Berufsbildung in der Schweiz (E-Book)

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1.10Berufs- und höhere Fachprüfungen
1.10.1Charakterisierung

Berufs- und höhere Fachprüfungen gehören zur höheren Berufsbildung (vgl. Kapitel 2.1). Während bei den höheren Fachschulen die Inhalte der Studiengänge geregelt sind, wird bei den Berufs- und höheren Fachprüfungen ausschliesslich die Prüfung geregelt: Die Prüfungsordnung hält zusammen mit der sogenannten Wegleitung Zulassung, Prüfungsmethode, Prüfungsinhalt und Bewertung fest. Zulassungsbedingungen sind meist ein bestimmtes EFZ und immer eine bestimmte Dauer von Berufserfahrung. Im Gegensatz zu den höheren Fachschulen bleibt es somit den Interessierten überlassen, wie sie sich auf die Prüfung vorbereiten wollen, ausser beim sogenannt modularen System, bei dem der erfolgreiche Besuch bestimmter Kurse oder gleichwertige Abschlüsse Zulassungsbedingung zur Prüfung ist (vgl. Kapitel 2.3.2).

Verbände, Berufsschulen und Private bieten Vorbereitungskurse an. Sie werden in der Regel berufsbegleitend besucht und dauern zum Teil mehrere Jahre.

Wer eine Berufsprüfung besteht, erhält einen «eidgenössischen Fachausweis», darf sich dann zum Beispiel «Bergführer mit eidgenössischem Fachausweis» nennen. Wer eine höhere Fachprüfung besteht, erhält ein «eidgenössisches Diplom», ist dann zum Beispiel «Diplomierte Meisterlandwirtin». Die jeweiligen Titel sind geschützt, die Namen der Trägerinnen und Träger werden veröffentlicht und in ein vom SBFI geführtes Register eingetragen.

Organisation und Durchführung der Prüfungen

Die Initiative zur Schaffung einer Berufs- oder höheren Fachprüfung geht jeweils von einer Organisation der Arbeitswelt aus. Sie kann dem Bund einen Entwurf einreichen. Bei dessen Ausarbeitung sind tunlichst die Richtlinien des SBFI zu berücksichtigen.

Dieses klärt nun ab, ob der eingereichte Entwurf den Vorschriften entspricht, und veröffentlicht ihn im «Bundesblatt». Wenn keine Einsprachen gegen die Schaffung der Prüfung eingereicht werden, wird die Prüfungsordnung vom SBFI genehmigt.

Nicht alle Prüfungen stossen auf Interesse. Manche werden mangels Interessenten nur selten durchgeführt. Von den 164 höheren Fachprüfungen mit 2013 gültigen Prüfungsordnungen wurden nach unseren Berechnungen zwischen 2010 und 2012 nur 114 durchgeführt. Der grosse Aufwand, den die Vorbereitung erfordert, ist nur gerechtfertigt, wenn der erworbene Ausweis in der Arbeitswelt akzeptiert ist und zu erheblichen Vorteilen für die Laufbahn führt. Dies ist am ehesten der Fall, wenn die Prüfung vom dominanten Verband der jeweiligen Branche oder von der führenden Gruppe von Verbänden durchgeführt wird. Eine starke Organisation ist auch deshalb notwendig, weil die Organisation und Durchführung von Prüfungen einen grossen Aufwand bedeuten, sowohl organisatorisch als auch finanziell.

Anerkennung der erworbenen Abschlüsse

Hinter Berufs- und höheren Fachprüfungen stehen der Bund und meist auch die wichtigsten Berufs- und Wirtschaftsverbände der jeweiligen Branche. Manche Diplome geniessen ein ähnlich hohes Ansehen wie Hochschulabschlüsse. Der Erwerb eines Fachausweises oder Diploms ist deshalb wichtig für das berufliche Fortkommen. Er ist auch finanziell interessant, werden doch Abschlüsse der höheren Berufsbildung vom Arbeitsmarkt «klar höher monetär bewertet als solche des Tertiär-A-Systems» (Cattaneo & Wolter, 2011, S. 65).

In manchen Wirtschaftszweigen sehen sich aber die höheren Fachprüfungen in Konkurrenz zu Fachhochschulen, zum Beispiel im Gartenbau und im Finanzbereich: Fachhochschulen schliessen mit international gebräuchlichen und bekannten Titeln ab (Bachelor, Master). In anderen Ländern sind für vergleichbare Positionen – beispielsweise im Finanzwesen und Controlling – Universitätsabschlüsse üblich. Zudem wird die Vorbereitung auf die Prüfungen auch weniger subventioniert als ein Studium an höheren Fachschulen und insbesondere an Fachhochschulen (vgl. Kapitel 2.5.1), denn sie wird – im Gegensatz zu den Prüfungen selbst – der Weiterbildung zugeordnet (vgl. Kapitel 1.15).


Abbildung 1-11: Die Entwicklung der Ter­tiär­stufe in den letzten 100 Jahren. Eigene Darstellung
1.10.2Entwicklung

Die höheren Fachprüfungen haben ihren Ursprung in der Meisterprüfung und wurden bereits 1933 im ersten eidgenössischen Berufsbildungsgesetz staatlich geregelt.9 Seither hat sich im Tertiärbereich viel verändert (vgl. Abbildung 1-11). Die Berufsprüfung ist dazugekommen, die herkömmlichen höheren Fachschulen sind zu Hochschulen geworden. Mit den Technikerschulen ist ein neuer Schultyp entstanden, der inzwischen den Namen «höhere Fachschulen» erhalten hat (vgl. Kapitel 1.11). Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen der beiden Prüfungen liegen heute in einer ähnlichen Grössenordnung wie diejenige der Hochschulabsolventinnen und -absolventen (vgl. Tabelle 2-3, Kapitel 2.1).

Wie erwähnt, wurde der Grundsatz, wonach die Vorbereitung auf die Prüfungen nicht geregelt ist, bei den Prüfungen nach modularem System zumindest geritzt. Dies zeigt sich besonders deutlich am Beispiel der Polizistenausbildung, zu der nur zugelassen wird, wer eine der Polizeischulen besucht hat (vgl. Porträt Ruza Miloloza).

1.10.3Beispiel
Berufsprüfung «Handwerker/in in der Denkmalpflege»

Die Arbeit an historisch wertvollen Bauten stellt besondere Anforderungen an die Handwerker und Handwerkerinnen: Sie müssen Techniken beherrschen, die heute nur noch selten angewendet und in der Grundbildung nicht mehr vermittelt werden. Bei denkmalgeschützten Bauten verlangt die Denkmalpflege eine detaillierte Dokumentation über die ausgeführten Arbeiten. Der Umgang mit historisch wertvollen Bauten setzt grosse Achtung vor bestehender Bausubstanz voraus. Effiziente und termingerechte Abwicklung sind dem Schutz der Bausubstanz unterzuordnen. Die Zusammenarbeit unter den beteiligten Gewerken ist wichtiger als bei der durchgeplanten Arbeit an Neubauten.

Mit der Berufsprüfung für Handwerkerinnen und Handwerker in der Denkmalpflege soll sichergestellt werden, dass die für solche Situationen nötigen Kompetenzen vorhanden sind. Es gibt diese Prüfung seit 2012 in acht Fachrichtungen: Gartenbau, Holzbau, Malerei, Mauerwerk/Verputz, Möbel und Innenausbau, Naturstein, Pflasterung und Trockenmauerwerk sowie Stuck.10 Träger ist ein Verein, dem die Berufsverbände der betroffenen Gewerke angehören, zum Beispiel der Schweizerische Maler- und Gipserunternehmer-Verband, sowie Organisationen der Kulturgütererhaltung, zum Beispiel die Konferenz der Schweizer Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger. Es handelt sich um eine Prüfung nach dem modularen System, denn zentrale Qualifikationen wie die persönliche Haltung gegenüber historisch wertvoller Bausubstanz können nicht geprüft werden. Deshalb ist vorgesehen, dass Kandidatinnen und Kandidaten bestimmt Module besuchen, wo im Gespräch und durch Exkursionen versucht wird, die gewünschten Haltungen aufzubauen.

Porträt Ruza Miloloza
Zielstrebig und zielgenau
Die Ausbildung zur Polizistin dauert derzeit 18 Monate. Ruza Miloloza ist eine der Aspirantinnen, die in Giubiasco ausgebildet werden. An einem Hockeyspiel erlebte sie bereits die Härten ihres Berufs.

Ruza Miloloza, 21, bereitet sich auf die Berufsprüfung (BP) als Polizistin vor


Manchmal joggt sie dem Fluss Ticino zwischen Bellinzona und Giubiasco entlang, abends nach 17 Uhr. Dann hat Ruza Miloloza ihr Training, das sie sonst auf dem Laufband absolviert, nach draussen verlegt. 80 Sekunden fehlen ihr noch, bis sie unter 26 Minuten ist, eine harte Nuss, wie sie findet, die sie bis Ausbildungsabschluss knacken muss. Ihre Freunde sagen, Ruza Miloloza habe einen starken, zielstrebigen Charakter. Keiner wunderte sich darüber, dass sie Polizistin wird. Sie werden sich auch nicht wundern, wenn sie hören, sie habe es geschafft: fünf Kilometer in weniger als 26 Minuten.

Warum lässt sich Ruza Miloloza zur Polizistin ausbilden? Als Kind, erzählt sie, weckten lärmende Sirenen ihre Neugier und den Wunsch, beim Geschehen dabei zu sein. Dieser Wunsch blieb lebendig. An einer Fachmittelschule erwarb Ruza Miloloza dann einen nachobligatorischen Abschluss, wie er bei Eintritt in die Polizeischule verlangt wird. Zudem bestand sie ein eintägiges Prüfungsverfahren, in dem ihre sportlichen und schulischen Leistungen sowie ihre persönliche Eignung geprüft wurden. Jetzt fehlen ihr noch acht Monate bis zum Ziel. Dann hat Ruza Miloloza die zwölf Monate dauernde schulische Ausbildung und das sechsmonatige Einsatzpraktikum durchlaufen. Und ihre Faszination von damals, ist sie geblieben? Ruza Milolozas Augen leuchten, als sie die Frage bejaht: Die theoretische und praktische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Aspekten des Berufs, wie sie im eidgenössischen Rahmenlehrplan definiert sind, hat ihr Interesse nur noch gesteigert.

 

Das ist nicht selbstverständlich. Ruza Miloloza weiss, dass sie als Polizistin unregelmässige Arbeitszeiten haben wird. Und sie hat auch schon Bekanntschaft mit schwierigen Situationen gemacht. Im Rahmen ihrer Ausbildung erhält Ruza Miloloza theoretische Instruktionen, während eines Drittels der Lernzeit begleiten die Aspirantinnen und Aspiranten aber auch schon echte Einsätze. Einer von ihnen führte nach Lugano ins Hockeystadion, wo Ambri-Piotta zu Gast war. Der Abend wurde lang: Petarden, Steinwürfe, Handgemenge nach dem Spiel, eine halbstündige Strassenschlacht der Fangruppen. Die Polizei stellte sich schützend zwischen die Lager, um am Ende von beiden angegriffen zu werden. «Ich hatte keine Angst», erzählt Ruza Miloloza, obwohl zwei Kollegen verletzt wurden, «ich wusste, dass ich auf meine Kolleginnen und Kollegen und unsere eingeübten Strategien vertrauen konnte. Aber mein Adrenalinspiegel war sehr hoch.» Ins Bett kam sie erst nachts um drei.

Im Rahmen ihrer Ausbildung wird Ruza Miloloza in die verschiedenen Tätigkeitsfelder der Polizei eingeführt. Dazu gehören die Verkehrskontrolle, die Präsenz im öffentlichen Raum, die Kriminalistik sowie übergeordnete Themen wie Polizeipsychologie, Recht oder interkulturelle Kommunikation. Teil dieses Unterrichts sind auch Gruppenarbeiten, etwa das Erstellen von Rapporten oder Diskussionen zu ethischen Themen. Zum Beispiel: Wie gehe ich mit einer Kollegin um, von der ich weiss, dass sie Drogen konsumiert? Schliesslich enthält der Stundenplan – neben dem durchgehenden Fach Sport – sieben einwöchige Trainings, etwa in Selbstverteidigung, Schiessen oder Interventionstechnik. Drei Schiesseinheiten finden unter Stress statt, von Lauftrainings unterbrochen. Einzelne dieser Module konnte Ruza Miloloza bereits abschliessen, was sie unter anderem berechtigt, eine Waffe zu tragen. Das gefällt ihr, wie sie sagt, sie habe Freude am Schiessen und beherrsche es gut: «Vielleicht bilde ich mich mal zur Schiessinstruktorin weiter.»

Im Mai wird Ruza Miloloza ihre Ausbildung mit der eidgenössischen Berufsprüfung, die aus einem theoretischen und einem praktischen Teil besteht, abschliessen. Dann wird sie ein halbes Jahr dem Einsatzkommando zur Verfügung stehen und überall hinfahren, wo um Hilfe gerufen wird: Verkehrsunfälle, häusliche Gewalt, Einbrüche. Danach kann sie in weiteren Bereichen arbeiten: bei der Sicherheitspolizei, im Ordnungsdienst, in der Kriminalistik. Die angehende Polizistin freut sich auf diese Arbeit, und gute Feedbacks hat sie auch schon erhalten. Vor einigen Wochen zeigte ihre Klasse an einer öffentlichen Veranstaltung Elemente der Ausbildung: Festhaltetechniken, Schlichten von Konflikten, Schiessen. Für ihre Treffsicherheit erhielt Ruza Miloloza Applaus.

1.11Höhere Fachschulen

Die höheren Fachschulen (HF) sind ein junger Schultyp im Bereich der höheren Berufsbildung (vgl. Abb. 1-11). Sie bilden Fach- und Führungspersonen aus, die oft eine Brückenfunktion zwischen Theorie und Praxis übernehmen. Die Studiengänge umfassen mindestens 3600 Lernstunden für Bildungsgänge, die auf einem einschlägigen EFZ aufbauen, oder mindesten 5400 Lernstunden für Bildungsgänge, die auf einem anderen Abschluss der Sekundarstufe II basieren (MiVo-HF, 2005, Art. 3, Abs. 1). Bildungsgänge an höheren Fachschulen können als Vollzeitstudium oder berufsbegleitend absolviert werden und dauern, je nachdem, mindestens zwei oder mindestens drei Jahre. Gut die Hälfte der im Jahr 2010 vergebenen Diplome wurde im Rahmen eines berufsbegleitenden Studiums erworben (BFS, 2011a).

Schweizweit existieren insgesamt 33 Rahmenlehrpläne mit insgesamt 52 Fachrichtungen, die in über 400 anerkannten Bildungsgängen umgesetzt werden (vgl. Tab. 1-1).

Die Zahl der HF-Abschlüsse hat in den letzten Jahren stark zugenommen. 2009 und 2010 wurden je über 7000 Diplome ausgestellt. Je knapp ein Drittel der Diplome betrifft Ausbildungen im Gesundheitsbereich – hier vor allem zur dipl. Pflegefachfrau HF bzw. zum dipl. Pflegefachmann HF – und im Bereich Technik (vgl. Porträt Serkan Kiziltoprak). Hinzu kommen die Abschlüsse der Nachdiplomstudiengänge an höheren Fachschulen: Im Jahr 2010 waren dies knapp 900, knapp die Hälfte davon wurde im Bereich Wirtschaft erworben (BFS, 2011a).


Tabelle 1-1: Rahmenlehrpläne HF nach Bereichen. Quelle: BBT (2011a)
Abbildung 1-12: Abschlüsse an höheren Fachschulen 2010 nach Bildungsgang. Quelle: BBT (2011a)


Höhere Fachschulen bieten ihren Absolventinnen und Absolventen sehr gute Arbeitsmarktchancen, verbinden diese Studiengänge doch praktische Kompetenzen mit theoretischem Fachwissen. Studien zur Bildungsrendite zeigen zudem, dass der Arbeitsmarkt Abschlüsse der höheren Berufsbildung (Tertiär B) monetär klar höher bewertet als solche der Hochschulen im Bereich Tertiär A (z.B. der Fachhochschulen; vgl. Cattaneo & Wolter, 2011). Trotzdem werden höhere Fachschulen oft als «Mauerblümchen der tertiären Bildung» bezeichnet (z.B. Tommer, 2010, S. 5). Ein Grund hierfür ist sicher ihre Konkurrenz zu den Fachhochschulen, die sich unter anderem in der Frage der Titel äussert: Während das Studium an einer Fachhochschule mit einem Bachelor oder Master abgeschlossen wird, erhalten Absolventinnen und Absolventen einer höheren Fachschule ein eidgenössisches Diplom. HF-Absolventinnen und Absolventen seien deshalb auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt, sodass von verschiedenen Seiten international kompatible Titel gefordert werden (vgl. dazu Schmid & Gonon, 2013).

Weitere Diskussionspunkte sind etwa die Finanzierung – HF-Studierende zahlen durchschnittlich deutlich mehr für ihr Studium als Studierende an einer Fachhochschule (vgl. dazu Kapitel 2.5.1) − sowie eine klare Abgrenzung der Berufsprofile von HF- und FH-Absolventinnen und -Absolventen. Der letzte Punkt betrifft insbesondere den Gesundheitsbereich, weil etwa die Ausbildung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann heute sowohl an einer höheren Fachschule als auch an einer Fachhochschule absolviert werden kann (Abschluss: dipl. Pflegefachfrau/Pflegefachmann HF bzw. Bachelor of Science in Pflege FH). Der überwiegende Teil des Pflegepersonals wird heute an höheren Fachschulen ausgebildet: Im Jahr 2010 wurden 1676 Diplome für Pflegefachleute HF ausgestellt − dieser Studiengang ist das mit Abstand meistgewählte HF-Studium (vgl. Abb. 1-12). Die Zahl der Abschlüsse an höheren Fachschulen Pflege ist allerdings − seit der Einführung der Angebote im Bereich Pflege auf FH-Stufe − kontinuierlich gesunken (BBT, 2010): Im Jahr 2012 waren es noch 1198 Personen, die ein solches Diplom erwarben (BFS, 2013j).

1.11.1Beispiele
Studium zur dipl. Pflegefachfrau bzw. zum dipl. Pflegefachmann HF

Pflegefachleute arbeiten in Spitälern, psychiatrischen Kliniken, Alters- und Pflegeheimen und pflegen und betreuen Patientinnen und Patienten zu Hause. Sie tragen im ganzen Pflegeprozess die Verantwortung und sind als Führungskräfte auch für das ihnen unterstellte Personal mitverantwortlich. Voraussetzungen für die Aufnahme zum Studium an einer HF Pflege sind − zusätzlich zu einer Eignungsabklärung − der Abschluss einer beruflichen Grundbildung mit EFZ, ein Fachmittelschulausweis oder eine gymnasiale Maturität. Häufigste Zubringer sind die berufliche Grundbildung zur Fachfrau oder zum Fachmann Gesundheit (FaGe), die zu einem verkürzten Studiengang berechtigen kann, sowie die Fachmittelschule.

In der Schweiz wird deutlich zu wenig Pflegepersonal ausgebildet: Gemäss Schätzungen fehlen jährlich zusätzlich ca. 2500 Pflegefachleute auf Tertiärstufe (BBT, 2010). Insbesondere die höheren Fachschulen sind deshalb gefordert, die Zahl ihrer Studierenden kontinuierlich zu steigern. Eine Studie zu den Laufbahnentscheidungen von Fachleuten Gesundheit zeigt, dass die Weiterqualifizierung auf HF- und FH-Stufe für einen Teil der Betroffenen eine beträchtliche Hürde darstellt: So ist die Zahl derjenigen, die in naher Zukunft eine Weiterqualifizierung auf Tertiärstufe anstreben, deutlich grösser als die Zahl derjenigen, die diese Absichten dann auch in die Tat umsetzen (Trede & Kriesi, 2013). Gründe dafür sind in der schwierigen finanziellen Situation während des Studiums und in der geringen Lohndifferenz zwischen ausgelernten FaGe und diplomierten Pflegefachleuten zu suchen (Marti, 2013).

Das Berner Bildungszentrum Pflege bietet verschiedene Studiengänge an: Während der reguläre Bildungsgang drei Semester Schule und drei Semester Praxis in Pflegesituationen umfasst, die jeweils abwechselnd absolviert werden (insgesamt drei Jahre), alternieren beim berufsbegleitenden Studiengang jeweils Blöcke von acht Monaten (Schule sowie Praxis in Pflegesituationen). Das Studium dauert so insgesamt vier Jahre und findet an dreieinhalb Wochentagen statt, sodass die Studierenden im Umfang von maximal 30 Prozent einer anderen Tätigkeit nachgehen können. Für Fachleute Gesundheit EFZ wird ein verkürzter Studiengang angeboten, der entweder Vollzeit (zwei Jahre) oder berufsbegleitend (vier Jahre) absolviert werden kann.

Eine Besonderheit des Studiums an einer HF Pflege ist die Tatsache, dass das Studium − analog zur beruflichen Grundbildung auf der Sekundarstufe II − ebenfalls an drei bzw. sogar vier Lernorten stattfindet: Ähnlich wie in den überbetrieblichen Kursen während der Grundbildung existiert hier ein Gefäss − der Lernbereich Training und Transfer, kurz LTT −, das Zeit und Raum zum Üben, Simulieren und für den Transfer bietet (vgl. Kapitel 3.2). Dabei wird oft unterschieden zwischen LTT Schule und LTT Betrieb: Je nachdem wird dabei der Transfer des einen in den anderen Bereich unterstützt und geübt. Hierfür werden am BZ Pflege in Bern oft sogenannte Simulationspatienten − auch standardisierte Patienten genannt − eingesetzt: Berufsschauspielerinnen oder Laiendarsteller spielen in bestimmten Pflegesituationen Patienten und bieten den Studierenden so Gelegenheit, zu üben und dabei ein ehrliches Feedback zu erhalten. Besonders häufig werden Simulationspatienten für Kommunikationstrainings eingesetzt. Das Üben mit Simulationspatienten hat nachweislich einen positiven Effekt auf die Kommunikationskompetenzen von Pflegefachpersonen (Lüthi, 2009; Schlegel et al., 2012).

Studium zur Technikerin bzw. zum Techniker HF Garten- und Landschaftsbau/Bauführung am Oeschberg in Koppigen (BE)

Technikerinnen und Techniker HF Garten- und Landschaftsbau arbeiten vorwiegend als Projekt- oder Bauleitende und übernehmen technische und betriebswirtschaftliche Aufgaben in der Planung und Umsetzung und im Bereich der Koordination und Überwachung, sei es in gärtnerischen Ausführungsbetrieben, in Landschaftsplanungsbüros oder in Planungsabteilungen von Stadtgärtnereien (Kantonale Gartenbauschule Oeschberg, 2014). Der Fokus der Ausbildung an der kantonalen Gartenbauschule Oeschberg in Koppigen bei Bern liegt stark auf dem Praxisbezug und auf der Lösung praxisbezogener Aufgaben. Aufnahmebedingungen sind ein EFZ als Gärtnerin, als Zeichner mit Schwerpunkt Landschaftsbau oder eine gleichwertige Ausbildung, landschaftsgärtnerische Berufspraxis (je nach Vorbildung 12 oder 24 Monate) sowie eine erfolgreiche Aufnahmeprüfung. Das Studium dauert zwei Jahre und wird durch zwei Betriebspraktika ergänzt. Inhalte der Ausbildung am Oeschberg sind fachbezogene Grundlagen wie Botanik, Planzeichnen oder Ökologie, Fachtechnik (z.B. Planung und Bauleitung oder Feldmessen), Betriebswirtschaft sowie Allgemeinbildung.

Im Jahr 2012 haben 14 Techniker sowie eine Technikerin HF in Garten- und Landschaftsbau ihr Studium abgeschlossen (BFS, 2013j). Die Zahl derAbsolventinnen und Absolventen ist demnach klein. Dennoch ist die Gartenbauschule Oeschberg eine wichtige Weiterbildungsinstitution im Garten- und Landschaftsbau – in dieser Branche schweizweit die einzige Möglichkeit, vor allem für Gärtnerinnen und Gärtner, sich auf HF-Stufe weiterzubilden.

 
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