Taufe, Firmung und Erstkommunion im Wandel

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Taufe, Firmung und Erstkommunion im Wandel
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Friedrich Lurz

Taufe, Firmung und Erstkommunion im Wandel

Die Feiern des Christwerdens

BUTZON & BERCKER

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio­grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.


PDF ISBN 978-3-7666-1839-9

EPUB ISBN 978-3-7666-4248-6

MOBI ISBN 978-3-7666-4249-3

© 2014 Butzon & Bercker GmbH, Hoogeweg 100,

47623 Kevelaer, Deutschland, www.bube.de

Alle Rechte vorbehalten.

Satz und Umschlaggestaltung: Friedrich Lurz

Inhalt

Einführung

Grundlegende Aspekte

Glauben – eine Antwort

Diskussionen um die Berechtigung der Kindertaufe

Ein Gang durch die Geschichte bis in die Gegenwart

Anknüpfung und Deutung der Taufe im Neuen Testament

Christwerden als Prozess

Von der abschließenden Salbung der Taufe zur eigenständigen Firmung

Feier der Erstkommunion

Reform des Kindertaufritus nach dem II. Vatikanischen Konzil

Wiedereinführung des Erwachsenen-Katechumenats nach dem II. Vatikanischen Konzil

Feier der Taufe in den Reformationskirchen

Feier der Konfirmation in den Reformationskirchen

Die zentralen Elemente

Wasser der Sintflut – Wasser des Lebens

Lobpreis und Anrufung Gottes über dem Wasser

Taufbrunnen und Taufengel

Lebensbegleitende Dimensionen

Feier des Taufgedächtnisses

Die Namen der Christen und die Taufe

Resümee

Feier der Initiation vor neuen Herausforderungen

Literaturhinweise

Einführung

Noch vor wenigen Jahrzehnten war die Säuglingstaufe die typische und durchgängig geübte Form, das Christwerden zu feiern und den unhinterfragten Eintritt in eine Kirche zu vollziehen. Die Gesellschaft war noch durchweg christlich geprägt und kirchlich „versäult“, wie die Soziologen es ausdrücken. Getauft zu werden war die einfache Form, zum Leben der sozialen Gemeinschaft dazuzugehören. Die Taufe erschien wie ein Geburtsritus, der seinen Platz im Laufe des Lebens hatte, wie eben auch Erstkommunion und Firmung (bzw. die Konfirmation in den Evangelischen Kirchen) weitere Stationen auf dem Weg zum Erwachsenenwerden waren. Ein wesentliches Bewusstsein für die theologische Bedeutung der Taufe existierte selten, sie wurde in ihrer Bedeutung für den Einzelnen aber auch nicht in Frage gestellt.

Heute ist unsere Gesellschaft in viel geringerem Maße christlich geprägt, und selbst auf dem Dorf hat niemand mit gesellschaftlichen Sanktionen zu rechnen, der keiner Kirche zugehört oder sein Kind nicht taufen lässt. Nichtglaubende oder Kirchenferne gehören ebenso zur gesellschaftlichen Realität wie eine erhebliche Zahl muslimischer oder muslimisch-„stämmiger“ Mitbürger.

Heute sind die Wege des Christwerdens deutlich differenzierter als etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts und müssen es auch sein, weil sich die Zugänge zum Glauben je nach Alter und Lebenssituation als recht verschieden erweisen. Entsprechend differenziert stellen sich die liturgischen Feiern dar: Konversionen aus einer anderen Konfession (etwa in Form einer Firmung) stehen neben Taufen von Kindern im Schulalter. Der bewusste und längere Weg eines Erwachsenen, der zum Glauben gefunden hat, hat seinen Platz neben der weiterhin und selbstverständlich geübten Säuglingstaufe. Auch die Bedeutung, die die Feiern für die Einzelnen und ihre engste Umgebung besitzen, können fast gegensätzliche Schwerpunkte aufweisen.

In leicht verständlicher Sprache soll im Folgenden in die einzelnen Feierformen des Christwerdens eingeführt werden. Ihre geschichtliche Entwicklung wird ebenso beleuchtet wie ihre theologische Bedeutung und ihre Verortung in der heutigen pastoralen Situation. Dies soll nicht allein im Sinne einer Grundlageninformation geschehen, sondern auch in der Überzeugung, dass sich zu einem erheblichen Maße an der Vitalität unseres Bewusstseins von der Bedeutung und vom Wert der Initiation die Zukunft unserer Kirchen entscheiden wird. Nur Gemeinden wie einzelne Christen, die für sich die Relevanz des Christseins und speziell des Christwerdens als Wende in ihrem Leben entdeckt haben, werden den Glauben fruchtbar leben können. Nur sie können ausstrahlen in eine Umwelt, die zwar weniger kirchlich durchdrungen und geprägt ist, der Frohbotschaft des Evangeliums Jesu Christi aber umso mehr bedarf.

***

Das Buch stellt die überarbeitete und ergänzte Fassung einer Artikelserie dar, die im Jahr 2012 in der Zeitschrift „MAGNIFICAT. Das Stundenbuch“ unter der Rubrik „Die Mitte erschließen“ erschienen ist.

Grundlegende Aspekte

Glauben – eine Antwort

Heute zeichnen sich praktisch alle Sakramentsfeiern durch ein In- oder Nacheinander von zentralem Sakramentswort und Symbolhandlung aus. Entsprechend erwarten wir für die Taufe zur entscheidenden Handlung, dem dreimaligen Untertauchen oder Übergießen, die sakramentale Formel: „N., ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“

Dazu im Gegensatz steht eines der ältesten uns bekannten Taufformulare, das wir in der sogenannten „Traditio Apostolica“ (Apostolische Überlieferung) finden. Auch wenn diese Ordnung nicht die römische Liturgie aus dem 3. Jahrhundert widerspiegelt, wie man lange angenommen hat, sondern eine spätere Kompilation aus dem östlichen Mittelmeerraum darstellt, ist sie ein wichtiges Zeugnis der christlichen Liturgiegeschichte. In diesem Formular fehlt aber in allen Überlieferungssträngen ein solches Sakramentswort, wie wir es heute kennen.

Der grundlegende Glaubensdialog der Taufe

Vielmehr stehen hier im Zentrum die Fragen des Diakons nach den drei Abschnitten des Apostolischen Glaubensbekenntnisses. Dieses Glaubensbekenntnis verwenden wir im deutschen Sprachraum fast durchgängig in der Eucharistiefeier, es stammt aber ursprünglich aus dem Taufritus. So lautet die zweite Frage: „Glaubst du an Jesus Christus, den Sohn Gottes, der vom Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria geboren ist, unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde, gestorben und am dritten Tage lebend von den Toten auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist, zur Rechten des Vaters sitzt und der kommen wird, die Lebenden und die Toten zu richten?“ Auf diese Frage antwortet der Täufling „credo“, „ich glaube“, und wird getauft.

Das entscheidende Sakramentswort ist also ein Dialog zwischen Diakon und Täufling, vielleicht auch nur das dreifache „Ich glaube“ des Täuflings. Dieses „Ich glaube“ ist aber nicht einfach ein Statement, sondern eine Antwort, eine Reaktion. Denn es geht nicht um Formeln, sondern um Personen. Es geht weniger um den „Glauben, dass etwas so war oder ist“, als vielmehr um den „Glauben an jemanden“. Im Vordergrund des Zum-Glauben-Kommens steht nicht die Zustimmung zu einer bestimmten Weltanschauung. Im Mittelpunkt des Glaubens, um den es in der Taufe geht, steht der Glaube an den Gott Israels. Die personale Dimension dieser Gottesbeziehung geht Christen an dem Menschen Jesus von Nazaret auf, an seiner Verkündigung, seinem Lebensweg, seinem Tod am Kreuz und seiner Auferweckung. Diesen Jesus bekennen wir als den „Christus“ (Gesalbten) und als den Sohn Gottes.

Mit dem Zum-Glauben-Kommen vollzieht sich die eine und grundlegende Lebenswende, die Christen kennen und die alle Bereiche des Lebens durchziehen soll. Wir müssen uns zunächst vergegenwärtigen, dass der Standard der frühen Gottesdienstpraxis die Taufe von Erwachsenen und nicht von Säuglingen ist. So sehr der erwachsene Täufling ein „Empfangender“ ist, ein von der Person und Botschaft Jesu Angesprochener, so sehr ist er zugleich ein Handelnder, weil er mit seinem ganzen Leben auf diese Person antwortet. Bei der heute noch vorherrschenden Taufe von Kleinkindern müssen die Kinder im Laufe ihres Lebens allmählich in diese Gottesbeziehung hineinwachsen und speziell die Bedeutung der Person Jesu Christi für sich entdecken, wenn der Glaube tragfähig sein soll. Aber auch bei ihnen ist der Glaube eine Antwort.

 

Die dialogische Struktur in den ältesten Taufberichten

Bereits die ältesten Taufberichte in der Apostelgeschichte weisen eine dialogische Struktur auf. So berichtet Kapitel 8 von der Predigttätigkeit des Philippus in Samarien, zu der es heißt: „Als sie jedoch dem Philippus Glauben schenkten, der das Evangelium vom Reich Gottes und vom Namen Jesu Christi verkündete, ließen sie sich taufen, Männer und Frauen“ (Apg 8, 12). Taufe ist immer Reaktion auf etwas und auf jemanden. Vorgängig ist die Verkündigung von Jesus als dem Propheten Gottes und seiner Frohbotschaft. Eine hohe Relevanz haben Glaubenszeugen und ihre Glaubwürdigkeit. Das Annehmen dieser Verkündigung bedeutet, an die Person Jesu in ihrem ganzen Geschick zu glauben und dass er der „Gesalbte“, der Christus, ist. Dieser Glaube auf Seiten der Menschen führt zum Sich-taufen-Lassen. Obwohl die Taufe etwas ist, das mit und an einer Person durch andere geschieht, die Person in gewisser Weise passiv ist, bleibt die Taufe zugleich etwas aktiv Erstrebtes.

Diese Wechselbeziehung wird ebenso in der kurz darauf beschriebenen Perikope von der Taufe des äthiopischen Kämmerers (Apg 8, 26–40) deutlich. Philippus knüpft in seiner Auslegung der gelesenen Jesajastelle an die Glaubenswelt des Kämmerers an: „Ausgehend von diesem Schriftwort verkündete er ihm das Evangelium von Jesus.“ (Apg 8, 35) Es ist damit die Frohbotschaft und die Person Jesu, die den Kämmerer in seiner Reaktion aktiv werden lassen: „Hier ist Wasser. Was steht meiner Taufe noch im Weg?“ (Apg 8, 36). Erst dann folgt die Taufe durch Philippus (vgl. Apg 8, 38). Und einige jüngere Textzeugen fügen dazwischen noch einen Vers 37 ein: „Da sagte Philippus zu ihm: Wenn du aus ganzem Herzen glaubst, ist es möglich. Er antwortet: Ich glaube, dass Jesus der Sohn Gottes ist.“ Diese Textgeschichte scheint ein Stück der Geschichte des Ritus widerzuspiegeln: Bereits durch die übrige Szenerie wird deutlich, dass der Glaube, der durch die Verkündigung erwirkt wird, die entscheidende Voraussetzung ist, um getauft zu werden. Glaube und Taufe gehören untrennbar zusammen. Mit dem Einschub ist anscheinend eine Phase der frühen Christenheit gekennzeichnet, in dem zusätzlich ein ausdrückliches Bekenntnis des Täuflings zu Jesus Christus verlangt wird. Das spätere Bekenntnis in der Traditio Apostolica, das Apostolische Glaubensbekenntnis, bildet dazu nur eine nochmalige trinitarische Ausweitung, die im Neuen Testament selbst allein im Taufbefehl in Mt 28, 19b zu finden ist.

Die personale Beziehung in den ältesten Taufberichten

Zugleich wird bereits in der Apostelgeschichte der Glaube personal gefüllt, denn er ist kein Glaube an etwas, sondern primär an jemanden. Im umfassenden Geschehen dieser Taufe begegnet der Kämmerer nicht nur einer Lehre, sondern der Person Jesu Christi selbst. Der Glaube ist personale Antwort auf diese Christusbegegnung.

Und dass diese personale Begegnung den Täufling in umfassender Weise verändert, machen andere Textstellen des Neuen Testaments damit deutlich, dass sie von einem ausdrücklichen Empfang des Heiligen Geistes sprechen. „Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg 2, 38; vgl. 1, 5; 10, 44.47f.; 11, 16).

Auch Taufe und Geistempfang gehören untrennbar zusammen und bewirken nicht nur die Begegnung mit dem Auferweckten, sondern lassen die Getauften eins mit ihm werden: „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen ...; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt“ (1 Kor 12, 13). Der Geistempfang ist Wiedergeburt und Erneuerung (Tit 3, 5), also vollkommener Existenzwechsel durch die unauslöschliche Bindung an das Geschick Jesu.

Von daher erweist die Taufe sich als ein umfassendes dialogisches Geschehen, ein Dialog und eine Begegnung des Täuflings mit der Person Jesu, die den Täufling in seiner Reaktion wesentlich verändert. Sie ist personale Antwort und Gnadengeschehen zugleich.

Diskussionen um die Berechtigung der Kindertaufe

Ein Beispiel wechselnder Fragestellungen

Die sachlich nicht trennbare Wechselbeziehung von Gnadengeschenk der Taufe und dem Zum-Glauben-Kommen hat sich im 20. Jahrhundert in der Diskussion um die Kindertaufe widergespiegelt. So sehr nämlich in der Zeit des Neuen Testaments und der antiken bis frühmittelalterlichen Kirche die Erwachsenentaufe die selbstverständliche Norm bildete, so wurden doch ab dem Mittelalter zunehmend Kinder getauft. Besonders die Erbsündenlehre führte dazu, dass die Taufe immer näher an den Geburtstermin eines Kindes heranrückte, bis sie schließlich wenige Tage nach der Geburt vollzogen wurde. Nur die so genannten „Täufer“ des 16. Jahrhunderts gestatteten allein die Taufe von mündigen Erwachsenen.

Die systematische Fragestellung

Es überrascht darum, dass im 20. Jahrhundert eine relativ lange Diskussion um die Berechtigung der Kindertaufe stattfand, die in der evangelischen Kirche geführt wurde, aber auch in die katholische Kirche ausstrahlte. Wichtig ist der Kontext der zunächst systematischen Diskussion: Auslöser war der reformierte Theologe Karl Barth, der 1943 die Praxis der Kindertaufe verwarf. Er protestierte gegen die gängige Volkskirchlichkeit, die die Taufe als Konvention und Abrundung des gesellschaftlichen Lebens ansah. Diese Volkskirchlichkeit sah er durch Kaiserreich und Naziregime korrumpiert. Entscheidend für Taufe (und Kirchenverständnis) sei hingegen die freie und mündige Glaubensentscheidung des Einzelnen. Der Glaube sei Antwort des Menschen auf das heilswirksame Wort Gottes – die Taufe eher Mittel und Abbild für dieses Geschehen.

Der Theologe Heinrich Schlier widersprach dem im Jahr 1947 und berief sich auf die lutherische Bekenntnistradition: Selbstverständlich sei die Taufe ein Zeichen, aber eines, das ursächlich das Heil des Täuflings bewirke, weil Christus sich und seine Gnade an dieses Zeichen gebunden habe. Sicher sei der Glaube notwendig, mache aber nicht erst das Zeichen wirksam. Von der Theologie des Neuen Testaments (besonders Joh 3, 5) her sei die Kindertaufe notwendig. Ansonsten biete das Neue Testament keine klare Aussage zur Taufe von Kindern.

Die biblisch-historische Fragestellung

Damit veränderte sich die Diskussion in Richtung einer biblisch-historischen Fragestellung, ob zur Zeit des Neuen Testaments schon Unmündige getauft wurden – dogmatisch hielten die beiden neuen „Kontrahenten“ die Kindertaufe für gerechtfertigt. Joachim Jeremias vertrat 1958 die Auffassung, dass neben anderen Stellen vor allem die so genannten Oikos-Formeln der Apostelgeschichte als Beleg für die Kindertaufe herangezogen werden müssen. Mehrfach finden sich im Neuen Testament Aussagen, dass sich eine Person und ihr ganzes „Haus“ (griechisch: oikos) habe taufen lassen (vgl. Apg 11, 13f.; 16, 15; 16, 31.33; 18, 8). Im Hintergrund stand die Übertragung der jüdischen Sitte, dass beim Übertritt zum Judentum sich nicht nur der Mann als Hausvorstand beschneiden ließ, sondern alle Familienangehörigen – auch die kleinen Kinder – die Proselytentaufe empfingen und alle männlichen Angehörigen beschnitten wurden. Gleiches wurde nun für den Übertritt zum Christentum vermutet – obwohl die jüdische Proselytentaufe selbst erst für spätere Zeit belegt ist. Kurt Aland hingegen sah 1961 gerade die Auffassung des Paulus, dass die Kinder einer heidnisch-christlichen Mischehe durch den christlichen Elternteil geheiligt seien (1 Kor 7, 14), als Beleg an, dass dieser von der Sündlosigkeit christlicher Kinder ausgehe. Erst die Kirche habe im Laufe des 2. Jahrhunderts eine andere Position eingenommen.

Heute besteht ein gewisser Konsens, dass für die neutestamentliche Zeit eine Taufe von Unmündigen weder bewiesen noch widerlegt werden kann. Gängige Form war sicher die Erwachsenentaufe; für das Ende des 2. Jahrhunderts ist die Kindertaufe auf jeden Fall nachweisbar. Augustinus machte dann die bestehende Praxis der Kindertaufe mit ihren exorzistischen Formeln zur Grundlage seiner Erbsündenlehre, die die Tauftheologie der folgenden Jahrhunderte prägte.

Die theologische Relevanz der Fragestellung

Nun kann man leicht einwenden, dass dies doch eine rein innerevangelische Diskussion ist, die nicht weiter tangieren muss. Dennoch hat die Beobachtung der Argumente auch in der katholischen Kirche zu vorsichtigeren Äußerungen geführt. Die katholische Kirche hatte im Trienter Konzil die täuferische Position strikt abgelehnt mit der Begründung, dass die Taufe der kleinen Kinder, die keinen eigenen Glaubensakt vollziehen können, aufgrund des Glaubens der Kirche geschehe. Dahinter steht die Überzeugung der scholastischen Theologie, dass die Taufe den Glauben als habitus, d. h. als von Gott geschenkte Befähigung, eingieße. Der Glaube als actus, als eigenverantwortliche Verwirklichung des habitus, müsse im Erwachsenenalter folgen. Entsprechend wurde das Kind bis zur Liturgiereform in der Taufe angeredet, aber die Paten antworteten an seiner statt. In der Neuzeit wurde deshalb die Firmung zunehmend als Akt des eigenen, mündigen Bekenntnisses gedeutet. Folglich steht dann die Kirche in der Pflicht, den Glauben des Einzelnen nach der Taufe zu fördern. Solange die Gesellschaft und das Leben des Einzelnen von der Kirche geprägt waren, konnte von der beschriebenen Abfolge mit einiger Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden.

Die praktische Relevanz der Fragestellung heute

Heute stellt sich die Situation aber anders dar in einer Gesellschaft, in der die beiden Großkirchen in Deutschland nur noch jeweils 30 % der Bevölkerung als Mitglieder zählen. Zwar fordert das katholische Kirchenrecht im Canon 867 § 1 weiterhin die Taufe eines Kindes in den ersten Wochen nach der Geburt und haben kirchliche Mitarbeiter mit Konsequenzen zu rechnen, wenn sie ihre Kinder bewusst nicht taufen lassen.

Andererseits hat das liturgische Buch „Die Feier der Kindertaufe“ schon längst die neue Situation im Blick: Wenn weder die Eltern noch eine Person aus dem Umfeld des Kindes sich für die religiöse Erziehung des Kindes verantwortlich zeigen können, besteht die Möglichkeit des Taufaufschubs. Damit wird die Frage der Kindertaufe zu einer Frage der pastoralen Praxis, die erhebliches Fingerspitzengefühl erfordert. Zudem führt mittlerweile die konstante Zahl von Taufen von Kindern im Schulalter und von Erwachsenen (seit 1996 in Deutschland jährlich über 10 000) zu einer gewissen Gelassenheit im Umgang mit dem Phänomen.

Von Seiten der Eltern scheint sich die Frage nach der Berechtigung der Kindertaufe in der Regel nicht zu stellen – die Taufrate der Kinder von in Glauben und Kirche gebundenen Eltern ist unvermindert hoch.

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