Zehn Dinge, die du besser nicht glauben solltest

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Zehn Dinge, die du besser nicht glauben solltest
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

DAVID

BRUNNER

10 DINGE,

DIE DU BESSER

NICHT GLAUBEN

SOLLTEST


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-86506-970-2

© 2017 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers

Einbandgestaltung: Brendow Verlag, Moers

Titelfoto: fotolia jdoms

Satz: Brendow Web & Print, Moers

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017

www.brendow-verlag.de

INHALT

Cover

Titel

Impressum

1. Du kannst etwas tun, damit Gott dich mehr liebt

2. Es gibt eine bessere Gemeinde als deine

3. Deine Konfession ist alleine selig machend

4. Die Gaben des Heiligen Geistes haben ausgedient

5. Wunder gab es zu biblischen Zeiten, heute aber nicht mehr

6. Die Landeskirche ist böse

7. Es gibt keine Hölle

8. Mit deinem Verstand kannst du Gott fassen

9. Wer an Jesus glaubt, hat ein einfaches Leben vor sich

10. Dein Pastor ist ein Superchrist

Nachwort

Zum Weiterlesen

Weitere Bücher

Fußnoten

1. DU KANNST ETWAS TUN, DAMIT GOTT DICH MEHR LIEBT

Ich habe zwei wunderbare Kinder, und manchmal überkommt mich so ein ganz besonderer Papa-Moment. Da nehme ich die beiden – okay, manchmal auch der Reihe nach – in den Arm, drücke sie ganz herzlich und sage ihnen: „Weißt du was? Ich hab’ dich total lieb!“ Und gerade meine Tochter muss mich nur mit einem schelmischen Grinsen (ja, sie kommt nach ihrem Papa) anschauen und spitz fragen: „Warum?“

Dann fange ich an, alles Mögliche aufzuzählen. „Weil du so schön lachst. Weil du ein ganz schlaues Mädchen bist. Weil du so funkelnde blaue Augen hast (die sind der Wahnsinn!). Weil ich so viel Quatsch mit dir machen kann.“ Und dann komme ich ins Grübeln, auch wenn meine Tochter jede einzelne Aussage mit einem ihrer Wenn-sie-mal-zehn-Jahre-älter-ist-wird-sie-den-Jungs-den-Kopf-verdrehen-Blicke quittiert und dabei lacht. Aber ist es wirklich so, dass ich meine Tochter deswegen liebe? Immer wieder tappe ich in diese Falle und denke dann: „Nein, deswegen liebe ich meine Tochter doch nicht. Sie muss doch nichts tun oder an sich haben, um sich meine Liebe zu verdienen!“

Und dann hole ich tief Luft und sage ihr: „Und weißt du was? Ich liebe dich so sehr, weil du einfach so bist, wie du bist!“ Dann lächeln wir uns beide an, ich drücke sie ganz fest – und dann machen wir irgendeinen Quatsch. War ja klar.

Ist dir schon mal aufgefallen, dass viele Aussagen über uns Christen im Neuen Testament in der „Seins“-Form stehen?

„Seht doch, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns schenkt! Denn wir dürfen uns nicht nur seine Kinder nennen, sondern wir sind es wirklich.“ (1. Johannes 3,1).

Diese Liebe Gottes ist ein Geschenk. Nun haben Geschenke es ja in sich. Die einen Geschenke erfreuen unser Herz ungemein und die anderen Geschenke freuen sich schon auf den Flohmarkt oder das Schrottwichteln.

Und die Liebe Gottes? Mehr geht nicht. Wirklich nicht. Wir Menschen sind ohnehin unheilbar liebesbedürftig. Unser Herz sehnt sich danach, geliebt zu werden. Zu viele Dinge zerren, rütteln und stoßen an unserem Herzen und lassen es immer und immer wieder verletzt, benutzt und geschunden zurück. Dann liegt es wie ein Häufchen Elend enttäuscht und traurig in der Ecke und wartet darauf, dass Liebe vorbeikommt und sich seiner annimmt.

Wir benötigen Balsam nicht nur für unsere Seele, sondern auch für unser Herz. Und dieser Balsam für unser Herz heißt Liebe. Machen wir uns doch nichts vor: An jedem einzelnen Tag unseres Lebens hören wir Worte, erleben Situationen oder sehen Dinge, die unser Herz schwer machen und wieder ein bisschen mehr an ihm zerren, rütteln und stoßen. Und dann können wir uns schlecht hinsetzen und sagen: „Liebes Herz, ich weiß, dir geht es gerade nicht so gut. Das verstehe ich. Aber jetzt ist auch mal wieder gut. Komm raus und steh auf! Du bist gesund, geheilt und wieder intakt. Los. Schlage höher!“

Wie schön wäre es, wenn es so einfach ginge. Geht es aber nicht. Deswegen wird uns dieser Balsam der Liebe immer von jemand anderem auf unser Herz aufgetragen. Das sind zum einen Menschen, die in wirklich uneigennütziger Absicht uns mit ihrer Liebe überschütten. An dieser Stelle verweise ich schon einmal auf die Nebellichter in Kapitel 10.

In erster Linie ist es aber natürlich Gott selbst, der unser Herz berührt, pflegt und heilt, wie kein anderer es jemals tun kann.

„Liebe“ ist ja so ein Wort, das für alles Mögliche und Unmögliche gebraucht wird. Manche verbinden mit Liebe den romantischen Sonnenuntergang, andere wiederum die Schnulze im Fernsehen und wiederum andere den großen Held einer Gut-gegen-Böse-Erzählung.

Von allem ein bisschen und doch viel mehr – so verhält es sich mit der Liebe, mit der Gott dich liebt. Und zwar jetzt in diesem Moment, in dem du diese Zeilen liest.

Diese Liebe hat eine ganz besondere Auswirkung: Sie schenkt uns unsere Identität. Viel zu schnell meinen wir, uns von Dingen abhängig zu machen, die uns vor Augen sind. Besitz, Beruf, Familie, Fähigkeiten. Wir beginnen, darin zu angeln. Wir werfen den Köder unserer Bedürfnisse aus und suchen in diesen Teichen nach Anerkennung und Zuspruch: „Du bist ein toller Papa!“, oder: „Dein Einsatz im Unternehmen ist Gold wert!“, oder: „Niemand kann so punktgenau und zuverlässig Dinge reparieren, wie du es kannst!“ Wie schön, wenn Menschen uns das sagen. Aber wehe, wir suchen unsere Identität darin. Dann begeben wir uns viel zu schnell in eine Abhängigkeit und versuchen, die „Liebe“ der anderen dadurch zu verdienen, dass wir genau in diesen Bereichen noch einen Gang hochschalten.

Und unweigerlich überträgt sich dieses Liebesverständnis auch auf Gott. Wir meinen, noch einen – natürlich frommen – Gang hochschalten zu müssen, um Gottes Liebe zu ergattern. Müssen wir aber nicht. Gott selbst bremst uns aus, indem er uns seine Liebe einfach schenkt. Und das Beste, was wir mit Geschenken tun können, ist: auspacken! Und zwar schnell. So wie Kinder, die sich von einem noch so schönen und bunten Geschenkpapier nicht beeindrucken lassen und sofort an das eigentliche Geschenk ranwollen. Ich kann sie so gut verstehen – und mache es auch nicht anders.

Wo wir oft in trüben Teichen fischen, um unsere Identität zu finden, schenkt uns Gott seine Liebe und schreibt uns dadurch unsere Identität zu: Kind Gottes! Das klingt nicht groß, ist aber eine Identitätszuschreibung, die wir uns nicht verdienen können und die eine Tiefe in sich birgt wie nichts anderes.

Diese Identität „Kind Gottes“ ist aber – sie wird nicht. Es heißt ja nicht: „Wir werden Kinder Gottes. Später. Irgendwann mal.“

Wir sind es.

Und das fällt uns postmodernen Multitaskingkönigen so unglaublich schwer: zu sein. Wir tun lieber etwas. Wir nehmen die Dinge lieber in die Hand. Aber einfach sein – das geht nun wirklich zu weit.

Versuch es doch mal. Leg das Buch jetzt mal zur Seite (aber nimm es danach bitte wieder zur Hand) und sei einfach. Nichts tun. Nichts machen. Nichts denken. Nichts planen. Sein. Wie lange hältst du es wohl aus?

Es ist wirklich schwierig geworden, in unserer reizüberfluteten Gesellschaft einfach zu sein. Mir fällt das auch sehr schwer. Was bin ich froh, gerade das Manuskript dieses Buches schreiben zu können …

Und wenn es uns schwerfällt, einfach zu sein, dann fällt es uns logischerweise auch schwer, einfach in Gottes Liebe zu sein. Und wenn wir das nicht können, versuchen wir, diesen Zustand zu verändern.

Warum eigentlich? „Du kannst etwas tun, damit Gott dich mehr liebt!“ Dass du das nicht glauben sollst, unterschreibst du wohl sofort. Oder vielleicht doch nicht? Wie stehst du denn zu dieser Aussage, die doch irgendwie allgegenwärtig ist? Schauen wir uns die großen Weltreligionen an. Da geht es doch um nichts anderes. Von stundenlanger Meditation über extreme Askese bis hin zu Selbstmordattentaten – die Menschen versuchen auf ihre Weise, einem Gott zu gefallen und seine Liebe zu ergattern, derer sie sich aber nie 100 % sicher sein können. Gibt es ein „genug“? Gibt es eine Menge an Liebesergatterungsversuchen, die ausreicht, um die Liebe eines Gottes dann doch zu bekommen? Dieses Schema funktioniert in keiner einzigen der Weltreligionen. Schon gar nicht im christlichen Glauben. Und doch versuchen es so viele Christen immer wieder und sind davon getrieben und bestimmt, und viele leiden auch darunter, dass sie etwas tun könnten, dass Gott sie mehr liebt.

 

Wie verhält es sich denn mit dir? Glaube mir, ich habe schon viele Christen kennengelernt, die meinten, „Ich muss aber in der Bibel lesen“, oder „Ein Sonntag ohne Gottesdienst geht gar nicht“ – um Gott besser zu gefallen und damit er sie mehr liebt. Und dann gibt es die ganzen Superfrommen, die dir ganz genau sagen können, was du zu tun oder zu lassen hast, damit Gott dich mehr oder weniger liebt. Unglaublich. Woher wissen sie das eigentlich?

Sie richten so viel Schaden in der Seele einzelner Menschen an, dass es mir manchmal zugegebenermaßen sehr schwerfällt, die Contenance zu wahren.

Nicht dass du mich jetzt falsch verstehst: Ich bin davon überzeugt, dass es wunderbar ist, in der Bibel zu lesen, und möchte dich dazu ermutigen, das zu tun, wie auch sonntags den Gottesdienst zu besuchen. Aber glaubst du im Ernst, dass du Gott damit imponieren könntest?

Meine beiden Kinder können nichts, aber auch gar nichts tun, damit ich sie mehr liebe. Sie können übrigens auch nichts tun, dass ich sie weniger liebe. Zwar stellen sie das durch Chaos im Kinderzimmer, Chaos am Essenstisch, Nicht-ins-Bett-gehen-Wollen und herzhaftes „Aber Papa, warum?“ auf die Probe – aber sie schaffen es nicht. Sie schaffen es einfach nicht, dass ich sie weniger liebe. Sie müssen sich aber auch nicht anstrengen, damit ich sie mehr lieben würde. Das geht nämlich gar nicht.

Was wünschte ich mir, dass wir Christen einfach die Liebe Gottes in uns lassen. Und gleichzeitig alles Imponiergehabe sein lassen. Dass wir eben nichts tun, um Gottes Liebe zu verdienen. Weder der Gottesdienstbesuch noch das Lesen in der Bibel, weder das Kuchenbacken für das Gemeindefest noch den ehrenamtlichen Putzdienst in der Gemeinde. Weder die Mitarbeit in der Jugendarbeit noch die Gestaltung der Gemeinde als Hauptamtlicher.

Sondern dass wir in den Gottesdienst gehen, um Gott anzubeten, in der Bibel lesen, um seinen Willen für unser Leben zu erkennen, Kuchen backen, weil er besser schmeckt, als wenn ich ihn backen würde, die Gemeinderäume putzen, weil auch wir sie dreckig machen, in der Jugend mitarbeiten, weil wir Jugendlichen helfen wollen und als Hauptamtliche dienen, weil wir dazu berufen sind. Ist doch eigentlich nicht so schwierig, oder? Zumindest der Teil mit dem Kuchen …

Entweder sind wir nicht ganz auf dem richtigen Dampfer, weil wir versuchen, Gottes Liebe für uns zu vergrößern. Oder wir sind Masochisten und versuchen so zu leben, dass Gott uns weniger liebt – was ohnehin nicht geht.

Du lachst, während du diese Zeilen liest? Leider gibt es Menschen, die genau das versuchen. Vielleicht sind es Erfahrungen aus ihrer Kindheit, Erlebnisse mit der Kirche, ein falsch verstandenes Gottesbild oder eine innere Resignation – die Gründe sind zahlreich. Aber sie versuchen wirklich, so zu leben, dass Gott sie weniger liebt. Das Verrückte dabei ist: Auch das geht gar nicht.

Und doch scheinen sie eine Art Spielchen zu spielen: „Wie Gott mir, so ich ihm.“ Oder so ähnlich. Auf jeden Fall fühlen sie sich von Gott und der Welt verlassen und meinen, es zumindest Gott gegenüber durch strikte Nichtbeachtung auch zeigen zu müssen.

Drehen wir die Nicht-liebenswert-Spirale doch mal ganz weit runter und stellen uns den schlimmsten Menschen vor, den man sich vorstellen kann (nein, nicht deine Schwiegermutter! Ich rede von wirklich schlimm). Genauer gesagt: Er sollte schlimmer sein als du.

Glaubst du, dass Gott diesen Menschen weniger liebt als dich? Die Antwort ist: Nein, Gott liebt euch beide ganz genau gleich. Das ist für unseren Verstand einfach too much. Nach menschlichem Ermessen machen wir es doch ähnlich wie die blinde Justitia, die eine Waage in der Hand hält. Und je nachdem, auf welcher Seite das Gewicht größer wird, schlägt die Waage aus. Und wir meinen ja schon irgendwie, dass Gott alle Menschen gleich liebt. Aber kann er wirklich einen Schwerverbrecher genauso lieben wie mich?

Das ist schwer zu verstehen. Richtig. Mit unserem Verstand alleine können wir das auch nicht fassen, weil wir ein Problem haben: Wir können nur menschlich von Gott reden und denken. Klingt logisch, oder? Das bedeutet, wir können nur die Erklärungsmuster an Gott anlegen, die wir auch an Menschen anlegen. Und da sind wir doch wie kleine Kinder: „Der hat mir mein Spielzeug weggenommen, also bin ich jetzt nicht mehr sein Freund.“ Und drei Tage später verabreden die Mütter ihre Kinder zum gemeinsamen Spielen. Das geht bei Kindern manchmal ganz schnell.

Bei Erwachsenen ist das etwas subtiler: Er war nicht da, als ich ihn brauchte. Sie meldet sich nie, wenn ich ihr schreibe. Er hat keine Zeit für mich. Schon seit Jahren schuldet er mir jede Menge Geld. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie es auf meinen Mann abgesehen hat. Bis heute verzeihe ich ihr nicht, was sie damals vor vielen Jahren auf der Party vor allen anderen über mich sagte.

Ja, das sind Verletzungen, die sehr tief gehen können. Wirklich. Ich will sie überhaupt nicht kleinreden. Und weil wir solche menschlichen Muster an Gott anlegen, geschieht es ganz schnell, dass wir meinen, viel zu schuldig, viel zu unwürdig, viel zu menschlich zu sein, als dass Gott uns noch lieben könnte.

Oder aber wir gehen eben in die andere Richtung. Wir halten es schier nicht aus, dass Gott uns liebt. Zwar predigen wir das jeden Sonntag, hören es jeden Sonntag, lesen viele Bücher darüber – aber leben tun wir es nicht wirklich. Und das finde ich äußerst schade. Denn nichts in dieser Welt kommt der Liebe gleich, die der Schöpfer des Universums zu jedem einzelnen Menschen hat. Sie ist so groß, dass es ihn sein Ein und Alles kostete: „Denn Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen, sondern das ewige Leben haben.“ (Johannes 3,16)

Es gab mal eine Zeit, in der war nichts – also fast nichts. Es war: Gott. Und er sagte: „Es werde!“ Und es wurde. Tatsächlich.

Hell und Dunkel. Himmel und Wasser. Erde und Meer. Die Natur mit unzähligen Bäumen, Büschen und Pflanzen aller Art. Sonne, Mond, Sterne. Galaxien mit Millionen von Sternen. Tiere im Wasser, Tiere in der Luft, Tiere auf dem Land – und zu guter Letzt: der Mensch. Von dem heißt es auch noch: „Was ist da schon der Mensch, dass du an ihn denkst? Wie klein und unbedeutend ist er, und doch kümmerst du dich um ihn. Ja, du hast ihm eine hohe Stellung gegeben – nur wenig niedriger als die Engel. Mit Ruhm und Ehre hast du ihn gekrönt.“ (Psalm 8,5 + 6)

Sag mal: Glaubst du immer noch, dass du irgendetwas tun könntest, um diesem Gott zu gefallen? Glaubst du im Ernst, dass irgendeine deiner frommen Taten ihn dazu bewegen könnte, dich mehr zu lieben? Das ist undenkbar. Das ist grotesk. Das ist schlicht und einfach Unsinn.

Der Witz ist: Du kannst auch nichts tun, damit Gott dich weniger liebt. Denn auf der anderen Seite ist es dieser Schöpfer des ganzen Universums, der dich liebt. Ich meine – das schaffen wir gar nicht, zu verstehen.

Es fällt uns ja schon schwer zu verstehen, warum unser Partner uns liebt – bei den ganzen Macken, die wir so an und in uns haben. Da reicht es aus, dass wir menschliche Liebe nicht messen oder erklären können.

Wie viel weniger können wir dann göttliche Liebe messen!

Und wir brauchen es auch nicht, denn sie würde ohnehin immer konstant den gleichen Pegelstand anzeigen: maßlos!

Das geht ganz schwer in unseren Kopf hinein – und deswegen sind wir versucht, Dinge „für Gott“ zu tun, die uns besser vor ihm dastehen lassen. Das ist ganz menschlich. Wir halten es nicht aus, einfach zu sein. Wir müssen etwas tun. In unserer heutigen Reizüberflutungsgesellschaft ohnehin. Mich wundert es nicht, dass immer mehr „Ich bin dann mal weg“-Angebote sich großer Resonanz erfreuen: stille Tage im Kloster, ein Wochenende in der Natur oder ein bewusstes Abschalten aller technischen Geräte. Man könnte meinen, wir hätten die Nase gestrichen voll von so vielem, was uns täglich umgibt und was uns immer wieder an einen Punkt bringt, an dem wir agieren und leider immer öfter auch reagieren müssen – oder wollen.

Dabei gibt es nichts Schöneres, als sich der Liebe des himmlischen Vaters einfach einmal auszusetzen. Nichts tun, einfach sein. Vor ihm. In seiner Gegenwart, in der das stürmische Meer im Inneren unseres Herzens zur Ruhe kommt. Sich neu justieren und ausrichten ist, was wir immer wieder benötigen. Aber eben genau nicht dadurch, dass wir etwas tun, sondern dass wir sind. Vor Gott.

Symptomatisch dafür ist für mich die Situation des Volkes Gottes, als er selbst es aus Ägypten herausgeführt hat. Sie waren in der Zwickmühle: Vor ihnen das unüberwindbar scheinende Meer – hinter ihnen, am Horizont, können sie schon den aufgewirbelten Staub der bedrohlichen Reiterscharen des Pharaos sehen, der es sich alles noch mal anders überlegt hat.

Jetzt sitzen sie in der Klemme. Vor ihnen wartet der Tod durch Flut auf sie, hinter ihnen nähert sich der Tod durch ägyptische Soldaten. Beides ist nicht wirklich eine Alternative.

Da tritt Mose vor Gott. Bittet. Fleht. Weint. Klagt.

Er tritt für sein geliebtes Volk bei Gott ein.

Nach seinem Zwiegespräch mit Gott hat er eine Botschaft an die verzweifelten Menschen:

„Der Herr selbst wird für euch kämpfen, wartet ihr nur ruhig ab!“ (2. Mose 14,14)

„Klar, Mose! Du hast wohl zu viel an der Wolkensäule geschnüffelt, was?“ So oder so ähnlich mögen vielleicht die Israeliten gedacht haben.

Einfach Gott vertrauen? Nichts tun und warten, dass Gott eingreift? Ich kann mir vorstellen, wie schwierig das für die Israeliten war.

„Aber wir können doch nicht nichts tun! Aber was wird dann aus unseren Kindern? Aber warum hat Gott uns dann in diese Zwickmühle geführt? Aber wie sollen die Ägypter geschlagen werden? Aber knechtet uns der Pharao dann aufs Neue?“

So oder so ähnlich ist auch oft unsere innere Reaktion, wenn wir uns der Liebe Gottes aussetzen sollen. „Ja, aber Gott kann mich unmöglich so lieben, wie ich bin. Aber ich habe Gott doch gar nichts zu bringen, wofür er mich lieben könnte. Aber kann das so einfach gehen? Aber was kann ich Gott denn als Dank zurückgeben? Aber was, wenn ich mich mal wieder danebenbenehme – liebt er mich da immer noch? Aber es gibt da diese eine Sünde, damals vor 13 Jahren, 4 Monaten und zwei Tagen. Aber ich spüre seine Liebe gerade so was von überhaupt nicht.“

Weißt du, wie man das nennt? Das ist Aberglaube. Ein Glaube, der sich aus lauter „Abers“ speist, die Gottes Liebe im Weg stehen – wo sie doch eigentlich gerade das nicht wollten.

Liebe lebt von Beziehung. Deswegen mach doch mal was Verrücktes und nimm dir Zeit für deinen Schöpfer, der dich grenzenlos liebt. Sei es regelmäßig am Tag, ein ganzer Tag, ein Wochenende. Nimm dir diese Zeit – und sei einfach ein geliebtes Kind Gottes. Denn das wird dir helfen, auch in brenzligen Situationen zu erleben, dass die Liebe, mit der Gott dich liebt, mehr als nur ein Gedanke ist. Sie ist das tragende Fundament deines Lebens und deines Glaubens.

Schnell sind wir dabei zu fragen: Wie? Wie soll ich das machen? Genau das ist der Punkt: Es gibt hier kein Patentrezept oder Generallösung für alle Menschen. Ich kann nicht, ich will nicht und werde dir diese Frage nicht beantworten – weil es die falsche Frage ist. Die wichtigste Frage ist eben nicht, wie, sondern, wann?

Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Gemeinden und die ganze Gesellschaft vollkommen verändert werden würden, wenn wir die Liebe Gottes einfach viel mehr zum Zug kommen lassen.

Vor allem dann, wenn wir vor lauter Balken im eigenen Auge nur noch den Splitter im Auge des anderen sehen.

Wenn du ein aktives Gemeindeglied bist, damit meine ich solch liebenswerte Menschen, die nicht nur an Weihnachten oder aus Tradition in den Gottesdienst gehen, sondern sich vornehmen, jeden Sonntag in den Gottesdienst zu gehen, unter der Woche noch eine Gruppe besuchen und sich ehrenamtlich in der Gemeinde engagieren. Wenn du in diese Kategorie fällst, dann bitte ich dich einmal um Folgendes: Beobachte mal ganz genau, wo und wie die Liebe Gottes in deiner Gemeinde, also bei allen Veranstaltungen, an denen du in den nächsten Tagen teilnimmst, gelebt wird. Wo kommt sie zum Zug? Wie drückt sie sich aus? Wie gehen wir mit Menschen um, die durch unser Sündenkategorisierungsraster gefallen sind?

 

Wenn du nicht in der perfekten Gemeinde bist, dann warne ich dich vor: Du könntest schockiert sein. Schockiert darüber, wie wenig diese göttliche Liebe spürbar ist und wie sehr Menschen verurteilt oder zumindest beurteilt werden aufgrund dessen, was sie tun oder nicht tun.

Und dann überwinde dich. Überwinde dich und sprich in eine solche Situation die Liebe Gottes hinein. Ich sage dir: Du wirst angestarrt werden. Menschen werden sich ertappt und entlarvt fühlen. Aber es wird noch mehr geschehen: Die Liebe des Schöpfers wird spürbar werden und Herzen verändern. Das verspreche ich dir.

Ein Versuch ist es doch allemal wert, oder?

Genau das wird nämlich dein Leben reich machen: nichts tun müssen, sondern einfach vor Gott sein und seine Liebe in dich aufsaugen. Wie du das machst, überlasse ich dir: Ob du in der Stille die Gegenwart Gottes suchst, beim Spazierengehen in der Natur, im Lobpreis oder im Gebet. Schaffe dir deinen Moment, in dem du die Liebe Gottes so richtig in dich aufnehmen kannst!

Du bist kein Nichtsnutz, wenn du nichts tust, außer dich der Liebe Gottes hinzuhalten. Denn das ist das Beste, das du tun kannst.

JETZT WIRD'S KONKRET:

1. In welchen Situationen und Momenten deines Lebens fällt es dir besonders schwer, einfach nur zu „sein“ und nichts zu „tun“. Nimm dir doch die Zeit und mach dir darüber Gedanken. Schreib sie dir auf. Für alle, die nicht mehr wissen, was Stift und Papier sind, kann ich für so etwas die wunderbaren Smartphone-Apps „Evernote“ oder „Daily One“ empfehlen.

2. „Der Herr selbst wird für euch kämpfen, wartet ihr nur ruhig ab!“ (2. Mose 14,14) Was löst dieser Vers in dir aus? Warum fällt es dir schwer, ihm Glauben zu schenken? Und wo merkst du, dass er dir Kraft gibt?

3. Such dir im Alltag Oasen, in denen du einfach nur vor Gott bist und dich erfrischen lässt: die Mittagspause im Grünen bei der Arbeit, der Sport, Zeiten des Gebets und Lobpreis zu Hause. Was auch immer für dich passt: Such dir diese Möglichkeiten, einfach vor Gott zu sein und von ihm erfrischt zu werden.