Marie III

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Marie III

1  Titel Seite

2  Band 3 der Trilogie „Marie“

3  Reise nach Amerika

4  Band 3 der Trilogie „Marie“ - 1

5  Neuauflage März 2020

6  Was bisher geschah

Titel Seite
Band 3 der Trilogie „Marie“
Reise nach Amerika
Band 3 der Trilogie „Marie“ - 1

Neuauflage März 2020

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2015 Diana Wolfbach

Illustration: Diana Wolfbach

Was bisher geschah

Was bisher geschah

Die 73-jährige Diana lernt per Zufall die 12 ½-jährige Marie kennen. Es entwickelt sich eine Freundschaft zwischen alt und jung. Diana merkt bald, dass Marie geschlagen wird; diese gibt es aber zunächst nicht zu. Schließlich gesteht das Mädchen doch, dass sie von ihrem Onkel misshandelt und sexuell missbraucht wird. Nach einigen Wirren kommt Marie bei ihrer Lehrerin Frau Oberwald unter, die auch das Sorgerecht erhält.

Diana forscht in Archiven nach Informationen über den mysteriösen Tod von Maries Mutter. Unterstützung bekommt sie von einem Kommissar im Ruhestand, der den Fall bearbeitet hatte. Der tatverdächtige Onkel von Marie musste seinerzeit aufgrund eines Alibis, dass ein Bekannter ihm verschafft hatte, frei gelassen werden.

In einem Prozess wird Maries Onkel zu neun Monaten auf Bewährung wegen Misshandlung verurteilt. Vom Verdacht des Missbrauchs wird er freigesprochen, nicht zuletzt wegen eines fragwürdigen Gutachtens eines Psychologen.

Bevor sich das Leben von Marie und Diana normalisieren kann, geschieht das Unfassbare: Frau Oberwald wird das Sorgerecht auf Anraten des Jugendamtes entzogen, weil sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt.

Marie wird fast mit Gewalt in ein Heim gebracht, während Diana bei einem zufälligen Zusammentreffen mit ihrem Onkel diesen in Notwehr eine Treppe hinunterstößt und ihn vermutlich tötet.

Als Marie im Heim vom neuen Vormund ebenfalls sexuell belästigt wird, läuft sie weg. Diana holt sie ab; die beiden fliehen, weil sie es für sinnlos halten, sich der Polizei anzuvertrauen.

Zunächst gelingt es den beiden den Verfolgern zu entkommen. Schließlich werden sie aber doch gefasst. Marie kommt erst einmal in die Obhut des Jugendamtes, Diana wird vor Gericht gestellt. Die Mordanklage wird durch Indizien und eine Zeugenaussage untermauert. Weil Diana Marie nicht mit in den Prozess ziehen will und deshalb in vielen Punkten die Aussage verweigert, sieht es sehr schlecht für sie aus. Erst als Marie doch in den Zeugenstand tritt und ein einwandfreies Alibi liefert, wird Diana entlastet und freigesprochen. Die Frau des Opfers, Maries Tante Elfriede, wird schließlich als Täterin überführt. Frau Oberwald wird wieder Vormund von Marie.

Weil Maries Mutter von ihrem Schwager Ansfred Kossewitz seinerzeit vergewaltigt worden war, besteht die Möglichkeit, dass der Unhold Maries Vater ist. Ein Besuch bei einer Freundin von Maries Mutter bringt noch keine Klarheit.

Marie und Diana werden überfallen und entführt. Nur mit knapper Not entkommt Diana dem Tod. Nach der Rettung gelingt es ihr, Marie aus den Händen der Verbrecher zu befreien. Peter Schmidt, der ehemalige Vormund von Marie, gefährdet noch einmal die Freiheit und das Leben von Marie und Diana. Doch durch das Eingreifen des Komplizen Huber gelingt den beiden die Flucht. Bei einem Schusswechsel wird Huber getötet. Schmidt kann verletzt entkommen.

Ein Vaterschaftstest bestätigt, dass Kossewitz nicht Maries Vater war. Vielmehr führt die Spur zu einem Amerikaner namens Martin. Marie und Diana beschließen in den USA nach ihm zu suchen.

Offen bleibt auch noch, wer der Chef der Bande ist, der Schmidt, Kossewitz und Huber angehören bzw. angehörten. Kurz vor seinem Tod hat Huber nur angedeutet, dass der Chef Martin heißt.

*

„Happy Birthday, liebe Diana,“ sangen die Gäste. Ich bedankte mich artig.

Nachdem unsere Geburtstage nur zwei Tage auseinanderlagen, hatten Marie und ich beschlossen sie gemeinsam zu feiern. Am frühen Nachmittag begann die Party für Marie. Sie hatte zu ihrem 13. Geburtstag einige Schulfreundinnen und einen Jungen aus ihrer Klasse eingeladen. Claudia und ich begrüßten das sehr. Endlich fand das Mädchen etwas mehr Ruhe und wurde auch gegenüber anderen Menschen offener. Natürlich wahrte sie insbesondere Männern gegenüber auf Grund ihrer leidvollen Erfahrungen eine gewisse Zurückhaltung. Es würde noch lange dauern bis sie die schlimmen Erlebnisse verarbeitet hatte – wenn es denn überhaupt vollständig möglich war. Vielleicht ist es das Schlimmste, was die Unholde ihren Opfern antun – sie für ihr ganzes Leben zu traumatisieren.

Heute aber dachte Marie nicht an die schlimme Vergangenheit, sondern genoss ihre Feier.

Sie stellte mir einen Klassenkameraden vor.

„Das ist der Max Bentley, der ist halber Amerikaner. Er besucht seinen Vater im Sommer.“

Sie verstummte. Der Gedanke an ihren Vater kam vermutlich wieder hoch.

„Na, dann sehen wir uns ja vielleicht, wir fahren auch nach Amerika,“ lenkte ich ab.

„Wohl kaum,“ sagte der Junge. „Mein Vater lebt in New York. Und Sie fliegen ja nach Chicago hat mir Marie erzählt.“

Gegen Abend wurden Maries Gäste wieder abgeholt. Es trafen dann die ein, die mit mir feiern wollten. Von meiner engeren ‚Familie’ erschien niemand. Dafür durfte ich aber Freunde begrüßen, die ich in letzter Zeit kennen gelernt hatte und die mich akzeptierten. Claudia war natürlich da. Die Trauer konnte man ihr immer noch anmerken. Aber auch sie fand langsam wieder Mut in die Zukunft zu blicken.

Frau Zumbers vom Jugendamt war meiner Einladung ebenso gefolgt wie Rechtsanwalt Winterberg mit Begleitung. Besonders freute ich mich, dass er seinen Vater mitgebracht hatte. Der pensionierte Kommissar war zwar fast ganz auf seinen Rollstuhl angewiesen, aber er strahlte eine gewisse Zufriedenheit aus.

„Daran haben Sie einen gehörigen Anteil,“ scherzte er. „Sie haben den Fall Kossewitz gelöst, der mir schwer im Magen lag.“

Wir unterhielten uns über die abgelaufenen Ereignisse. Als das Gespräch auf den Ganoven Rock kam, musste Winterberg lachen.

„Ist ja schon ein alter Kunde von uns. Wissen Sie, wie der zu dem Namen kam?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Der geriet schon sehr früh auf die schiefe Bahn, leider. Ladendiebstähle, Körperverletzung, Einbrüche, Autodiebstahl – eine traurige Karriere. Sein Vorbild war ‚Rocky’, so wollte er sein und genannt werden. Damals lachten ihn seine Kumpel aus. Einer sagte, dazu fehle ihm doch noch einiges, worauf ein anderer bemerkte, nicht nur das ‚y’, bist nur ein ‚Rock’. Zunächst war er sehr beleidigt, aber als man ihm sagte, Rock sei das englische Wort für Felsen, war er zufrieden. Der Name blieb ihm dann.“

Nachdenklich wiegte mein Gesprächspartner den Kopf.

„Dass er zu einem Mord fähig gewesen wäre, hätte ich nicht für möglich gehalten.“

„Er hat es zweimal probiert, einmal als er uns von der Straße drängen wollte, und dann mit der Pistole...“ sagte ich.

„Zum Glück hat er es nicht geschafft,“ erwiderte der Kommissar.

„Ihr Auftritt mit der Walther P1 hat mir sehr imponiert,“ ergänzte er. „Ich hab‘ ja immer noch Verbindung zu meinen ehemaligen Kollegen, die erzählten es mir.“

Sein Lob freute mich natürlich. Trotzdem erzählte ich ihm von meiner Sorge.

„Der Schmidt ist ja leider entkommen. Ich hoffe, es geht keine Gefahr mehr von ihm aus.“

Winterberg blickte ernst. „Im Moment ist er wohl untergetaucht. Aber es ist nicht der Schmidt allein, das ist ja eine ganze Bande, und den ‚Chef’ kennt noch niemand.“

Bevor wir weiter diskutieren konnten unterbrach uns das Klingeln des Telefons. Chrissi rief aus Berlin an und wünschte uns nochmals alles Gute. Sie bedauerte, dass sie nicht dabei sein konnte, aber ihr Dienst in der Praxis verhinderte das.

Es klingelte an der Tür. „Willst du nicht aufmachen?“ fragte Marie, die natürlich an ‚meiner’ Feier teilnehmen durfte.

„Ich geh ja schon!“ erwiderte ich. Es war niemand zu sehen als ich die Tür öffnete. Auf der Treppe lag ein Paket. Ich beugte mich herunter und konnte auf einen Zettel lesen: ‚Für Diana und Marie’. Verwundert hob ich das Paket auf und trug es ins Wohnzimmer. Die Gäste drehten sich zu mir und schauten mich fragend an. Ich zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung von wem das ist. Es steht kein Absender drauf.“

„Mach es auf!“ drängte Marie.

Exkommissar Winterberg schaltete sich ein. „Vorsicht bitte. Das kommt mir schon merkwürdig vor!“ Er wandte sich zu seinem Sohn. „Schau dir das mal genauer an!“ Bruno Winterberg nickte. „Darf ich?“ fragte er mich.

 

„Ja natürlich!“

„Wir gehen nach nebenan,“ schlug er vor. Sein Vater folgte ihm.

Die Stimmung war natürlich bedrückt. Ich überlegte wie ich die Wartezeit überbrücken konnte. Mir fiel nichts Vernünftiges ein.

Endlich öffnete sich die Tür. Bruno Winterberg winkte mich zu sich. Marie folgte mir auf dem Fuß.

„Hier, sehen Sie.“ Er zeigte auf das geöffnete Paket. Ein wirres Durcheinander von Kabeln und kleinen Plastikteilen zeigte sich unseren Blicken.

Der Anwalt reichte mir einen Zettel. „Der lag dabei.“

Ich las den Text, der mit großen Buchstaben auf das weiße Blatt gedruckt war: ‚Diesmal ist es nur eine Attrappe! Aber ich kriege Sie! M’

„Was soll das?“ murmelte ich. „Wer ist ‚M’?“

Winterberg sen. schüttelte den Kopf. „Ich kann das Paket mitnehmen und untersuchen lassen, ich habe ja noch Verbindungen zur Polizei.“

Ich nickte verstört. „Aber den Gästen sagen wir bitte nichts von der Drohung.“

„Das ist wohl besser so,“ stimmte der Exkommissar zu. „Mir wird schon was einfallen was ich denen sage.“

„Falscher Alarm!“ verkündete er kurz darauf im Wohnzimmer. Das Paket war leer, sicher ein Scherz!“

Ich wusste nicht ob sich alle mit dieser Erklärung zufriedengaben. Nur allmählich kehrte die entspannte Atmosphäre zurück. Mir fiel es natürlich schwer meinen Kopf frei zu bekommen. Die Wirklichkeit hatte uns wieder eingeholt. Es war noch nicht vorbei ...

Trotzdem genossen wir das Essen und verbrachten einen insgesamt gemütlichen Abend. Es war schon fast Mitternacht als die Gäste gegangen waren. Marie wollte bei mir bleiben und hatte sich nach oben zurückgezogen. Mit Claudia trank ich noch ein Gläschen Rotwein bevor sie sich auch verabschiedete.

Irgendwann hört man auf zu zählen. 74 Jahre ... ganz schön alt! Ich war zufrieden, dass ich einigermaßen gesund war. Meine Familie hatte ich fast ganz verloren, aber dafür neue Freunde gefunden. Das neue Lebensjahr würde eine Menge Veränderungen bringen. Angst vor der Zukunft hatte ich keine. Wie sagt man so treffend: Es ist nie zu spät für einen neuen Weg!

*

„Jetzt bin ich schon 13!“ erklärte Marie voller Stolz am nächsten Morgen beim Frühstück.

Ich musste lächeln. Zu gut erinnerte ich mich daran als sie seinerzeit schmollend verkündet hatte: ‚Ich bin schon zwölfeinhalb!’

„Zusammen sind wir 88!“ ließ ich verlauten.

Marie stutzte. „87!“ verbesserte sie mich.

Ich lachte. „Du hast recht. Das war die Mathe-Stunde für heute.“

„Und jetzt Deutsch,“ fuhr ich fort. Marie schien nicht sehr begeistert.

„Finde den Haupt- und den Nebensatz,“ erklärte ich. „Während Marie schon 13 Jahre alt ist, ist Diana erst 74 Jahre alt.“

Marie grinste nur.

„Nächste Stunde Englisch. Was heißt 74 auf Englisch?“ fragte ich.

„Seventy-four,“ kam die prompte Antwort.

„Sehr gut!“ lobte ich. „Fällt dir was auf?“

Marie überlegte. Ich erklärte ihr meinen Gedanken.

„Wir sagen vierundsiebzig, den Einer zuerst, dann den Zehner. Im Englischen ist es genau umgekehrt und logischer; übersetzt würde es heißen siebzig-vier. In fast allen Sprachen spricht man es ‚richtig’ soweit ich weiß. Wenn ich was zu sagen hätte würde man im Deutschen auch diese Redeweise einführen, zuerst den Zehner und dann den Einer – dreißigsieben. Dann würden viele Kinder in den ersten Jahren nicht diese Probleme mit den Zahlendrehern haben, vielleicht erinnerst du dich.“

Marie nickte.

„Aber das wird nicht passieren, leider. ‚Das haben wir schon immer so gemacht!’ sagen die meisten Leute.“

Das Thema schien sie nicht so sehr zu interessieren. Deshalb schlug ich vor: „Nächste Stunde Musik!“

Marie rümpfte die Nase. Ich ging zur Stereoanlage und drückte eine Taste. Shakin’ Stevens begann zu singen: ‚Marie Marie ...’

Anscheinend kannte sie das Lied noch nicht, denn sie schaute sehr verblüfft.

„Komm jetzt, let’s dance!“ forderte ich Marie auf. Ich zeigte ihr die Grundschritte für den Rock’n’Roll, und schon bald bewegten wir uns schwungvoll durch den Raum.

„Ich habe noch nie getanzt!“ schrie Marie.

„Dann wird es aber Zeit!“ keuchte ich, denn das Tempo forderte seinen Tribut.

„Pause!“ erklärte ich, nachdem die Musik zu Ende war.

Marie hatte sichtlich Spaß an der lockeren Form des ‚Unterrichts’.

Wir tranken Orangensaft und ruhten uns aus.

„Weiter im Stundenplan!“ erklärte ich schließlich. „Was kommt jetzt?“

Marie grinste. „Religion!“

„Fällt heute aus!“ verkündete ich und fügte hinzu: „Wenn du 14 wirst erkläre ich dir etwas.“

Natürlich gab sich Marie damit nicht zufrieden. Aber ich blieb standhaft. Sie schmollte zwar ein wenig, aber als ich verkündete: „Hitzefrei!“ schaute sie überrascht. „Im Januar?“

Ich lachte. „Mal was anderes. Schule ist aus für heute!“

„Ich hätte dich gern als Lehrerin gehabt!“ sagte Marie.

Natürlich freute mich diese Aussage.

„Wir haben ja schon Nachhilfe zusammen gehabt,“ sagte ich. „Und wir werden auch immer mal ein bisschen Englisch trainieren, denn wir fliegen ja dieses Jahr nach Amerika!“

Marie strahlte. „Darauf freue ich mich schon riesig!“

„Ich auch,“ stimmte ich ihr zu.

Das Telefon klingelte. Winterberg sen. meldete sich. „Die Untersuchung des Pakets hat nichts ergeben was verwertbar wäre, leider. Bleiben Sie aber immer schön vorsichtig!“

Ich versprach es und legte auf.

*

„Strumpfhosen?“ fragte Marie erstaunt. „Ich dachte wir wollen Eier färben!“

Ich lachte. „Warte es ab, du wirst schon sehen wozu wir die brauchen!“

In der Küche und im Wohnzimmer lagen allerhand Utensilien bereit. Marie und ich waren nach Berlin gefahren, um bei Chrissi Ostern zu verbringen. Zum Glück hatte es keine weiteren Zwischenfälle gegeben.

Ungläubig schauten sich meine beiden Mitstreiter vom Projekt „Ostereierfärben“ an. Es war an der Zeit die einzelnen Schritte zu erklären und die Aufgaben zu verteilen.

„Bevor wir beginnen müssen wir erst mal draußen sammeln gehen,“ verkündete ich. Ich gab jeder eine Tüte und ein Messer.

„Sammeln? Was sammeln?“ fragte Chrissi erstaut.

Vor dem Haus klärte ich sie über unser Vorhaben auf.

„Zum Verzieren der Eier brauchen wir kleine Blätter und Blüten, die flach auf der Schale aufliegen können.“

Ich zupfte ein Kleeblatt ab und hielt es den beiden als Muster hin.

„So etwa!“ erklärte ich.

Immer noch ungewiss über die Technik des Färbens fanden die beiden doch allerhand geeignete Blätter und Blüten. Immer wieder fragten sie nach, ob das gefundene Exemplar brauchbar sei. Schließlich hatten wir einen guten Vorrat zusammen und kehrten ins Haus zurück.

„Jetzt kochen wir erst die Eier hart,“ sagte ich.

„Sind schon im Topf,“ erklärte Chrissi.

„Ich brauche eine Schüssel mit Wasser,“ bat ich.

Die Gastgeberin stellte eine auf den Tisch. Ich legte die eingesammelten Pflanzenteile hinein.

„So, jetzt zeige ich euch wie das geht,“ informierte ich die beiden.

„Wenn die Eier gekocht sind legen wir die nassen Blättchen darauf. Ein Stück vom Strumpf hält sie dann fest. Ich habe hier schon ein hart gekochtes Ei als Muster.“

Ich verteilte zwei Blätter auf dem Ei. Von einer Strumpfhose schnitt ich ein Stück ab, gerade so lang, dass das Ei hineinpasste. Ich verknotete das Strumpfstück an der einer Seite und schob das dekorierte Ei vorsichtig hinein.

„Ihr müsst aufpassen, dass die Blätter nicht verrutschen; deshalb sind sie ja angefeuchtet worden.“

Nachdem das Ei sicher in dem Strumpfteil platziert war, verknotete ich das andere Ende.

„Jetzt kann es gefärbt werden,“ verkündete ich.

„In das Wasser mit den Farben muss noch etwas Essig hinein,“ sagte ich.

Chrissi kam mit einer Flasche Balsamico-Essig aus der Küche. Strafend schaute ich sie an.

„Willst du braue Eier? Nimm den hier!“

Artig nahm die Angesprochene die richtige Essigflasche.

„Der Strumpf geht doch kaputt in dem heißen Wasser!“ vermutete Marie.

Ich schüttelte den Kopf.

„Nein, der bleibt ganz. Wenn die Eier gefärbt sind, entfernen wir den Strumpf und die Blätter. Die Stellen an denen sie auflagen bleiben weiß. Das Ei hat dann ein Muster.“

Die beiden schauten immer noch skeptisch, sagten aber nichts.

„Und wenn ihr andere Muster auf dem Ei haben wollt könnt ihr kleine Formen aus Papier ausschneiden und statt der Blätter auf dem Ei platzieren,“ fuhr ich fort.

Ich schnitt ein paar Formen aus, ein Herz, einen Schmetterling und einen Stern.

„Für deine Tochter,“ sagte ich und zeigte Chrissi den Stern.

Nach und nach entstanden weitere Vorlagen, abgestimmt auf die Personen, für die das Ei gedacht war. Die Anfangsbuchstaben der Namen, ein Totenkopf für Chrissis Enkel und viele andere. Besonders angetan hatte es Chrissi ein Muster mit den Buchstaben USA.

„So, jetzt können wir mit den ersten Verzierungen beginnen,“ schlug ich vor. „Vorsicht, die Eier sind heiß!“

Nach einigen Versuchen hatten die beiden die Technik heraus.

„Fest verknoten, damit die Blätter oder die Papierschablonen nicht verrutschen.“

Schließlich wanderten die ersten Eier in den Topf mit roter Farbe. Inzwischen bereiteten wir weitere kleine Kunstwerke vor.

„Wow, das sieht ja toll aus!“ rief Marie, als das erste Ei vom Strumpf befreit war. Chrissi stimmte zu. Klar zeichnete sich das weiße Muster auf der ansonsten roten Schale ab.

Zufrieden lächelte ich. „Jetzt wisst ihr wie man reservierte Eier färbt!“

Nach und nach vergrößerte sich der Vorrat an gelungenen Exemplaren. Die wenigen geplatzten und mit verrutschten Schablonen verzierten Eier fielen nicht ins Gewicht.

„Jetzt reiben wir sie noch mit einer Speckschwarte ein, damit sie schön glänzen!“ sagte ich.

„Die sind ja viel zu schade zum Essen!“ meinte Chrissi. „Kann man die aufheben?“

Darauf wusste ich auch keine Antwort. „Die werden wohl schlecht. Aber wenn man sie mit Lack versiegelt halten sie vielleicht.“

„Das werde ich probieren. Das USA-Ei will ich auf jeden Fall aufbewahren,“ verkündete Chrissi.

Das war unser Stichwort für das nächste Thema.

„Wann fliegt ihr nach Amerika?“ fragte unsere Gastgeberin.

„Ende Juli, wenn die Ferien beginnen,“ antwortete ich.

„Wir fahren auch nach Amiland, im August,“ meinte Chrissi. „Dann können wir uns dort treffen.“

Ich nickte. „Das wäre schön. Wir starten in Chicago.“

Die nächsten Stunden waren angefüllt mit Erinnerungen an vergangene USA-Reisen und den Ausblick auf den Trip im Sommer.

*

„Frohe Ostern!“ wünschten wir beim Eintreffen in der Wohnung von Chrissis Tochter. Weil es doch sehr kalt und regnerisch war, fiel der Plan in der Gartenkolonie zu feiern, buchstäblich ins Wasser.

„Schade, wäre so schön gewesen, denn diesmal seid ihr nicht auf der Flucht,“ bemerkte Chrissi.

„Wir kommen bestimmt noch mal wieder, und dann klappt es sicher mit einem Besuch im Schrebergarten,“ antwortete ich.

Unsere verzierten Eier wurden sehr bestaunt und ernteten viel Lob. Wir genossen das leckere Essen und die lockeren Gespräche mit unseren Gastgebern.

Aus dem geplanten Osterspaziergang wurde natürlich auch nichts. Wir fuhren aber zum Brandenburger Tor und zum Reichstag, um Marie wenigstens ein paar Eindrücke von der Hauptstadt zu vermitteln.

Am zweiten Feiertag spielten Chrissi, Marie und ich ein paar Partien Billard. Dem Mädchen tat es sehr gut in entspannter Atmosphäre eine unbeschwerte Zeit zu verbringen. Auch wenn sie sich sehr ärgerte, wenn die Kugel wieder ganz wo anders landete und sie das Spiel verlor, ertönte öfters ihr Lachen. Lange hatte ich das nicht mehr gehört.

Auf dem Rückweg machte Chrissi einen Vorschlag: „Es hat ja aufgehört zu regnen. Wir könnten ein paar Caches suchen.“

„Wir könnten was suchen?“ fragte ich.

„Mann Diana, du weißt nicht was das ist?“ schüttelte Marie den Kopf. „Ich erkläre es dir. Also, auf der ganzen Welt haben Leute Sachen versteckt, und andere sollen sie finden.“

„Sachen? Was für Sachen?“

Marie schnaubte. „Kleine Dosen, mit einem Zettel drin. Da schreibst du deinen Namen drauf, wenn du den Cache gefunden hast.“

„Und wie finde ich diese Caches?“ fragte ich.

 

„Mit dem GPS. Entweder mit dem Handy oder mit eigenen Geräten, die für Geocaching entwickelt wurden.“

Ich staunte. „Was du alles weißt! Woher hast du denn deine Kenntnisse?“

„Freddi hat mir das mal gezeigt als eine Judo-Stunde ausgefallen ist. Ich habe damals gleich ein paar Caches gefunden.“ Sie seufzte. „Leider musste ich die App auf meinem Handy löschen, weil mein Onkel dahinterkam und es mir verbot.“

„Schau her,“ schaltete Chrissi sich ein. Sie hielt mir ihr Handy hin. „Alle die grünen Punkte sind Caches!“

„So viele?“ staunte ich.

„Ja, es gibt eine ganze Menge, überall auf der Welt. Lade mal die App runter, dann kannst du das auch auf deinem Handy sehen.“

Bald konnte ich auch die Karte auf meinem Display sehen. Wir gingen eine kleine Seitenstraße entlang.

„Komm, da ist ein Cache ganz in der Nähe,“ forderte Chrissi mich auf.

Auf meinem Handy konnte ich das gesuchte Ziel orten. Es gab auch eine kleine Beschreibung und ein paar Hinweise.

„Das ist ein leichter Cache!“ informierte mich Marie, die ebenfalls die App auf ihr Handy geladen hatte. Der Kompass auf dem Display pendelte leicht hin und her.

„Noch 30 Meter,“ sagte ich. „Ich hab‘ aber keine Ahnung nach was wir eigentlich suchen.“ Meine Begleiterinnen halfen mir.

Chrissi hielt mir ihr Handy unter die Nase. „Schau, da ist ein Bild! Siehst du den Baum?“

„Ja, das ist der da hinten,“ antwortete ich.

„Gut. Und der Hinweis lautet: ‚Vor dem Eingang zum Spielplatz.’“

„Der ist da drüben,“ murmelte ich. „Aber...“

„Oft findest du den Cache unter einer Abdeckung,“ half mir Chrissi.

Abdeckung .... ein kleiner stangenförmiger Pfahl war das einzige mögliche Versteck um Umkreis von mehreren Metern, sonst gab es nur gepflasterten Boden. Ich schaute den Pfahl genauer an. Er war mit einer grauen kegelförmigen Haube abgedeckt. Ich ergriff sie und konnte sie leicht abheben. An einem Nylonfaden hing eine kleine Dose, die man früher für Filmrollen der Kameras verwendet hatte. Ich schraubte den Deckel ab und konnte mit einiger Mühe ein zusammengerolltes Papierbündel entnehmen.

„Hurra!“ schrie Marie. „Das ist dein erster Cache !“

Wir trugen unsere Namen in das Log ein.

„Das macht ja Spaß!“ sagte ich.

Chrissi und Marie lachten. „Ist doch eine gute Freizeitbeschäftigung und Abwechslung für unsere Amateurdetektivin!“ meinte die Berlinerin.

„Ja, das werde ich bestimmt öfter machen!“ sagte ich. „Aber für heute langt es erst mal.“

Wir fuhren zurück.

Für den nächsten Besuch in Berlin nahmen wir uns einen Besuch auf der Bowlingbahn vor.

Am Dienstagmorgen brachen wir auf und bedankten uns für die schöne Zeit.

Chrissi drückte uns herzlich zum Abschied und meinte lächelnd: „Bis demnächst in Amiland!“

*

„Wohin fahren wir denn?“ fragte Marie, als wir auf der A9 Richtung Süden fuhren. „Und für wen sind die Blumen?“

„Lass dich überraschen, du wirst schon sehen. Vielleicht kommt es dir bekannt vor,“ sagte ich. Wir verließen die Autobahn. Ich hoffte ich würde den kleinen Ort wiederfinden. Marie war immer noch ratlos. Erst als wir ein Ortsschild passierten erhellte sich ihr Gesicht. „Ich glaube jetzt weiß ich wohin wir fahren!“ erklärte sie. „Hier wurden wir erwischt.“

Ich lachte. „Ja, damals waren wir auf der Flucht.“

Ein Hinweisschild wies uns den Weg. Wir hielten direkt vor der Polizeistation. Marie schaute mich fragend an. „Was willst du hier?“

Statt zu antworten nahm ich sie an der Hand und ging mit ihr in das Revier. Wir hatten Glück. In der Amtsstube trafen wir eine alte Bekannte. Sie schaute uns erstaunt an. Einen Moment lang zögerte sie bis sie uns erkannte.

„Guten Tag, wir sind in der Gegend, und da dachte ich, wir kommen mal vorbei,“ begann ich. Immer noch verblüfft schaute uns die Polizistin an.

„Wir wollten uns bedanken, dass Sie damals so nett zu uns waren, trotz der widrigen Umstände.“

Ich überreichte ihr den Blumenstrauß.

„Danke schön, das ist sehr nett von Ihnen!“ sagte sie. „Dann sind Sie ... frei?“

„Ja, ich wurde frei gesprochen wegen erwiesener Unschuld.“ Ich zeigte auf Marie. „Nicht zuletzt wegen der Hilfe dieser jungen Dame!“

Das Mädchen errötete.

„Nehmen sie doch Platz!“ bat uns die Polizistin. In groben Zügen informierte ich sie über den Ablauf nach der Festnahme, hier in diesem Ort.

„Das freut mich für Sie,“ strahlte sie.

Ich beugte mich ein wenig nach vorne. „Wissen Sie, ich habe in den letzten Monaten einige Polizisten, Staatsanwälte, Anwälte und Richter kennen gelernt. Dabei erlebte ich selten so was wie Menschlichkeit und Verständnis. Sie waren eine der wenigen Ausnahmen. Sie behandelten uns fair. Das wollte ich Ihnen persönlich sagen.“

Die Angesprochene war sichtlich verlegen. „Das ist mir auch noch nicht passiert!“ sagte sie.

Lange konnten wir uns nicht aufhalten, denn ein Kollege erkundigte sich schon wann die Polizistin endlich mit zum Streifenwagen kommen würde.

Wir verabschiedeten uns herzlich und verließen das Gebäude.

„Du, Diana, ich finde das ganz toll, was du gerade getan hast!“ sagte Marie.

Ich nickte ihr zu. „Das freut mich, dass du das auch so siehst. Ein kleines Dankeschön sollte schon mal drin sein, wenn jemand nett und freundlich ist, vor allem, wenn man es nicht unbedingt erwarten kann!“

„Wohin fahren wir jetzt?“ fragte Marie, als wir starteten.

„Nach Halle!“ verkündete ich.

„Was wollen wir denn da?“

„Jemanden besuchen,“ antwortete ich.

*

„Warst du schon mal in Halle?“ fragte Marie, als wir die Magistrale entlangfuhren.

„Nein, noch nie,“ antwortete ich. „Wir sind gleich da.“

Ich hatte die freie Auswahl unter vielen Parkplätzen. Als wir ausstiegen, winkte uns eine dunkelhaarige Frau von einem Balkon des mehrstöckigen Hauses zu.

„Ich komm’ runter!“ verkündete sie. Von den Bildern in Facebook wusste ich, dass es meine Bekannte war.

Am Eingang des Hauses begrüßte Marina uns sehr herzlich.

„Na schau mal, wir haben die ersten vier Buchstaben unseres Vornamens gemeinsam!“ sagte sie zu Marie. Wir folgten ihr ein paar Treppen hinauf bis zu ihrer Wohnung. Auf meine Frage nach einem Fahrstuhl antwortete sie nur: „Ich will in Schwung bleiben!“

Sie führte uns in ihre kleine aber sehr gemütliche Wohnung. Natürlich gab es erst mal einen Kaffee für mich und eine Limo für Marie

„Schön, dass ihr da seid! Jetzt hat es ja endlich geklappt!“

Wir überlegten, seit wann wir uns in Facebook kannten. So ganz kamen wir nicht auf eine Lösung, aber wir meinten, dass es schon vier Jahre sein müssten.

Unsere Gastgeberin bestand darauf, dass wir was essen sollten. Meinen Einwand, wir würden am Abend sicher noch ein Essen bekommen, ließ sie nicht gelten. Schließlich einigten wir uns auf Kartoffeln mir Spinat und Spiegeleiern.

Marie und mir schmeckte es sehr gut.

„Das nächste Mal bringen wir mehr Zeit mit, denn Halle hat sicher allerhand zu bieten!“ sagte ich.

Ein kleiner Führer von Halle im Taschenformat und eine Packung Pralinen erhielten wir von Marina auch noch – Halloren-Kugeln, aus der ältesten Schokoladenfabrik Deutschlands.

Weil ich mit dem Wort „Halloren“ nicht so viel anfangen konnte, klärte mich unsere Gastgeberin auf.

„’Halloren’ sind die Bürger von Halle, deren Vorfahren auch aus der Stadt kommen. ‚Hallenser’ sind die, die schon einige Zeit hier leben. Und die neu Hergezogenen sind die ‚Hallunken’!“

Wir erfuhren noch eine Menge über Halle, das ja beinahe Hauptstadt von Sachsen-Anhalt geworden wäre.

Ich gab ihr einen Überblick über die Ereignisse der letzten Monate, die uns ja fast nach Halle geführt hätten. Interessiert hörte Marina zu.

„Da kannst du ein Buch drüber schreiben!“ flachste sie.

Ich lachte. „Mal sehen, vielleicht mache ich das!“

„Ich werde es bestimmt lesen,“ versicherte sie.

Viel zu schnell verging die Zeit. Der Abschied fiel sehr herzlich aus. Wir umarmten uns und versprachen, dass es ein Wiedersehen geben würde.

„Die ist aber sehr nett,“ sagte Marie auf dem Weg zu unserem Auto.

Ich nickte. „Man verliert im Leben manchmal Freunde, gelegentlich sogar welche aus der Familie, aber es kommen auch wieder neue dazu!“

Meine Angewohnheit immer auf die Nummernschilder der Autos zu schauen ließ mich stutzen.

„Das gibt es doch gar nicht!“ rief ich. Der Wagen, der neben unserem parkte, hatte genau das gleiche Kennzeichen wie mein Auto. Auch Marie hatte jetzt bemerkt warum ich so erstaunt war. „Sogar das gleiche Modell, ein Citroen C5! Nur die Farbe ist anders.“

Ich überlegte. Was ging hier vor sich? Das konnte doch kein Zufall sein!

„Wir müssen die Polizei verständigen,“ sagte ich.

Bevor ich die Nummer wählte machte ich ein Foto von beiden Fahrzeugen.

Es dauerte eine ganze Weile bis endlich ein Streifenwagen auftauchte. Marina, die alles vom Balkon aus beobachtet hatte, gesellte sich zu uns. Sie war genau so erstaunt wie wir.

„Das ist wirklich eigenartig!“ bemerkte einer der beiden Polizisten, ein fast kahlköpfiger Mann, der seine Uniformjacke nicht zugeknöpft hatte.

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