Seewölfe - Piraten der Weltmeere 697

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 697
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Impressum

© 1976/2021 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-96688-119-7

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Fred McMason

Geister an Bord

Nächtlicher Spuk treibt die Portugiesen an den Rand des Wahnsinns

„Dieses Schiff hat der Teufel in seiner übelsten Laune erschaffen“, fluchte Luis de Xira, der portugiesische Kapitän, der die Schebecke der Arwenacks erbeutet hatte. „Hier geht nichts mehr mit rechten Dingen zu. Der Satan scheint persönlich irgendwo in den Planken zu stecken.“

Die Schebecke war stark beschädigt. Die Arwenacks hatten sie mit der Galeere „Stern von Indien“ hart gerammt, um sie am Auslaufen zu hindern.

Das war ihnen prächtig gelungen, denn die Reparatur des Ruders und des Achterschiffes würde mehr als zehn Tage in Anspruch nehmen.

Das bedeutete zehn Tage Aufenthalt in einer öden Gegend an der Koromandelküste, zehn Tage Schufterei bei glühender Hitze und staubigem Wind.

Noch schlimmer aber war die Tatsache, daß es an Bord der Schebecke spukte. Es waren Geister an Bord, davon war die Mannschaff überzeugt …

Die Hauptpersonen des Romans:

Luis de Xira – hält nicht viel von Gespenstern, aber als er den Knochenmann auf der Schebecke entdeckt, dreht er durch.

Clint Wingfield – der Moses der Arwenacks heckt immer neue Streiche aus, um die Portugiesen zu narren und zu nerven.

Tilak – ein Fanatiker in der Schwefelmine, der glaubt, einen Aufstand entfesseln zu können.

Philip Hasard Killigrew – als er hört, daß Tilaks Meute Pulver beiseite geschafft hat, schwant ihm Schlimmes.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

1.

Bevor sich der Portugiese den Schaden genauer ansah, fluchte er erst mal ausgiebig und beklagte sich bitter über den Undank gewisser Leute, die ihn schmählich im Stich gelassen hatten.

Der Übeltäter, dem seine Schimpfkanonade galt, war Drawida Shastri, der falsche Sultan von Golkonda, der ihn betrogen, verraten und im Stich gelassen hatte.

„Dieser Hundesohn, dieser dreimal verdammte!“ tobte de Xira. „Erst verspricht er uns das Schiff, wenn wir ihn bis in diese Bucht begleiten, weil der Kerl Angst vor den Engländern hat. Dann hauen uns diese noch verdammteren Engländer das Schiff in Klumpen, und da geht der Bastard mit seiner Galeere einfach ankerauf, wünscht uns viel Spaß und verschwindet. Jetzt liegen wir hier in einer Einöde, wo nicht mal der Pfeffer mehr wächst vor lauter Hitze, verdammter.“

De Xira war im Gesicht rot vor Wut. Ein paarmal schlug er mit der Faust auf den Handlauf, holte dann tief Luft und wischte sich das Wasser aus seinem riesigen schwarzgrauweißen Schnauzbart.

Auch von seinem Kopf troff das Wasser. Die Hitze war nicht zum Aushalten.

Über ihnen stand wie festgenagelt ein glosender gelber Ball. An den Rändern war er fast weiß, und er sengte mit einer Hitze über die ausgedörrte Landschaft, daß es den Portugiesen den Atem nahm.

Kavali hieß das nächste Kaff, das tiefer im Landesinnern lag und von hier aus nicht zu sehen war.

Hier gab es nur eine trostlose Bucht, steinharten Boden, ausgebrannte Erde und Staub, wenn man von dem Dschungel absah, der weiter hinten begann.

Die Schebecke lag auf einem Sandstreifen und war leicht zur Seite geneigt. Die Planken knackten unter der höllischen Glut, die von keinem Lufthauch gemildert wurde.

Hin und wieder fuhr der Bhoot über sie hinweg, ein knochentrockener Staubwind, der Sand und Dreck aus dem Landesinneren zum Meer wehte und gleichzeitig den Gestank der fernen Schwefelminen mit sich brachte. Dann war es schon gar nicht zum Aushalten.

De Xiras einzige Befriedigung war, daß die Engländer jetzt in den höllischen Minen schuften mußten. Drawida Shastri hatte sie wie Sklaven an ein paar indische Minenbesitzer verkauft.

Doch diese Genugtuung hielt nicht lange vor, dann haderte er wieder mit seinem eigenen Schicksal, das ihm gottserbärmlich erschien.

Auf dem glühendheißen Deck neben ihm standen sein Erster Offizier Alvaro Belmonte und Nicolao Lamego, der Stückmeister der untergegangenen Karavelle „Cabo Mondego“.

Sie rührten sich in dieser Hitze kaum, denn jede noch so kleine Bewegung rief Sturzbäche von Schweiß hervor.

Unter dem Niedergang hockten noch reglos drei Decksleute, die mehr tot als lebendig schienen und völlig apathisch wirkten.

„Dabei habe ich immer an diesen Bastard Shastri geglaubt“, sagte de Xira mit zuckenden Lippen. „Aber der hat nicht einen Finger gerührt, um uns zu helfen. Hohnlachend ist er abgesegelt.“

Der Kapitän wiederholte sich bereits ein paarmal vor Wut, und so langsam stieg den anderen die Galle hoch, weil sie sich das pausenlos anhören mußten. Mit verkniffenen Gesichtern standen sie da und hörten sich die Beschimpfungen an.

„Das ist jetzt nicht mehr zu ändern“, sagte der Erste bedächtig. Er hatte lange blonde Haare und einen Backenbart. „Wir sind das Gold los, wir haben die Karavelle nicht mehr, aber dafür dieses Schiff. Um das sollten wir uns jetzt kümmern, sonst liegen wir noch bis in alle Ewigkeit in dieser miesen Bucht.“

Sie trauten sich nicht, ein erfrischendes Bad in der Bucht zu nehmen. Das Wasser allein wirkte schon abschreckend.

Offenbar wurde hier Schwefel umgeschlagen und verladen, und von dem höllischen Zeug hatte sich eine Menge in der Bucht angesammelt.

Der Grund des Wassers schimmerte in einem beängstigend fahlen Licht, das alle Farbtöne grell durchlief. Mal schien es, je nach Sonneneinfall, grünlich, dann wieder gelb und mitunter in fahlem Blau. An einigen Stellen waren diese Farben zu einer ganzen Palette gemischt wie ein Regenbogen.

Noch etwas war an dieser Küste unheimlich, das vorher schon den Arwenacks aufgefallen war.

Totenstille herrschte hier. Es war so still, daß es schon lähmend wirkte und Schmerzen verursachte.

Aus dem Dschungel drang kein Laut. In der Luft regte sich nichts. Kein Vogel war zu sehen, und kein Plätschern verriet die Nähe des Meeres.

Diese Totenstille ging ihnen ebenso auf die Nerven wie die triste und langweilige Umgebung.

Die einzigen, kaum hörbaren Töne bestanden aus dem Ächzen des Schiffes und dem feinen Knistern des Sandes, der unaufhörlich zu mahlen schien. Aber das konnte auch auf Einbildung beruhen.

De Xira wischte sich über das Gesicht. Er fluchte wieder leise und schimpfte auf den Inder, der ihnen diese Pleite eingebrockt hatte.

„Wir sehen uns jetzt erst mal den Schaden an“, sagte er matt.

Als er über die ausgebrachte Jakobsleiter abentern wollte, vernahm er ein lautes Poltern. Es schien aus dem Innern der Schebecke zu stammen. Er fuhr herum und blickte sich um.

„Habt ihr das auch gehört?“

Die anderen nickten. Einer der Schläfer unter dem Niedergang war verstört hochgefahren und bekreuzigte sich hastig.

Ähnliche Geräusche wie dieses hatten sie in der Nacht schon einmal gehört. Da war es ein Klopfen gewesen, dem ein Poltern folgte.

Das Geräusch wirkte wie ein dröhnender Gong in absoluter Stille.

De Xira schluckte und fand, daß seine Nerven nicht mehr die besten waren. Jedes ungewohnte Geräusch ließ ihn zusammenzucken.

„Das – das war in der Nähe der Segellast“, sagte der Stückmeister Lamego unsicher. „Werden wohl die Planken gewesen sein, die bei der Hitze so knacken.“

De Xira wollte der Sache auf den Grund gehen, zumal seine Männer immer nervöser und gereizter wurden, wenn sie etwas hörten, das nicht ins normale Bild paßte. „Dann sehen wir doch mal nach“, sagte er.

Er wollte sich den Anschein von Entschlossenheit geben, doch als er in Richtung Segellast ging, war es mehr ein müdes Schlurfen. Seine Beine schienen immer schwerer zu werden.

Die beiden anderen folgten mit verkniffenen Gesichtern.

Vor dem Schott blieben sie lange Zeit stehen und lauschten. Nichts war mehr zu hören.

„Waren sicher nur die Planken“, sagte Lamego noch einmal. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte er Angst, das Schott zu öffnen.

Schließlich war es Alvaro Belmonte, der sich einen Ruck gab und das Schott öffnete.

Helles Sonnenlicht fiel in die Kammer. Sie standen am Eingang und warfen einen scheuen Blick hinein, als kauere dort ein sprungbereites Untier.

Die Segellast war ordentlich aufgeräumt wie alles, was die Arwenacks zurückgelassen hatten. Ganze Lagen Segeltuch waren dort säuberlich gestapelt. In einem Holzkasten lag das Handwerkszeug des Segelmachers.

 

De Xira trat einen Schritt in die kleine Kammer. Ganz hinten, wo das Licht nicht mehr hinfiel, herrschte zwielichtiges Halbdämmer. Dennoch konnte man den Raum gut überblicken.

Niemand sah die geschickt getarnte Nische im Hintergrund, in der sich Clint Wingfield mit der Wolfshündin Plymmie verbarg. Die Nische wäre nur aufgefallen, wenn sie ein paar Ballen Segeltuch abgeräumt hätten. Daran dachte jedoch keiner.

„Nichts, gar nichts“, sagte de Xira. „Waren wohl doch die Planken, die sich bei der Hitze verziehen. Ein paar Mann sollen nachher das Schiff von oben bis unten wässern, damit diese ekelhaften Geräusche endlich aufhören.“

„Das sollten wir ein paarmal am Tag tun“, schlug Belmonte vor. „Sonst haben wir an diesem Schiff bald keine Freude mehr.“

De Xira gab keine Antwort. Er schlug das Schott zu und wandte sich ab, müde, matt und unter der ungewohnten Hitze leise stöhnend.

Sie enterten ab, um sich den Schaden anzusehen.

Die anderen Portugiesen lagen faul und lustlos an Bord herum. Jeder versuchte sich, so gut es ging, auch um die allerkleinste Arbeit zu drücken. Nur hin und wieder stand einer von ihnen träge auf, um sich aus dem Wasserfaß an Deck zu bedienen.

De Xira starrte mit brennenden Augen auf das Heck der Schebecke. Sie standen auf dem glühendheißen Sand, der unter ihren Füßen mahlte und knirschte und zu leben schien.

Vom Deck aus hatten sie bereits einen schnellen Blick riskiert, und da hatte de Xira nur gestöhnt und mindestens zehn Tage für die Reparatur angesetzt.

Von hier unten sah es jedoch noch schlimmer aus. Der Rammsporn der Galeere „Stern von Indien“ hatte ganze Arbeit geleistet.

Das Ruder war zerfetzt, die Aufhängung zerstört, die Fingerlinge abgerissen, und die achteren Spanten hatten ebenfalls etwas abgekriegt.

Auf dem Sand lagen überall Holzsplitter herum, die bei dem Rammstoß nach allen Seiten geflogen waren.

„Unter normalen Umständen würden wir das in ein paar Tagen schaffen“, meinte der Kapitän. „Aber das hier sind keine normalen Umstände. Wir haben keinerlei Ersatzteile und nur den Rat des dämlichen Inders, der uns zurief, wir sollten Bäume fällen, Holz daraus schneiden und ein Notruder bauen. Ein Notruder! Einfach idiotisch.“

Belmonte sah aus schmalen Augen auf die Beschädigungen.

„Warum eigentlich nicht?“ fragte er. „Mit einem Notruder könnten wir langsam bis nach Madras segeln.“

„Und dort?“

„Die Schebecke richtig reparieren.“

„Madras ist ein trübseliges Kaff“, belehrte ihn der Kapitän. „Da gibt es keine Werft und keine Möglichkeit, aufzuslippen. Genausogut können wir hier bleiben. Hier liegen wir zwangsweise schon auf dem Sand.“

„Aber hier werden uns bald Proviant und Wasser ausgehen“, widersprach der Erste. „In Madras brauchen wir wenigstens nicht zu hungern oder gar zu verdursten.“

„Wir haben noch genug von allem. Ich will aber nicht mit einem Notruder segeln, mit dem wir im Sturm völlig hilflos sind. Wir werden ein richtiges Ruder bauen, das uns nach Portugal zurückbringt. Sehen wir uns mal die Teile an. Vielleicht ist noch etwas davon einigermaßen brauchbar.“

Ein paar Schritte weiter lagen die Trümmer. Das Ruderblatt selbst war bestenfalls noch als Brennholz für die Kombüse geeignet. Es war völlig zersplittert. Die anderen Trümmer gaben ebenfalls nichts mehr her.

Belmonte bückte sich, hob ein Stück Holz auf und hielt es dem Kapitän hin.

„Das Problem ist nur noch halb so groß“, verkündete er. „Wir haben die Ruderösen und die Fingerlinge. Sie sind alle noch vorhanden. Das ist schon mal sehr wichtig.“

De Xira besah sich die eisernen Bolzen und Beschläge.

„Ja, sehr gut. Wenn wir die selbst herstellen müßten, könnten wir uns gleich aufhängen. Hebt die Dinger gut auf und werft auch die Trümmer nicht weg. Wir setzen sie zu einer Art Schablone zusammen, nach der wir das neue Ruder bauen werden.“

„Also folgen wir doch Shastris hervorragendem Rat“, sagte der Stückmeister spöttisch.

„Hast du eine bessere Lösung, Nicolao?“

„Nein, Capitán, das ist die beste Lösung. Aber das Holz, das wir brauchen, muß erst noch trocknen.“

„Kein Problem bei der Hitze“, sagte de Xira abwinkend. „Hier trocknet innerhalb kürzester Zeit alles, obwohl die Luft ziemlich feucht ist. Wir werden das ganz sicher schaffen.“

„Wie lange etwa?“

De Xira überlegte.

„Mit gutem Willen und Fleiß müßten wir das in einer Woche hinter uns haben. Dabei rechne ich zwei Tage zum Trocknen mit ein, meinetwegen auch drei Tage. Ein halber Tag dürfte schon mit dem Abpallen vergehen.“

„Aber das Holz muß erst gesägt und geschnitten werden.“

„Dazu haben wir genügend Männer.“

Der Stückmeister nickte nur. De Xira schien sehr optimistisch zu sein. Aber bei der wahnsinnigen Hitze konnten die Männer nicht pausenlos arbeiten. Sie mußten erst ein paar Bäume fällen, ein Gestell errichten, auf dem sie sägen konnten, und viele andere Kleinigkeiten mehr, die der Kapitän zur Zeit nicht berücksichtigte. Er war nur von dem Gedanken beseelt, hier so schnell wie möglich zu verschwinden.

Das waren sie alle, aber trotzdem mußten sie auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Mit überhasteter Arbeit ging hier gar nichts.

Sie hoben die Trümmer auf und setzten sie ein Stückchen weiter auf dem Sand provisorisch zusammen. Selbst das war eine mühselige und schweißtreibende Arbeit, die sie fast an den Rand der Erschöpfung brachte.

Eine Weile standen sie nur da, atmeten nach und sahen auf das seltsam verzerrte Gebilde im Sand.

Plötzlich schnupperte Belmonte angewidert und rümpfte die Nase.

Im Landesinnern war Staub zu sehen, und sie glaubten auch, ein feines Grollen im Boden zu spüren. Der Untergrund zitterte einmal unruhig.

Gleichzeitig stand in der Luft ein ekelerregender Geruch. Vorläufer einer Staubwolke legten sich beklemmend auf ihre Lungen.

Der Stückmeister hustete und würgte, bis er rot anlief.

„Schwefel“, sagte er heiser. „Die Pest der Hölle. Offenbar sprengen sie in den Minen mit Schießpulver, und wir kriegen jedesmal den verfluchten Gestank ab.“

„Sei froh, daß du nicht in den Minen arbeiten mußt“, entgegnete der Erste. „Gegen die Engländer haben wir das Paradies auf Erden.“

„Die haben es auch nicht besser verdient. Sollen sie schuften, bis sie tot umfallen oder vom Schwefel zerfressen werden. Wo liegen eigentlich diese Minen?“

„Irgendwo landeinwärts, wo der Staub aufsteigt. So genau hat Shastri das nicht gesagt. Ist mir aber auch völlig egal.“

„Mir ist auch alles egal!“ schrie de Xira in aufsteigender Wut. „Ich will weg aus dieser Hölle! Ich kann dieses verdammte Land nicht mehr sehen! Los, an die Arbeit! Und haltet hier keine Reden!“

Es hatte ganz den Anschein, als gingen dem Kapitän die Nerven durch.

2.

Belmonte und der Stückmeister sahen sich befremdet an. Bisher war de Xira immer ruhig geblieben, wenn man von seiner ständigen Flucherei und den vielen Wiederholungen absah.

Jetzt aber lag Spannung in der Luft, und es würde von nun an keine Ruhe mehr geben.

Belmonte enterte auf und ließ die Stimmung des Kapitäns gleich auf die anderen überspringen, die dösend an Deck hockten.

„Hoffentlich seid ihr bald auf den Beinen!“ brüllte er die zusammenzuckenden Männer an. „Vom Faulenzen kriegen wir kein neues Ruder und gelangen hier auch nicht weg. Holt Werkzeuge und geht an die Arbeit. Drüben werden Bäume gefällt und geschnitten. Drei Mann bleiben an Bord und wässern die Planken von oben bis unten.“

Die noch halbdösigen Männer sprangen auf. Sie kannten diesen Ton, und wenn sie nicht gleich spurten, würde es eine Menge Ärger geben.

Sie suchten Werkzeuge zusammen – Äxte, Beile, Sägen. Zum Glück war an Bord alles reichlich vorhanden und auch sauber aufgeklart.

Belmonte ging mit, während de Xira übellaunig an Bord zurückblieb und die anderen Kerle beim Wässern antrieb.

Der Erste scheuchte sie in den Dschungel, der sich tief ins Land zog. Er wählte ein paar Bäume aus, die dicht am Dschungelrand standen und etwas trockener schienen als die anderen.

Er riß sich das Hemd vom Körper und arbeitete mit, um den müden Kerlen ein gutes Beispiel zu geben.

„Den da – und den da!“ rief er. „Umlegen, runter damit!“

Die unheimliche Stille wurde gleich darauf durch dröhnende Axthiebe unterbrochen. Es war das einzige Geräusch, das weit und breit zu hören war.

Die Äxte wühlten sich ins Holz. Den Männern lief der Schweiß in Sturzbächen von den Körpern. Sie trugen nur Hosen, weiter nichts.

Es dauerte auch nicht lange, da krachte mit fürchterlichem Donnern der erste Baum in die anderen, riß eine Bresche und stürzte zu Boden, wobei die Äste zersplitterten.

Nachdem das Krachen verhallt war, trat abermals diese fürchterliche Stille ein, die an den Nerven zerrte.

Zwei Mann unterkeilten den Baum an der Krone und sägten sie ab. Immer wieder mußten sie dabei eine Pause einlegen. Sie keuchten und stöhnten bei der Arbeit.

Belmonte, der ein bedächtiger Mann war, erkannte bald darauf, daß es schlicht unmöglich war, in diesem Brutofen pausenlos zu schuften. Hin und wieder gönnte er den Männern eine Pause.

„Darf man sich im Wasser abkühlen?“ fragte ein bärtiger Mann.

„Nichts dagegen“, sagte der Erste. „Aber nicht zu lange, sonst bleibt die Arbeit liegen, und ihr wollt doch auch weg von hier, oder?“

Und ob sie das wollten!

Vier, fünf Männer liefen los und sprangen ins Wasser der Bucht. Sie tauchten unter und prusteten. Dabei fiel ihnen nicht mal auf, daß es in der Bucht keinen einzigen Fisch gab. Es gab auch nicht die heimischen kleinen und harmlosen Wasserschlangen, die sich in den Buchten tummelten, und es gab erstaunlicherweise auch keine fliegenden Plagegeister auf dem Wasser.

Nachdem sie sich erfrischt hatten, kehrten sie wieder an die Arbeit zurück, und die nächste Gruppe durfte ein Bad nehmen.

Die Arbeit ging weiter, stundenlang, bei glühender Hitze, dem schwefligen Geruch und fast absoluter Stille.

Pedro Pascual, einer der Decksleute, warf die Axt zu Boden und begann sich zu kratzen.

Anfangs grinsten sie noch darüber und rissen Witze, doch das Lachen verging ihnen ziemlich schnell, als sie selber sich auch kratzten.

Ihre Körper brannten wie Feuer, und einer sah den anderen argwöhnisch und fast mißtrauisch an.

„Wie seht ihr denn aus?“ fragte Belmonte entsetzt.

Die nackten Oberkörper waren mit rötlichen Beulen übersät. Die Haut war geschwollen, als seien sie von Tausenden Moskitos überfallen und gestochen worden.

Pedro, der so geschickt mit dem Messer umzugehen verstand, schaute ungläubig an sich hinunter.

Er sah Feuermale auf der Haut, schillernde Flecken, Beulen und rötliche Pusteln, die immer größer wurden.

Vor Schreck stieß er einen lauten Schrei aus.

„Ich habe die Pest!“ kreischte er. „Die Pest ist ausgebrochen, ich werde sterben!“

Die anderen, die ebenfalls an den unheimlichen Pusteln litten, wurden nervös und begannen ebenfalls durchzudrehen. Sie kratzten sich wie Hunde, die von Flöhen geplagt wurden.

„Fangt nicht an zu spinnen!“ rief Belmonte, als er die tobende Meute sah. „So schnell kriegt man nicht die Pest, in einer solchen Einöde schon gar nicht. Das muß etwas anderes sein.“

„Es ist die Pest!“ kreischte Alberto Roque, ein noch junger Mann, der sich wie verrückt gebärdete.

Der Erste behielt die Ruhe und die Übersicht, nachdem er die Männer wild angebrüllt hatte.

Da wurde auch de Xira auf der Schebecke mißtrauisch. Er enterte ab und schlurfte schwerfällig zu ihnen.

„Was ist hier los?“ fragte er wild.

„Die Kerle glauben, sie hätten die Pest“, erwiderte Belmonte. „Das ist natürlich Quatsch. Die spinnen doch.“

De Xira sah sich die Oberkörper einiger Männer an. Die Pusteln wurden zusehends größer und verfärbten sich noch stärker ins Rötliche.

„Das ist von dem Wasser“, sagte de Xira tonlos. „Von dem Wasser in der Bucht. Da ist Schwefel drin oder sonstwas. So was habe ich jedenfalls noch nicht gesehen.“

Erneut wurden die Männer unruhig. Einige dachten auch gleich daran, daß sie jetzt einen bequemen Vorwand hatten, sich von der Arbeit zu drücken. Morgen, wenn alles vorbei war, würden sie wieder arbeiten, nur heute nicht, das war ihre Devise, das Verschieben von einem Tag auf den anderen.

 

„Das geht wieder vorbei“, sagte der Kapitän mißmutig. „Ab sofort wird in der Bucht nicht mehr gebadet. Ihr geht jetzt zum Meer hinunter und sucht euch weiter oberhalb eine Stelle im Wasser, wo das Teufelszeug nicht hingelangt. Dort badet ihr und wascht euch den Schwefeldreck von den Körpern.“

Froh, der Arbeit wieder für einige Zeit entronnen zu sein, aber dennoch sehr besorgt um ihre Gesundheit, marschierten sie am Strand entlang, gingen noch ein Stückchen weiter nach Norden und sprangen unter der Aufsicht des Kapitäns ins Wasser.

Hier war das Wasser sauber und klar. Man konnte bis tief auf den Grund sehen.

Sie ließen sich diesmal reichlich Zeit zum Baden, und auch der Kapitän ließ ihnen Zeit. Erst als sie sich schon länger als eine halbe Stunde im Wasser getummelt hatten, winkte er sie wieder heraus.

Sie fühlten sich tatsächlich wohler und von dem quälenden Juckreiz befreit, wie sie alle versicherten.

„Dann geht jetzt wieder an die Arbeit“, befahl de Xira. Er und der Erste Offizier nahmen auch noch schnell ein kühles Bad im Meer.

„Das sollten wir beibehalten“, sagte de Xira. „Die Kerle sind zwar faul bis in ihre morschen Knochen, aber sie sollten jeden Tag ein paarmal zur Abkühlung ins Meerwasser gehen. Das hebt die Arbeitsmoral, und die brauchen wir bitter nötig.“

„Sie wollen ja auch alle möglichst schnell von hier weg“, versicherte Belmonte. „Sie trödeln eben mal gern, was bei der Affenhitze auch kein Wunder ist. Hier geht man ja ein.“

Die beiden wußten genau, wo die Grenzen bei der Mannschaft abgesteckt werden konnten. Auf Gewalt verzichteten sie, wenn es einigermaßen gut lief. Man konnte die Kerle auch anders bei guter Laune und Arbeit halten.

So kam es, daß immer eine Stunde hart gearbeitet wurde. Dann durfte die erste Gruppe zur Badestelle, kriegte zu essen und zu trinken und wechselte danach mit der anderen Gruppe ab.

„Stellen wir Wachen auf?“ fragte Belmonte, als sie sich tropfnaß auf den Rückweg begaben.

De Xira schüttelte den Kopf. Er fühlte sich jetzt frischer und tatkräftiger.

„Nein. Wozu auch? Die Kerle werden bis zum Umfallen schuften und sind danach total erledigt. Wer Wache geht, würde nur einschlafen. In diese Ecke verirrt sich keine Menschenseele; selbst wenn das doch der Fall sein sollte, könnte er hier nichts anfangen. Das Schiff klaut uns ganz bestimmt keiner.“

„Ich dachte auch mehr an die Engländer, die sich ja nicht weit von uns entfernt irgendwo in den Minen befinden.“

De Xira lachte leise und überlegen.

„Aus den Minen ist noch keinem die Flucht gelungen, wie Shastri versicherte. Die Sklaven dort werden Tag und Nacht schwer bewacht und sind außerdem angekettet. Nein, vor denen brauchen wir uns nicht mehr zu fürchten. Die Kerle sind erledigt und so gut wie tot.“

Der Erste gab sich immer noch nicht ganz zufrieden. Sie alle hatten die höllischen Kerle ja persönlich erlebt; wenn die erst mal in Aktion waren. Da blieb kein Stein mehr auf dem anderen.

„Wenigstens ein Mann“, schlug er vor.

„Als was?“

„Als Wache, dachte ich. Kann ich ja notfalls selbst übernehmen, oder wir wechseln alle Stunde. Das erschöpft keinen.“

„Meinetwegen, obwohl das überflüssig ist.“

Schon von weitem hörten sie das Kreischen von Sägen und das Schlagen der Äxte, die den nächsten Baum fällten.

Die Männer fühlten sich erfrischt, und ihre seltsamen Hautausschläge verschwanden zusehends.

Das Holz wurde gesägt und zum Sandstreifen geschleppt. Dort sollte es in der glühenden Hitze etwas trocknen.

Aus dem noch frischen Holz wurden Pallhölzer geschlagen, damit das Heck der Schebecke abgestützt werden konnte. Gegen Abend waren nach mühseliger Schufterei die ersten Hölzer gesetzt.

Bei Dunkelheit lagen sie alle todmüde in den Kojen, bis auf Alberto Roque, der die erste Wache übernahm.

Clint Wingfield war an diesem Tag mehrmals einer Ohnmacht nahe gewesen. Die aufgestaute Hitze in der Segellast nahm ihm den Atem und erdrückte ihn fast.

Es wurde immer schlimmer, je höher die Sonne stieg und die Planken der Schebecke regelrecht aufheizte. Die Wolfshündin lag nur da und döste vor sich hin.

Als dann das Schott geöffnet wurde und ein paar Männer hereinblickten, geriet das Bürschchen fast in Panik. Aber zum Glück verschwanden die Portugiesen gleich wieder.

Er trank Wasser, das immer mehr zur Neige ging, und gab auch der Hündin etwas. Hunger hatte er bei der brüllenden Hitze nicht, nur Durst, der mit jeder Stunde schlimmer wurde.

Er mußte hier raus, es ließ sich nicht mehr aushalten in der Enge und Hitze.

Er hatte auch Wortfetzen und ganze Sätze vernommen und wußte ziemlich genau, was mit dem Schiff passierte und was die Portugiesen unternahmen.

Noch mußte er jedoch warten, bis die Männer mit ihrer Arbeit fertig waren und sich erschöpft zur Ruhe begaben.

Sie zersägten Bäume und schlugen Pallhölzer zurecht, um die Schebecke abzustützen, damit sie das Ruder später einsetzen konnten. Was sie im einzelnen taten, wußte er nicht genau, doch ein paarmal gab es im Rumpf des Schiffes einen kräftigen Ruck, und er hörte harte Hammerschläge, die alles erschütterten.

Die Luft wurde wieder so stickig, daß er nur noch ganz flach atmen konnte. Hingekauert in der Nische, wartete er darauf, daß die Zeit verging.

Einmal nickte er auch ein und schrak hoch, als er dicht vor dem Schott Schritte hörte. Die Schritte verklangen nach einer Weile wieder, und er beruhigte sich langsam.

Seine Unterlage hatte sich ein wenig verändert. Das Schiff lag offenbar so, daß das Heck leicht angehoben war. Vermutlich hatten sie mit Baumstämmen etwas nachgeholfen, um das Heck aus dem Wasser zu hieven.

Wieder verging die Zeit entsetzlich langsam und quälend. Dicke Tropfen standen auf seiner Stirn, und er bedauerte gleichzeitig die Wolfshündin in ihrem dichten Fell. Sie war erstaunlich ruhig und verriet sich durch keinen einzigen Ton. Manchmal hechelte sie in der Hitze nur leise vor sich hin.

Im Schiff wurde es nach und nach immer stiller, was darauf schließen ließ, daß die Portugiesen erledigt und entkräftet ihre Schlafplätze aufgesucht hatten.

Da an Deck ohnehin nicht geglast wurde, seit die Portugiesen in dieser Bucht lagen, mußte sich das Bürschchen auf sein Zeitgefühl verlassen, und das sagte ihm, daß es mittlerweile draußen finster sein mußte.

Die Sonne war längst untergegangen, denn durch die Ritzen im Schott fiel kein Licht mehr.

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