Ich war immer ein Pfirsich

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Ich war immer ein Pfirsich
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Eva Tanner

Ich war immer ein Pfirsich

Von fremder Warte

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Ich war immer ein Pfirsich

DER BIRKENBÄR

DIE WEISSE KATZE

ROSALIE SOLO – das Leben einer Seekuh

DIE GESCHICHTE VOM SEEPFERDCHEN

T R E I B H O L Z

Graue Vorzeiten

Erinnerungen eines Pinienkernes

Impressum neobooks

Ich war immer ein Pfirsich

Ich war immer ein Pfirsich, mit weicher, samtiger Haut, frischem Fruchtfleisch und darunter meinem Kern.

Ich wurde gekostet und gegessen. Nur in meinem Kern blieb ich bei mir und überlebte.

Nun, nach einem halben Jahrhundert, ist aus dem Kern ein kleiner Trieb gewachsen. Hat sich durch die Nahtstelle geschoben, schickt seine Wurzeln ins Erdreich und wächst heran zu einem Pfirsichbaum.

Das Fruchtfleisch gibt es schon lange nicht mehr, aber der Baum bietet ein ganzes, neues Leben.

Ich bin kein Pfirsich mehr, sondern ein Pfirsichbaum. Ich bin etwas Eigenes geworden.

***

DER BIRKENBÄR

Ein schneeweißer Birkenbär saß lange Jahre unauffällig in seiner Birke, so wie es viele Birkenbären im ganzen Land tun. Im Sommer schmiegte er sich eng an den Stamm und die Äste, im so genannten Birkensommerschlaf. Im Winter, wenn Schnee gefallen war, konnte er sich freier zwischen den kahlen, weißen Zweigen bewegen. Seine dunklen Augen wurden von den uneingeweihten Menschen für Birkenflecken gehalten.

Eingeweihte Menschen sind die, die verkehrt herum sehen können. Und für sie war der Bär in der Birke. Er diente der Schärfung ihrer Sinne, in dem er in immer neuen Stellungen zwischen dem Blattwerk und den Ästen herumturnte. Hatten sie ihn erspäht, waren die Eingeweihten beglückt, denn Verstecktes zu erkennen, bedeutete, einen Blick für das Wahre und Schöne zu haben. Und dies wiederum machte sie zu etwas besonderem gegenüber den uneingeweihten Menschen, die sich mit solchen mentalen Übungen nicht abgaben.

Seine Birke war irgendwann einmal beschnitten worden, damit sie nicht zu groß werden konnte. Die uneingeweihten Menschen hatten befürchtet, ihre Äste könnten das Dach ihres Hauses beschädigen. Und ihr herunterfallendes Laub machte ihnen zu viel Arbeit. Aus den Schnittstellen heraus wuchsen die Zweige in neue Richtungen, gaben der Birke ihr besonderes Aussehen. Sie wurde eine schöne, ungewöhnliche Birke, mit vielen Biegungen und Astgabeln, auf denen man gut schlafen konnte.

Ein Birkenbär ernährt sich von Erdbeeren und Fischen. So ist es von der Natur angedacht. Wenn sie als philosophisches Vexierbild in der Birke gearbeitet haben, steigen sie selbstbewusst herunter und begeben sich in die Erdbeerbeete und an die Seen zum Fischen. Das ist ihr Werdegang.

Dieser Bär aber hatte nicht den Mut, sich zu zeigen. Er kam nur seinen Vexierbildpflichten auf dem Baum nach und nahm sich nicht den ihm zustehenden Lohn. So musste er sich seine kärglichen Mahlzeiten aus der Mülltonne fischen, die direkt unter der Birke stand. Er tat dies meist nachts, damit ihn niemand sah. Manchmal klapperte er dabei mit dem Deckel und weckte die Menschen auf. Wenn sie misstrauisch angelaufen kamen und mit einer Taschenlampe alles ausleuchteten, hatten sie auch schon das eine oder andere mal in die Birke hoch geleuchtet, ihn aber nicht gesehen, weil er eng an den Stamm geschmiegt war. „Diese Birke ist so komisch dick“ brummelten die Menschen, „aber immer an verschiedenen Stellen!“ Sie wurde ihnen unheimlich.

Der Birkenbär selbst aber war natürlich nicht dick, es sah nur so aus. Er war sogar dünn, weil er immer hungrig nach Erdebeeren und Fischen war. Hunger und Sehnsucht verzehrten ihn fast. Er träumte davon, sich vorsichtig mit seinen großen Tapsen durch die taufrischen Erdbeeren zu bewegen, so gegen 5 Uhr früh, wenn die Sonne aufgeht und noch kein Mensch sich am Mülleimer oder im Garten zu schaffen macht.

Ja, er konnte die Süße der Erdbeeren fast schmecken, während er so in seiner Birke lag. Und da konnte es passieren, dass es aus seinem Maul tropfte und unter dem Baum die Briefträgerin traf, die unglücklicherweise diesen Briefkasten neben dem Mülleimer zu bedienen hatte. „IIHH!“ schrie sie dann und konnte sich diese nassen Tropfen nicht erklären.

Aber noch schöner waren seine Träume von den Fischen! Er würde mit ihnen im klaren, kühlen Wasser schwimmen, sich auf den Rücken sühlen, sich ganz lang ausstrecken und dabei einfach nach dem einen oder anderen Fisch schnappen! Dafür war er geboren!

Was ihn davon abhielt von seiner Birke herunter zu kommen, war schlicht und einfach die Angst! Denn der Baum bot ihm Schutz, der Mülleimer ernährte ihn, und dann gab es ja noch die Eingeweihten, die wussten, dass es landauf landab Birkenbären gab. Nicht viele, natürlich, deshalb umso wertvoller.

In seiner Jugend hatte er die Eingeweihten zuerst kennengelernt. Sie standen vor seiner Birke und starrten unbeweglich ins Blattwerk. Sie übten sich im Verkehrtherumsehen, das heißt, sie konnten sich mit ihren Blicken und Gedanken in die Birke begeben und vom Birkenbären aus die Welt sehen und sich selbst so sehen, wie die anderen sie sahen. Die normalen Menschen aber konnten ihre Blickrichtung und ihren Standpunkt nie verlassen. Sie wussten nichts von den Birkenbären, denn sie wären nur ein öffentliches Ärgernis für sie. Sie würden fürchten dass sie ihre Briefkästen, ihre Mülltonnen beschmutzten oder gar ihre Autos zerkratzten!

Das wusste unser Birkenbär, denn er selbst hatte keine Mühe sich in die Köpfe der normalen Menschen zu denken. Er sah dann ihre Bilder von Bären im Zoo, hinter Gittern, Tanzbären im Zirkus, mit Ringen durch die Nase, ohne Zähne und Krallen, von Kragenbären in Käfigen in China, ihre Galle angezapft und so dem Tode geweiht. Er sah auch Hunde, die in Kellerräume eingesperrt waren und nie das Tageslicht sahen und andere, die an Ketten gelegt waren und sich die Seele aus dem Leib bellten. Er wusste nicht, wie er je von seinem Baum kommen konnte, ohne sein Leben zu gefährden! Wie schafften das nur andere Birkenbären?

So tröstete er sich jahrelang mit den liebevollen Bemerkungen der Eingeweihten. Sie gingen unter seiner Birke vorbei, und wenn niemand in ihrer Nähe war, flüsterten sie freundliche Worte zu ihm hoch: „Träum schön von den Erdbeeren!“ und „Heute habe ich die Fische im See springen sehen!“ und manchmal schoben sie ihm auch einen richtigen Fisch nach oben in die Astgabel oder auch eine handvoll Erdbeeren.

Als der Birkenbär sich entschloss, doch vom Baum herunterzusteigen, war es wieder die Briefträgerin, die den ersten Kontakt mit ihm hatte. Sein Bein hing herunter, warm und weich, die Krallen aber ausgestreckt, Halt suchend. Die streiften die Briefträgerin, die sie für trockene Zweige hielt und von sich weg schob. Das beendete seinen Abstieg für diesen Tag.

Er sah wie die Menschen sich plagten, es war alles zu viel für sie! Ihre Arbeit war ihnen zu viel, die Pflanzen im Garten empfanden sie als unverschämt, weil sie gewässert, beschnitten und gedüngt werden wollten, und wenn sie sich tatsächlich diese Arbeit machten und eine Pflanze trotzdem einging, weil sie vielleicht den falschen Standort hatte, dann waren sie empört: „Dieses undankbare Grünzeug! Was soll ich denn noch alles tun?!“ Und sie warfen die verstorbene Pflanze in die Mülltonne und kauften eine neue. So dachte er sich, er könne sich vielleicht nützlich machen, ihnen helfen und gleichzeitig seine Birke in besseres Licht rücken. Und wenn sie dann erfuhren, dass er all die geplanten guten Taten begangen hatte, würden sie ihn nicht unweigerlich lieben? Und ihm nichts tun?

Am nächsten Morgen rutschte er wieder wagemutig den Stamm runter, bis auf die Erde. Seine Beine waren etwas schwach, und er musste sich am Stamm festhalten. Just in diesem Moment kam ein Mensch mit einem vollen Mülleimer! Der Birkenbär stand hinter der Birke, hielt sie umschlungen, und nur seine langen Krallen waren von vorne zu sehen. Als der Mensch nach dem Mülleimerdeckel griff, um ihn hochzuheben, hatte der Birkenbär diese Arbeit schon übernommen und von hinten angehoben. Der Mensch war verblüfft, schaute hinter den Deckel, sah aber keine Erklärung und freute sich, dass das Anheben so leicht gegangen war. Der Bär aber kicherte leise in sich hinein.

Das Wässern der Birke war bei den Menschen auch unbeliebt und bot ihm wieder Gelegenheit, sich nützlich zu machen. Wenn der Mensch mit dem Schlauch anrückte, sah er zu seiner Verwunderung, dass unter der Birke schon satt gewässert worden war. Dann begann er den Briefkasten zu putzen. Er machte sein weiches Fell nass und rieb sich am Briefkasten, bis dieser blitzblank war. Der Mensch war sprachlos, aber auch fest entschlossen nichts zu hinterfragen. Im Laufe der Zeit übernahm der Birkenbär das Wässern des gesamten Gartens und auch das Harken der Wege. Für letzteres benutze er seine langen Krallen. Nacht für Nacht ackerte er gebückt auf den Wegen rum, wässerte und putzte den Briefkasten, den Zaun, das Garagentor. Tagsüber war er unendlich müde und schlief einen unruhigen Schlaf in seiner Astgabel. Gestört von Lärm und Getöse und dummem Geschwätz: „Bei uns sind die Heinzelmännchen zugange! Ich brauche im Garten nicht mehr zu wässern und mein Mülleimerdeckel geht automatisch auf!“

 
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