian. Er fragte mich im Frühling 2008, doch musste ich da noch überlegen, ob ich es mit meinem Beruf koordinieren kann. Die Chance war, dass ich mein Freisemester für dieses Projekt einsetzen konnte, wenn mein Arbeitgeber, die Universität Freiburg / Fribourg, damit einverstanden war. Im zweiten Anlauf akzeptierte die Universität das Vorhaben und unterstützte es dadurch, dass sie mir zusagte, während meiner Wallfahrt fünfzig Prozent meines Gehaltes weiterzuzahlen. Das war eine große Erleichterung, denn zunächst hatte es nach einem unbezahlten Urlaub ausgesehen.

Jerusalem ist für mich ein widersprüchlicher Traum. Einerseits ist es eine besondere Geschichte, die mir als Katholik besonders wichtig ist: die Geschichte des Volkes Israel und die spezielle Episode des Lebens Jesu in diesem Land. Dazu kommen die aktuelle Situation und die Ereignisse der letzten Jahrzehnte, die von der Auseinandersetzung zwischen Palästinensern und Israelis geprägt sind, von den Eroberungen der Israelis, der Verteidigung und den Angriffen durch die Palästinenser. Diese Kriegs- und Eroberungsgeschichte, das immense Leid auf beiden Seiten, hinderte mich bisher daran, nach Israel zu reisen. Einige Male habe ich es abgelehnt, wie ein Tourist oder Geschichtsprofessor hinzureisen, der aus interessiert-luxuriöser Distanz das Land und seine Geschichte durchforstet und den das leidvolle Schicksal der Bewohner unberührt lassen soll.

So kam mir diese Anfrage, zu Fuß hinzugehen, entgegen. Ich möchte diese Strapaze auf mich nehmen als Zeichen dafür, dass ich vor den Menschen im Heiligen Land in ihrer äußerst schwierigen und verkeilten Situation Respekt zeigen will. (fm)

Es ist so weit!

In neun Monaten starten wir als Pilgergruppe zu Fuß von der Schweiz nach Jerusalem. Eine Vision beginnt sich zu verwirklichen. Die Vorbereitungen laufen bereits seit mehr als einem Jahr. Das Team musste sich finden und die Idee – spirituell, interreligiös und politisch unterwegs zu sein – langsam Gestalt annehmen. „Zu Fuß nach Jerusalem“ ist eine Vision für die Zukunft. Das Projekt ist keine Privatsache, sondern will möglichst viele Menschen mit auf den Weg nehmen, um das Leben als Weg zur Mitte zu verstehen. Gemeinsam in der Schweiz und nach Jerusalem unterwegs sein soll ein Netzwerk von Freundschaften entstehen lassen. Seminare und Tagungen haben wir zusammengestellt, um eine Neuausrichtung auf Frieden und Dialog und eine spirituelle Erneuerung von der Mitte der Welt her zu ermöglichen. Ohne Bildung und ohne ein Anknüpfen an die Geschichte gibt es kein verantwortetes Gestalten der Zukunft. Die säkulare Welt wie auch die jüdische, christliche und muslimische Tradition sollen je miteinander ins Gespräch gebracht werden. So können Brücken geschlagen werden, um über Grabenkämpfe hinweg in Verschiedenheit und gemeinsam an der Zukunft zu bauen. Zum Pilgern gehören auch das Schweigen und Meditieren, das Beten und Feiern. So möchten wir mit „Zu Fuß nach Jerusalem“ einen vielfältigen Raum der Begegnung und des gemeinsamen Lernens eröffnen. Die Friedenskonferenz an Weihnachten 2011 in Jerusalem soll ein Höhepunkt werden. (chr)

Gruß aus Jerusalem

Seit drei Tagen bin ich in Jerusalem, mitten in der Altstadt, im muslimischen Quartier. Jeden Morgen um 4 Uhr höre ich den Muezzin, dreh mich im Halbschlaf. Das Laubhüttenfest prägt die Stimmung. Juden gestalten ihre Festtage ganz unterschiedlich. Eine Vielfalt jüdischer Traditionen kommt zum Ausdruck. Auf der Via Dolorosa drängen sich christliche Pilger und sprechen verschiedenste Sprachen. Dann Touristen, die nicht einer bestimmten religiösen Tradition zuzuordnen sind. Ich habe den Eindruck, dass die Einwohner hier vieles über sich ergehen lassen müssen. Ob sie über all die Pilger und Touristen froh sind? Machen sie nicht die Altstadt zu einem Museum und zu einem großen Souvenirbazar? Doch wer in Jerusalem wohnt, wohnt nicht privat für sich. Hier ist Wohnen ein politisches und religiöses Statement. Werden uns die Bewohner in einem Jahr anders wahrnehmen, wenn wir zu Fuß nach sieben Monaten ankommen? Anders als jetzt, wo ich in einem guten halben Tag den Weg hinter mich gebracht habe?

In weniger als vier Stunden bin ich von Zürich nach Tel Aviv geflogen. Immer dachte ich daran, wie es sein wird, wenn wir im kommenden Jahr die Strecke zu Fuß zurücklegen. Vier Stunden oder sieben Monate für die gleiche Strecke! Nein, 2800 km Fluglinie und 4300 km Landweg zu Fuß. Irgendwie ist es ungerecht, denke ich. Wenigstens könnte für die Pilger die Strecke kürzer sein, wenn sie schon nicht so rasch wie ein Flugzeug vorankommen. 750 km/h, 800 km/h, 850 km/h … noch nie habe ich so oft auf den Bildschirm mit den Fluginformationen geschaut. Im nächsten Jahr 25 km pro Tag, 30 km, wenn es hochkommt, geht mir durch den Kopf. Ja, irgendwie ist das Leben ungerecht. Der Flug lässt in mir den Respekt vor dem eigenen Mut wachsen. Verhalten ist die innere Freude.

Gestern war ich in Yad Vaschem, der Schoa-Gedenkstätte in Jerusalem, mit ausgezeichneter Führung durch Tamar. Ich kenne die Geschichte der Nationalsozialisten, ihren Wahn zur Ausrottung der Juden. Es trifft mich wieder neu. Unglaublich, wie das Böse die Fratze zeigen kann, wie Menschen sich entmenschlichen können! Ja, Jerusalem ist das einzige Ziel, für das ich sieben Monate Pilgern unter die Füße nehme. Für keinen andern Ort! Kein Ort wie Jerusalem repräsentiert Gott, der den Opfern der Geschichte nahe ist. (chr)

Die Bedeutung von Jerusalem

Viele Menschen pilgern heute auf dem Jakobsweg. Wir entscheiden uns für Jerusalem. An einem der ersten Vorbereitungstreffen fragt Christian: Was bedeutet Jerusalem für euch persönlich? Die Frage wirkt auf mich bedrängend. Ich müsste jetzt etwas Kluges sagen, ich habe doch Theologie studiert, flüstert ein Gedanke. Meine Stärke aber ist nicht, locker und fundiert auf solche Fragen zu antworten. Meine Gabe ist es, einer Frage Raum zu geben, offen zu sein, zu warten und ehrlich Antwort zu geben.

Das, was später aus meiner Tiefe zu dieser Frage aufsteigt, ist ein Ja. Ein Ja zu diesem großen, langen Weg zu Fuß nach Jerusalem in unserer Vierergruppe. Es ist ein Ja als Antwort auf eine Form der Berufung. Ich fühle mich gerufen, mit Franz, Esther und Christian zusammen dieses große Abenteuer zu Fuß nach Jerusalem zu wagen. Das Persönlichste, das ich ganz am Anfang finden kann, ist ein Ja zum Pilgerweg nach Jerusalem.

Christians Frage wirkt auch in anderer Form nach. In den Monaten und Wochen vor dem eigentlichen Lospilgern bin ich wach dafür, in wie vielen biblischen Texten Jerusalem genannt, besungen und als Metapher verwendet wird. Das ist eine schöne Art der Vorbereitung. Im Tagzeitengebet und in der Eucharistiefeier, welche ich zu jener Zeit mit den Studierenden vom Salesianum in Freiburg / Fribourg bete und feiere, leuchtet Jerusalem immer wieder auf. Zur Gabenbereitung bei der Messe beginne ich, mein Ja auf den Altar zu legen. Ich sage im persönlichen Gebet zu Gott: Hier ist mein Ja, nach Jerusalem zu pilgern. Allein schaffe ich diesen Weg nicht. Ich bin auf deine Hilfe angewiesen.

Auf dem eigentlichen Weg dann, durch das Gespräch mit vielen Menschen unterwegs, hat Jerusalem weitere Bedeutungen bekommen. Ich habe viel vom Wissen von Christian und Franz profitiert und schließlich hat mich das Ankommen in Jerusalem in einer unerwarteten Weise getroffen. Der Eintritt in die Grabes- und Auferstehungskirche Jesu hat meine Seele zutiefst erschüttert.

Ein berührendes Beispiel zur Bedeutung von Jerusalem wurde uns aufgrund einer Begegnung in Südtirol geschenkt: (ha)

Ehrlich

Zur Mittagszeit erreichen wir heute Brixen, gehen zuerst zum Markt und dann zum Hauptplatz. Wir besichtigen den Dom und stellen fest, dass in ein paar Minuten die Eucharistiefeier zum Dreifaltigkeitssonntag beginnt. Gerne nehmen wir teil. Danach verweilen wir mit unseren belegten Broten in der angenehmen Mittagssonne und trinken einen Kaffee. Als wir uns auf den Weg, den Weiterweg über Kloster Neustift Richtung Mühlbach, machen wollen, hält uns eine Frau mit einer ihrer selber gestickten Tischdecken auf. Sie möchte uns gerne eine verkaufen. Wir müssen ablehnen. Die Frau fragt uns, ob wir auf einen Berg gingen. Nein, nach Jerusalem, sagt jemand von uns. Ehrlich, fragt sie, sichtlich angetan. Ich, meint sie in recht gutem Deutsch, liebe diese Stadt. Wegen Jesus Christus. Woher kommen Sie, fragt jemand? Aus Kroatien. Wir werden durch Ihr Land laufen. Ehrlich, fragt sie wieder, und wirklich nach Jerusalem? Ehrlich? Ihre Anteilnahme, ihr Staunen sind echt. Wir fragen sie nach ihrem Namen. Eigentlich Helena, aber die ganze Familie nennt sie Maria. Wir werden für Sie beten, sagt jemand. Ehrlich? Und sagt bitte Jesus einen Gruß in Jerusalem, fügt sie mit Tränen hinzu. Das werden wir gerne tun. Wir verabschieden uns.

Ich bin von dieser kleinen Begegnung am Weg so berührt, dass ich auch Tränen in den Augen habe. Ich weiß ein wenig besser, weshalb ich nach Jerusalem laufe – für Menschen wie diese Frau und ganz bestimmt wegen Jesus Christus. Ehrlich! (ha)