Einsatzrecht kompakt - Sachverhaltsbeurteilung für die Grundausbildung

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Einsatzrecht kompakt - Sachverhaltsbeurteilung für die Grundausbildung
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Einsatzrecht kompakt – Sachverhaltsbeurteilung für die Grundausbildung

Zwischenprüfung erfolgreich bestehen

Patrick Lerm

Polizeihauptkommissar

Dozent am Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrum Bamberg

Dominik Lambiase, M. A.

Polizeihauptkommissar

3. Auflage, 2022

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

3. Auflage, 2022

ISBN 978-3-415-07183-4

E-ISBN 978-3-415-07185-8

© 2018 Richard Boorberg Verlag

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen

ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Titelfoto: © Spitzi-Foto – stock.adobe.com | E-Book-Umsetzung: abavo GmbH, Buchloe

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart

Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresden

www.boorberg.de

Inhaltsverzeichnis

1  Cover

2  Titel

3  Impressum

4  Inhaltsverzeichnis

5  Einführung

6  Vorwort zur 2. Auflage:

7  Vorwort zur 3. Auflage

8  Kapitel 1 Grundsätze der Fallbearbeitung 1. Die Schemata 2. Die Entscheidung

9  Kapitel 2 Präventive Befugnisse 1. Die Generalklausel 1.1 Voraussetzungen 1.2 Formulierungsvorschlag 2. Die Befragung 2.1 Voraussetzungen 2.2 Formulierungsvorschlag 3. Die Identitätsfeststellung zur Abwehr einer Gefahr 3.1 Voraussetzungen 3.2 Formulierungsvorschlag 4. Die Sicherstellung 4.1 Voraussetzungen 4.2 Formulierungsvorschlag 5. Der Platzverweis 5.1 Voraussetzungen 5.2 Formulierungsvorschlag

10  Kapitel 3 Repressive Befugnisse 1. Die Identitätsfeststellung beim Tatverdächtigen 1.1 Voraussetzungen 1.2 Formulierungsvorschlag 2. Die Beschlagnahme von Beweismitteln 2.1 Voraussetzungen der einfachen (formlosen) Sicherstellung, § 94 I StPO 2.2 Voraussetzungen der förmlichen Beschlagnahme, §§ 94 I, II i. V. m. 98 StPO 2.3 Formulierungsvorschlag 3. Die Durchsuchung nach Beweismitteln 3.1 Voraussetzungen 3.2 Formulierungsvorschlag

11  Kapitel 4 Straftaten 1. Die Sachbeschädigung 1.1 Tatbestand 1.2 Formulierungsvorschlag 2. Der Diebstahl 2.1 Tatbestand 2.2 Formulierungsvorschlag 3. Die (einfache) Körperverletzung 3.1 Tatbestand 3.2 Formulierungsvorschlag 4. Die gefährliche Körperverletzung 4.1 Tatbestand 4.2 Formulierungsvorschlag 5. Die Widerstandsdelikte 5.1 Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 5.2 Der tätliche Angriff 6. Der Hausfriedensbruch 6.1 Tatbestand 6.2 Formulierungsvorschlag

Einführung

Diese „kleine“ Hilfestellung bei der Sachverhaltsbeurteilung hat das primäre Ziel, den Polizeimeisteranwärter[1] des mittleren Polizeivollzugsdienstes in der Bundespolizei (BPOL) in die Lage zu versetzen, die Zwischenprüfung im Fach Einsatzrecht am Ende des 1. Dienstjahres mit Erfolg zu bestehen. Die Fallbearbeitung ist eine Herausforderung, insbesondere zu Beginn der Ausbildung. Von daher wurde der Versuch unternommen, anhand von kurzen Sachverhalten aus der bundespolizeilichen Aufgabenwahrnehmung, ausgewählte Befugnisse[2] und Straftaten darzustellen.

Bei der eigentlichen Subsumtion bestehen (erfahrungsgemäß) die größten Probleme. Deshalb werden – an geeigneter Stelle – Hilfsfragen formuliert, durch die der Auszubildende in die Lage versetzt werden soll, jeden Sachverhalt (selbstständig) durch die Beantwortung jener Fragen möglichst umfangreich beantworten zu können. Das Konstrukt der (gedanklichen) Hilfsfragen ist – soweit ersichtlich – eine Lücke in der bestehenden Literatur zum bundespolizeilichen Einsatzrecht, insbesondere im Bereich der Ausbildung des mittleren Polizeivollzugsdienstes.

Die Darstellung erfolgt durch kurze Sachverhalte, denen sich ein Gesetzesauszug anschließt. Danach werden die einzelnen Voraussetzungen bzw. Tatbestandsmerkmale definiert. Unmittelbar bei den Definitionen sind die o. g. Hilfsfragen angesiedelt. Im jeweils letzten Schritt befindet sich ein Formulierungsvorschlag.

[1] Soweit Personen- und Funktionsbezeichnungen aus Gründen der Lesbarkeit nur in der männlichen Form verwendet werden, gelten sie gleichermaßen auch für Frauen.[2] Andere Bezeichnungen sind Rechtsgrundlagen oder Ermächtigungsgrundlagen.

Vorwort zur 2. Auflage:

Die positiven Rückmeldungen zur 1. Auflage haben uns dazu bewegt, die einzelnen (schon bestehenden) Sachverhalte um die Entscheidung, die Zuständigkeit, die Adressatenregelung sowie die Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erweitern.

Weiterhin sind folgende Sachverhalte noch hinzugekommen:

– Sachverhalt zu § 23 I Nr. 1 BPolG (IDF zur Abwehr einer 3-stufigen Polizeigefahr)– Sachverhalte zu §§ 113, 114 StGB (Widerstandsdelikte)

Ganz neu hinzugefügt wurde das Kapitel 1, in dem es um die Prüfungsschemata sowie die (wichtige) Entscheidung zu präventivem bzw. repressivem Handeln geht.

Bamberg, Februar 2020

Die Verfasser

Vorwort zur 3. Auflage

Als Neuerung finden Sie bei einigen Themen (Befugnissen und Straftaten) einen QR-Code. Dieser verweist auf ein zur Frage passendes Lernvideo, welches auf dem YouTube-Kanal So geht Einsatzrecht! veröffentlich ist. Dieser Kanal wird von PHK Lerm betrieben.

QR-Code YouTube-Kanal:

https://www.youtube.com/results?search_query=so+geht+einsatzrecht


Durch Verwenden der QR-Codes werden Sie auf eine Seite weitergeleitet, für deren Inhalte ausschließlich PHK Lerm verantwortlich ist.

 

Der YouTube-Kanal So geht Einsatzrecht! ist entstanden, um jede Anwärterin und jeden Anwärter in die Lage zu versetzen, zeit- und ortsunabhängig zu lernen. Dies ist gerade in Zeiten der Pandemielage von großer Bedeutung.

Die dort befindlichen Lernvideos dienen der Unterstützung des Lernprozesses und sollen die Lücke zwischen analogem und digitalem Lernen schließen. Die Videos haben ausdrücklich nicht das Ziel, den Unterricht zu ersetzen, sondern unterstützen und ergänzen diesen.

Weiterhin wurde ein Sachverhalt zum Platzverweis (§ 38 BPolG) aufgenommen.

Wir hoffen, dass dieses Werk vielen Auszubildenden den Zugang zur Materie des Einsatzrechts erleichtert, und freuen uns auf Hinweise, Anregungen und Kritik, die zu einer Verbesserung beitragen. Leider lassen sich kleinere Fehler (auch nach mehrmaligen Durchschauen) nicht ganz vermeiden. Richten Sie deshalb Ihre Verbesserungsvorschläge an einsatzrecht@web.de.

Bamberg, Dezember 2021


Patrick LermDominik Lambiase

Kapitel 1 Grundsätze der Fallbearbeitung
1. Die Schemata

Im Verlauf der Unterrichtungen des 1. Dienstjahres werden im Einsatzrecht zwei Prüfschemata relevant: Zum einen das Schema für die rechtliche Begründung von Eingriffsmaßnahmen (Arbeitsbegriff: Maßnahmenschema) und zum anderen das Schema zur Prüfung von Straftaten.

Diese Unterscheidung ist wichtig, weil:

–Ist nach der Rechtmäßigkeit einer Maßnahme gefragt, ist folgerichtig das Maßnahmenschema zu wählen.–Ist danach gefragt, ob sich die Person strafbar gemacht hat, ist folgerichtig das Strafbarkeitsschema zu wählen.Lernvideo zum Maßnahmenschema:https://www.youtube.com/watch?v=2_im0IAzJyc&t=143s


Lernvideo zum Strafbarkeitsschema:https://www.youtube.com/watch?v=YYYGHkA-8B8&t=35s


Der Prüfungspunkt 4 des Maßnahmenschemas (Zwang) wird in diesem Buch nicht erläutert, da die Darstellung den Rahmen sprengen würde und zudem recht unübersichtlich wäre. Ausführungen zum Zwang sind enthalten in Lerm/Lambiase, Einsatzrecht kompakt – Fälle zum Recht des unmittelbaren Zwanges, erschienen im RICHARD BOORBERG VERLAG. Darüber hinaus finden Sie im o. g. YouTube-Kanal Lernvideos zum Zwangsrecht.

Merke:

Eingriffsmaßnahmen berechtigten die Polizeivollzugsbeamten, in die Rechte von Bürgern einzugreifen[3]. Im 1. Dienstjahr werden primär die präventiven Standardmaßnahmen aus dem Bundespolizeigesetz (BPolG) und die repressiven aus der Strafprozessordnung (StPO) behandelt.


Eingriffsmaßnahmen
präventiv (d. h. zur Gefahrenabwehr)repressiv (d. h. zur Strafverfolgung)
Maßnahme aus dem BPolGMaßnahme aus der StPO


1.Entscheidung1.1Entscheidung zu präventivem oder repressivem Handeln1.2Benennung der zu treffenden Maßnahme2.Zuständigkeit2.1Sachliche Zuständigkeit2.2Örtliche Zuständigkeit3.Eingriff3.1Befugnisnorm3.2Adressat3.3Allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen–Verhältnismäßigkeitggf.: Bestimmtheit/Möglichkeit3.4Besondere gesetzliche Pflichten/Formvorschriften3.5Feststellung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme4.Zwang4.1Benennung der Art des Zwanges4.2Zulässigkeit der Vollstreckung4.3Adressat des Zwanges4.4Zur Anwendung unmittelbaren Zwanges berechtigte Personen4.5Besondere Vorschriften–Androhung–Besondere Anforderungen4.6Allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen–Verhältnismäßigkeitggf.: Bestimmtheit/Möglichkeit4.7Feststellung der Rechtmäßigkeit der zwangsweisen Durchsetzung dieser Maßnahme


Schema für die Prüfung von Straftaten
Einleitender Obersatz:Dieser besteht aus der konkreten Tathandlung und der exakten Strafnorm aus dem Strafgesetzbuch (StGB). Die Formulierung erfolgt im Konjunktiv (Möglichkeitsform).1.Tatbestand–Prüfung aller Tatbestandsmerkmale der in Betracht kommenden Straftat2.Rechtswidrigkeit–Prüfung, ob ggf. Rechtfertigungsgründe(wie z. B. Notwehr gem. § 32 StGB) vorliegen3.Schuld3.1Vorsatz (Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung)3.2Schuldausschließungsgründe (Prüfung, ob ggf. Schuldausschließungsgründe wie z. B. § 19 StGB – Person ist unter 14 Jahre alt – vorliegen)Ergebnis:Hat sich die Person strafbar gemacht? (ja oder nein)

Für beide Schemata gilt:

Die Prüfungsaufgaben können auch variabel gestaltet sein. Das bedeutet, dass nicht zwingend das ganze Schema zu würdigen ist, sondern dass ggf. nur Teile davon gefordert sind. Beachten Sie hier dazu stets die ggf. vorhandenen Bearbeitungshinweise unter der Aufgabenstellung.

2. Die Entscheidung

Dreh- und Angelpunkt (fast) jeder Sachverhaltsbeurteilung ist die Entscheidung. Deshalb soll zunächst auf diesen wichtigen Prüfungspunkt eingegangen werden.

Es gibt – ganz allgemein – drei Hauptaufgaben der Polizei:


Die Gefahrenabwehr(= Prävention)Die Strafverfolgung(= Repression)

Kennzeichen der Gefahrenabwehr ist das Einschreiten nach dem sog. Opportunitätsprinzip. Die Polizei trifft ihre Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen.


Gefahrenabwehr = PräventionHandeln nach dem OpportunitätsprinzipBPolGOpportunitätsprinzip= Die Behörde hat bei ihren Maßnahmen einen Handlungsspielraum. Die Behörde kann eingreifen, muss aber nicht (s. § 16 BPolG).
§ 16 BPolG – Ermessen, Wahl der Mittel(1) Die Bundespolizei trifft ihre Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen.
Beispiel für die Ermessensausübung:
§ 14 BPolG – Allgemeine Befugnisse(1) Die Bundespolizei kann zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den §§ 1 bis 7 die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren …

Beispiel aus dem bundespolizeilichen Aufgabenbereich:

BPOLI Hamburg: Sie sehen am Bahnsteig eine Person, die eine Spraydose in der Hand hält und zielgerichtet auf einen Fahrausweisautomaten (FAA) zugeht.

Wie schreiten Sie hier ein?

Lösung: Der Schaden am Rechtsgut Eigentum der DB AG ist hier noch nicht eingetreten. Daher versuchen Sie, den Schadenseintritt zu verhindern und fordern die Person auf, die Spraydose auf den Boden zu legen. Man spricht hier von einer bevorstehenden Rechtsgutverletzung (in diesem Fall für das Eigentum).

Beachten Sie, dass polizeiliche Situationen dynamisch sind. Situationen können sich rasch ändern. Deshalb ist die Frage nach der Entscheidung stets eine Momentaufnahme. Die Situation wird für einen kurzen Moment eingefroren und Sie müssen sich entscheiden.


Gefahrenabwehr = PräventionHandeln nach dem OpportunitätsprinzipBPolGStrafverfolgung = RepressionHandeln nach dem LegalitätsprinzipStPO
Schadenseintritt= Rechtsgut ist verletzt

Zurück zum o. g. Sachverhalt mit der Spraydose:

Sobald der Schaden am Rechtsgut eingetreten ist, spricht man von einem Schadenseintritt, siehe Übersicht. Dies wäre dann der Fall, wenn die Person bereits begonnen hat, den Automaten zu besprühen bzw. er immer noch dabei ist, ihn zu besprühen. Das Verhalten stellt (zumindest) den Verdacht einer Straftat nach § 303 II StGB (Sachbeschädigung) dar. Die Polizeibeamten müssen demnach (auch) zwingend das Legalitätsprinzip beachten.


Legalitätsprinzip= Das Legalitätsprinzip ist die gesetzlich normierte Verpflichtung der Strafverfolgungsorgane (Polizei), erkannte bzw. mögliche Straftaten von Amts wegen zu erforschen und zu verfolgen.Strafverfolgung = RepressionHandeln nach dem LegalitätsprinzipStPO
§ 163 StPO – Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten…

Sprüht die Person schon bzw. sprüht sie weiter, wird das Eigentum der DB AG immer weiter verletzt. Daher fordern Sie die Person auf, unverzüglich mit dem Sprühen aufzuhören und die Dose auf den Boden zu stellen. Sie müssen demnach zunächst eine weitere Schadensvertiefung verhindern und schreiten zuerst präventiv ein.

Kommt die Person der Aufforderung nach (also ist die Gefahr der Schadensvertiefung abgewehrt), werden im Anschluss repressive Maßnahmen eingeleitet wie z. B. eine IDF gem. § 163 b I StPO. Sie schreiten demnach im Anschluss repressiv ein. Dies bezeichnet man auch als anhaltende Rechtsgutverletzung.

Nun zur dritten Rechtsgutverletzung:

Diese liegt dann vor, wenn es keine Gefahr mehr abzuwehren gilt. Der Schaden ist bereits eingetreten und eine Schadensvertiefung ist nicht mehr möglich.

Im Fall mit dem Sprayer würde das bedeuten, die Person hat gerade mit dem Sprühen aufgehört und beginnt, sich vom Tatort zu entfernen. Gerade in diesem Moment kommen Sie als Streife zum Ereignisort.

Es handelt sich demnach um eine abgeschlossene Rechtsgutverletzung. Sie schreiten (nur noch) repressiv ein.

Zusammenfassung am o. g. Beispiel


Sie sehen am Bahnsteig eine Person, die eine Spraydose in der Hand hält und zielgerichtet auf einen Fahrausweisautomaten zugeht.Sie sehen die Person, wie diese gerade den Automaten besprüht.Sie sehen, dass die Person gerade mit dem Sprühen aufgehört hat und sich vom Tatort entfernt.
Noch kein Schaden eingetretenSchaden ist bereits eingetretenSchaden ist bereits eingetreten
Schadenseintritt steht unmittelbar bevorSchadensvertiefung ist möglichSchadensvertiefung ist nicht möglich
Bevorstehende RGVAnhaltende RGVAbgeschlossene RGV
Präventives EinschreitenErst präventives, dann repressives EinschreitenRepressives Einschreiten

LERNVIDEO zur Entscheidung

https://www.youtube.com/watch?v=l41qI3cMPxs


Soweit zu den theoretischen Grundlagen der Entscheidung. Für die Ausformulierung der Entscheidung (1.1 des Maßnahmenschemas) gibt es ein kleines Schema, welches die Abarbeitung vereinfacht:

1.Kurzwiedergabe des Sachverhaltes2.Benennung des beeinträchtigten Rechtsgutes3.Feststellung, ob bereits ein Schaden eingetreten ist ggf. Benennung der Straftat4.Repressives Einschreiten möglich/nicht möglich5.Schadensprognose (ist ein Schadenseintritt/Schadensvertiefung möglich)6.Präventives Einschreiten möglich/nicht möglich7.Feststellung der Art der Rechtsgutverletzung8.Entscheidung zu repressivem/präventivem Einschreiten

Anhand der drei Sachverhaltskonstellationen und des Schemas finden Sie auf den folgenden Seiten die entsprechenden Ausformulierungen:

 

Fall 1Sie sehen am Bahnsteig eine Person, die eine Spraydose in der Hand hält und zielgerichtet auf einen Fahrausweisautomaten zugeht.Fall 2Sie sehen die Person, wie diese gerade den Automaten besprüht.Fall 3Sie sehen, dass die Person gerade mit dem Sprühen aufgehört hat und sich vom Tatort entfernt.

Fall 1:

1.Die Person hat eine Spraydose in der Hand und läuft zielgerichtet auf einen Fahrausweisautomaten zu.2.Durch dieses Verhalten ist das Rechtsgut Eigentum der DB AG beeinträchtigt.3.Ein Schaden ist noch nicht eingetreten.4.Repressives Einschreiten ist nicht möglich.5.Die Person könnte mit dem Besprühen beginnen. Der Schadenseintritt steht unmittelbar bevor.6.Präventives Einschreiten ist möglich.7.Es handelt sich um eine bevorstehende RGV.8.Ich schreite präventiv ein.

Fall 2:

1.Ich sehe die Person, wie diese gerade den Fahrausweisautomaten besprüht.2.Durch dieses Verhalten ist das Rechtsgut Eigentum der DB AG beeinträchtigt.3.Ein Schaden ist bereits eingetreten. Es kommt hier eine Straftat gem. § 303 II StGB (Sachbeschädigung) in Betracht.4.Repressives Einschreiten ist möglich.5.Die Person könnte immer weitersprühen. Daher ist eine Schadensvertiefung möglich.6.Präventives Einschreiten ist möglich.7.Es handelt sich um eine anhaltende RGV.8.Ich schreite zunächst präventiv ein (um die Schadensvertiefung zu verhindern), anschließend repressiv .

Fall 3:

1.Ich sehe, wie die Person gerade mit dem Sprühen aufgehört hat und sich anschließend vom Tatort entfernt.2.Durch dieses Verhalten ist das Rechtsgut Eigentum der DB AG beeinträchtigt.3.Ein Schaden ist bereits eingetreten. Es kommt hier eine Straftat gem. § 303 II StGB (Sachbeschädigung) in Betracht.4.Repressives Einschreiten ist möglich.5.Eine Schadensvertiefung ist nicht möglich. Die Person entfernt sich vom Tatort.6.Präventives Einschreiten ist nicht möglich.7.Es handelt sich um eine abgeschlossene RGV.8.Ich schreite repressiv ein.

Eine Empfehlung:

Unabhängig davon, ob die Aufgabenstellung eine Entscheidung fordert, ist es ratsam, ständig eine kurze Entscheidungsprüfung im Kopf zu machen. Denn: Polizeiliche Situationen sind dynamisch. Je nachdem, wie das polizeiliche Gegenüber reagiert und je nach Fortschritt der Tathandlung(en) kann sich Ihr Einschreiten verändern.

[3] Gemäß dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, Art. 20 III Grundgesetz.[4] Diese werden auch als Befugnisse bezeichnet.[5] Hier wird jedoch nach dem Opportunitätsprinzip eingeschritten.

Kapitel 2 Präventive Befugnisse
1. Die Generalklausel

Sachverhalt aus dem bahnpolizeilichen Aufgabenbereich: BPOLI Hamburg – Bei der Anreise von Fußballfans bemerkt eine Streife der BPOL eine männliche Person (P), die eine Bierflasche in der Hand hält und damit zum Wurf in Richtung gegnerischer Fans ausholt. Die Bundespolizisten fordern die Person auf, die Flasche sofort auf den Boden abzustellen.

LERNVIDEO

https://www.youtube.com/watch?v=Wu1hZs7jJwI&t=122s


Gesetzestext (Auszug)

§ 14 BPolG (Allgemeine Befugnisse)

(1) Die Bundespolizei kann zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den §§ 1 bis 7 die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren, soweit nicht dieses Gesetz die Befugnisse der Bundespolizei besonders regelt.

(2) Gefahr im Sinne dieses Abschnitts ist eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Bereich der Aufgaben, die der Bundespolizei nach den §§ 1 bis 7 obliegen…