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Lebensansichten des Katers Murr

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Märgi loetuks
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Es war späte Dämmerung eingebrochen. Julie, die, wie sie gewünscht, bei der Mittagstafel nicht erscheinen dürfen, saß einsam in ihrem Zimmer und erwartete die Mutter. Da schlichen leise Tritte hinan, die Türe öffnete sich und totenbleich, mit starren Augen, in weißem Kleide, gespenstisch, trat die Prinzessin hinein. „Julia, sprach sie leise und dumpf, Julia! – nenne mich töricht, ausgelassen – wahnsinnig, aber entziehe mir nicht Dein Herz, ich bedarf Deines Mitleids, Deines Trostes! – Es ist nichts als der Überreiz, die heillose Erschöpfung des abscheulichen Tanzes, die mich krank gemacht hat, aber es ist vorüber, mir ist besser! – Der Prinz ist fort nach Sieghartsweiler! – Ich muß in die Luft, laß uns hinabwandeln in den Park! —“

Als beide, Julie und die Prinzessin, sich am Ende der Allee befanden, strahlte ein helles Licht ihnen aus dem tiefsten Dickicht entgegen, und sie vernahmen fromme Gesänge. „Das ist die Abendlitanei aus der Marien-Kapelle,“ rief Julia.

„Ja, sprach die Prinzessin, wir wollen hin, laß uns beten! – bete Du auch für mich, Julie! —“

„Wir wollen, erwiderte Julie, vom tiefsten Schmerz über der Freundin Zustand ergriffen, wir wollen beten, daß nie ein böser Geist Macht habe über uns, daß unser reines, frommes Gemüt nicht verstört werden möge durch des Feindes Verlockung.“

Eben zogen, als die Mädchen bei der Kapelle angekommen, die am äußersten Ende des Parks befindlich, die Landleute von dannen, die die Litanei vor dem mit Blumen geschmückten, und mit vielen Lampen erleuchteten Marienbilde gesungen. Sie knieten nieder in dem Betstuhl. Da begannen die Sänger auf dem kleinen Chor, der zur Seite des Altars angebracht, das Ave maris stella, das Kreisler erst vor kurzem komponiert.

Leise beginnend brauste der Gesang stärker und mächtiger auf in dem dei mater alma, bis die Töne in dem felix coeli porta dahinsterbend, fortschwebten auf den Fittichen des Abendwindes.

Noch immer lagen die Mädchen auf den Knien, tief versunken in brünstige Andacht. Der Priester murmelte Gebete, und aus weiter Ferne, wie ein Chor von Engelstimmen aus dem nächtlichen verschleierten Himmel, hallte der Hymnus: O sanctissima, den die hereinziehenden Sänger angestimmt.

Endlich erteilte ihnen der Priester den Segen. Da standen sie auf, und fielen sich in die Arme. Ein namenloses Weh, aus Entzücken und Schmerz gewoben, schien gewaltsam sich loswinden zu wollen aus ihrer Brust, und Blutstropfen, dem wunden Herzen entquollen, waren die heißen Tränen, die aus ihren Augen stürzten. „Das war er,“ lispelte die Prinzessin leise. „Er war's,“ erwiderte Julie. – Sie verstanden sich.

In ahnungsvollem Schweigen harrte der Wald, daß die Mondscheibe aufsteige, und ihr schimmerndes Gold über ihn ausstreue. Der Choral der Sänger, noch immer vernommen in der Stille der Nacht, schien entgegenzuziehen dem Gewölk, das glühend aufflammte, und sich über den Bergen lagerte, die Bahn des leuchtenden Gestirns bezeichnend, vor dem die Sterne erblaßten.

„Ach, sprach Julia, was ist es denn, das uns so bewegt, das so mit tausend Schmerzen unser Inneres durchschneidet? – Horche doch nur, wie das ferne Lied so tröstend zu uns herüberhallt? Wir haben gebetet, und aus den goldnen Wolken sprechen fromme Geister zu uns herab von himmlischer Seligkeit. —“ „Ja, meine Julia, erwiderte die Prinzessin ernst und fest, über den Wolken ist Heil und Seligkeit, und ich wollte, daß ein Engel des Himmels mich hinauftrüge zu den Sternen, ehe mich die finstere Macht erfaßte. Ich möchte wohl sterben, aber ich weiß es, dann trügen sie mich in die fürstliche Gruft, und die Ahnherrn, die dort begraben, würden es nicht glauben, daß ich gestorben bin, und erwachen aus der Totenerstarrung zum entsetzlichen Leben, und mich hinaustreiben. Dann gehörte ich ja aber weder den Toten an, noch den Lebendigen, und fände nirgends Obdach.“

„Was sprichst Du, Hedwiga, um aller Heiligen willen, was sprichst Du?“ rief Julie erschrocken.

„Mir hat, fuhr die Prinzessin fort, in demselben festen, beinahe gleichgültigen Ton beharrend, dergleichen einmal geträumt. Es kann aber auch sein, daß ein bedrohlicher Ahnherr im Grabe zum Vampyr geworden, der mir nun das Blut aussaugt. Davon mögen meine häufigen Ohnmachten herrühren.“

„Du bist krank, rief Julia, sehr krank, Hedwiga, die Nachtluft schadet Dir, laß uns forteilen.“

Damit umschlang sie die Prinzessin, die sich schweigend fortführen ließ.

Der Mond war nun hoch heraufgestiegen über den Geierstein, und in magischer Beleuchtung standen die Büsche, die Bäume, und flüsterten und rauschten, mit dem Nachtwinde kosend, in tausend lieblichen Weisen.

„Es ist doch schön, sprach Julie, o es ist doch schön auf der Erde, beut uns die Natur nicht ihre herrlichsten Wunder dar wie eine gute Mutter ihren lieben Kindern?“ – „Meinst Du? erwiderte die Prinzessin, und fuhr dann nach einer Weile fort: Ich wollte nicht, daß Du mich erst ganz verstanden hättest, und bitte, alles nur für den Erguß einer bösen Stimmung zu halten. – Du kennst noch nicht den vernichtenden Schmerz des Lebens. Die Natur ist grausam, sie hegt und pflegt nur die gesunden Kinder, die kranken verläßt sie, ja richtet bedrohliche Waffen gegen ihr Dasein. – Ha! Du weißt, daß mir sonst die Natur nichts war, als eine Bildergalerie, hingestellt um die Kräfte des Geistes und der Hand zu üben, aber jetzt ist es anders worden, da ich nichts fühle, nichts ahne, als ihr Entsetzen. Ich möchte lieber in erleuchteten Sälen zwischen bunter Gesellschaft wandeln, als einsam mit Dir in dieser mondhellen Nacht. —

Julien wurde nicht wenig bange, sie bemerkte, wie Hedwiga immer schwächer, erschöpfter wurde, so daß die Arme all' ihre geringe Kraft anwenden mußte, um sie im Gehen aufrecht zu erhalten.

Endlich hatten sie das Schloß erreicht. Unfern desselben, auf der steinernen Bank, die unter einem Hollunderbusch stand, saß eine finstere, verhüllte Gestalt. Sowie Hedwiga diese gewahrte, rief sie voll Freude: Dank der Jungfrau und allen Heiligen, da ist sie! und ging plötzlich erkräftigt, und sich von Julien losmachend auf die Gestalt los, die sich erhob, und mit dumpfer Stimme sprach: Hedwiga, mein armes Kind! – Julia gewahrte, daß die Gestalt eine von Kopf bis zu Fuß in braune Gewänder gehüllte Frau war, die tiefen Schatten ließen die Züge ihres Gesichts nicht erkennen. Von innern Schauern durchbebt, blieb Julia stehen.

Beide, die Frau und die Prinzessin, ließen sich auf die Bank nieder. Die Frau strich ihr sanft die Haarlocken von der Stirne, legte dann die Hände darauf, und sprach langsam und leise in einer Sprache, die Julie sich nicht erinnern konnte, jemals gehört zu haben. Nachdem dies einige Minuten gewährt, rief die Frau Julien zu: Mädchen, eile nach dem Schloß, rufe die Kammerfrauen, sorge, daß man die Prinzessin hineinschaffe! Sie ist in sanften Schlaf gesunken, von dem sie gesund und froh erwachen wird.

Julie, ihrem Erstaunen nicht einen Augenblick Raum gebend, tat schnell, wie ihr geheißen.

Als sie mit den Kammerfrauen ankam, fand man die Prinzessin, sorgsam in ihren Shawl eingehüllt, wirklich im sanften Schlaf, die Frau war verschwunden.

Sage mir, sprach Julie am andern Morgen, als die Prinzessin ganz genesen erwacht, und keine Spur innerer Zerrüttung sich zeigte, was Julie befürchtet, sage mir um Gott, wer war die wunderbare Frau?

„Ich weiß es nicht, erwiderte die Prinzessin, ein einziges Mal in meinem Leben habe ich sie gesehen. Du erinnerst Dich, wie ich einmal, noch ein Kind, in eine tödliche Krankheit verfallen, so daß die Ärzte mich aufgaben. Da saß sie in einer Nacht plötzlich an meinem Bette, und lullte mich, wie heute, ein in süßen Schlummer, von dem ich ganz genesen erwachte. – In der gestrigen Nacht trat zum ersten Mal das Bild dieser Frau mir wieder vor die Augen, es war mir, als müsse sie mir wieder erscheinen, und mich retten, und so hat es sich wirklich begeben. – Tu' es mir zur Liebe, und schweige ganz von der Erscheinung, laß Dir auch nichts merken durch Wort oder Zeichen, daß uns etwas Wunderbares begegnet. Denke an den Hamlet, und sei mein lieber Horatio! – Es ist gewiß, daß es mit dieser Frau eine geheimnisvolle Bewandtnis haben muß, aber, mag das Geheimnis mir und Dir verschlossen bleiben, weiteres Forschen bedünkt mir gefährlich. – Ist es nicht genug, daß ich genesen bin, und froh, frei von allen Gespenstern, die mich verfolgten? —

Alles verwunderte sich über der Prinzessin so plötzlich wiedergekehrte Gesundheit. Der Leibarzt behauptete, der nächtliche Spaziergang nach der Marienkapelle habe durch die Erschütterung aller Nerven so drastisch gewirkt, und er nur vergessen denselben ausdrücklich zu verordnen. Die Benzon sprach aber in sich hinein: Hm! – die Alte ist bei ihr gewesen – mag das dies Mal hingehen! – Es ist nun an der Zeit, daß jene verhängnisvolle Frage des Biographen: Du —

(M. f. f.) liebst mich also, holde Miesmies? O wiederhol' es mir tausendmal, damit ich noch in ferneres Entzücken geraten und soviel Unsinn aussprechen möge, wie es einem von dem besten Romandichter geschaffenen Liebeshelden geziemt! – Doch Beste, du hast meine erstaunliche Neigung zum Gesange, sowie meine Kunstfertigkeit darin, schon bemerkt, würd' es dir wohl gefällig sein, Teure! mir ein kleines Liedchen vorzusingen? „Ach, erwiderte Miesmies, ach, geliebter Murr, zwar bin ich auch in der Kunst des Gesanges nicht unerfahren; aber du weißt, wie es jungen Sängerinnen geht, wenn sie zum erstenmal singen sollen vor Meistern und Kennern! – Die Angst, die Verlegenheit, schnürt ihnen die Kehle zu, und die schönsten Töne, Trillos und Mordenten bleiben auf die fatalste Weise in der Kehle stecken, wie Fischgräten. – Eine Arie zu singen ist dann pur unmöglich, weshalb der Regel nach mit einem Duett begonnen wird. Laß uns ein kleines Duett versuchen, Teurer! wenn's dir gefällig! – Das war mir recht. – Wir stimmten nun gleich das zärtliche Duett an: Bei meinem ersten Blick, flog dir mein Herz entgegen usw. Miesmies begann furchtsam, aber bald ermutigte sie mein kräftiges Falsett. Ihre Stimme war allerliebst, ihr Vortrag gerundet, weich, zart, kurz, sie zeigte sich als wackre Sängerin. Ich war entzückt, wiewohl ich einsah, daß mich Freund Ovid wiederum im Stich gelassen. Da Miesmies mit dem cantare so herrlich bestanden, so war es mit dem chordas tangere gar nichts, und ich durfte nicht erst nach der Guitarre verlangen. —

 

Miesmies sang nun mit seltener Geläufigkeit, mit ungemeinem Ausdruck, mit höchster Eleganz das bekannte: Di tanti palpiti usw. Von der heroischen Stärke des Rezitativs stieg sie herrlich hinein in die wahrhaft kätzliche Süßigkeit des Andantes. Die Arie schien ganz für sie geschrieben, so daß auch mein Herz überströmte und ich in ein lautes Freudengeschrei ausbrach. Ha! – Miesmies mußte mit dieser Arie eine Welt fühlender Katerseelen begeistern! – Nun stimmten wir noch ein Duett an, aus einer ganz neuen Oper, das ebenfalls herrlich gelang, da es ganz und gar für uns geschrieben schien. Die himmlischen Rouladen gingen glanzvoll aus unserm Innern heraus, da sie meistenteils aus chromatischen Gängen bestanden. Überhaupt muß ich bei dieser Gelegenheit bemerken, daß unser Geschlecht chromatisch ist, und daß daher jeder Komponist, der für uns komponieren will, sehr wohl tun wird, Melodien und alles Übrige, chromatisch einzurichten. Leider hab' ich den Namen des trefflichen Meisters, der jenes Duett komponiert, vergessen, das ist ein wackrer lieber Mann, ein Komponist nach meinem Sinn. —

Während dieses Singens war ein schwarzer Kater heraufgestiegen, der uns mit glühenden Augen anfunkelte. „Bleiben Sie gefälligst von dannen, bester Freund, rief ich ihm entgegen, sonst kratze ich Ihnen die Augen aus, und werfe Sie vom Dache hinab, wollen Sie aber eins mit uns singen, so kann das geschehen.“ – Ich kannte den jungen, schwarz gekleideten Mann als einen vortrefflichen Bassisten, und schlug daher vor, eine Komposition zu singen, die ich zwar sonst nicht sehr liebe, die sich aber zu der bevorstehenden Trennung von Miesmies sehr gut schickte. – Wir sangen: Soll ich dich Teurer nicht mehr sehen! Kaum versicherte ich aber mit dem Schwarzen, daß die Götter mich bewahren würden, als eine gewaltige Ziegelscherbe zwischen uns durchfuhr, und eine entsetzliche Stimme rief: wollen die verfluchten Katzen wohl die Mäuler halten! – Wir stoben, von der Todesfurcht gehetzt, wild auseinander in den Dachboden hinein. O der herzlosen Barbaren ohne Kunstgefühl, die selbst unempfindlich bleiben bei den rührendsten Klagen der unaussprechlichen Liebeswehmut, und nur Rache und Tod brüten und Verderben! —

Wie gesagt, das, was mich befreien sollte von meiner Liebesnot, stürzte mich nur noch tiefer hinein. Miesmies war so musikalisch, daß wir beide auf das anmutigste miteinander zu phantasieren vermochten. Zuletzt sang sie meine eignen Melodien herrlich nach, darüber wollte ich denn nun ganz und gar närrisch werden, und quälte mich schrecklich ab in meiner Liebespein, so daß ich ganz blaß, mager und elend wurde. – Endlich, endlich, nachdem ich mich lange genug abgehärmt, fiel mir das letzte, wiewohl verzweifelte Mittel ein, mich von meiner Liebe zu heilen. – Ich beschloß, meiner Miesmies Herz und Pfote zu bieten. Sie schlug ein, und sobald wir ein Paar worden, merkte ich auch alsbald, wie meine Liebesschmerzen sich ganz und gar verloren. Mir schmeckte Milchsuppe und Braten vortrefflich, ich gewann meine joviale Laune wieder, mein Bart kam in Ordnung, mein Pelz erhielt wieder den alten schönen Glanz, da ich nun die Toilette mehr beachtete als vorher, wogegen meine Miesmies sich gar nicht mehr putzen mochte. Ich fertigte demunerachtet, wie zuvor geschehen, noch einige Verse auf meine Miesmies, die um so hübscher, um so wahrer empfunden wahren, als ich den Ausdruck der schwärmerischen Zärtlichkeit so immer mehr und mehr heraufschrob, bis er mir die höchste Spitze erreicht zu haben schien. Ich dedizierte endlich der Guten noch ein dickes Buch, und hatte so auch in literarisch-ästhetischer Hinsicht alles abgetan, was von einem honetten treuverliebten Kater nur verlangt werden kann. Übrigens führten wir, ich und meine Miesmies, auf der Strohmatte vor der Türe meines Meisters, ein häuslich ruhiges, glückliches Leben. – Doch welches Glück ist hienieden auch nur von einigem Bestand! – Ich bemerkte bald, daß Miesmies oft in meiner Gegenwart zerstreut war, daß sie, wenn ich mit ihr sprach, verwirrtes Zeug antwortete, daß ihr tiefe Seufzer entflohen, daß sie nur schmachtende Liebeslieder singen mochte, ja daß sie zuletzt ganz matt und krank tat. Fragte ich dann, was ihr fehle, so streichelte sie mir zwar die Wangen und erwiderte: „Nichts, gar nichts, mein liebes, gutes Papachen,“ aber das Ding war mir doch gar nicht recht. Oft erwartete ich sie vergebens auf der Strohmatte, suchte sie vergebens im Keller, auf dem Boden, und fand ich sie denn endlich und machte ihr zärtliche Vorwürfe, so entschuldigte sie sich damit, daß ihre Gesundheit weite Spaziergänge erfordere, und daß ein ärztlicher Kater sogar eine Badereise angeraten. Das war mir wieder nicht recht. Sie mochte wohl meinen versteckten Ärger gewahren, und ließ es sich angelegen sein, mich mit Liebkosungen zu überhäufen, aber auch in diesen Liebkosungen lag so etwas Sonderbares, ich weiß es nicht zu nennen, das mich erkältete, statt mich zu erwärmen, und auch das war mir nicht recht. Ohne zu vermuten, daß dies Betragen meiner Miesmies seinen besonderen Grund haben könne, wurde ich nur inne, daß nach und nach auch das letzte Fünkchen der Liebe zu der Schönsten erlosch, und daß in ihrer Nähe mich die tötendste Langeweile erfaßte. Ich ging daher meine Wege und sie die ihrigen; kamen wir aber einmal zufällig auf der Strohmatte zusammen, so machten wir uns die liebevollsten Vorwürfe, waren dann die zärtlichsten Gatten, und besangen die friedliche Häuslichkeit, in der wir lebten.

Es begab sich, daß mich einmal der schwarze Bassist in dem Zimmer meines Meisters besuchte. Er sprach in abgebrochenen geheimnisvollen Worten, fragte dann stürmisch, wie ich mit meiner Miesmies lebe – kurz, ich merkte wohl, daß der Schwarze etwas auf dem Herzen hatte, das er mir entdecken wollte. Endlich kam es denn auch zum Vorschein. Ein Jüngling, der im Felde gedient, war zurückgekehrt, und lebte in der Nachbarschaft von einer kleinen Pension, die ihm ein dort wohnender Speisewirt an Fischgräten und Speisabgang ausgeworfen. Schön von Figur, herkulisch gebaut, wozu noch kam, daß er eine reiche fremde Uniform trug, schwarz grau und gelb, und wegen bewiesener Tapferkeit, als er mit wenigen Kameraden einen ganzen Speicher von Mäusen reinigen wollen, das Ehrenzeichen des gebrannten Specks auf der Brust trug, fiel er allen Mädchen und Frauen in der Gegend auf. Alle Herzen schlugen ihm entgegen, wenn er auftrat keck und kühn, den Kopf emporgehoben, feurige Blicke um sich werfend. Der hatte sich, wie der Schwarze versicherte, in meine Miesmies verliebt, sie war ihm ebenso mit Liebe entgegengekommen, und es war nur zu gewiß, daß sie heimliche verliebte Zusammenkünfte hielten allnächtlich hinter dem Schornstein oder im Keller.

„Mich wundert, sprach der Schwarze, bester Freund! daß Sie bei Ihrer sonstigen Sagazität das nicht längst bemerkt; aber liebende Gatten sind oft blind, und es tut mir leid, daß Freundespflicht mir gebot, Ihnen die Augen zu öffnen, da ich weiß, daß Sie in Ihre vortreffliche Gattin ganz und gar vernarrt sind.“

O Muzius, so hieß der Schwarze, rief ich, ob ich ein Narr bin, ob ich sie liebe, die süße Verräterin! Ich bete sie an, mein ganzes Wesen gehört ihr! – Nein, sie kann mir das nicht tun, die treue Seele! – Muzius, schwarzer Verleumder, empfange den Lohn deiner Schandtat! – Ich hob die gekrallte Pfote auf, Muzius blickte mich freundlich an und sprach sehr ruhig: „ereifern Sie sich nicht, mein Guter, Sie teilen das Los vieler vortrefflichen Leute, überall ist schnöder Wankelmut zu Hause, und leider vorzüglich bei unserm Geschlecht.“ Ich ließ die aufgehobene Pfote wieder sinken, sprang wie in voller Verzweiflung einigemal in die Höhe und schrie dann wütend: wär es möglich, wär es möglich! – O Himmel – Erde! – was noch sonst? – nenn' ich die Hölle mit! – Wer hat mir das getan, der schwarz grau gelbe Kater? – Und sie, die süße Gattin, treu und hold sonst, sie konnte, höllischen Trugs voll, den verachten, der oft, an ihrem Busen eingewiegt, in süßen Liebesträumen selig schwelgte? – O fließt, ihr Zähren, fließt der Undankbaren! – Himmel tausend sapperment, das geht nicht an, den bunten Kerl am Schornstein soll der Teufel holen!

„Beruhigen Sie sich doch nur, sprach Muzius, Sie überlassen sich zu sehr der Wut des jähen Schmerzes. Als Ihr wahrer Freund mag ich Sie jetzt weiter nicht in Ihrer angenehmen Verzweiflung stören. Wollen Sie sich in Ihrer Trostlosigkeit ermorden, so könnte ich Ihnen zwar mit einem tüchtigen Rattenpulver aufwarten, ich will es aber nicht tun, da Sie sonst ein lieber charmanter Kater sind und es jammerschade wäre um Ihr junges Leben. Trösten Sie sich, lassen sie Miesmies laufen, es gibt der anmutigen Katzen noch viele in der Welt. – Adieu, Bester!“ – Damit sprang Muzius fort durch die geöffnete Türe.

Sowie ich, still unter dem Ofen liegend, mehr nachsann über die Entdeckungen, die mir der Kater Muzius gemacht, fühlte ich wohl etwas in mir sich regen, wie heimliche Freude. Ich wußte nun, wie ich mit Miesmies daran war, und die Quälerei mit dem ungewissen Wesen war am Ende. Hatte ich aber anstandshalber erst die gehörige Verzweiflung geäußert, so glaubte ich, daß derselbe Anstand es erfordere, dem Schwarzgraugelben zu Leibe zu gehen. Ich belauschte zur Nachtzeit das Liebespaar hinter dem Schornstein, und fuhr mit den Worten: „höllischer bestialischer Verräter“, auf meinen Nebenbuhler grimmig los. Der aber, an Stärke, wie ich leider zu spät bemerkte, mir weit überlegen, packte mich, ohrfeigte mich gräßlich ab, daß ich mehreres Pelzwerk einbüßte, und sprang dann schnell fort. Miesmies lag in Ohnmacht, als ich mich ihr aber näherte, sprang sie ebenso behende wie ihr Liebhaber auf, und ihm nach in den Dachboden hinein.

Lendenlahm, mit blutigen Ohren, schlich ich hinab zu meinem Meister, und verwünschte den Gedanken, meine Ehre konservieren zu wollen, hielt es auch für gar keine Schande, die Miesmies dem Schwarzgraugelben ganz und gar zu überlassen.

Welch' ein feindliches Schicksal, dacht' ich, der himmlischromantischen Liebe halber werde ich in die Gosse geworfen, und das häusliche Glück verhilft mir zu nichts anderm, als zu gräßlichen Prügeln.

Am andern Morgen erstaunte ich nicht wenig, als ich, aus dem Zimmer des Meisters heraustretend, Miesmies auf der Strohmatte fand. „Guter Murr, sprach sie sanft und ruhig, ich glaube zu fühlen, daß ich dich nicht mehr so liebe, als sonst, welches mich sehr schmerzt.“

O teure Miesmies, erwiderte ich zärtlich, es zerschneidet mir das Herz, aber ich muß es gestehen, seit der Zeit, daß sich gewisse Dinge begeben, bist du mir auch gleichgültig geworden.

„Nimm es nicht übel, sprach Miesmies weiter, süßer Freund, aber es ist mir so, als wärst du mir schon längst ganz unausstehlich gewesen.“

Mächt'ger Himmel, rief ich begeistert, welche Sympathie der Seelen, mir geht es so, wie dir.

Nachdem wir auf diese Weise einig geworden, daß wir uns einander ganz unausstehlich wären, und uns notwendigerweise trennen müßten auf ewig, umpfoteten wir uns auf das zärtlichste, und weinten heiße Tränen der Freude und des Entzückens! —

Dann trennten wir uns, jeder war hinfort von der Vortrefflichkeit, von der Seelengröße des andern überzeugt, und pries sie jedem an, der davon hören mochte.

Auch ich war in Arkadien, rief ich, und legte mich auf die schönen Künste und Wissenschaften eifriger als jemals.

(Mak. Bl.) – Euch, sprach Kreisler, ja ich sag' es Euch aus tiefer Seele, diese Ruhe scheint mir bedrohlicher, als der wütendste Sturm. Es ist die dumpfe taube Schwüle vor dem zerstörenden Gewitter, in der sich jetzt alles an dem Hofe bewegt, den Fürst Irenäus im Duodezformat mit vergoldetem Schnitt, wie einen Almanach ans Tageslicht gebracht. Vergebens steckt der gnädigste Herr unaufhörlich glänzende Feste auf, wie Gewitterableiter, als zweiter Franklin, die Blitze werden doch einschlagen, und vielleicht sein eignes Staatskleid versengen. – Es ist wahr, Prinzessin Hedwiga gleicht jetzt in ihrem ganzen Wesen einer hell und klar hinströmenden Melodie, statt daß sonst wilde unruhige Akkorde durcheinander auffuhren aus ihrer wunden Brust, aber – Nun! und Hedwiga schreitet jetzt in verklärtem freundlichem Stolz an dem Arm des wackern Neapolitaner's daher, und Julia lächelt ihn an auf ihre holdselige Weise, und läßt sich seine Galanterien gefallen, die der Prinz, ohne ein Auge von der bestimmten Braut zu lassen, ihr so geschickt zuzuwenden weiß, daß sie ein junges unerfahrenes Gemüt wie Ricochett-Schüsse schärfer treffen müssen, als wenn das bedrohliche Geschütz geradezu darauf gerichtet! – Und doch glaubte sich, wie mir die Benzon erzählt, erst Hedwiga von dem mostro turchino erdrückt, und der sanften ruhigen Julia, dem Himmelskinde, wurde der schmucke General en chef zum schnöden Basilisk! – O ihr ahnenden Seelen, ihr hattet ja recht! – Teufel, hab ich denn nicht in Baumgartens Welthistorie gelesen, daß die Schlange, die uns um das Paradies gebracht, stolzierte in goldgleißendem Schuppenwams? – Das fällt mir ein, wenn ich den goldverbrämten Hektor sehe. – Hektor hieß übrigens sonst ein sehr würdiger Bullenbeißer, der unbeschreibliche Liebe und Treue zu mir hegte. – Ich wollt' er wär' bei mir, und ich könnt ihn dem fürstlichen Namensvetter in die Rockschöße hetzen, wenn er sich so recht spreizt zwischen dem holden Schwesterpaar! Oder sagt, Meister, da Ihr so manches Kunststück wisset, sagt mir, wie ich es anfange, mich bei schicklicher Gelegenheit in eine Wespe zu verwandeln, und den fürstlichen Hund dermaßen zu turbieren, daß er aus seinem verfluchten Konzept kommt! —

 

Ich habe Euch ausreden lassen, Kreisler, nahm Meister Abraham das Wort, und frage Euch nun, ob Ihr mich ruhig anhören wollt, wenn ich Euch gewisse Dinge entdecke, die Eure Ahnungen rechtfertigen?

Bin ich denn nicht, erwiderte Kreisler, ein gesetzter Kapellmeister – ich meine das nicht im philosophischen Sinn, daß ich mein Ich gesetzt als Kapellmeister; sondern beziehe das bloß auf die geistige Fähigkeit, in honetter Gesellschaft ruhig zu bleiben, wenn mich ein Floh sticht.

Nun also, fuhr Meister Abraham fort, wisset, Kreisler, daß ein seltsamer Zufall mir tiefe Blicke in des Prinzen Leben vergönnt hat. Ihr habt recht, wenn Ihr ihn mit der Schlange im Paradiese vergleicht. Unter der schönen Hülle – die werdet Ihr ihm nicht absprechen – liegt giftige Verderbtheit, ich möchte lieber sagen, Verruchtheit, verborgen. – Er führt Böses im Schilde – er hat, aus vielem was sich zugetragen weiß ich's – er hat es abgesehen auf die holde Julia. —

Hoho, schrie Kreisler, indem er im Zimmer umhersprang, blanker Vogel, sind das deine süßen Lieder? – Wetter, Wetter, der Prinz ist ein tüchtiger Kerl, er greift zu, mit beiden Krallen auf einmal, nach gebotenen und verbotenen Früchten! – Holla, süßer Neapolitaner, Du weißt nicht, daß Julien ein wackrer Kapellmeister, mit hinlänglicher Musik im Leibe, zur Seite steht, der hält Dich, sowie Du Dich ihr näherst, für einen verdammten Quartquinten-Akkord, der aufgelöst werden muß. Und der Kapellmeister tut, was seines Berufs ist, das heißt, er löst Dich auf, indem er Dir eine Kugel durch das Gehirn jagt, oder Dir gegenwärtigen Stockdegen durch den Leib rennt – Damit zog Kreisler seine Stockklinge heraus, setzte sich in Fechterpositur, und fragte den Meister, ob er Anstand genug besitze, einen fürstlichen Hund zu durchspießen. „Seid doch nur ruhig, Kreisler, erwiderte Meister Abraham, es bedarf solcher Heldentaten gar nicht, um dem Prinzen das Spiel zu verderben. Es gibt andere Waffen für ihn, und die geb' ich Euch in die Hand. Gestern war ich im Fischerhäuschen, der Prinz kam mit seinem Adjutanten vorüber. Sie gewahrten mich nicht. Die Prinzessin ist schön, sprach der Prinz, aber die kleine Benzon ist göttlich! Mein ganzes Blut wallte siedend auf, als ich sie sah – ha, sie muß mein werden, noch ehe ich der Prinzessin die Hand reiche. – Glaubst Du, daß sie unerbittlich sein wird? – Welches Weib hat Euch widerstanden, gnädigster Herr, erwiderte der Adjutant. – „Aber, beim Teufel, fuhr der Prinz fort, sie scheint ein frommes Kind zu sein“ – und ein argloses, fiel ihm der Adjutant lachend ins Wort, und die frommen arglosen Kindlein sind es ja eben, die überrascht von dem Angriff des sieggewohnten Mannes duldend unterliegen und dann alles für Gottes Fügung halten, wohl gar in ungemeine Liebe geraten zu dem Sieger! – Das kann Euch auch so gehen, gnädigster Herr! – „Das wäre toll genug, rief der Prinz. Aber könnte ich sie nur allein sehen – wie das anfangen?“ – Nichts ist leichter als das, erwiderte der Adjutant. Ich habe bemerkt, daß die Kleine oft allein lustwandelt in diesem Park. Wenn nun – Jetzt verhallten die Stimmen in der Ferne, ich konnte nichts mehr verstehen! – Wahrscheinlich wird irgendein höllischer Plan schon heute ausgeführt, und der muß vereitelt werden. Ich könnte das selbst tun, aber aus gewissen Ursachen möchte ich mich zurzeit dem Prinzen nicht zeigen, daher müßt Ihr Kreisler gleich fort nach Sieghartshof, und aufpassen, wenn Julia etwa in der Dämmerung, wie sie zu tun pflegt, nach dem See lustwandelt, um den zahmen Schwan zu füttern. Diesen Gang hat wahrscheinlich der italienische Bösewicht erlauscht. – Doch empfangt die Waffe, Kreisler, und die höchst nötige Instruktion, damit Ihr im Kampf gegen den bedrohlichen Prinzen, als ein guter Feldherr Euch zeigen möget! —

Der Biograph erschrickt abermals über das total Abrupte der Nachrichten, aus denen er gegenwärtige Geschichte zusammenstoppeln muß. – Wäre hier nicht schicklich einzurücken gewesen, welche Instruktion Meister Abraham dem Kapellmeister erteilte, denn zeigt sich auch später die Waffe selbst, so wird es Dir, geliebter Leser! doch unmöglich sein, einzusehen, was es damit für eine Bewandtnis hat. Doch kein einziges Wörtlein weiß der unglückliche Biograph zurzeit von jener Instruktion, mittels der (so viel scheint gewiß) der wackre Kreisler in ein ganz besonderes Geheimnis eingeweiht wurde. – Doch! gedulde Dich, günstiger Leser, noch ein wenig, bemeldeter Biograph setzt seinen Schreibedaumen zum Pfande, daß noch vor dem Schluß des Buches auch dieses Geheimnis an den Tag kommen soll. – Es ist nun zu erzählen, daß, sowie die Sonne zu sinken begann, Julia, ein Körbchen mit Weißbrot am Arm, singend durch den Park wandelte, zum See, und sich mitten auf die Brücke unweit des Fischerhäuschens stellte. Aber Kreisler lag im Hinterhalt des Gebüsches, und hatte einen tüchtigen Dollond vor den Augen, mit dem er scharf hinüberschaute durch die Sträucher, die ihn versteckten. Der Schwan plätscherte heran, und Julie warf ihm Brocken hinab, die er begierig wegnaschte. Julie fuhr fort im lauten Gesange, und so kam es, daß sie es nicht gewahrte, wie Prinz Hektor schnell heraneilte. Als er plötzlich bei ihr stand, fuhr sie zusammen wie im heftigen Schreck. Der Prinz faßte ihre Hand, drückte sie an die Brust, an die Lippen und legte sich dann dicht neben Julien über das Geländer der Brücke. Julia fütterte, indem der Prinz eifrig sprach, den Schwan, in den See hinabschauend. – „Schneide nicht solche infame süße Gesichter Potentat! merkst Du denn nicht, daß ich dicht vor Dir auf dem Geländer sitze und Dich erklecklich maulschellieren kann? – O Gott, warum färben sich Deine Wangen in immer höherem Purpur, Du holdes Himmelskind? – Warum blickst Du jetzt den Bösen so seltsam an? – Du lächelst? Ja es ist der glühende Gifthauch, vor dem sich Deine Brust öffnen muß, wie vor dem sengenden Sonnenstrahl sich die Knospe in den schönsten Blättern entfaltet, um desto jäher hinzusterben!“ – So sprach Kreisler, das Paar beobachtend, das der gute Dollond ihm dicht herangerückt. – Der Prinz warf jetzt auch Brocken hinab, der Schwan verschmähte sie aber, und brach in ein lautes widriges Geschrei aus. Nun schlang der Prinz den Arm um Julia, und warf so die Brocken hinab, als sollte der Schwan glauben, daß es Julia sei, die ihn fütterte. Dabei berührte seine Wange beinahe die Wange Julia's. – „Recht so, sprach Kreisler, gnädigster Halunke, umkralle, würdiger Stoßvogel, nur Deine Beute recht fest, hier liegt aber einer im Busch, der schon auf Dich zielt, und sogleich Dir Deinen glänzenden Fittich lahmschießen wird, und es steht dann erbärmlich mit Dir und Deiner Freijagd!“