Seewölfe - Piraten der Weltmeere 426

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 426
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Impressum

© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-834-8

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Davis J. Harbord

Die Affen-Galeone

Sie hatten 60 Käfige an Bord – und das weckte das Mißtrauen der Seewölfe

Luis Campos, der „Admiral“, und seine Halunkenbande hatten das Zeitliche gesegnet und worden nie wieder über andere Schiffe herfallen, sie ausplündern und ihre Besatzungen aber die Klinge springen lassen. Sie hatten sich an den düsteren Zweidecker gewagt und sich dabei übernommen. Denn die Männer des Seewolfs, Jean Ribaults und Siri-Tongs waren zu hart und eine Nummer zu groß für sie gewesen. Die Schnapphähne hatten ihr Grab in der Karibik gefunden. Seitdem war Ruhe für die Männer auf der „Caribian Queen“ gewesen. Im Kielwasser segelten keine Verfolger mehr, die See schien leergefegt – und das bereits seit drei Tagen und drei Nächten. Edwin Carberry, der Profos, nannte so etwas „Schmalzsegeln“. Aber das änderte sich ziemlich plötzlich …

Die Hauptpersonen des Romans:

Don Ignazio de Carillo – der Vizegouverneur von Neu-Granada heckt ein ziemliches Bubenstück aus.

Juliano Blanco – Kapitän der „Andalucia“ hilft ihm dabei und fällt auf die Nase.

Pater Paulus – ein Dominikaner mit einem Herzen für Tiere, besondere für Affen.

Donegal Daniel O’Flynn – hat ein Problem, als er die Prisengaleone übernimmt.

Edwin Carberry – der Profos entdeckt etwas und denkt: Mich küßt ein Äffchen.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

Anfang Mai 1594, Cartagena.

Diese Hafenstadt an der Nordostküste des Golfes von Darién war 1533 von dem Spanier Don Pedro de Heredia gegründet worden. Ob Don Pedro ein Schlitzohr war, wissen wir nicht, aber er hatte mit sicherem Blick einen guten Platz erkannt – eine Art Drehscheibe oder Umschlaghafen zwischen dem Mutterland Spanien, Neu-Granada, Neu-Spanien und Kuba.

Die Natur hatte dafür gesorgt, daß der Zugang zu Cartagena ziemlich schwierig war. Einerseits lag die Stadt fast am Meer, andererseits jedoch tief in einer nahezu geschlossenen Bucht. Von der Seeseite her war eine Landung oder ein Angriff wegen der felsigen Küste kaum möglich. Östlich der Stadt verwehrte ein Sumpfgebiet das Eindringen, im Süden wurde sie von einer Lagune geschützt, und die Einfahrt – „Boqueron“ genannt – sicherte ein Fort. Noch zwei weitere Forts – Sainte Croix innerhalb der Bucht und Saint Lazare auf der gegenüberliegenden Seite – schirmten die Stadt ab.

Wirklich, dieses Cartagena war ein feines Plätzchen, und das war auch die Ansicht von Don Ignazio de Carillo, dem Vizegouverneur von Neu-Granada, der hier seinen Amtssitz hatte.

Die Gründe, warum Don Ignazio die Stadt äußerst wohlwollend betrachtete, hingen nicht unbedingt mit ihrer Wehrhaftigkeit zusammen, nein, das war auch mehr Sache des Stadtkommandanten. Don Ignazio hingegen liebte die Stadt heiß und innig, weil sie ihm eine satte Pfründe bot. Unter Pfründe verstehen wir in diesem Fall ein müheloses Einkommen, mühelos, weil Don Ignazio dafür nicht hart zu arbeiten brauchte.

Dieser schlitzohrige Hundesohn in der Position eines Vizegouverneurs hatte gute und dauerhafte Fäden gesponnen, seit er im Amt war. Diese Fäden verliefen zu den Kapitänen jener Handels-Galeonen, die zwischen Nombre de Dios oder Porto Bello an der karibischen Seite Panamas und Cartagena hin und her pendelten.

Sie übernahmen in Nombre de Dios oder Porto Bello die Schatzgüter, die von Maultiertransporten aus Panama über den Isthmus gebracht wurden, und kehrten, tief geladen, nach Cartagena zurück. Waren genügend Galeonen in Cartagena versammelt, brachen sie gemeinsam im Geleitzug nach Havanna auf, wurden dort noch einmal mit Proviant und Trinkwasser versorgt und gingen dann auf die lange Reise über die Bermudas zurück nach Spanien.

Nun, die guten und dauerhaften Fäden Don Ignazios hatten noch eine andere Eigenschaft: Sie waren klebrig. Die Kapitäne klebten an ihnen, bildlich gesprochen. Don Ignazio hatte die sehr ehrenwerten Schiffsführer so ein bißchen an der Leine. Von dem einen wußte er dies, von dem anderen das, aber was er wußte, war stets eine mehr oder weniger üble Geschichte, mit der er bei den Kapitänen das betreiben konnte, was man gemeinhin mit Erpressung bezeichnet.

Da hatte ein Kapitän die Frau des Stadtkommandanten zum Ehebruch verführt, ein anderer ein Indianermädchen geschwängert, ein dritter war in Spanien verheiratet, hatte aber in Cartagena eine Mätresse – noch dazu eine Mulattin – ein vierter hatte an französische Siedler Waren verkauft, was streng verboten war, kurz, so hielt sich das dran, und Don Ignazio nutzte sein Wissen, diskret, versteht sich.

Zur Ehre Spaniens muß gesagt werden, daß nicht alle Kapitäne so waren, aber Don Ignazio hatte einen sicheren Blick für Sünder und hielt sich im übrigen eine Bande von Spitzeln und Zuträgern, die herumschnüffelten, wo einer Dreck am Stecken haben könnte.

Im Gegensatz zu seinem Gouverneurskollegen in Kuba, dem feisten Don Antonio de Quintanilla, war Don Ignazio kein Genußmensch. Und auch äußerlich hatten sie nichts Gemeinsames. Don Ignazio war dürr und geiergesichtig, schmallippig und hartäugig. Er hatte keine Machtpläne wie Don Antonio, sondern wollte in einigen Jahren nach Spanien zurückkehren, um auf seinen Geldsäcken der Ruhe zu pflegen.

Ein Bruder von ihm saß als hoher Beamter in Sevilla bei der Casa de Contratación, jenem Handelshof, der den Handel und Schiffsverkehr zwischen Spanien und der Neuen Welt kontrollierte, regelte und abwickelte. Diese Marinebehörde war erstens ein Verwaltungspolyp und zweitens durch und durch korrupt. So gewährleistete der Bruder Don Ignazios in Sevilla, daß gewisse Ladegüter aus Cartagena gar nicht erst bei der Casa oder gar bei Seiner Majestät, sondern im Familienschoß der de Carillos landeten, die schon jetzt zu den reichsten Familien Spaniens zählten!

Don Ignazio konnte zufrieden sein – und war es auch. Zwar passierte es, daß Galeonen, denen Don Ignazio gewisse Kisten und Truhen anvertraut hatte, von verdammten Piraten aufgebracht und ausgeplündert wurden, aber das mußte dann eben aufs Verlustkonto geschrieben werden, obwohl es im eigentlichen Sinne gar kein Verlust war, denn den Inhalt der Kisten und Truhen hatte Don Ignazio von den Kapitänen erhalten, die ihrerseits ihren „Anteil“ von Ladungen abzwackten, die ihnen zum Transport anvertraut und für die Schatulle seiner Allerkatholischsten Majestät bestimmt waren.

Nein, es war kein Verlust, und ein persönliches Risiko hatte Don Ignazio ebenfalls nicht, denn ihm ging es ja nicht an den Kragen, wenn eine Galeone von den Schnapphähnen geentert wurde. Ärgerlich war in einem solchen Falle nur, wenn auch jener Kapitän dabei über die Klinge sprang, mit dem Don Ignazio seine diskreten Beziehungen angeknüpft hatte. Da mußte er sich wieder einen Ersatz beschaffen – aber zu was hatte er seine Spitzel, nicht wahr?

An diesem Tag im Mai – einem Mittwoch – waren drei Handelsgaleonen aus Cadiz in Cartagena eingetroffen. Sie brachten Leinen, Kleidungsstücke, Schuhe, Wein, Hieb- und Schußwaffen, Brustpanzer, Werkzeuge und Haushaltsgeräte. Klar, daß von den Weinfässern gleich einige für den Gouverneurskeller abgezweigt wurden, diskret wie immer.

Indessen sortierte der Sekretär Don Ignazios, ein spitzbärtiges Männchen, einer Maus nicht unähnlich, die Post, die von der Casa den drei Galeonen für den Vizegouverneur mitgegeben worden war.

Darunter befand sich ein Schriftstück, das mit dem königlichen Siegel versehen war – eine Order für den Señor Vizegouverneur. Der Spitzbart des Männchens begann zu zittern, und seine Hände wurden feucht. Das passierte ihm immer, wenn Briefe mit dem königlichen Siegel eintrafen. Es vermittelte ihm das Gefühl, einen unerhört wichtigen Posten innezuhaben, gewissermaßen Auge in Auge oder Ohr an Ohr mit Seiner Erlauchten Allerkatholischsten Majestät. Ein erhebendes Gefühl, zumal der Maus die Gnade Don Ignazios zuteil geworden war, die königlichen Briefe öffnen zu dürfen.

Er öffnete, aber zuvor wusch er sich die feuchten Hände, ordnete seine Kleidung und polierte die Platte seines Schreibtisches, obwohl die eh wie ein Kinderpopo glänzte. Aber das mußte sein, galt es doch, Seiner Allerkatholischsten Majestät – verkörpert durch Brief und Siegel dort auf dem Schreibtisch – in tiefstem Respekt und untertänigster Würde gegenüberzutreten.

Und die Maus zelebrierte vor dem eigenen Schreibtisch, auf dem Königliches lag, einen Kratzfuß, einen sehr tiefen – und noch einen mit einem Schrittchen voraus.

Das Schrittchen war zuviel, und beim Aufrichten bumste es. Da war die Schreibtischkante im Weg. Ein paar Sternchen blitzten im Kopf des Männchens auf, und es schmerzte sehr. Kanten an Schreibtischen sind nun mal hart.

 

„Verzeihung“, murmelte das Männchen erschrocken, als habe Seine Majestät zugeschaut und sei ob des Bumses unwirsch.

Inzwischen landete ein blauschillernder Brummer auf dem königlichen Schreiben und begann, die Flügel zu putzen. Man bedenke – ein Brummer auf dem Erhabenen! Welch ungeheuerliche Schändung!

„Ksch-ksch!“ zischte das Männchen und wedelte mit der rechten Hand. „Weg da!“

Der Brummer summte beleidigt ab. Drüben im Türmchen des Klosters von Notre-Dame-de-la-Poupe läuteten die Glocken die vierte Nachmittagsstunde ein. Am Hinterkopf des Männchens entwickelte sich eine längliche Beule. Sie wurde mannhaft ignoriert. Es galt, den Brief des Erlauchten zu lesen, Wort für Wort, Satz für Satz – eine königliche Offenbarung, verschnörkelt und mit Girlanden verziert, erhabener Ausdruck des Herrschers über Spanien und seine Kolonien, über Neapel, Mailand, die Freigrafschaft Burgund und die Niederlande.

Und das Männchen las.

Lippen formten unhörbare Worte, Augen wanderten von links nach rechts, sprangen zur nächsten Zeile der majestätischen Verkündigung, Andacht versammelte sich im Gesicht, Denkfalten vertieften die Stirn.

Der Brummer raste im Tiefflug über den Schreibtisch. Das Männchen bemerkte es nicht. Der König von Spanien sprach. Im fernen Escorial weilte er, weit weg über Tausende von Meilen. Von dort aus tat er kund, was er von Seinem untertänigsten Don Ignazio erwünschte – und fürwahr, es war der Wunsch einer königlichen Majestät, angemessen Seiner herrscherlichen Würde, symbolhaft gleichsam.

Zutiefst aufgewühlt las das Männchen den Brief noch einmal von oben bis unten. Dort klammerten sich seine Augen an der königlichen Unterschrift fest. Ah! Dort hatte Seine Hand geruht! Die Augen der Maus schimmerten verzückt.

Der Brummer flog einen Frontalangriff auf die Stirn der Maus, bog im letzten Moment nach rechts und kurvte mit einem bösartigen Summton an die Zimmerdecke.

Da war das Männchen doch ein bißchen zusammengezuckt. Es starrte wütend zur Decke hoch. Die hehre Stunde war entweiht, nichts war diesen Untieren heilig, sie vergingen sich an Seiner Majestät.

Es wurde Zeit, dem Señor Vizegouverneur das Schreiben Seiner Allerkatholischsten Majestät zu überbringen, auf daß auch Don Ignazio der Ehre teilhaftig wurde, die königlichen Zeilen zu lesen und etwas zu veranlassen.

Der Brief mit dem königlichen Siegel fand den ihm gebührenden Platz auf einem silbernen Tablett, das die Maus zuvor noch einmal auf Hochglanz poliert hatte. Auch das mußte so sein – jedenfalls nach Ansicht der Maus, die einen Königs-Tick hatte. Ein Tablett aus Edelholz hätte es auch getan, aber das war der Maus zu schäbig.

Don Ignazio de Carillo studierte die von den Galeonen mitgebrachten Frachtlisten, als sein mausgesichtiger Sekretär nach behutsamem Klopfen eintrat, sich verhalten räusperte und zum Schreibtisch schritt. Ja, ein Schreiten war es, gemessen und würdevoll, als führe die Maus eine Prozession an.

Beim Öffnen der Tür hatte auch der Brummer einen Standortwechsel vorgenommen und war über dem Kopf der Maus in den Arbeitsraum Don Ignazios vorgestoßen. Der Raum war natürlich größer als das Sekretärsbüro. So konnte sich der Brummer voll zum Langflug entfalten, was einen dauerhaften Summton zur Folge hatte, dem es auch an Durchdringlichkeit nicht mangelte.

Die Maus biß die Zähne zusammen.

Don Ignazio schaute, auf, runzelte die Stirn, sein Blick folgte dem Brummerflug.

Die Maus hüstelte und verkündete: „Ein Brief Unserer Durchlauchtigsten Majestät!“ Das silberne Tablett mit dem Königlichen wurde serviert, die Hände hielten es wie eine Reliquie über den Schreibtisch und vor die Nase Don Ignazios.

Dessen Blick kehrte zurück, sein Stirnrunzeln vertiefte sich.

„So!“ sagte Don Ignazio, nicht sonderlich interessiert.

Hier müssen wir einfügen, daß Don Ignazio im Gegensatz zu seinem Sekretär keineswegs an einem Königstick litt, nein, ganz und gar nicht. Es mangelte ihm an dem gebührenden Respekt. Außerdem betrachtete er königliche Briefe mit dem gesunden Mißtrauen eines Mannes, der aus langer Erfahrung weiß, daß sie in der Regel nichts Gutes enthalten. Zumeist hatten sie die fatale Eigenschaft, etwas zu verlangen und somit störend zu sein.

„Ein königlicher Auftrag!“ verkündete die Maus und hatte den schwärmerischen Blick drauf. Seine Hände hielten immer noch das Tablett.

Don Ignazio hatte es ja geahnt. Ein Auftrag!

„Er wird unsere ganze Kraft erfordern!“ verkündete die Maus.

Daß die Maus „unsere“ sagte, ließ die Hoffnung offen, die Arbeit zu delegieren.

„Laß sehen!“ sagte Don Ignazio unwirsch.

Er nahm den Brief vom Tablett und behandelte ihn wie etwas Lästiges, aber nicht wie eine Reliquie. Und dann las er.

Sein Geiergesicht wurde rot und röter, aus seinem schmallippigen Mund drang ein Zischlaut der Wut, und als er am letzten Schnörkel der königlichen Unterschrift angelangt war, warf er den Kopf zurück und stieß ein hysterisches Gelächter aus.

Die Maus erbleichte, der Spitzbart zitterte.

„Wahnsinn!“ schrie Don Ignazio. „Sind die denn des Wahnsinns?“ Seine rechte Rückhand knallte mehrmals gegen das Erhabene, das er mit der Linken hielt. Es sah aus, als ohrfeige er den Brief. „Ich soll eine Schiffsladung voller Affen auf den Weg nach Spanien bringen – possierliche und lustige Äffchen! Geeignet, Seiner Majestät Freude und Heiterkeit zu vermitteln! Was bin ich denn? Ein Affenfänger?“ Don Ignazios Faust landete krachend auf dem Schreibtisch.

„Aber …“, stotterte die Maus und war am Flattern.

„Nichts da!“ schrie Don Ignazio wutentbrannt und wurde sehr vulgär. „Die sollen mich am Arsch lecken! Possierliche Äffchen! Daß ich nicht lache! Diese verlausten Mistviecher!“

„Aber …“, setzte die Maus noch einmal an, wurde aber wieder unterbrochen.

„Wer hat diesen Quatsch ausgeheckt?“ donnerte Don Ignazio. „Wer hat ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt?“ Mit „ihm“ meinte er Seine Allerkatholischste Majestät. „Doch nur irgendwelche verdammten Schranzen bei Hofe! Wer denn sonst! Und was steht in der nächsten Order? Daß ich Schmetterlinge fangen soll, wie?“ Und noch einmal krachte die Faust auf den Schreibtisch. „Haben die in Madrid nichts Besseres zu tun, als uns mit solchem Quark zu belemmern?“

Das waren nun schon sehr viele Fragen, die Don Ignazio wie Schüsse abgefeuert hatte. Der Maus dröhnte der Kopf. Wie furchtbar war das alles! Und Don Ignazio zeigte überhaupt kein Verständnis für die Größe und Wichtigkeit der gestellten Aufgabe.

Die Maus faßte sich und sagte tapfer: „Es ist eine bedeutende Order Unserer Königlichen Majestät, Señor Gouverneur, und von ihr selbst unterschrieben. Und bedenken Sie, wie geeignet die netten Äffchen sind, Unserer Königlichen Majestät heitere Stunden zu bescheren …“ Die Maus verstummte, denn Don Ignazios Blick verkündete erneute Explosionen.

„Sagen Sie mal“, fauchte Don Ignazio, „wissen Sie eigentlich, was Sie da für einen Quatsch reden, Sie Idiot? Und haben Sie schon mal darüber nachgedacht, daß sich diese Hofnarren die verdammten Affen auch aus Nordafrika holen können? Und was turnt in den Felsen von Gibraltar herum? Affen! Nichts als Affen, nämlich die Berberaffen, nicht wahr?“

„Aber die sind nicht so possierlich“, wagte die Maus einzuwenden.

„Possierlich! Possierlich!“ höhnte Don Ignazio. „Können Sie mir mal verraten, was an Affen possierlich sein soll? Affen stinken, sind frech, aufdringlich, verfressen und völlig überflüssig. Was daran possierlich sein soll, ist mir schleierhaft. Freude und Heiterkeit kann ich beim Anblick von Affen auch nicht empfinden – so wenig wie beim Anblick von Regenwürmern. Wissen Sie was, den Brief hat irgendein Spaßvogel geschrieben. Ja, das ist es! Einer, der mir eins auswischen will. Ich soll mir ein Bein ausreißen für diesen grandiosen Unsinn. Aber nicht mit mir!“

„Seine Erlauchte Majestät haben den Brief aber eigenhändig unterschrieben“, sagte die Maus verstört.

„Die Unterschrift ist gefälscht“, erklärte Don Ignazio.

„Und da ist das königliche Siegel!“ Die Maus rang die Hände.

„Hat sich der Bastard besorgt“, sagte Don Ignazio, der selbst schon Siegel gefälscht hatte. Aber ob gefälscht oder echt – er dachte nicht im Traum daran, für Philipp auf Affenjagd zu gehen. Ganz sicher war jedoch, daß das spanische Königreich mit oder ohne Affen weder besser noch schlechter regiert wurde. Wenn Philipp schon Affen brauchte, um sich aufheitern zu lassen, dann war das wohl eher ein Zeichen dafür, daß er infantil wurde.

Don Ignazio rechnete nach. Ja, Philipp ging auf die Siebzig zu. Sagte man nicht, daß alte Leute häufig kindisch wurden? Ein dünnes Grinsen huschte über das Geiergesicht. Ob dieser Fall nun eintrat oder Philipp seinem Lebensende entgegenging – Don Ignazio wußte, daß viele Probleme ihre Dringlichkeit oder Bedeutung verloren, wenn man sie vor sich herschob oder einfach ignorierte.

Und damit war sein Entschluß gefaßt, der darin bestand, daß er das königliche Schreiben – ritsch-ratsch – zerriß.

Die Maus schrie auf und fiel fast in Ohnmacht.

Don Ignazio ließ die zerrissenen Teile genüßlich in den großen ledernen Papierkorb fallen.

„Kein Grund, hier herumzuschreien“, tadelte er seinen Sekretär.

„Aber ich habe den Eingang noch nicht verbucht!“ jammerte das Männchen.

„Um so besser, mein Lieber“, sagte Don Ignazio wohlwollend und doch mit einem Schuß Hohn in der Stimme. „Da haben Sie klug gehandelt. Dieser Brief hat mich nie erreicht, nicht wahr?“

„Aber …“

Jetzt wurde Don Ignazios Stimme scharf: „Haben Sie einen solchen Brief je gesehen, mein Freund?“ Seine Finger trommelten einen flotten Marsch auf der Schreibtischplatte, seine Augen wirkten wie spitzgeschliffene Dolche. „Oder möchten Sie gern versetzt werden, hm? Vielleicht als Dorfschreiber in das Kaff Porto Bello? Oder nach Carmen? Sie wissen, unser Außenposten unten im Süden, der vor drei Wochen von Indianern überfallen wurde! Das wäre das Richtige. Da könnten Sie auch gleich Affen zählen oder versuchen, selbst welche zu fangen – aber bitte nur die possierlichen …“

Das Männchen hatte Schweiß auf der Stirn und ächzte.

„… die sind besonders lustig“, fuhr Don Ignazio fort, „da hören Sie vor lauter Lustigkeit überhaupt nicht mehr auf, zu lachen. Nur wegen der Schlangen müssen Sie aufpassen – ein Biß, und Ihr Gesicht wird zuerst blau, dann violett, mit Schaum vorm Mund und Augen, die ums Doppelte größer werden.“ Jetzt war Don Ignazios Blick lauernd. „Wissen Sie etwas von einem Brief, den mir angeblich Seine Majestät geschrieben haben soll, mein Guter?“

„N-nein“, flüsterte das Männchen.

Don Ignazio hörte es nicht, weil der Brummer zwischen ihnen durchraste. Der Lautstärke nach klang es, als seien es jetzt zwei Brummer, zwei gereizte Brummer.

„Wie bitte?“ fragte Don Ignazio scharf. „Hatten Sie etwas gesagt?“

„Ich – ich sagte ‚nein‘.“

„Was – nein?“

„Ich – ich weiß nichts von einem Brief Seiner Majestät.“ Das Männchen schluckte und schwitzte und hatte weiche Knie.

„Ah! Das entzückt mich. Aber wenn Sie schon nicht auf die Affenjagd gehen wollen, dann wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie endlich dieses verdammte Fliegenvieh totschlagen würden.“

„Sehr wohl, Señor Gouverneur“, sagte das Männchen. „Ich – ich muß nur noch die Fliegenklatsche holen.“

„Richtig“, sagte Don Ignazio süffisant. „Mit dem silbernen Tablett werden Sie das Biest kaum erwischen – wäre auch schade um das gute Stück.“

Das Männchen eilte hinaus. Don Ignazio starrte ihm hinterher. Du gefällst mir nicht, Bürschchen, dachte er grimmig. Wenn du mit deinen Zicken betreffs des alten Philipp nicht aufhörst, dann fliegst du. Zum Glück wußte und ahnte dieser Idiot nichts von gewissen Geschäften und Transaktionen, die er, Don Ignazio, betrieb. Das fehlte mir noch, dachte er.

Sicherheitshalber verbrannte Don Ignazio das zerrissene Schreiben Seiner Allerkatholischsten Majestät im Kamin, während das Männchen mit der Fliegenklatsche auf Brummerjagd war – ergebnislos, denn der Brummer hatte sich an die Decke verzogen. Auch mit der Leiter reichte das Männchen nicht hoch genug.

Don Ignazio verließ die Kampfstätte. Es wurde Zeit für den Trunk am Spätnachmittag und ein Plauderstündchen mit Donna Inés, der Gemahlin des Bürgermeisters, nein, nicht in deren Himmelbett, obwohl sie’s mit vielen trieb, weil Don Miguel, ihr Mann, schon jenseits von Gut und Böse war. Aber Donna Inés war die Klatschtante von Cartagena, und von ihr erfuhr Don Ignazio höchst Wissenswertes, was die klebrigen Fäden betraf.

 

„Morgen ist das Vieh tot!“ drohte er, als er hinausging. „Oder …“ Hier brach er ab und ließ das „Oder“ unheilsschwanger im Raum hängen.

Vom Sekretär zum Brummerjäger mit Bewährung degradiert, durchlitt das Männchen schlimme Stunden. Der Brummer entwich im Durchzug zweier Fenster, die das Männchen geöffnet hatte.

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