Wiesbaden

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Herausgeber

Erik Schreiber

Historisches Deutschland

e-book 097

Die Geschichte der Stadt Wiesbaden

Erscheinungstermin 01.09.2021

© Saphir im Stahl

Verlag Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Simon Faulhaber

Lektorat: Peter Heller

Vertrieb: neobooks

GESCHICHTE

DER

Stadt Wiesbaden.

VON

FR. OTTO,

OBERLEHRER AM KÖNIGLICHEN GYMNASIUM ZU WIESBADEN.

Franz Bossong, Verlagsbuchhandlung,

Wiesbaden.

VORREDE.

Die vorliegende Schrift ist hervorgegangen aus dem Wunsche, der im Herbste d. J. hier tagenden Versammlung der deutschen Philologen und Schulmänner ein Bild des Werdens und Wachsens der Stadt Wiesbaden vorzuführen, deren Vergangenheit gerade für sie von hohem Interesse sein muss. Birgt sie doch in ihrem Umfange noch jetzt den Rest eines der wenigen grösseren römischen Bauwerke auf dem rechten Rheinufer; ihr Schooss aber hat eine ganze Reihe höchst interessanter Alterthümer aller Art aufbewahrt, die, seit etwa einem halben Jahrhundert aufgefunden, gesammelt oder beschrieben, ein Bild der Vergangenheit geben, in welcher Wiesbaden römische Provinzialstadt mit einer Militärstation war. Die Fülle des zu Tage geförderten Materials ist bisher noch nicht in übersichtlicher Weise zusammengestellt worden; dies soll hier versucht werden, wobei ausser den Fundberichten die gründlichen Vorarbeiten der Herren Becker in Frankfurt a./M., v. Cohausen, Reuter und Schalk dahier, sowie von Verstorbenen namen dich Habels, Kleins und Rossels benutzt sind. Es konnte aber nicht die Absicht sein, alles und jedes hier aufzuführen, insbesondere musste die Erwähnung der römischen Waffen und Geräthe mancherlei Art für jetzt unterbleiben, da für die geschichtliche Entwickelung aus ihnen weniger als aus den Inschriften, Votivsteinen und Mauerresten zu gewinnen war.

Ebenso hat die Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit seit der letzten geschichtlichen Darstellung manche Bereicherung erfahren; ich erwähne nur die vortrefflichen Ausführungen des Herrn Professor Dr. Grimm dahier. Auch dies Material bedurfte einmal einer Zusammenstellung; vielleicht dass dadurch noch verborgene Schätze hervorgelockt und so manche Lücken ausgefüllt werden können. Für diese Perioden war gleichfalls Beschränkung auf das Nothwendige und knappe Darstellung geboten. Die letzten fünfzig Jahre der politischen Geschichte blieben ausgeschlossen, da ihre Behandlung ohne Eingehen auf die allgemeine Geschichte unmöglich ist, dieses aber die Schrift zu umfangreich gemacht hätte.

Die Eintheilung in drei Perioden hat einigemal genöthigt, Zusammengehörendes zu trennen, an anderen Stellen wurde über die gesetzten Grenzen hinausgegangen; aber nur so konnten unnöthige Wiederholungen vermieden und ein Bild der Entwicklung in den einzelnen Zeiten und auf den einzelnen Gebieten kurz und anschaulich entworfen werden.

Die Anmerkungen sollen zugleich Belege sein und Hinweisungen auf die Stellen, welche ausführlichere Mittheilungen bieten, als hier aufgenommen werden durften. Und da die Schrift auch auf einen grösseren Leserkreis berechnet werden musste, so ist in der Regel auf leichter zugängliche Werke verwiesen, auch meist der lateinische Wortlaut in deutscher Uebersetzung gegeben.

Schliesslich muss ich noch denen, welche mich bei der Ausarbeitung durch freundlichen Rath unterstützt haben, namentlich meinem Freunde und Collegen, Herrn Gymnasiallehrer Ammann, für die sorgfältige Durchsicht der Correcturbogen auch hier meinen gebührenden Dank aussprechen.

Wiesbaden, Juli 1877.

F. Otto.

VERZEICHNIS

der häufiger und abgekürzt angeführten Werke.

v. Hörnigk, Wissbades Beschreibung. Frankfurt a/M. 1637. 1692.

Topographia Hassiae et regionum vicinarum, d. i. Beschreibung der vornehmsten Städte und Plätze in Hessen. Frankfurt a/M. Meriansche Erben. 1655.

Hellmund, Thermographia paraenetica oder nützliches Baadbuch. 1731.

Schenck, Geschichtsbeschreibung der Stadt Wiesbaden. 1758.

Ritter, Denkwürdigkeiten der Stadt Wiesbaden. 1800.

Ebhardt, Geschichte und Beschreibung der Stadt Wiesbaden. 1817.

Dorow, Opferstätte und Grabhügel der Germanen und Römer am Rhein, I. II. 1819.

Annalen des Vereins für nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung, I —XIV. 1827 — 1876.

Mittheilungen des Vereins, No. 1 — 5. 1851, 1852.

Periodische Blätter der Geschichtsvereine zu Cassel, Darmstadt, Frankfurt und Wiesbaden, No. 1 — 16. 1853 — 1861.

Mittheilungen an die Mitglieder des Vereins, No. 1 — 6. 1861 — 1867.

Rossel, das Stadtwappen von Wiesbaden. 1861.

J. Grimm, Mittheilungen im rheinischen Curier. 1874, März und April.

Ferd. Hey'l, Wiesbadener Fremdenführer. Herausgegeben von dem Curverein der Stadt Wiesbaden. Wiesbaden.

Vogel, Beschreibung des Herzogthums Nassau. 1843.

Schliephake, Geschichte von Nassau, I — IV, 1, fortgesetzt von Menzel, IV, 2. 1866 — 1875.

Keller, Geschichte Nassaus von der Reformation bis zum dreissigj ährigen Kriege. 1864.

Keller, die Drangsale des nassauischen Volkes in den Zeiten des dreissigjährigen Krieges. 1854.

Mommsen, Corpus Inscriptionum Latinarum III. Berol. 1873.

Brambach, Corpus Inscriptionum Rhenanarum. Elberfeld 1867.

Grimm, DW. = Deutsches Wörterbuch.

Grimm, GDS. = Geschichte der deutschen Sprache.

Bernhardt, Geschichte Roms von Valerian bis zu Diocletians Tod (253—213) I. Berl. 1867.

Marquardt, römische Staatsverwaltung. I. II. Leipzig. 1873. 1876.

Marquardt, römische Privatalterthümer. I. II. Leipzig. 1864. 1867.

INHALT.

I. Wiesbaden in römischer und fränkischer Zeit.

§ 1. Aelteste Zeit, Celten

§ 2. Germanen. Chatten, Mattiaker

§ 3. Römer

§ 4. Besatzungsgeschichte

§ 5. Das Castell

a. Anlage und Zweck

b. Ausgrabung

c. Beschreibung

d. Besatzung

e. Beschäftigung der Soldaten

§ 6. Das Vivarium

§ 7. Die Heidenmauer

§ 8. Die Stadt Mattiacum

a. Der Schützenhof

b. Der Mauritiusplatz

c. Der Platz am Kochbrunnen

d. Die Wasserleitungen

§ 9. Strassen und Gräber

a. Die Bergstrasse

b. Die Thalstrasse

c. Andere Strassen

§ 10. Die Inschriften und bildlichen Darstellungen

a. Grabsteine

b. Votivaltäre

c. Militärische Inschriften

d. Trinkgefässe und Würfel

§ 11. Die Umgegend vun Wiesbaden

§ 12. Die bürgerliche Verfassung

§ 13, Geschichte des römischen Wiesbaden bis 235

§ 14. Die Kämpfe um das Mattiakerland 235 bis ca. 400

1. Die Kämpfe um die alte ReichsgTenze 235 bis 282

2. Die Kämpfe um die Rheingrenze 282 — 369

§ 15. Die fränkische Zeit. (400 — 800)

§ 16. Das Christenthum 69

II. Wiesbaden im Mittelalter

§ 17. Namen der Stadt Wiesbaden

§ 18. Die Lage und die Haupttheile der Stadt

§ 19. Königlich und grätlich

§ 20. Hauptgebäude

a. Die Burg

b. Die Kirche und die Capellen

c. Die übrigen Gebäude

§ 21. Strassen. Mauern, Thore

§ 22. Die Bewohner

§ 23. Die Beschäftigung der Bewohner. Die Bäder

§ 24. Die Stadtverwaltung

a. Allgemeines

b. Das Stadtgericht zu Wiesbaden

c. Freiheiten der Bürger. Gemeine Baue

§ 25. Wehr- und Feuerordnung

§ 26. Flur und Wald

§ 27. Geschichtliches

§ 28. Kaiserbesuche während des Mittelalters

III. Wiesbaden in der neueren Zeit.

§ 29. Neue Befestigungen. Stadtenveiterungen

1. Die Erhaltung der alten Stadt. 1508— 1690

2. Der Beginn der Umwandlung. 1691—1808

3. Das moderne Wiesbaden. 1808—1877

§ 30. Einzelne Bauten

1. Das 16. Jahrhundert

2. Das 17. Jahrhundert

3. Das 18. Jahrhundert

4. Das 19. Jahrhundert

§ 31. Die Bewohner

§ 32. Die Bäder und Kur

1. Die Badhäuser

2. Die Badeeinrichtungen

3. Die Veranstaltungen zur Unterhaltung der Kurgäste

4. Verpflegung und Behandlung

5. Berühmte Besuche

§ 33. Stadtrath und Stadtverwaltung

§ 34. Kirchliches

§ 35. Die Schulen

a. Bis 1806

b. Von 1806 an

§ 36. Geschichte

a. Von 1508—1618

b. Von 1618—1648. Der dreissigj ährige Krieg

c. Die Zeit nachdem dreissig jährigen Kriege

Anhang

I. Alte Namen

1. Vor und um die Mitte des zwölften Jahrhunderts

2. I280—1460

3. Nach dem dreissigjährigen Kriege

4. Neue Namen (um 1730)

II. Tabellarische Zusammenstellung der Badhäuser

III. Chronologische Uebersicht

IN RÖMISCHER UND FRÄNKISCHER ZEIT.

§ 1.

ÄLTESTE ZEIT. CELTEN.

Wiesbaden ist eine der ältesten und zugleich der jüngsten Städte Deutschlands; während der grösste Theil der jetzigen Stadt seinen Ursprung den letzten Jahrhunderten, ja den letzten Jahrzehnten verdankt und in Bauart und Strassenanlage allenthalben einen ganz modernen Charakter zeigt, kann der innere Theil der Stadt seine Anfänge bis in die graue Vorzeit der deutschen Geschichte verfolgen, deren tiefes Dunkel, nur durch einzelne Streiflichter erhellt, ein deutliches Bild noch nicht erkennen lässt.

 

Die geschützte Lage der Oertlichkeit, der fruchtbare Boden und der Reichthum an fliessendem Wasser, das, dem benachbarten Gebirge entquellend und in mehreren Thalgründen herabströmend, hier sich vereinigt und in den benachbarten Rhein abfliesst, die Nähe der noch jetzt jagdreichen Waldungen des Taunus, die vordem wohl noch ausgedehnter waren, endlich vielleicht auch die bereits frühe erkannten wohlthätigen Wirkungen der warmen Quellen hatten sicherlich schon in den Zeiten, welche der historischen Kunde vorausgehen, länger oder kürzer dauernde Niederlassungen veranlasst. Zahlreiche Steinwerkzeuge, zum Theil der rohesten Art, und ebensolche Thongefässe, wie sie sich in Gräbern der Umgegend von Wiesbaden und unmittelbar in dem Thalgrunde vor Wiesbaden gefunden haben, (Vgl. z. B. Ann. II, 3. p. 303. Per. Bl. 1858, 7. p. 162. M. 1867, 5. p. 24.) weisen auf eine frühe, sicherlich vorgermanische Zeitperiode hin.

Bleibendere Spuren ihrer Anwesenheit haben indess erst die Celten hinterlassen, wenn man Recht hat, manche sonst unverständliche Namen von Bergen, Flüssen und Orten des rechten Rheinufers auf celtische Ansiedlungen und Namengebung zurückzuführen. (Arnold, Ansiedlungen p. 54. Man denke nur an die Namen Rhein, Main, Taunus.)

Aber schon zu Caesars Zeit scheinen nicht blos die Celten unsre Gegenden nicht mehr bewohnt zu haben, sondern es waren auch germanische Stämme in grösseren oder kleineren Schaaren über den Rhein gegangen und hatten sich in dem belgischen Gallien niedergelassen.

§ 2.

GERMANEN. CHATTEN. MATTIAKER.

Zunächst nun scheint kein deutscher Stamm dauernd den Mittelrhein behauptet zu haben; Usipeter, Tenkterer, Ubier werden von den kriegerischen Sueven verdrängt und suchen an dem unteren Rheine oder auf dessen linkem Ufer feste Sitze zu gewinnen statt des allgemeinen Namens der Sueven erscheint bald das Volk der Chatten, vielleicht nur die specielle Bezeichnung statt der allgemeinen, (Seyberth, Ann. IV, 2. p. 435. Grimm, GDS. II, p. 565.) und an dessen Stelle zur Zeit des Kaisers Claudius der Name der Mattiaci, der von nun an bis zum Ende der Römerherrschaft mit dem Gebiete zwischen Taunus und Rhein eng verbunden bleibt. Den ager Mattiacus erwähnt zuerst Tacitus in den Annalen (XI, 20) zum Jahre 47 n. Chr., die Stadt oder das Dorf Mattiacum Plinius in der Naturgeschichte (31, 2, 27); die Mattiaci und gens Mattiacorum Tacitus in den Historien (IV, 37) und in der Germania (29), Ptolemaeus (II, 11, 29) um 150 n. Chr. XXgriechXX Ammianus Marcellinus im Jahre 371 die Aquae Mattiacae (XXIX, 4) und endlich die Notitia dignitatum die Mattiaci juniores; ausserdem werden auf Inschriften des zweiten Jahrhunderts, die fast alle zu Castel bei Mainz aufgefunden wurden, die civitas Mattiacorum, (Becker, Ann. VII, I. No. 46, 24, 27, 40. (Becker und Klein) ib. IV, 3. No. 118 sqq. endlich die Coh. II Mattiacorum auf einem Militärdiplom des Kaisers Hadrian vom Jahre 134 genannt. (Rossel, Ann. V, 1. p. 72. Mommsen C. J. L. III, p. 877.)

Dass Mattiacum zur Zeit des Plinius der Name eines Ortes und zwar dessen, den Ammianus Aquae Mattiacae nennt, und dass dieser Ort gerade Wiesbaden war, ergibt die richtige Erklärung der betreffenden Stellen. (Vgl. Habel in Ann. I, 2. p. 42. Seyberth IV, 2. p. 459. Becker VII, 1. p. 123.)

Sowohl über die Verwandtschaft und Abstammung der Mattiaker, als auch über die Herleitung des Namens sind verschiedene Meinungen aufgestellt, von denen jedoch noch keine als vollständig erwiesen angesehen werden kann. Die gewöhnliche Ansicht geht dahin, die Mattiaker seien ein Zweig der Chatten und hänge der Name mit dem chattischen Mattium, jetzt Maden, (Nach Grimm zu Matte gehörend; andere Abtheilungen s. bei Arnold, Ansiedelungen u. s. w. Hellmund erklärt den Namen Mattiaker als die Muthigen, eine Etymologie, die sich würdig den anderen von ihm p. 233 vorgetragenen anschliesst, wonach z. B. Chatten = die Guten, Ubier = die Obigen, d. h. hoch wohnenden, die Usipeter = Wiesenspether, von Wiese und Spad, mit welchem sie sich auf ihren Auen nährten, die Schwaben = Sauländer, von Suevia, Sauland, weil es in Schwaben viele Mästung oder Eicheln und daher viele Säue gebe.) zusammen; die erste Behauptung stützt sich auf die zweite sowie darauf, dass im batavischen Freiheitskriege die Mattiaker sofort an der Seite der Chatten einen Ueberfall der Stadt Mainz versuchen, beides durchaus, nicht zwingende Beweise; denn eine gemeinsame Erhebung gegen die Römerherrschaft setzt nicht auch Stammesverwandtschaft voraus, ebensowenig als die scheinbare Namensähnlichkeit, obgleich es etwas Bestechendes hat, die Gleichheit in Namen auf Verwandtschaft zurückzuführen. Die Zusammengehörigkeit von Chatten und Mattiakern bleibt daher nur eine annehmbare Vermuthung. Die Chatten hatten sich Anfangs der römischen Nachbarschaft nicht feindlich erwiesen, zogen es aber, als der Römer Absichten deutlicher hervortraten und Drusus die Burg auf dem Taunus anlegte, im Jahre 9 v. Chr. vor, ihre heimischen Sitze am Taunus zu verlassen und sich zu ihren Stammesgenossen im heutigen Hessen zurückzuziehen. (Dio Cass. 54. 36) Es können nun recht wohl manche Gemeinden oder Familien ganz oder zum Theil zurückgeblieben und andere zu ihnen übergesiedelt sein. Dies rechtfertigt aber noch nicht die Herleitung des Namens der Mattiaci von Mattium. Ziehen wir die sonstigen zahlreichen celtischen Ortsnamen am Mittelrhein in Betracht, so hat es nichts Auffallendes, wenn Mattiacum wie das benachbarte Mogontiacum celtischen Ursprungs ist, zumal die Bildung des Wortes aus dem sonst nicht viel verwendeten Worte Matte (adh. der mato, gen. matawes) auf grosse Schwierigkeiten stösst. Wir werden daher Mattiacum nicht als dasselbe wie „Wiesbad“ aussagend ansehen dürfen. (Wie Rossel, Stadtwappen p. 56 Anm. thut.) Die Römer fanden den celtischen Namen des Ortes Mattiacum vor und benannten die Bewohner der ganzen civitas, die sie errichteten, wie die civitas Taunensium, Mogontiacensium, Sumelocennensium und Ulpia Trajana (S. Brambach, Inscr. Rhen, im Index.) u. a. nach einer Oertlichkeit. Den Deutschen blieb das Wort fremdartig und so erklärt sich, dass es erst mit der Befestigung der Fremdherrschaft aufkommt und mit deren Authören spurlos verschwindet. Der Name Mattiacum ist daher weder durch Zusammensetzung von zwei deutschen Wörtern, Matte und aha, Wasser, noch durch die sonderbare Ableitung von einem deutschen Stamme vermittelst einer celtischen oder gar griechischen Endung entstanden, sondern ein celtisches Wort mit der Endung iac oder ac, die an den celtischen Personennamen Matto angefügt wurde, wie aus dem Namen Mongontius (abgeleitet vom Namen des Gottes Mogon) oder Mogon selbst auf eben dieselbe Weise Mogontiacum, aus Nemet Nemetacum entstand. (S. Zeuss, Gramm, celt. p. 173 u. 772. Matto kommt auf Inschriften mehrfach vor. Obermüller in dem celtischen Wörterbuch II, p. 307, erklärt das Wort Mattiaci weniger ansprechend aus mattach Ackerland als „Ackerleute“.)

§ 3.

RÖMER.

Wann die Römer zuerst unseren Boden betraten, ist genauer nachzuweisen nicht möglich, doch ist nicht unwahrscheinlich, dass es jedenfalls bald nach den ersten Versuchen diesseits des Rheines festen Fuss zu fassen geschah, ja es kann die Kunde von den warmen Quellen, die sie sicherlich in Mainz vernahmen, sie sofort veranlasst haben, da sie Freunde warmer Bäder waren, die ungefährdete Benutzung derselben durch eine militärische Niederlassung zu sichern, indem sie auf dem Ende einer in das Thal vorspringenden Bergzunge, gerade über den Quellen, auf dem sog. Heidenberge, ein Castell anlegten, das die aus dem Gebirge führenden Thalgründe beherrschte und einen Ueberfall der Badeanstalt verhindern sollte. (Becker, Ann. VII, 1. p. 74 u. 75.) Und da Mainz unstreitig zu den fünfzig Castellen gehörte, welche Drusus am Rheine errichtet haben soll, so könnte schon während dessen vierjähriger Wirksamkeit am Rheine, wie auf dem Taunus bei Homburg die Saalburg, so auch in Wiesbaden, das Castell Mattiacum angelegt worden sein. Die folgende Betrachtung der Besatzungsgeschichte wird diese Vermuthung als möglich erweisen, wenn auch die andere Möglichkeit offen bleibt, dass die Anlage des Castells einige Jahre später erfolgt sei.

Erst in Folge dieser Benutzung der warmen Quellen Wiesbadens und der Errichtung der Militärstation durch die Römer erhellt sich einigermassen das Dunkel, welches bis dahin über unserer Ortsgeschichte ruhete, und zwar sind es vornehmlich die zahlreichen Reste römischer Anlagen, Denkmäler und Inschriften, deren Auffindung nun einiges Licht verbreitet hat. Es blieb unserem Jahrhundert vorbehalten, nachdem früher zufällige und vereinzelte Spuren römischen Lebens waren bemerkt worden, durch planmässige Ausgrabungen und unausgesetzte Aufmerksamkeit bei Neubauten unsere Kenntniss der alten Oertlichkeit bis zu einem gewissen Abschlüsse zu bringen, namentlich seitdem der Verein für Alterthumskunde und Geschichtsforschung den Mittelpunkt für diese antiquarischen Studien abgab und im Museum die gefundenen Schätze auf eine würdige Weise zusammengestellt wurden. Ueber die Gründer und die Gründung des Vereins im Jahre 182 1 sowie über seine nun mehr als fünfzigjährige Thätigkeit handelt der elfte Band der Annalen.

§ 4.

BESATZUNGSGESCHICHTE.

Um Anhaltspunkte für die Zeitbestimmung zu gewinnen, betrachten wir zuerst die Besatzungsgeschichte des Castells, wie sie durch inschriftliche Zeugnisse auf Grabsteinen und durch Legionsstempel auf Ziegeln festgestellt ist. Danach haben für längere oder kürzere Zeit die Besatzung des Castells gebildet:

1. die Legio I Adjutrix;

2. die Legio VIII Augusta;

3. die Legio XIIII Gemina Martia Victrix;

4. die Legio XXI Rapax;

5. die Legio XXII Primigenia Pia Fidelis.

Zweifelhaft bleibt, ob wir auch hierher rechnen dürfen

6. die Legio IUI Macedonica;

7. die Legio XI Claudia Pia Fidelis.

Ferner folgende Auxiliarmiliz

a) Reiter:

1. Ala Flavia I Gemina;

2. Ala Scubulorum.

b) Cohorten:

1. Coh. II Raetorum Civium Romanorum;

2. Coh. I Pannoniorum;

3. Coh. IUI Thracum;

4. Coh. III Delmatarum Pia Fidelis; (Auf einem Grabsteine und dem Militärdiplom des Kaisers Trajan steht Delm., auf den Ziegeln Dahn. Rossel in den Ann. V, 1. p. 11. Vgl. die Abbildung Taf. III. Ann. IV. 3. p. 37 u. 64. Rossel bezeichnet sie als peditata; nach genauerer Untersuchung zeigt das Diplom nicht die Buchstaben P E, sondern PF, wonach unsere Cohorte wie sonst die Beinamen Pia Fidelis führte. Mommsen im Corp. Inscr. Lat. III. p. 870 u. 868.)

5. Coh. V Delmatarum;

6. Coh. IUI Vindelicorum.

Wahrscheinlich haben ausser diesen auch noch andere Cohorten in Mainz gelegen und können also auch zeitweilig einen Theil unserer Besatzung ausgemacht haben, (Vgl. die Berechnung von Rossel in den Annal. V, 1 . p. 64 und Mommsen -1. c.) doch lässt sich mit Sicherheit darüber nichts bestimmen. Auch die Geschichte der einzelnen Alen und Auxiliarcohorten ist nicht so aufgeklärt als die der einzelnen Legionen; so wissen wir z. B. nur, dass die Ala I Flavia gem. schon im Jahre 74 in Germanien stand , ebenso die Ala Scubulorum; von den Cohorten haben gleichfalls im Jahre 74 die fünfte der Delmater und vierte der Vindelicier ihr Standlager am Rheine gehabt, von der dritten der Delmater ist es wahrscheinlich, weil sich so viele Ziegel von ihr in unserem Castelle fanden, so dass sie an seiner Herstellung nach dem Bataverkrieg mitgearbeitet haben wird ; doch kann ihre Bauthätigkeit auch später fallen sie erscheint aber auf einer datirten Inschrift erst im Jahre 116, wie auch die zweite der Raetier, welche noch acht Jahre vorher und später, im Jahre 166, in Raetien angetroffen wird. (S. Mommsen C. I. R. III, im Index und dazu in der Ephem. epigr. II, p. 460. 462.) Genauer sind wir über die Legionen unterrichtet; wir betrachten zuerst die Gründerin des Castells und die, welche es am längsten inne hatte, die Legio XIIII und XXII.

1. Die Legio XIIII hatte unter Drusus (12 —9 v. Chr.) das Castell zu Mainz erbaut und bildete einen Theil der Streitmacht des Germanicus (14—16 n. Chr.); sie führt auf ihren Ziegeln oftmals keinen Beinamen, nennt sich aber meist Gemina, die gedoppelte, von ihrer Zusammensetzung; ob dieser Zusatz auch auf eine spätere Zeit hinweist, ist nicht ausgemacht; unter beiden Namen ist sie in Wiesbaden und zwar als Gemina durch einen Grabstein, mit und ohne Gemina durch mehrere Legionsstempel auf Ziegeln vertreten. Unter Claudius — etwa 43 n. Chr. — wurde sie nach Britannien beordert und nahm Theil an den Kämpfen vom Jahre 61; bald darauf erscheint sie mit den Beinamen Martia Victrix, nachweislich zuerst 66 n. Chr., so dass man mit Recht annimmt, sie habe in jenen Kämpfen durch ihre Tapferkeit sich dieselben veidient, zumal Tacitus ihre Soldaten als domitores Britanniae und praecipui fama rebellione Britanniae compressa nennt. (Hist. V, 16; II, 11.) Wir sind daher berechtigt, wenn sie uns ohne jene Beinamen, auf die sie stolz war und die sie ihren Stempeln zuzufügen nicht gern unterlassen mochte, am Rheine entgegentritt, auf eine Zeit vor diesem Jahre, also überhaupt vor ihrem Abmarsch nach Britannien zu schliessen. Nun fanden sich, wie oben bemerkt, mehrere Ziegel ohne jene ehrenvolle Bezeichnung auch in dem Castell zu Wiesbaden, und da die anderen oben genannten Legionen sämmtlich erst nach dem Abgang der vierzehnten an den Mittelrhein beordert wurden, so folgt daraus, dass die erste Anlage des Castells vor das Jahr 43 n. Chr., ja noch mehr, wenn das Fehlen des Beinamens Gemina ein Zeichen früherer Zeit ist, in die erste Zeit der römischen Invasion, also unter die Regierung des Augustus und wohl vor das Jahr 9 n. Chr., d. h. die Teutoburger Schlacht angesetzt werden und durch diese vierzehnte Legion erfolgt sein muss. Damit stimmt zusammen, dass die Zahl ihrer Ziegel dahier im Verhältnisse zu denen der anderen Legionen mit Ausnahme der Leg. XXII besonders gross ist. Es rinden sich aber auch solche mit dem Zusatz Martia Victrix. Der Kaiser Nero hatte nämlich die Legion zum parthischen Kriege beordert, aber in den Wirren, die auf seinen Tod folgten, erhielt sie Gegenbefehl, nahm an den Kämpfen in Italien Theil und wurde dann nach Britannien zurückgeschickt.

 

Da brach der batavische Krieg aus (69 n. Chr.), zu dessen Bewältigung zahlreiche Truppen an dem Rheine nothwendig waren; auch unsere vierzehnte Legion erhielt Befehl, dahin abzugehen. Nach Beendigung des Krieges blieb sie noch einige Zeit am Mittelrhein mit dem Standquartier Mainz und muss in diesen Jahren auch die Besatzung unseres Castells gebildet haben; daher jene Stempel mit dem vollen Namen Gemina Martia Victrix. Doch blieb sie nicht lange; schon vor Trajan, der sie auch im dacischen Kriege verwendete, vielleicht schon vor Nerva (96), verliess sie den Mittelrhein, um nie wieder dahin zurückzukehren; sie erhielt nach dem dacischen Kriege ihr Standquartier in Pannonien zwischen Drau und Donau, wo sie noch im Jahre 211 lag und zahlreiche Inschriften hinterlassen hat.

2. Die Legio XXII Primigenia Pia Fidelis, die ursprüngliche, fromme, treue, kann als die eigentliche Nachfolgerin der vierzehnten Legion im Besitze unseres Castells angesehen werden. Von Claudius wahrscheinlich durch Theilung der älteren Leg. XXII errichtet, erhielt sie sofort ihr Standlager am Rheine und verblieb daselbst, mit Ausnahme einer Abtheilung, welche den Kaiser Vitellius nach Italien begleitete und dort aufgerieben wurde, fast ununterbrochen in Mainz nur von dem Jahre 104 — 120 lag sie in Untergermanien. Zeugnisse ihrer Anwesenheit auch in Wiesbaden sind die zahlreichen Stempel mit ihrem Namen, zum Theil mit, zum Theil ohne die Beinamen Pia Fidelis; sie scheint dieselben also erst später erhalten zu haben, doch ist diese Zeit zu bestimmen nicht möglich.

Die nun folgenden drei Legionen haben nur kürzere Zeit am Mittelrhein gestanden und geringere Spuren ihrer Anwesenheit im Castell oder der Stadt hinterlassen.

3. Die Legio I Adjutrix hatte in Spanien gestanden, dann an den Kämpfen in Italien im Jahre 68 Theil genommen und endlich den batavischen Aufstand bewältigen helfen; etwa unter Nerva erscheint sie am Oberrhein, erhielt aber nachher ihr bleibendes Standlager in Pannonien. Ihre Anwesenheit in Wiesbaden fällt also um die Wende des Jahrhunderts.

4. Die Legio VIII Augusta war von Augustus errichtet, lag bis zum Jahre 68 in Pannonien, dann wurde sie ebenfalls in den Kämpfen in Italien und gegen die Bataver verwendet und verblieb darauf in Obergermanien; ihre Anwesenheit am Mittelrhein fällt in die Jahre unmittelbar nach dem batavischen Freiheitskriege, war aber nicht lange dauernd. Sie hatte nachher lange in Strassburg ihr Standquartier.

5. Auch die Legio XXI Rapax, die nach der Niederlage des Varus wieder hergestellt worden war und dann in Niedergermanien lag, scheint nur kurze Zeit, und zwar um das Ende der Regierung des Nero in Obergermanien zugebracht zu haben. Sie ging wahrscheinlich unter Domitian ganz zu Grunde.

Noch dürftiger und darum unsicherer sind die Spuren der zwei noch übrigen Legionen.

6. Die Legio IUI Macedonica erhielt durch Claudius die Aufgabe, statt der nach Britannien beorderten Legionen den Rhein zu schützen; sie lag in Mainz, nahm aber dann an den Kämpfen nach Nero's Tode sowie an dem batavischen Kriege Theil und wurde in diesen Kriegen aufgerieben. Ihre Anwesenheit in Wiesbaden ist zweifelhaft.

7. Die Legio XI Claudia Pia Fidelis endlich war von Vespasian ebenfalls in dem batavischen Kriege verwendet worden und verblieb von da an in Obergermanien mit dem Lagerplatz Vindonissa. Sie kann nur kurze Zeit nach dem batavischen Aufstande am Mittelrhein gestanden haben. Ihre Anwesenheit in Wiesbaden ist eine Vermuthung von Becker, (Ann. VII, 1. p. 295. S. § 10, a No. 13.) welcher die fehlenden Buchstaben einer im Jahre 1862 in der oberen Rheinstrasse gefundenen Inschrift durch (Leg.) XI C. P. F. am leichtesten ergänzen zu dürfen glaubt.

Das Resultat dieser Betrachtung ist also, dass das Castell zu Mattiacum von der Legio XIIII Gemina zwischen den Jahren 12 v. Chr. bis 43 n. Chr., wahrscheinlich aber unter Augustus erbaut, vom Jahre 43 an bis 120 von verschiedenen Legionen vorübergehend besetzt, sodann aber von der Legio XXII Primi genia Pia Fidelis bis zu Ende der Römerherrschaft behauptet worden ist. (Vgl. Grotefend in Paulys Realencyklop. s. v. Legionen; Klein, die Legionen in Obergermanien ; Rossel , Ann. V, I Brambach, Inscr. Rhen. p. IX; Mommsen, C. J. L. III. p. 416. 482. Ueber die Spuren der Leg. IUI s. Ann. IV, 3. p. 53.)