Berufsbildung in der Schweiz (E-Book)

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1.2Berufliche Grundbildung im Grossbetrieb

Einerlei, wie gross der Lehrbetrieb ist: Am Ende der Ausbildung haben alle Lernenden in einem Beruf das gleiche Qualifikationsverfahren (Lehrabschlussprüfung) zu bestehen. Aber bei der Ausbildung selbst bestehen durchaus Unterschiede.

1.2.1Charakterisierung

Zwar haben in der Schweiz die Grossbetriebe im 20. Jahrhundert die im Gewerbe entwickelte Berufslehre übernommen. Industrietypische Arbeitsformen und die Professionalisierung der Ausbildung des Nachwuchses führten aber zu wesentlichen Unterschieden: Wenn ein Betrieb mehr als etwa zehn Lernende ausbildet, ist es üblich, dass er einen teil- oder vollamtlichen «Lehrlingschef» ernennt. Wächst die Zahl der Lernenden weiter (bei der Post waren es 2012 beispielsweise 2015 Lernende, bei der Swisscom 820, bei der Stadt Zürich 1100), übernimmt eine Ausbildungsabteilung die Leitung, die meist Teil der Direktion Human Resources (HR-Direktion, Personalabteilung) ist. Dies hat weitreichende Konsequenzen auf die Selektion der Lernenden, den Ablauf der Ausbildung usw.

In vielen grösseren Betrieben wechseln die Lernenden alle drei, sechs oder zwölf Monate die Abteilung, sodass sie Gelegenheit haben, verschiedene Teile ihres Betriebs kennenzulernen.

In den Abteilungen werden fachlich qualifizierte Mitarbeitende als Vorgesetzte der Lernenden bezeichnet, die sogenannten Praxisausbildner und Praxisausbildnerinnen (vgl. Kapitel 5.1.3). Das sind Fachpersonen, von denen nur wenige den für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner vorgeschriebenen Kurs absolviert haben. Für die Betreuung der Lernenden, für die Planung ihres Einsatzes und für andere Aufgaben des Ausbildungsmanagements ist die Ausbildungsabteilung zuständig, in der ausgebildete Berufsbildnerinnen und Berufsbildner arbeiten. Sie pflegen auch den Kontakt zur Berufsfachschule, zum Träger der überbetrieblichen Kurse (üK) und zu den zuständigen Behörden.

Verantwortlich gegenüber Behörden und Lehrvertragspartnern ist die Stelle, die den Lehrvertrag unterzeichnet hat. In manchen Betrieben ist das die Ausbildungsabteilung, in anderen die ausbildende Abteilung oder deren Direktion.

Oft werden Berufsfachschulunterricht und überbetriebliche Kurse durch betriebsinterne Kurse zur Vermittlung betriebsspezifischer Kenntnisse ergänzt, durch Lehrlingslager zur Förderung der Selbst- und Sozialkompetenzen, Repetitions- und Vertiefungsmöglichkeiten für den Schulstoff, Kurse zur Vorbereitung auf das Qualifikationsverfahren, Elternabende, Diplomfeier usw.

Die Lernenden in Grossbetrieben sind von der Teilnahme an den überbetrieblichen Kursen befreit, wenn der Betrieb nachweist, dass er die entsprechenden Inhalte als Teil von betriebsinternen Kursen vermittelt.

Bekannte Grossbetriebe erhalten oft sehr viele Bewerbungen. Die Selektion ist anspruchsvoll (vgl. Kapitel 4.3.4). In der Regel wird sie letztlich von Mitarbeitenden der Ausbildungsabteilung vorgenommen, teilweise zusammen mit der Leitung der Abteilung, in der die Lernenden dann ihre Ausbildung absolvieren.

Abbildung 1-4: Lehrlaborkurse der ETH Zürich für die Laboranten und Laborantinnen EFZ, Fachrichtung Chemie, 2011/2012. Quelle: ETH Zürich


1.2.2Beispiele
Ausbildung von Kaufleuten in einer Grossbank

Die kaufmännische Grundbildung dauert drei Jahre und kann auf drei Niveaus absolviert werden: B (Basis), E (erweitert) und M (mit Berufsmaturität). Weiter wird nach Branchen unterschieden (derzeit 24): Automobilgewerbe, Bank, Bundesverwaltung, Chemie, Dienstleistung und Administration, Handel usw. Die Inhalte der überbetrieblichen Kurse und teilweise diejenigen des Qualifikationsverfahrens werden durch die gewählte Branche bestimmt.

Die Lernenden besuchen einen bis zwei Tage pro Woche den Unterricht an einer kaufmännischen Berufsfachschule (total 1800 Lektionen – 200 Tage) und insgesamt vier überbetriebliche Kurse, total 8 bis 16 Tage. Für die Strukturierung der Ausbildung im Betrieb existiert wie in vielen anderen Berufen ein branchenspezifischer Modelllehrgang.

Für Lernende der Branche «Banken» stehen Tätigkeiten am Bankschalter und im Backoffice im Vordergrund (vgl. das Porträt Gioia Bolter). Die überbetrieblichen Kurse werden vom Center for Young Professionals in Banking (CYP) in Zürich angeboten. Weiter können die Banken ihre Lernenden ans CYP in den sogenannten Fachunterricht senden und sich so von gewissen Ausbildungsaufgaben entlasten.

Dieser Fachunterricht ist eine freiwillige Leistung der Banken. Er ersetzt (ganz oder teilweise) den theoretischen Unterricht, den grössere Banken ihren Lernenden früher üblicherweise betriebsintern anboten.

Lernende an der ETH

Die ETH Zürich bildet 20000 Studierende aus – aber auch 170 Lernende in einer beruflichen Grundbildung.

Interessierte Jugendliche können sich an der ETH für 20 verschiedene berufliche Grundbildungen bewerben, u.a. Automatiker/in EFZ, Elektroinstallateur/in-Planer/in EFZ, Fachmann/Fachfrau Betreuung EFZ, Fachrichtung Kinderbetreuung, Forstwart/in EFZ, Informatiker/in EFZ, Kaufmann/Kauffrau EFZ, Laborant/in EFZ Fachrichtung Biologie, Chemie oder Textil, Mediamatiker/in EFZ, Physiklaborant/in EFZ, Tierpfleger/in EFZ.

Die Lehrstellen sind sehr beliebt. 2012 meldeten sich 1100 Interessierte für die 60 frei werdenden Lehrstellen, wobei nach Schätzung des Verantwortlichen etwa 40 Prozent für den Lehrberuf, für den sie sich beworben hatten, geeignet gewesen wären.

In den wichtigsten Berufen führt die ETH für ihre Lernenden Lehrlabors bzw. Lehrwerkstätten mit professionellen Ausbildnern; dort arbeiten die Lernenden etwa 35 Prozent ihrer Lehrzeit. Dafür sind sie vom Besuch der überbetrieblichen Kurse befreit. Die übrigen zwei Drittel der Zeit arbeiten sie in den Werkstätten und Labors der ETH oder in der Verwaltung. Rund die Hälfte der ETH-Lernenden besuchen den lehrbegleitenden Berufsmaturitätsunterricht. Zweimal im Laufe der beruflichen Grundbildung gibt es für sie eine Projektwoche «Bergwald», bei der gemeinnützige Arbeit geleistet wird. Weiter können sie gegen Ende der Lehre an einem Bewerbungstraining teilnehmen.

Die Belange der Berufsbildung werden an der ETH von der Abteilung Human Resources (HR) und von einer Berufsbildungskommission vertreten, der neben Professoren, Betriebsleiterinnen, professionellen Ausbildnern, dem HR-Leiter und dem Leiter Berufsbildung auch zwei Lernende angehören.

Abbildung 1-4 zeigt als Beispiel das Ausbildungsprogramm der Laborantinnen und Laboranten EFZ, Fachrichtung Chemie.

Porträt Gioia Bolter
Welcome Camps, CYP und Spezifika
Gioia Bolter absolviert ihre berufliche Grundbildung in der Grossbank UBS. Die Ausbildung ist gut strukturiert, da gibt es ein Welcome Camp oder die firmeninternen Spezifika.

Gioia Bolter, 18, ist im dritten Lehrjahr als Kauffrau EFZ


Als Gioia Bolter am ersten Tag ihrer Lehre den Computer startete, war da schon reger Verkehr. Mehr als 20 Mails lagen auf ihrer UBS-Adresse, Willkommensgrüsse und Merkblätter, Börseninformationen und ein erstes WBT. Was die Abkürzung bedeutete, wusste Gioia Bolter nicht, aber von diesem «webbasierten Training» war sie dispensiert. Sie war Lernende, noch etwas nervös und noch ganz am Anfang. Fast jedenfalls.

Ganz am Anfang hatte Gioia Bolter eine Woche vorher gestanden, im Welcome Camp, das die UBS für die 30 kaufmännischen Lernenden der Region Ostschweiz durchführte. Hier gab es während dreier Tage Informationen zum Thema Arbeitszeit oder Intranet, diskutierte man Erwartungen und Veränderungen, waren «Verhalten und Auftritt» ein Thema: Kleiderregeln, «Wie wirke ich?» und «Es gibt keine zweite Chance, einen ersten Eindruck zu machen». Mit ihrem Camp hatte die UBS bei der angehenden Kauffrau einen guten ersten Eindruck hinterlassen. Sie fühlte sie aufgenommen und erfuhr, wie ihre Ausbildung strukturiert ist.

Im Rahmen ihrer beruflichen Grundbildung durchläuft Gioia Bolter verschiedene Abteilungen der Bank. Die ersten sechs Monate arbeitete sie in Heiden, wo sie aufgewachsen ist und deshalb viele Kunden kannte. Es folgten Einsätze in weiteren regionalen Stellen, Speicher, Teufen, Herisau und St. Gallen, stets betreut von örtlichen Praxisausbildenden. «Ich habe erlebt, dass auch die Grossbank UBS kleine Geschäftsstellen hat. Mit vier Mitarbeitenden war Speicher die kleinste.» Gioia Bolter findet die Abfolge der Abteilungen sinnvoll: am Schalter der kleine Zahlungsverkehr, später Privatkunden mit Hypothekaranfragen beispielsweise, derzeit Kunden mit grossen Vermögen und Unternehmenskunden. Da geht es um Anlagen und Kredite oder das Thema Compliance: Welche Geschäfte sind zu riskant? Diese Themenreihe ist für alle Lernenden der Bankbranche ähnlich. Sie ermöglicht die Koordination mit den überbetrieblichen Kursen und den innerbetrieblichen Schulungen.

Die überbetrieblichen Kurse besucht Gioia Bolter am «Center for Young Professionals in Banking». Hier begegnet sie Berufskolleginnen und -kollegen aus anderen Banken und erlebt, dass es unterschiedliche Bankkulturen gibt. An zehn einzelnen Tagen pro Jahr erhalten die Jugendlichen theoretische Einblicke in Themen wie Zahlungsverkehr, Passivgeschäft, Anlagen und Kredite. Lehrmittel erleichtern das Lernen, wobei statt Bücher Tablets abgegeben werden; die Lerninhalte sind jetzt interaktiv aufbereitet. In den innerbetrieblichen Schulungen der UBS werden zudem hausspezifische Inhalte vertieft und geübt. Diese «Spezifika» dienen dazu, den rund 270 kaufmännischen Lernenden, die jedes Jahr gesamtschweizerisch bei der UBS eine Lehre beginnen, einheitliches Wissen zu vermitteln und in Rollenspielen einzuüben – in drei Jahren finden elf solche Tage statt. Das entlastet die Praxisausbildenden vor Ort. Schliesslich geht Gioia Bolter an zwei Tagen pro Woche in die Berufsfachschule. Sie besucht eine Berufsmaturitätsklasse, nun gemeinsam mit kaufmännischen Lernenden aus weiteren Branchen wie Versicherung, Reisebüro oder öffentliche Verwaltung.

 

Gioia Bolter arbeitet gerne in der Bank, das hatte sie schon anlässlich der Schnuppertage gemerkt, die sie während der Berufswahl absolvierte. Das Gymnasium, für das sie sich dann doch entschied, brach sie nach einem erfolgreichen ersten Jahr ab – es entsprach nicht ihren Vorstellungen. Das Auswahlverfahren der UBS hatte sie erfolgreich durchlaufen. Das ist nicht selbstverständlich: Für jede Lehrstelle bewerben sich 10 bis 15 Jugendliche, ungefähr ein Viertel davon wird zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Ob Gioia Bolter auch die Hürde zum UBS-internen Förderprogramm für die besten Absolventinnen und Absolventen der Grundbildung schaffen wird, wird sich weisen.

1.3Berufliche Grundbildung im Ausbildungsverbund

Ausbildungsverbünde werden immer wieder mit Lehrbetriebsverbünden verwechselt. Der Vergleich der Abbildungen 1-3 (Lehrbetriebsverbund) und 1-5 (Ausbildungsverbund, siehe unten) zeigt Unterschiede.

Abbildung 1-5: Ausbildungsverbund. Eigene Darstellung


1.3.1Charakterisierung

Etwas Gemeinsames haben die beiden Modelle: Bei beiden wechseln die Lernenden in der Regel mehrmals den Lehrbetrieb. Bei den Lehrbetriebsverbünden liegt aber die Verantwortung in der Hand eines der beteiligten Lehrbetriebe, bei den Ausbildungsverbünden bei einer selbstständigen Organisation, deren Hauptaufgabe nicht in der Ausbildung selbst, sondern im Management von Ausbildung besteht (vgl. dazu Kapitel 3.7).

Ausbildungsverbünde sind oft als Vereine oder Stiftungen organisiert, manchmal auch als öffentlich-rechtliche Organisation, als GmbH oder Aktiengesellschaft. Die Geschäftsstelle des Ausbildungsverbunds übernimmt die Selektion der Lernenden, betreut die Jugendlichen und sorgt vor allem dafür, dass genügend Lehrbetriebe für die Ausbildung der Lernenden zur Verfügung stehen.

Obwohl sie oft Vertragspartner der Jugendlichen nach Artikel 14 des Berufsbildungsgesetzes (BBG, 2002) sind, vermitteln die Ausbildungsverbünde die berufliche Praxis nicht selbst, sondern übernehmen neben dem Management eher die Aufgaben des dritten Lernorts, indem sie in Lehrwerkstätten, Übungsbüros oder Pilotanlagen Grundfertigkeiten vermitteln.

1.3.2Entwicklung

Der älteste Ausbildungsverbund dürfte das 1993 gegründete Berufsbildungszentrum SIG Georg Fischer AG in Neuhausen sein (heute Wibilea AG). Bald gliederten weitere Grossbetriebe ihre Lehrlingsabteilungen aus, u.a. die ABB in den Verbund Libs, die Novartis (vgl. das Porträt Cagdas Guerakar) und andere Chemiebetriebe im Raum Basel in die Aprentas, SBB, RhB, VBZ Zürich in den Verbund Login, Sulzer in AZW.

Um zusätzliche Lehrstellen zu schaffen, gründeten später Verbände, Gemeinden und sozial engagierte Organisationen wie HEKS und Caritas Ausbildungsverbünde, meist unterstützt von Startbeiträgen des Bundes. Das Laufbahnzentrum Zürich gründete den Berufslehr-Verbund Zürich BVZ, der Zürcher Schreinermeisterverband den Verbund Schreinermacher SVZ. Bildungsnetz Zug, Impulsis (EBA Plus) und weitere schufen Verbünde für zweijährige Grundbildungen. Wieder andere fördern Ausbildungsmöglichkeiten in bestimmten Berufen, z.B. der ABV Telematiker Uster, SpedLogSwiss Basel (Logistiker/innen).

Die Firmen Wibilea AG und Klever AG in Winterthur dürften die ersten Aktiengesellschaften sein, die in diesem Geschäftsfeld tätig sind. Bildxzug ermöglicht Jugendlichen unter anderem, eine berufliche Grundbildung in einem englischsprachigen Betrieb zu absolvieren.

Heute gibt es kleine Ausbildungsverbünde mit fünf oder zehn Lernenden, aber auch Grossbetriebe wie Login mit 1700 oder Libs mit 1000 Lernenden.

1.3.3Varianten

Manche Ausbildungsverbünde übernehmen die Personaladministration einschliesslich Vertragsabschluss und Lohnzahlungen an die Lernenden, andere konzentrieren sich eher auf die Vorbereitung der Lernenden für den Einsatz in den Betrieben, indem sie Lehrwerkstätten betreiben. Aprentas übernimmt für gewisse Lernende auch den schulischen Unterricht. In einigen Verbünden sind die Lernenden während des ersten Teils der Grundbildung oder über die ganze Ausbildungszeit beim Verbund angestellt, bei andern in einem der beteiligten Ausbildungsbetriebe.

Ausbildungsverbünde helfen auch mit, ein anderes Problem von modernen Lehrbetrieben zu lösen, den relativ kurzen Planungshorizont: Die Verpflichtung auf zwei bis vier Jahre, die der Abschluss eines Lehrvertrags zur Folge hat, hält manche Betriebe davon ab, Lernende auszubilden.

Wie Imdorf und Leemann (2010) aufgezeigt haben, unterscheidet sich das Selektionsverhalten von Ausbildungsverbünden von dem eines KMU oder eines Grossbetriebs. Allerdings hängt das auch von den Zielen des Verbunds ab: Manche verfolgen soziale Zielsetzungen, zum Beispiel die Förderung von Jugendlichen mit bestimmten Schwächen oder Nachteilen. Andere orientieren sich hauptsächlich an den Bedürfnissen der beteiligten Betriebe. Wieder andere verfolgen eher ein pädagogisches Ziel, zum Beispiel angehenden Spitzensportlerinnen und -sportlern eine Berufsausbildung neben ihrem Training zu ermöglichen.

Die Begriffe «Lehrbetriebsverbund» und «Ausbildungsverbund»2 (der im Berufsbildungsgesetz übrigens nicht vorkommt) werden nicht einheitlich verwendet. Dies zeigt auch die 2007 entstandene «Evaluation Lehrbetriebsverbünde» des BBT (2008 b).

Ausbildungsverbünde sind als Anpassung der Betriebslehre an die Entwicklungen der Arbeitswelt zu verstehen: Sie sind Ausdruck einer Professionalisierung der Ausbildungstätigkeit, ermöglichen Betrieben die Konzentration auf ihre Kernkompetenzen und nehmen Rücksicht auf einen kürzeren Planungshorizont.

Die Gründung von Ausbildungsverbünden hat in den letzten Jahren massgeblich zur Ausweitung des Lehrstellenangebots und der relativ schnellen Reaktion des Berufsbildungssystems auf veränderte Anforderungen der Arbeitswelt beigetragen. Es stellt sich indessen die Frage, ob sich diese Verbünde auf längere Frist weiterhin aus Mitteln der beteiligten Betriebe finanzieren lassen (Wolter, 2008) oder ob sie früher oder später Betriebsbeiträge der öffentlichen Hand beanspruchen werden, was ein Schritt in Richtung einer «schulisch organisierten Grundbildung» (vgl. Kapitel 1.4) bedeuten würde.

1.3.4Beispiele
Stiftung Berufslehr-Verbund Zürich (BVZ)

Dieser Ausbildungsverbund entstand 1999 als Abteilung des Laufbahnzentrums der Stadt Zürich (LBZ) und auf Initiative von leitenden LBZ-Mitarbeitenden, die auf den drückenden Mangel an Lehrstellen reagieren wollten. 2006 wurde eine Stiftung als Trägerin gegründet, womit der Verbund rechtlich vom Laufbahnzentrum und der Stadt abgekoppelt wurde. 2012 bildete die Stiftung zusammen mit 180 Einsatzbetrieben 220 Lernende in über zehn Lehrberufen aus. Damit wird die Integration von Jugendlichen – ganz besonders von sozial benachteiligten – ins Erwerbsleben gefördert. Der Verbund wird durch Einsatzbetriebe, die öffentliche Hand und Beiträge von Stiftungen, Patenschaften und Privatpersonen finanziert (bvz, 2014).

Centre d’enseignement professionnel UIG-Unia, Genf

Das Centre d’enseignement professionnel (CEP) UIG-Unia in Genf ist einer der wenigen Ausbildungsverbünde in der Westschweiz. Er wird von der Union Industrielle Genevoise (UIG) und der Gewerkschaft Unia getragen und aus Mitteln des Bundes, des Kantons, des kantonalen Berufsbildungsfonds (Fondation pour la formation professionnelle et continue, FFPC) und der UIG finanziert.

Jugendliche, die sich für einen Beruf der Maschinen-, Elektro- oder Metallindustrie (MEM-Beruf) interessieren, werden vom CEP getestet (jährlich 130 bis 150 Kandidierende für die 35 bis 40 Plätze). Anschliessend erhalten alle beteiligten Firmen deren Unterlagen. Denn es sind die Firmen, die die Jugendlichen anstellen, der Lehrvertrag lautet also von Anfang an auf die Lehrfirma. Im ersten Jahr erfolgt die Ausbildung jedoch seit 1992 nicht im Lehrbetrieb, sondern in den Räumen des CEP (Basislehrjahr). Am CEP besuchen die Lernenden später nur noch die überbetrieblichen Kurse und eine Vorbereitung auf das Qualifikationsverfahren. Im dritten und vierten Lehrjahr absolvieren sie ferner Praktika in anderen Firmen des Verbunds, um eine breitere Ausbildung zu erhalten. Während drei bis vier Halbtagen pro Woche besuchen sie die kantonale Berufsfachschule CFPT (Centre de formation professionnelle technique) zusammen mit den Jugendlichen, die in der dortigen Lehrwerkstätte ihre praktische Ausbildung erhalten; CEP-Lernende können aber am CFPT in dessen sehr gut ausgestatteter Lehrwerkstätte auch praktische Kurse absolvieren (Amos, 2010).

Ausbildungszentrum BERUF ZUG

Dieser Verbund ist 2002 aus der Lehrlingsabteilung der Firma Landis & Gyr/Siemens hervorgegangen und wird heute vom Verein BERUF ZUG mit Berufsbildung Siemens in Zug getragen.

In Kursen oder umfassenden, praxisorientierten Grundausbildungen werden 190 Lernende auf den Einsatz im Lehrbetrieb vorbereitet (2012), der dann in Unternehmen der Maschinen-, Elektro-, Metall- oder Informatikbranche erfolgt. Zentrale Aufgabe des Zentrums ist es, die Lehrbetriebe zu entlasten – indem der Verbund zum Beispiel die Rekrutierung der Lernenden und die praktische Grundausbildung übernimmt – oder auch ein Coaching über die gesamte Lehrzeit zu übernehmen. Die Kunden legen fest, welche Aufgaben BERUF ZUG für sie übernimmt. Von überbetrieblichen Kursen bis zur umfassenden Verantwortung über die ganze Lehrzeit bietet das Zentrum Lösungen für jeden Betrieb an. BERUF ZUG engagiert sich bei Behörden und Verbänden und in Kommissionen auch für die Weiterentwicklung der Berufsbildung.