36 Jahre als Schiffskoch durch die Welt – Teil 2

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36 Jahre als Schiffskoch durch die Welt – Teil 2
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Ernst Richter

36 Jahre als Schiffskoch durch die Welt – Teil 2

Band 17 – Teil 2 – in der maritimen gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

MS „MARY NÜBEL“

Erst mal Urlaub, dann MS „ARENBERG“

Alleinkoch auf „ORTRUD MÜLLER“

Urlaubsvertretung auf Kümo „HILLERDINE WESSELS“

Urlaubsvertretung auf Kümo „PETER WESSELS“

Seemännische Umgangssprache und Fachausdrücke

Personenregister

Die maritime gelbe Buchreihe

Impressum neobooks

Vorwort des Herausgebers


Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche, ein Hotel für Fahrensleute mit zeitweilig 140 Betten. In dieser Arbeit lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.


Im Februar 1992 kam mir der Gedanke, meine Erlebnisse bei der Begegnung mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen, dem ersten Band meiner gelben Reihe „Zeitzeugen des Alltags“:

Seemannsschicksale.

Insgesamt brachte ich bisher über 3.500 Exemplare davon an maritim interessierte Leser und erhielt etliche Zuschriften als Reaktionen zu meinem Buch.

Diese Rezension spornt mich weiter an: Ich bin immer wieder begeistert von der „Gelben Buchreihe“. Die Bände reißen einen einfach mit und vermitteln einem das Gefühl, mitten in den Besatzungen der Schiffe zu sein. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. Danke, Herr Ruszkowski.

Oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights der Seefahrts-Literatur. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechselungsreiche Themen aus verschiedenen Zeitepochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlich hat. Alle Achtung!

Die Reaktionen auf den ersten Band und die Nachfrage ermutigen mich, in weiteren Bänden noch mehr Menschen vorzustellen, die einige Wochen, Jahre oder ihr ganzes Leben der Seefahrt verschrieben haben.

Mit diesem Band 17 wird wieder ein Seemannsschicksal vorgestellt. Der Schiffskoch Ernst Richter schildert detailliert und interessant seinen beruflichen Werdegang vom Schlachter an Land zum beliebten Smutje an Bord in weltweiter Fahrt.

Damit die ebook-Datei wegen der vielen Bilder nicht zu groß wird, wurde dieser Band 17 als ebook in zwei Teilen aufbereitet. Hier Teil 2. Sie lasen im ersten Teil, woher Ernst Richter stammt, wie er nach Emden und zur Seefahrt kam und auf seinen Schiffen erlebte. Weiter geht es dann in den Bänden 18 und 61 dieser maritimen gelben Buchreihe. Lesen Sie in diesem zweiten Teil, was Ernst Richter auf weiteren Schiffen erlebte.

Gedankt sei Uwe Heins aus Emden für die große Hilfe, die dieses Buch erst ermöglichte.

Hamburg, im Oktober 2004 /2014 Jürgen Ruszkowski


MS „MARY NÜBEL“

Wieder alles im grünen Bereich

Ich kann nicht gerade sagen, dass ich beim nächtlichen Feiern etwas ausgelassen hätte, irgendwann wurde dann aber das zur Verfügung stehende Geld weniger und ich musste wieder der Normalität ins Auge sehen. Was blieb mir anderes übrig, mich wieder um das zu kümmern, was ich gelernt hatte, Leute auf See zu bekochen. Ich wurde bei der Heuerstelle vorstellig, und ohne viel Wartezeit wurde mir das Schiff MARY NÜBEL angeboten. Auf diesem Schiff hatte ich ja schon einmal 13 Monate Dienst als Kochsmaat getan.


Am 23. Februar 1965 stieg ich in Bremen ein, konnte mich diesmal als Koch vorstellen und traf auch alte Kollegen, die immer noch an Bord waren.

Ich richtete mich schnell in meiner neuen / alten Umgebung ein und konnte ab jetzt all meine Erfahrung, die ich in der vergangenen Fahrzeit gemacht hatte, hier den Besatzungsmitgliedern zu Gute kommen lassen.

Die erste Reise ging von Bremen aus für eine französische Gesellschaft mit Stückgut aller Art nach Florida, vorher aber noch zur weiteren Beladung nach Hamburg, Antwerpen, Le Havre und Bordeaux, wo wir als Ladung auch jede Menge köstliche Getränke an Bord nahmen.


– Bordeaux –

Die Reise von Frankreich zu den Südstaaten von Amerika war recht stürmisch, bis wir die Azoren passiert hatten, danach war es recht angenehm. Die Stimmung unter der Besatzung war gut, meine Kost wurde von allen angenommen. Von Tag zu Tag wurde es jetzt auch wärmer, der Atlantik wurde sozusagen zum Schwanenteich, außerdem erklangen schon wieder die bekannten südamerikanischen Klänge im Radio, trotz schwerer Arbeit an Bord, bei allen herrschte beste Stimmung. Vorbei an den Bahamas erreichten wir als ersten Hafen Miami, auch schon damals ein Urlaubsparadies für Reiche, allerdings für Deutsche Urlauber noch zu teuer.

Die Amerikanischen Behörden verpassten uns auch hier einen Landgangspass und während tagsüber die Teilladung gelöscht wurde, konnten wir abends diese herrliche Stadt, in deren Hafen riesige Passagierschiffe lagen, selbständig erkunden. Auch ein Gruppenausflug wurde uns angeboten, dafür entschieden sich aber nur wenige der Besatzungsmitglieder, denn der Dollar stand bei 4,20 DM, und das konnten sich eben nur wenige erlauben.


Vier Tage dauerten die Löscharbeiten in Miami, dann ging es weiter nach New Orleans, Louisana.


Den Hafen erreichten wir nach kurzem Törn durch den Golf von Mexico und einer mehrere Stunden dauernden Fahrt auf dem Mississippi. Die große Stadt, in dem auch der Jaz-Trompeter Louis Armstrong zu Hause war, war für uns Seeleute aufgrund vieler Sehenswürdigkeiten sehr aufregend. Es wurde allerdings die Order ausgegeben, nicht allein durch die Stadt zu streichen, mehrere Europäer waren hier die letzte Zeit überfallen und ausgeraubt worden, also ein gefährliches Pflaster.

New Orleans hatte und hat auch noch heute einen sehr großen Bereich, in dem nur Vergnügungslokalitäten angesiedelt sind, auch dieses nahmen wir natürlich in Augenschein. Ich nahm die Gelegenheit wahr, meinen Eltern per Postkarte mitzuteilen, wo ich zurzeit war und was ich nach meiner Rückkehr aus dem Osten Deutschlands alles erlebt hatte. Nach ein paar Tagen Liegezeit hier in New Orleans ging es dann wieder stromabwärts zum Golf von Mexico, jetzt nach Houston in Texas.

Bei Galveston übernahmen wir nach ca. 24 Stunden Seereise einen Lotsen und vorbei an vielen Ölförderanlagen fuhren wir stromaufwärts bis nach Houston, von weitem konnten wir schon die unglaubliche Skyline dieser Ölmagnatenstadt sehen. Unser Liegeplatz war im Stückguthafen in einem Arbeiterviertel von Mexikanern. Überwiegend Schwarze verrichteten den Löschbetrieb. Weißhäutige Aufsichten bestimmten aber die Richtung.

Houston, diese riesige Stadt, zu damaliger Zeit schon von der Weltraumfahrt her bekannt, war auch nur mit einem Landgangspass zu begehen, der uns nach dem Festmachen ausgestellt wurde. Verbunden war dies mit einer Ganzkörperuntersuchung vor dem amerikanischen Hafenarzt. Bekannt waren diese Untersuchungen auch unter dem Namen "Schwanzkontrolle", denn die USA wollten auf keine Weise Geschlechtskrankheiten einschleppen lassen.

Die Restladung, überwiegend Eisenträger und Stahlrollen, so genannte Stahlcollis wurde hier mit eigenem Ladegeschirr gelöscht. Dieses dauerte immer etwas länger, außerdem kam auch noch ein Wochenende dazu, Zeit genug, mehr als einmal an Land zu gehen und die Gegend zu erkunden. Die Kaianlagen und die angrenzenden Hafenanlagen waren nicht gerade einladend, aber nach Feierabend, der nach der Arbeitszeit der Hafencrew immer erst um 20:00 Uhr war, machten wir uns doch immer wieder auf den Weg in die nahe gelegenen Kneipen. Eine besondere Kneipe wurde immer wieder besucht, ein Tanzlokal in dem Nationalitäten aller Couleur verkehrten. Hier ließen wir es uns bei Tanz und Musik und viel Barcadi gut gehen. Ebenso aber nutzten wir viele Stunden, um die Hafengegenden in Houston kennen zu lernen, mussten aber in Gruppen gehend immer wieder Vorsicht walten lassen, denn jeder konnte hier in einschlägigen Geschäften Schusswaffen frei erwerben, und wir wussten nur zu gut, hier saß der Revolver recht locker. Oft genug, so wurde uns berichtet, blieb auch schon mal ein Seemann auf der Strecke.

 

Rodeo und Steak

Ein unvergessliches Highlight war aber die Einladung durch Kapitän Herbst, zu einem Rodeo. Vorher wurden wir vom Makler zu einem großen Steakrestaurant gefahren, wo jeder ein typisch überdimensionales texanisches Steak verspeiste. In einem großen amerikanischen Straßenkreuzer ging es dann zum Rodeo-Gelände, was einem riesigen Festplatz glich. Hier gab es Zelte mit allen möglichen Tierherden, die aus ganz Texas herbeigekarrt worden waren und zum Verkauf standen. Diese zu besichtigen, dauerte schon erhebliche Zeit. Außerdem standen auf großen Tiefladern auch Originale der Raumfahrzeuge der damaligen Zeit zur Ansicht auf dem Platz. Sie waren auch von innen zu besichtigen, Eindrücke, die ich jetzt immer noch nach über 40 Jahren bildlich vor mir habe. Dann folgte der Besuch des überdimensionalen Motodroms, wo das Rodeo stattfand, eine riesige Arena, in der etwa 10.000 Leute Platz fanden.

Personal wies uns den Weg zu unseren Plätzen, die Bestuhlung war tribünenförmig im großen Rondell ausgerichtet, so dass alle Besucher eine gleich gute Sicht hatten. Es erstaunte mich, dass alle Stühle in rotem Polster gehalten waren, bequemer konnte man nicht sitzen. Mit einer lauten Einleitungsfanfare begann das eigentliche Rodeo. Eine Pferdeparade bildete den Anfang des Spektakels mit Fahnenträgern aller Bundesfahnen der USA. Es riss die Besucher von den Stühlen. Etwa 1.000 Pferde aller Rassen begannen den Aufmarsch zum eigentlichen Wettkampf, wo die besten Rodeokämpfer ihre Kunststücke darboten und auf mächtigen Bullen bewiesen, was für Kerle sie doch waren. Dieses Spektakel dauerte Stunden. Am Ende wurde der Sieger feierlich gekürt. Nach dem Ende der Veranstaltung strömten alle Besucher sehr diszipliniert den Ausgängen entgegen. Wir wurden vom Makler erwartet und sicher wieder zum Schiff, unserer MARY NÜBEL gebracht. Es war ein unvergessliches Erlebnis.

ieder normaler Trott

Irgendwann war auch die letzte Ladung aus den Luken gelöscht, der nächste Hafen war nur 12 Stunden entfernt, Port Artur, auch in Texas. Hier wurde Weizen für Europa geladen. Vorher aber hatte die Decksmannschaft viel Arbeit, denn die Laderäume mussten für diese Ladung gründlich gereinigt werden, was auch kontrolliert wurde. Die Beladung mit dem wertvollen Getreide, ca. 7.000 Tonnen, ging sehr schnell. Der Hafen von Port Artur war sowieso keine Augenweide, also verbrachten wir auch mal wieder einen Abend an Bord.


Nach kurzer Zeit waren wir schon wieder unterwegs in Richtung Europa, der Löschhafen sollte Hamburg werden. Bei mittelmäßigem Wetter auf See erreichten wir genau 18 Tage später am 20. April 1965 Hamburg. Die Behörden gaben die Weizenladung frei und das Löschen begann.

Wer jetzt Zeit hatte, seine Post bekommen und auch Geld in Empfang genommen hatte, was vorher bestellt war, der huschte schleunigst an Land, denn Hamburg war eben Hamburg! Die folgenden Tage und Nächte kosteten erfahrungsgemäß wieder einige Scheine. Bald darauf hieß es aber schon wieder auslaufen, eine neue Reise begann. Diesmal wurden wir wieder für eine französische Reederei verchartert, es sollte für zwei Reisen nach Kanada und in die USA gehen. Proviant war genommen worden, Frischwasser und Treibstoff, Maschinen und Deckstores an Bord gekommen. Nachdem die Laderäume wieder sauber waren, ging es in ein anderes Hafenbecken, wo wir Stückgut für Nordamerika laden sollten.

Die MARY NÜBEL bekam auf Wunsch des Charterers eine neue Schornsteinmarke. Damit waren wir auf einem französischen Frachter unter Deutscher Flagge. Unsere uns übermittelten Postanschriften in den USA konnten wir zu unseren Angehörigen schicken, um die Post direkt dorthin geschickt zu bekommen, ein schnellerer Weg als über die Reederei. Nicht nur in Hamburg wurde geladen, auch in Bremen, Le Havre und Bordeaux bekamen wir noch Stückgut dazu.

Diese Fracht sollten wir über den Atlantik zu den Häfen Quebec, Trois Rivers, Montreal, Toronto, Hamilton in Kanada und zu den US-Häfen Toledo, Detroit, Sarnia, Milwaukee und Chicago bringen. In Hamburg nahmen wir somit nur eine Teilladung, Bremen war der nächste Hafen, hier wurden im Europahafen Maschinenteile geladen. Gegenüber verlud die Hansa gerade Loks, die nach Ostasien gingen.


Hinter den drei rechteckigen Fenstern lag unsere Kombüse

Als wir die Weser stromabwärts fuhren, war dies schon wieder der letzte deutsche Hafen für längere Zeit gewesen, Le Havre, ein großer Stückguthafen stand auf dem Reiseplan. Hier waren auch Anlegestellen für riesige Passagierschiffe. Es wurde aus großen Lagerschuppen hauptsächlich Wein und Champagner geladen, außerdem allerfeinste Cognacsorten, die dann später auf alle Häfen in Kanada und USA verteilt wurden. Hier hatten wir einige Tage zu laden, was mit eigenem Geschirr geschah, Hunderte von Paletten und Kisten gingen in verschiedene Luken. Die Besatzung verrichtete in diesen Liegezeiten hauptsächlich Instandsetzungsarbeiten an Deck, alles lief normal ab, keine Besonderheiten in der Kombüse oder beim Bedienungspersonal. Abends wurde dann meistens an Land gegangen, Le Havre war eine schöne Stadt, man konnte hier gut in den kleinen Straßencafés verweilen. Der letzte Ladehafen war anschließend Bordeaux, an der Gironde gelegen, ein Tidehafen mit enormen Höhenunterschieden. Die restliche Fracht für Übersee wurde geladen, wiederum Wein, Sekt und Cognac, auch hier war noch Gelegenheit, abends an Land zu gehen.

Stromabwärts ging es dann in die Biscaya. Die Überreise sollte zehn Tage dauern. In Begleitung einiger Seemöwen begann die Seereise in Richtung Neufundland. Noch in der Biscaya merkten wir, dass sich eine lange Dünung aus dem Atlantik aufgebaut hatte, die MARY NÜBEL bekam schon einmal einen Vorgeschmack auf hohe Wellen. Im Nordatlantik war ein gewaltiges Tief gemeldet, es wurde ein hartes Auf und Ab für Schiff und Besatzung, nur in Begleitung sturmgewohnter Möwen und Delphine, denen der Wind offenbar Spaß machte, sie machten in den Elementen Wasser und Wind ihre gewohnten Spielchen. Als wir der Küste Nordamerikas näher kamen, wurden auch noch ein paar Eisberge gesichtet, diese wurden vorsichtig in Sichtweite passiert.

Nordamerika / Große Seen

Unsere geplante Reisezeit konnten wir einigermaßen einhalten, wir trafen Ende Mai 1965 an der Küste ein und gelangten in das riesige Delta des St.-Lorenz-Stromes, wo es auch ruhiger wurde. Entlang der Neufundlandküste

sichteten wir nach Stunden das kanadische Festland und fuhren über den breiten St.-Lawrence-River in Richtung Quebec, das wir bald erreichten.


– Quebec –

Papiere und Ladung wurden genauestens kontrolliert. Ohne Beanstandungen begannen die Löscharbeiten der Teilladung. Wir hatten einige Tage Liegezeit und konnten abends diese große schöne Stadt mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten bestaunen.


Dann ging es aber weiter, zu dem stromaufwärts liegenden Hafen Three Rivers, wo wir wieder einiges von der geladenen Fracht an Land verbrachten. Montreal war der nächste Löschhafen. Die Stadt kam mir vor, wie ein einziges riesiges Bauwerk, in dessen Häuserschluchten ich abends verschwand. Unser Liegeplatz war so dicht an der Stadt, dass man zu Fuß laufen konnte. An und für sich war uns Montreal von der Weltausstellung bekannt, viel mehr wussten wir vorher nicht davon, außer, dass die Stadt unmittelbar vor dem Wasserweg zu den Großen Seen lag, wo wir in den nächsten Wochen unsere Restfracht löschen sollten. Auch von hier schickte ich wieder Ansichtskarten in die Heimat, um meinen Eltern ein wenig von der "Großen Welt" zu vermitteln.

Als die Teilladung für Montreal in riesigen Lagerhäusern verschwunden war, ging es weiter. Wir gelangten zum künstlich angelegten Welland-Kanal, einer über mehrere Kilometer hingezogenen Wasserstrasse, die zu den ersten Stufen der Hebe-Schleusen führte, die uns insgesamt 183 Meter über den Meeresspiegel befördern sollten. Die ersten sieben Schleusen machten schon mal 74 Meter aus, insgesamt misst der Wellandkanal ca. 44 Kilometer. Es bot sich uns in den Schleusen immer ein grandioses Schauspiel. Zuerst kamen wir in eine mit nur sechs Metern Hub, dann in eine mit 21 m, dann folgten auch mal Doppelkammern mit bis auf 47 m, zuletzt eine Schleuse bis auf 74 m bis zum Ontariosee. Zwischen wunderschönen kleinen Inseln hindurch ging es nun den vorgeschriebenen Seeweg weiter und nach zwölf Stunden hatten wir den kleinsten der fünf Seen durchquert und Toronto erreicht, damals eine große Stadt mit 700.000 Einwohnern. Der Hafen war wieder direkt an der Stadt gelegen. Die Prozedur des Einklarierens war immer ähnlich.


Gelöscht wurde hier über mehrere Tage. Da auch ein Wochenende dazwischen lag, an dem nicht gearbeitet wurde, nahmen wir das Angebot an, über unsere Schiffsagentur einen Ausflug zu den bekannten Niagara-Fällen mitzumachen. Dieses durch die Natur geschaffenes Bett im Fels, wo die Überläufe aus den Großen Seen in einen tiefen Abgrund stürzen, war und blieb für mich und meine Kameraden ein unvergessliches Erlebnis. Von diesem Naturwunder, welches in Millionen von Jahren geschaffen wurde, habe ich meinen Eltern und Geschwistern viele Fotos und Ansichtskarten geschickt, die Freude war sicher groß, wenn sie derartige Karten bekamen. Toronto war damals sehr beliebt als Anlaufpunkt für Einwanderer aus Deutschland, Italien, Polen und Irland. Sie bildeten große Kolonien in diesem Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Weiter ging es zu dem kleinen Hafen Hamilton, auch noch in Kanada gelegen. Hier löschten wir nur eine geringe Anzahl der Kisten und Paletten, dann ging es weiter zu den nächsten Schleusen hoch zum Eriesee.

Hier erreichten wir Toledo in Ohio, auch hier nur wenig Aufenthalt, dann weiter nach Detroit in Michigan/USA.


Die Autoindustrie prägt diese Millionen-Metropole, das Markenzeichen Ford war überall unübersehbar. Leider hatten wir hier keinen langen Aufenthalt, denn schon bald ging es durch den Lake St.-Clair und den gleichnamigen Fluss weiter, wieder auf die kanadische Seite in den Hafen Sarnia am Huron-See, ein reiner Industriehafen mit Gummiverarbeitung.

Die folgende Durchquerung des Huronsees war in keiner Weise spektakulär, nach zwölf Stunden erreichten wir eine weitere Hebeschleuse in den Michigansee. Er ist der größte der fünf aneinander gereihten Seen. Hier löschten wir den größten Teil der wertvollen Fracht aus Frankreich in Milwaukee in Wisconsin, wo viele Deutschstämmige ansässig waren und auch noch heute sind. Nach zwei Tagen Hafenliegezeit ging es dann ab in Richtung Chicago. Nur noch für diesen Hafen hatten wir Fracht in den Laderäumen. Nachdem wir wieder einige Schleusen zu überwinden hatten, machten wir in Chicago im Staate Illinois fest.


Schon von weitem ist die hoch aufgerichtete Skyline dieser Millionenstadt zu bewundern, alleine der Anblick ist schon ein Erlebnis. Unsere Fracht wurde diesmal etwas abseits von der Stadt gelöscht. Hier, wo jetzt viele Schiffe lagen und Güter aus aller Welt brachten und auch luden, hatte Al Capone in früheren Jahren seine Machenschaften verübt. Diesmal kamen keine Alkoholika aus dem Innern des Schiffes, sondern hier wurden die unterschiedlichsten Eisenträger und Stahlrohre aller Größe entladen, Fracht, die wir als erstes in Europa an Bord genommen hatten.

 

Da wir hier in Chicago auch wieder Fracht für Europa an Bord nahmen, hatten wir wieder einmal eine längere Liegezeit, die wir auch abends nutzten. In Gruppen besuchten wir die dicht am Hafen liegenden Kneipen dieser Millionenstadt. Es war die Zeit, in der die Lokale noch streng getrennt nach Schwarz und Weiß ausgerichtet waren. Die Beleuchtung war in der Hafengegend sehr schlecht, und man musste schon auf der Hut sein. Der Weg vom Schiff in eine fremde Stadt kann aber noch so weit, noch so dunkel sein, er kann noch so viele Kreuzungen und Abbiegungen haben, - ein Seemann findet immer wieder zurück zum Schiff. Anders herum findet "Hein Seemann" aber auch in einem Hafen, in dem er noch nie war, mit verbundenen Augen immer das Viertel, das ein Seemann meistens sucht. - Ob man das schnuppern kann? Am Rande sei gesagt, dass Chicago 1830 gegründet worden war. Es hatte zur Zeit unseres Besuchs sieben Millionen Einwohner. Unsere Ladung für Hamburg, letzter geplanter Löschhafen in Europa, waren tonnenweise Rinderfelle. Sie waren auf Paletten gestapelt und wurden ausschließlich von Schwarzen in Gummistiefeln in zwei der Laderäume verstaut. Der Geruch war so beißend, dass die Arbeiter Mundschutzmasken trugen und angeblich doppelten Lohn erhielten.


– Landgangsausweis –

Nach ein paar Tagen begann die Rückreise, über Milwaukee, Detroit, Toledo, Cleveland, Toronto, Montreal und Quebec, wo wir überall noch Teilladungen für Europa erhielten. Es ging mit kanadischem Whiskey, vielen Tonnen Fellen und vielen Tonnen weißen Bohnen auf die Heimreise. Nach ca. vier Wochen Aufenthalt in den Großen Seen fuhren wir von Quebec aus dann den St.-Lorenz-Strom abwärts, vorbei an Neufundland, in Richtung Atlantik.

Unsere Reise, die ja im Mai 1965 in Hamburg begonnen hatte, endete nach einer ruhigen Überfahrt und dem Anlaufen der Löschhäfen in Frankreich, Belgien und Holland nach genau drei Monaten in Hamburg. Hier, wieder in heimischen Gefilden, gingen viele der Besatzung an Land, um Urlaub zu machen, ich persönlich fühlte mich fit genug, um nach einem mehrere Tage dauernden Aufenthalt in Hamburg, der abends immer Abwechselung versprach, noch einmal eine Große-Seen-Reise mit der MARY NÜBEL mitzumachen.

Wie angekündigt, begann die nächste Reise auch wieder mit einer Ladungsaufnahme in Hamburg. Erneut klapperten wir wieder die zentraleuropäischen Häfen ab, voll beladen ging es dann wieder über den Atlantik, hinauf zu den jetzt schon bekannten Häfen in Kanada und USA.

Nach neun Monaten und neun Tagen musterte ich Ende November 1965 in Hamburg zum zweiten Mal von der MARY ab, mit dem Ziel, für eine Reise Urlaub zu machen und dann wieder auf dieses Schiff als Koch einzusteigen. Das Schiff machte anschließend eine West-Afrika-Reise mit einer Erzfracht, die ich zum Glück nicht mitmachen brauchte.

Wieder "daheim"

Ich begab mich nach der Abmusterung sofort zum Bahnhof und fuhr nach Emden, wo ich vorhatte, diesmal einen sehr erholsamen Urlaub zu machen. Im Seemannsheim angekommen, war die Freude beiderseits groß, man sah viele der alten Kollegen wieder und auch bei Evi in der Stadt gab es viel zu erzählen. Leider war ja jetzt Winterzeit. An besondere Urlaubsfreuden mit Sonne und Strand war nicht zu denken, aber Spaß gab es allemal.

Wieder auf die MARY

Im Februar 1966, das Geld ging auch schon langsam zur Neige, bekam ich von der Reederei Nübel aus Emden die Nachricht, dass ich wieder auf die MARY NÜBEL einsteigen könne, das Schiff lag in Bremen. Am 10.2.1966 musterte ich dann wieder in Bremen an, sah alte Freunde wieder und freute mich auf die kommenden Reisen.


Der für mich an Bord befindliche Vertretungskoch freute sich auf einen erneuten Landaufenthalt. Er hieß Erich Flügge und verärgerte bei überdimensionalem Alkoholgenuss bekanntermaßen des Öfteren die Besatzungsmitglieder. Ich hatte mich schnell wieder eingerichtet. In Bremen und anschließend in Hamburg wurde noch Ladung gelöscht. Es wurde vorher bestellter Proviant übernommen, und gleichzeitig erhielt die Maschine einige Stores. Eine Reise auf eigene Rechnung der Reederei Nübel war geplant. Hierfür nahmen wir nach dem Löschen in Hamburg neue Ladung auf, wieder viele Kisten und Kasten sowie Stahlcollis für Nordamerika.

Wieder ging es über Bremen, Amsterdam und Antwerpen, in allen Häfen wurde Fracht dazu geladen, ab über den Atlantik nach Halifax in Kanada. Die damalige Überfahrt durch den Nordatlantik war schon wieder aufgrund der Jahreszeit mit vielen Sturmtiefs recht anstrengend. Meterhohe Wellenberge ließen die MARY NÜBEL wieder einmal tanzen. Es war wieder eine Herausforderung für Schiff und Besatzung, aber auch diese Hürde wurde genommen, und nach vielen Tagen kam die kanadische Küste in Sicht. Der Lotse kam bald darauf an Bord und brachte die MARY sicher in den Hafen von Halifax. Wieder einmal wurde alles von den Hafenbehörden geprüft, diesmal auch alle Besatzungsmitglieder und ihre Kammern. Gesucht wurde nach Schmuggelgut, denn hier in Kanada konnte man zu damaliger Zeit gute Geschäfte mit Schnaps und Zigaretten machen. Diesmal wurde nichts gefunden, in der Vergangenheit hatte es aber schon manchmal deftige Strafen gegeben. Mit Landgang hatte die Besatzung hier nicht viel im Sinn. Für mich gab es außerdem eine Riesenüberraschung: Ein Rettungsboot von einem anderen Frachter hatte bei uns angelegt, und es wurde nach einem Ernst Richter gefragt, - und der war ich nun mal. Es stellte sich heraus, dass ein Matrose, der mich von Emden her kannte, er hieß Peter Isenburg, das Schiff beim Einlaufen gesehen hatte und einfach mal rüber gekommen war. Es gab natürlich ein großes Hallo und wir verlebten mit vielen anderen einen wunderschönen Abend an Bord, 4.000 Meilen von Emden entfernt.

Nach einigen Tagen verließen wir Halifax und liefen mit einer Teilfracht Zement für Houston in Richtung Texas aus. In Houston war ich ja schon einmal mit der MARY gewesen. Alle Besatzungsmitglieder freuten sich auf die doch wärmere Gegend.

Wir fuhren entlang der Ostküste von Amerika, das Wetter wurde immer schöner, und wir machten gute Fahrt. Nach einigen Tagen erreichten wir die Küste von Florida. Jetzt ging es mit Kurs auf den Golf von Mexico zu, wo wir in Houston in Texas, festmachten.


Vom Makler bekamen wir diesmal eine Menge Post, die von der Reederei hierher geleitet worden war. Jetzt bekamen wir auch Order für unsere nächste Reise: New Orleans war angesagt, eine Ladung Weizen sollte dort für Hamburg geladen werden.

Dart-Spiel auf See und Jazz in New Orleans

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