Loe raamatut: «Mentoring - im Tandem zum Erfolg», lehekülg 3

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Mitunter zeichnen sich in den Mentoring-Gesprächen relevante Veränderungen im unmittelbaren Arbeitsumfeld der Mentees ab. Die Auswirkungen geplanter Reorganisationen, Aufgabenumverteilungen oder die Einbindung des Mentees in relevante Projekte lassen dann den ursprünglich abgestimmten Themenkatalog in den Hintergrund treten. Statt schrittweiser Karriereplanentwicklung gilt es nun, sich neu zu orientieren und zu positionieren. Mit meinen eigenen Restrukturierungserfahrungen im Gepäck habe ich in solchen Situationen gemeinsam mit dem Mentee Strategien zur Begrenzung persönlicher Beeinträchtigung erarbeitet. Genauso wichtig war es mir, auch die Chancen für den Mentee zu benennen, die solchen Veränderungsprozessen regelmäßig innewohnen.

Gerade in Phasen von Verunsicherung können die MentorInnen durch das Wahrnehmen und Erklären von Verhaltensmustern zu einer Stabilisierung des Mentees beitragen und etwaige Überreaktionen vermeiden helfen. Aufeinander einzugehen und gemeinsam Strategien zu entwickeln macht das Mentoring lebendig und gibt diesem anspruchsvollen Instrument die besondere, individuelle Note.

In vielen Gesprächen mit Mentees geht es um das Themenfeld innerbetrieblicher Konflikte. Zunächst stehen die Wahrnehmung von Konflikten und deren Anerkennung im Vordergrund. Gerade wenn Mentees erste Führungsverantwortung übernommen haben oder kurz davorstehen, sehen sie sich mit Situationen konfrontiert, in denen sie plötzlich zum Feindbild ihrer Mitarbeiter werden. Darüber hinaus wird von ihnen erwartet, die Interessen ihres Verantwortungsbereichs zu vertreten und dafür gegebenenfalls auf Konfrontationskurs zu gehen. Eine Hilfestellung in der Konflikthandhabung kann es sein, wenn die MentorInnen die Mentees anregen, den Konflikt nicht nur aus der Sicht eines Beteiligten zu betrachten. Die in den Konflikt involvierten Parteien, deren Interessen sowie auch mutmaßliche Profiteure des Konflikts zu benennen weitet den Blick und vermag den Weg für kreative Lösungen zu bereiten. Ergänzend ist die Anleitung zu einem wertschätzenden Kommunikations- und Konfliktverhalten, das sich an den Interessen der Konfliktbeteiligten ausrichtet und die spezifische Unternehmenskultur berücksichtigt, ein wichtiger Beitrag zur persönlichen Weiterentwicklung der Mentees.

Fazit

Lassen sich Mentor und Mentee darauf ein, die eigenen Erfahrungen und Wertvorstellungen auf Augenhöhe auszutauschen, ergeben sich für beide Beteiligten beste Voraussetzungen für persönliches Wachstum. Mich begeistern die Vielfalt der Themen, die vertrauensvolle Offenheit und die Intensität in den Begegnungen.

Während die Einbindung der Mentees in dieser Rolle wohl einmalig bleiben und Spuren hinterlassen dürfte, stellt sich bei den MentorInnen die Frage: Wie viel Mentoring geht? Sicher können MentorInnen im Zeitablauf mehrmals eine solche Aufgabe übernehmen und damit auch eine gewisse Routine aufbauen. Ich halte eine parallele Tätigkeit in mehr als einer Verbindung wie auch zeitlich eng aneinandergereihte Mentorings dagegen für problematisch, will man die Exklusivität nicht der Gefahr einer gewissen Beliebigkeit aussetzen.

So ist Mentoring für mich ein wertvolles Instrument, die Entwicklung individuell bestimmter Führungsnachwuchskräfte gezielt zu fördern – und damit für mich als Mentor jedes Mal neu eine Herausforderung, die ich gerne annehme. Denn es gibt mir die Chance, im Verständnis der Notwendigkeit eines lebenslangen Lernens meinen Horizont nicht kleiner werden zu lassen …


Nicht jedes Programm, das als »Mentoring« beschrieben wird, ist tatsächlich ein Mentoring-Programm. Und nicht für jede Problemstellung ist Mentoring das richtige Instrument. Um unter der Vielzahl von Personalentwicklungsmaßnahmen die richtige Wahl zu treffen, müssen Zielgruppe und Ziele sorgfältig geklärt werden. Die Implementierung einer ungeeigneten Maßnahme führt zu hohen Kosten, eventuell Frustration der TeilnehmerInnen und Enttäuschung bei der Projektgruppe.

Die Anwendung der Qualitätsmerkmale der Deutschen Gesellschaft für Mentoring ist eine gute Orientierung für die Durchführung eigener Programme. Es ist Unternehmen, die eigene Mentoring-Programme durchführen, möglich, diese Programme zertifizieren zu lassen. Alternativ ist eine professionelle Begleitung von Mentoring-Programmen durch DGM-zertifizierte Unternehmen garantiert. Mentoring-Anbieter, die nach den Qualitätsstandards der DGM arbeiten, und weitere Informationen bezüglich der Zertifizierung finden Sie unter: www.dg-mentoring.de.


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Das Matching: Wie aus zwei Personen ein Tandem wird


Nach der grundsätzlichen Entscheidung für ein Mentoring-Programm und für die Zielgruppe, nach dem Auswahlprozess und den Interviews mit den Mentees und MentorInnen kommt es zu dem Punkt, von dem primär der Erfolg (oder Misserfolg) des Programms abhängt: zum Matching der Tandems. Da es sich um eine elementar wichtige Aufgabe für die Projektgruppe handelt, stellen wir ausführlich die wichtigsten Voraussetzungen und »Stolpersteine« vor, bevor wir die Mentoring-Programme selbst näher beleuchten.

Die Vorbereitung des Mentoring-Programms und das Kennenlernen der Tandems sind mit dem Bau eines Schiffes und dem Zeitpunkt, zu dem es zu Wasser gelassen wird, vergleichbar. Der Plan war prima, das Schiff liegt in der sicheren, trockenen Halle und sieht gut aus. Ist während der Bauphase ein Fehler passiert, wird dies erst bemerkt, wenn das Schiff im Wasser ist. Lässt es sich leicht manövrieren? Dringt irgendwo Wasser ein? Damit es nicht zu solchen Problemen kommt, ist es entscheidend, im Vorfeld alles mehrfach und aus verschiedenen Blickwinkeln zu prüfen: Ist das Schiff für die eigenen Bedürfnisse geeignet? Steht eine Weltumseglung auf dem Plan oder bleibe ich auf der Alster? Bin ich alleine oder gibt es eine Crew, die mitberücksichtigt werden muss? Ähnliche Fragen stehen am Beginn des Matching-Prozesses, die die Projektgruppe berücksichtigen muss: »Wer mit wem? Und warum?« Wenn Sie von den TeilnehmerInnen hören: »Ich habe keine Idee, was Sie sich bei dieser Zusammenstellung gedacht haben, aber sie ist großartig!« oder »Ich wäre niemals darauf gekommen, dass mein Mentor und ich zusammenpassen könnten, aber die Arbeit ist spannend und zielführend!«, wissen Sie, dass Sie im Vorfeld alles richtig gemacht haben. Auf diesem Weg unterstützen wir Sie mit Informationen und Erfahrungen.

Damit die Tandems am Tag der Auftaktveranstaltung ihre gemeinsame Reise ohne Probleme antreten können, bedarf es vorab genauer Überlegung und viel Vorarbeit. Die folgenden Hinweise und Informationen beziehen sich ausschließlich auf interne Programme, die innerhalb eines Unternehmens implementiert werden. Die Besonderheiten des Cross-Mentorings, in dem Mentee und MentorIn aus unterschiedlichen Unternehmen kommen, erörtern wir in Kapitel 4. Für ein erfolgreiches und für alle Seiten zufriedenstellendes Mentoring-Projekt empfiehlt es sich, die im Folgenden aufgezeigten Punkte als Orientierungshilfe zu nehmen. Dies muss jedoch zur Unternehmenskultur passen und kann somit jeweils individuell ergänzt, erweitert oder mit Änderungen übernommen werden.

Optimales und suboptimales Matching

Bei den folgenden Arbeitsschritten handelt es sich um Empfehlungen, die wir auf insgesamt zwanzig Jahre Mentoring-Erfahrung und mehr als 3.800 erfolgreich gematchte Tandems gründen. Der Vollständigkeit halber seien jedoch auch Möglichkeiten des Matchings erwähnt, die aus Sicht der Autorinnen zwar nicht empfehlenswert sind, jedoch durchaus praktiziert werden. Die Begrifflichkeiten wurden zur besseren Anschaulichkeit gewählt und haben keinen wissenschaftlichen Hintergrund.


Bei der Zusammenstellung der Tandems ist besonders darauf zu achten, dass keine direkte oder indirekte Verbindung zwischen Mentee und MentorIn besteht. Um einen vertrauensvollen Austausch zu ermöglichen, sollten Mentees nicht in einer hierarchischen Abhängigkeit zu ihren MentorInnen und die MentorInnen nicht in einem engen Arbeitsverhältnis zu den Vorgesetzten der Mentees stehen.

Das PraktikantInnen-Matching

Ein Mentoring-Programm soll implementiert werden. Die Idee wird für gut befunden und angenommen; jedoch verfügen die Abteilungen, in denen es umgesetzt werden soll, weder über Ressourcen noch Erfahrungen mit dem Thema. In solchen Fällen bietet es sich an, eine motivierte, eventuell in Personalthemen erfahrene studentische Aushilfe mit dem Matching zu betrauen. Der oder die PraktikantIn hat »etwas Eigenes« zu bearbeiten, die Fortschritte und Ergebnisse lassen sich gut darstellen und im besten Fall kann die Personalabteilung mit wenig Aufwand einen guten Eindruck machen. In der Praxis sieht das leider meistens so aus, dass eine unerfahrene Studentin anhand von vagen Aussagen und Organigrammen (»Controlling und Vertrieb müssen auf jeden Fall zusammen!«) ohne weitere Hintergrundinformationen Tandems zusammenstellt, die häufig ohne jede weitere Begleitung, wie Rahmenprogramm, Netzwerktreffen oder Feedbackgespräche, miteinander arbeiten sollen.

Die Nachteile: Mentoring soll implementiert werden, jedoch ohne Kosten und Aufwand. Das führt dazu, dass es im Unternehmen nicht als wertig wahrgenommen werden kann – sonst würde es professioneller kommuniziert und begleitet werden. MitarbeiterInnen und Führungskräfte, die einmal an einem solchen »Mentoring-Programm« teilgenommen haben, sind von der Wirksamkeit definitiv nicht überzeugt. Durch die fehlende professionelle Betreuung kann es dazu kommen, dass sich die Tandems gar nicht, nur vereinzelt oder über einen deutlich kürzeren als den vereinbarten Zeitraum treffen.

Die Vorteile: Der personelle und finanzielle Aufwand ist gering.

Das informelle Matching

Eine ebenfalls häufig praktizierte Form des Mentorings ist das sogenannte »informelle« Mentoring. Hier benennt (in den meisten Fällen) die Personalabteilung motivierte MitarbeiterInnen oder durch bestimmte Maßnahmen identifizierte PotenzialträgerInnen, mithin eine Gruppe von Führungskräften, die sich als MentorInnen zur Verfügung stellen beziehungsweise aufgrund ihrer Position oder Stellung gesetzt sind. Die grundsätzliche Bereitschaft der TeilnehmerInnen ist zwar gegeben, jedoch fehlt auch hier die professionelle Begleitung und Auswahl der Tandems. Die Auswahl der MentorInnen kann nur aufgrund der den Mentees bekannten Parameter (Abteilung, Name, sympathisches Bild, eventuell gemeinsame Kontakte) geschehen. Hier spielt das »Gesetz der Sympathie«, das noch ausführlich beschrieben wird, eine große Rolle.

Die Nachteile: Ähnlich wie beim PraktikantInnen-Matching fehlt auch hier die professionelle Zusammenstellung und Begleitung der Tandems. Hier kann es ebenfalls zu Konstellationen kommen, die gar nicht oder nur geringfügig miteinander arbeiten. Es findet keine tatsächliche Implementierung der Maßnahme im Unternehmen statt, die Wertschätzung des Vorstands oder der Geschäftsführung wird nicht deutlich, es wird kein Rahmenprogramm angeboten.

Die Vorteile: Positiv zu erwähnen ist die grundsätzliche Bereitschaft der Führungskräfte, als MentorInnen zu agieren. Dies bedeutet eine bejahende Einstellung zum Thema und die Bereitschaft, Nachwuchskräften als AnsprechpartnerIn zur Verfügung zu stehen. Auch ohne professionelle Begleitung kann bei entsprechendem Engagement der Beteiligten eine gute Vernetzung innerhalb des Unternehmens stattfinden.

Das Personalabteilungs-Matching

Diese Form des Matchings ist neben dem professionellen Matching die in den Unternehmen am häufigsten durchgeführte Art, Tandems zusammenzustellen. Hierbei wird in den meisten Fällen das gesamte Mentoring-Projekt in die Personalabteilung oder Personalentwicklung involviert.

Die Nachteile: In der Personalabteilung kennt man die Mentees und häufig auch die MentorInnen aus anderen Zusammenhängen. Es ist fraglich, ob die BewerberInnen sich den Personalreferenten gegenüber tatsächlich öffnen, wenn die Probleme, die sie beschäftigen, systemimmanent sind oder mit Führungskräften oder gemeinsamen KollegInnen zu tun haben. Mentees und MentorInnen versuchen häufig auf dem »kurzen Dienstweg« ihre Wünsche zu platzieren. Bei der Aussage eines Mentors »Ich hätte gerne eine Blonde!« handelt es sich nicht um die Fantasie der Autorinnen, sondern um eine reale Begebenheit. Ebenfalls problematisch ist das vermeintliche oder reale Wissen um die jeweiligen Personen, das bei einem Matching nicht »ausgeschaltet« werden kann. KollegInnen oder Vorgesetzte, die einander zum Teil seit Jahren bekannt sind und die gemeinsame Erlebnisse verbinden, sind schwerlich neutral, also unter dem eigentlichen Mentoring-Gedanken zu betrachten.

Die Vorteile: Eine interne Übernahme dieser Aufgaben kann unter bestimmten Umständen günstiger sein als die Beauftragung von externen ExpertInnen. Die Personalabteilung verfügt über Informationen zu den jeweiligen BewerberInnen beziehungsweise kann sich diese schnell beschaffen. Bei Fragen der potenziellen TeilnehmerInnen ist die Personalabteilung schnell ansprechbar und kann unternehmensspezifische Veranstaltungen organisieren.

Das professionelle Matching

Das professionelle Matching ist die transparenteste und professionellste Lösung. Je nach Wunsch des Auftraggebers ist es möglich, dass nicht das gesamte Programm extern begleitet wird, sondern nur bestimmte Bereiche. Es kann zum Beispiel die Auswahl von Mentees und MentorInnen innerhalb des Unternehmens (etwa durch die Personalabteilung) durchgeführt und nur das Matching von externen ExpertInnen übernommen werden.

Die Nachteile: Die Beauftragung externer ExpertInnen kann unter Umständen intern als unangemessen angesehen werden. Zudem entstehen Kosten für die Übernahme der Aufgaben, die budgetiert werden müssen. Besonders MitarbeiterInnen, die nicht an dem Programm teilnehmen (dürfen), stehen diesen Ausgaben häufig kritisch gegenüber.

Die Vorteile: Externen ExpertInnen wird meistens uneingeschränkt vertraut, wenn es um die Bewerbung und das Verfahren innerhalb des Mentorings geht. Sowohl Mentees als auch MentorInnen können offen und ohne Vorbehalte Fragen stellen und die Themen, die sie bearbeiten möchten, benennen. Mentoring-ExpertInnen verfügen über die notwendige Expertise und im positiven Sinne Routine, was die Interviews und die Entscheidung für oder gegen eine Teilnahme am Programm angeht. Aufgrund ihrer Erfahrungen können sie den nicht berücksichtigten BewerberInnen ein offenes und konstruktives Feedback geben.

Mismatching – wenn ein Tandem nicht gelingt

Trotz aller Vorbereitung und Einhaltung von Qualitätskriterien und dem Abgleich von Organigrammen kann es passieren: Ein Tandem lernt sich auf der Auftaktveranstaltung kennen – und die Chemie stimmt nicht. Die spontane Sympathie oder Antipathie der Teilnehmenden ist das Einzige, worauf sich die Projektgruppe nicht vorbereiten kann. Dass dieses Phänomen nur sehr selten auftritt, zeigt die Tatsache, dass von bisher mehr als 3.800 von uns gematchten Tandems nur ein einziges aufgrund mangelnder Sympathie aufgelöst und neu zusammengestellt werden musste. Hier hilft primär das offene Gespräch. Während des Interviews und des Abgleichs eventueller Ausschlusskriterien von MentorInnen (siehe Kapitel 3) sollte bereits erwähnt werden, dass es vorkommen kann, dass ein Tandem nicht zusammenpasst und dass das keinerlei Konsequenzen nach sich zieht, außer natürlich der Neuzusammenstellung des Teams.

Im Idealfall ist die Projektgruppe auf der Auftaktveranstaltung vertreten und erlebt alle Tandems im ersten Kennenlernen. Kommt es hier bei einem Tandem zu einem Störgefühl oder Unstimmigkeiten, ist dies zu berücksichtigen. In den meisten Fällen beruhen diese Gefühle auf Gegenseitigkeit, das heißt, einem Mentee, der seine MentorIn als unsympathisch wahrnimmt, wird selten von der Gegenseite große Sympathie entgegengebracht. Um niemanden zu brüskieren, sollten die Betroffenen dieses Gefühl zeitnah nach der Veranstaltung der Projektgruppe mitteilen. In einer ruhigen Situation können die Beteiligten die weitere Vorgehensweise klären. Um sicherzugehen, dass es sich nicht um eine vorübergehende Irritation handelt, empfiehlt sich zumindest ein reguläres Kennenlerntreffen außerhalb der Auftaktveranstaltung. Sollte es nach diesem Treffen nicht zu dem gewünschten Effekt des »Wir freuen uns auf die gemeinsame Arbeit miteinander!« kommen, hilft nur die sofortige Trennung des Mentoring-Paares und ein erneutes Matching. Dies sollte möglichst schnell und ohne jede Sanktion gegenüber den Mentees passieren, sie haben keinerlei Konsequenzen zu befürchten. Besonders den Mentees gegenüber muss sehr deutlich gemacht werden, dass es sich hier um die Ultima Ratio handelt.

Arbeitet ein Tandem seit mehreren Monaten regelmäßig und zielführend zusammen und melden sich Mentees erst nach einiger Zeit, um zu sagen, dass sie »sich das doch anders vorgestellt hätten« beziehungsweise »die Mentorin doch nicht den eigenen Wünschen entspricht«, kann man davon ausgehen, dass das Problem nicht in der Zusammenstellung des Tandems liegt. Der Zeitpunkt, zu dem Mentees sich so äußern, geht häufig konform mit dem Verlassen der Komfortzone. Nach den ersten Treffen, dem ersten Kennenlernen hat sich die damit einhergehende Aufregung gelegt, es ist eine Form der Routine eingetreten. Und die Ansprüche der MentorInnen steigen. Im übertragenen Sinne liegt der Finger in der Wunde, die Mentees sollen und müssen sich bewegen, um einen Fortschritt zu erzielen und das Programm erfolgreich zu absolvieren. Hier ist Sensibilität vonseiten der MentorInnen gefragt, um die Mentees zu fordern, aber nicht mit dem eigenen Ehrgeiz zu überfordern.

Wer mit wem aus welchen Gründen?

Wenn im Idealfall von allen interviewten Personen ausführliche Profilbögen (siehe Kapitel 3) erstellt sind und eine größere Anzahl von MentorInnen zur Verfügung steht, als für das Programm benötigt wird, beginnt der tatsächliche »Zauber des Matchings«. Hier stehen eindeutig die potenziellen Mentees und ihre Themen im Vordergrund. Und das, was zwischen oder hinter den einzelnen Problemen oder Zielen steht. Eine Gefahr im Matching besteht darin, dem (wichtigen) ersten Eindruck zu viel Bedeutung beizumessen.

Das bedeutet beispielsweise, dass eine Mentee mit dem Thema »Vereinbarkeit von Familie und Beruf« fast reflexartig nach einer weiblichen Begleitung, am allerliebsten mit eigenen Kindern, fragt. Und fast ebenso reflexartig reagiert in den meisten Fällen die Projektgruppe, die unter den MentorInnen besonders intensiv nach einer Mutter, in jedem Fall aber nach einer Frau sucht. Es kann durchaus sein, dass dieser Mentee ein Role-Model als Mentorin helfen würde. Ein weibliches Vorbild, das die gleichen Erfahrungen gemacht hat. Ebenso wahrscheinlich ist jedoch, dass hinter diesem primären Thema »Vereinbarkeit von Familie und Beruf« weitere Aspekte stehen, die von einer Mentorin mit oder ohne Kinder oder auch von einem Mentor optimal begleitet werden können. Dies kann etwa das Thema Führung sein. Vielleicht benötigt die Mentee mehr Vertrauen in ihre eigenen Führungskompetenzen, um Aufgaben zu delegieren. Ebenfalls ist denkbar, dass sich das Problem reduziert, wenn Meetings in der Kernarbeitszeit stattfinden oder sie an einem Tag in der Woche im Home-Office tätig sein kann. Vielleicht stellt sich die Frage nach dem nächsten Karriereschritt; auch hier kann ein männliches Pendant unter Umständen hilfreicher sein als eine Frau in einer ähnlichen Situation.


Spontan werden oft Wünsche in Bezug auf persönliche Präferenzen bedient: Eine sensible Mentee wird mit einer für ihre Empathie und Ruhe bekannten Mentorin gematcht, ein zielstrebiger junger Mann mit deutlichen Karriereambitionen bekommt eine im Unternehmen anerkannte männliche Führungskraft, die für eine entsprechende Vernetzung hilfreich ist. Auch hier ist ein zweiter Blick sinnvoll: Welche Kompetenzen können noch gefördert werden? Welche Themen finden im Alltag zu wenig Raum, um bearbeitet zu werden? Häufig ist der erste Gedanke nicht der »perfect match«.

Matching ist ein Prozess, der Zeit und Kreativität benötigt. Die Tandems haben einen langen gemeinsamen Weg vor sich, dessen Erfolg primär durch ein optimales Matching ermöglicht wird. Dem Projektteam muss seine Verantwortung in diesem Fall sehr deutlich sein. Das Zusammenstellen der Tandems bedeutet, zwei Personen für einen langen Zeitraum (meistens ein Jahr) zusammenzubringen. Die Erfahrung zeigt, dass sowohl Mentees als auch MentorInnen sich innerhalb des Programms deutlich verändern. Ein gutes Matching erfordert Mut zum Querdenken und Fantasie. Sind die PartnerInnen sich zu ähnlich, ist die Chance, dass sie sich sympathisch sind, sehr groß. Ebenso groß ist die Gefahr, dass sie nicht zu optimalen Ergebnissen kommen, weil eine gewisse zwischenmenschliche Reibung fehlt. Zu viel Unterschiedlichkeit zwischen Mentee und MentorIn garantiert zwar diese Reibung, sorgt jedoch vermutlich dafür, dass das Tandem ebenfalls kaum zum Arbeiten kommt, weil die beiden mit Auseinandersetzungen beschäftigt sind.8 Für ein optimal agierendes Tandem benötigt es eine »konstruktive Unähnlichkeit«.

Konstruktive Unähnlichkeit

Konstruktive Unähnlichkeit ist das Ideal zwischen Ähnlichkeit und Unähnlichkeit bei Mentee und MentorIn. Es ist die große Herausforderung für die Projektgruppe, zwei Personen zu einem Tandem zusammenzustellen, die den größtmöglichen Mehrwert miteinander haben. Dieses Fingerspitzengefühl ist das, was »Zauber des Matchings« genannt wird. Hierfür benötigen die Verantwortlichen den Mut, wirklich alle Konstellationen »zu denken« und nicht bereits im Vorfeld zu selektieren. Diese unbewusste Voreingenommenheit ist menschlich und nachvollziehbar, aufgrund verschiedener Faktoren (u.a. Gesetz der Sympathie und Halo-Effekt, auf die später noch eingegangen wird) entstehen Eindrücke, die als Realität wahrgenommen werden. In der Mentoring-Beziehung ist es durchaus erwünscht, dass beide TeilnehmerInnen sich ein Stück weit aus ihrer Komfortzone und ihren üblichen Gedankengängen herausbewegen. Dies erfordert von Mentees und MentorInnen den Mut, sich auf das Abenteuer neuer Erfahrungen einzulassen – und von den Verantwortlichen die Courage, sich von feststehenden Meinungen zu lösen. Auf den ersten Blick unpopuläre Entscheidungen in Bezug auf die Tandems können zu den besten Ergebnissen führen. Ist die Wahl von MentorIn und Mentee nach den geschilderten Parametern vorgenommen worden und transparent für alle Beteiligten, sollte sie akzeptiert werden, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar erscheint.

Wie weit genau die Unähnlichkeit gehen kann, muss mit Empathie und Feingefühl eruiert werden. Hier helfen sowohl Lebens- und Berufserfahrung als auch die Vorstellung, wie ein Tandem zusammenarbeitet. Sind sich beide zu ähnlich, beispielsweise zurückgenommen und tendenziell schüchtern, wird es nicht zu einer energievollen Zusammenarbeit kommen können. Mentee und MentorIn bestärken sich im Zweifelsfall in ihren Eigenschaften, es findet keine Bewegung statt, die einen neuen Blick auf die Situation oder auf Verhaltensweisen ermöglicht. Wichtig ist hier, dass es nicht um eine Be- oder Abwertung bestimmter Charakterzüge geht. Alle Mentees und MentorInnen sollten in ihrer Persönlichkeit und ihren Dispositionen respektiert und wertgeschätzt werden.

Beim Matching der Tandems geht es primär um die Kombination verschiedener Eigenschaften, die sich ergänzen. Ein sehr ruhiger Mentee kann durch einen extrovertierten Mentor aus seiner Komfortzone bewegt werden, während das Matching »extrovertierter Mentee mit extrovertiertem Mentor« wieder kontraproduktiv wäre. Zwei Tandempartner, die ein großes Geltungsbewusstsein haben und sich viel mitteilen möchten, werden vermutlich keinen intensiven Austausch ermöglichen können, in dem sie wirklich hinhören und gemeinsam nach möglichen Wegen suchen.

Eine häufige Aussage von Mentees in den ersten Feedback-Telefonaten ist: »Ich habe so ein Glück gehabt mit dem Matching! Wir passen optimal zueinander!« An dieser Stelle geben wir gerne noch einmal den Hinweis, dass das Matching nicht nach dem Zufallsprinzip stattgefunden hat, wir weder gewürfelt noch mit Dartpfeilen geworfen, sondern nach einer Vielzahl von Kriterien die jeweiligen Tandems zusammengestellt haben. Und häufig bekommen wir dann so tolle Aussagen wie die einer Mentee der Bremer Senatsverwaltung:9 »Nach fast einem Jahr Mentoring und vielen Gesprächen mit meinen Mit-Mentees habe ich den Eindruck, dass die Mentorin beziehungsweise der Mentor nicht allein der Schlüssel zum Erfolg ist, sondern tatsächlich das Kriterium für den Erfolg darstellt.«

Um dieses Potenzial entfalten zu können, braucht es eine(n) MentorIn, der/die zur Mentee »passt« – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Interessant ist aber die Frage, was mit »passen« überhaupt gemeint ist. Hierzu einige Gedanken einer von uns betreuten Mentee:

• Als Role-Model ist ein(e) MentorIn nur mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen geeignet: Ein »Über«-Vater oder eine »Über«-Mutter erscheint unglaubwürdig in der persönlichen Perfektion oder sorgt für den Eindruck der eigenen Unzulänglichkeit. Zudem: Wer möchte schon gerne bemutternd behandelt werden, wenn er selbst Interesse an einer Führungsaufgabe hat?

• Hilfreich scheint jemand zu sein, den/die ich als open-minded beschreiben möchte, also jemand, der/die tatsächlich an einem Austausch interessiert ist, der/die sich noch an eigene Erfahrungen zu Beginn seiner/ihrer Leitungsaufgaben erinnert. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich hieraus oft eine diskurshafte Betrachtung von Situationen ergibt, die zu einem individuellen Lösungsvorschlag führen kann.

• Ich suche mir dann und wann »partielle Vorbilder«, das heißt Menschen, bei denen ich bestimmte Eigenschaften schätze und als nachahmenswert ansehe. Bei einer Leitungsaufgabe habe ich auch Bilder vor Augen. Mit meiner Mentorin habe ich jemanden kennengelernt, der für den Bereich der Leitungsaufgaben als »partielles Vorbild« geeignet ist. Zum Beispiel besitzt sie die Fähigkeit, die eigenen Leistungen zu hinterfragen und von mehreren Seiten zu beleuchten. Für mich ist dies eine sehr wertvolle Eigenschaft, für eine Führungsaufgabe scheint sie mir erstrebenswert zu sein.

Gesetz der Sympathie:

Wahrnehmungsfehler in der Personalentwicklung

Menschen nehmen selektiv wahr. Das, was gut zu den eigenen Erwartungen und Erfahrungen passt, wird eher registriert als etwas, was nicht in das gewohnte Bild passt. Das »Gesetz der Sympathie« besagt zum Beispiel, dass das Vertrauen in Personen größer ist, wenn sie uns sympathisch sind. Gleiches gilt für die angenommene Kompetenz und Glaubwürdigkeit. Ohne jede faktische Begründung werden hier positive Eigenschaften vorausgesetzt. Bei diesem Gefühl handelt es sich um etwas, das nicht bewusst steuerbar ist, sich also außerhalb der rationalen Wahrnehmung befindet. Aus diesem Grund ist eine gezielte Änderung des Gefühls nur sehr bedingt möglich. Die Gründe für eine empfundene Sympathie (oder auch Antipathie) entziehen sich dem Bewusstsein und lassen sich nur eingeschränkt nachvollziehen.

Das menschliche Gehirn wäre schlichtweg überfordert, wenn bei jedem Eindruck, bei jedem persönlichen Kontakt das ganze »Programm« ablaufen müsste: Freund oder Feind? Fliehen oder Bleiben? Ganz abgesehen von den »Details« wie: Mann oder Frau? Bekannt oder unbekannt? Alt oder jung? Gepflegt oder ungepflegt? Diese Liste lässt sich fast beliebig fortsetzen. Bevor man in der Lage wäre, auch nur einen Menschen in dieser Ausführlichkeit zu erfassen, wäre viel zu viel Zeit vergangen. Das Gehirn hat sich hierfür etwas sehr Pragmatisches einfallen lassen: Es clustert, steckt alle Informationen, die es aufgenommen hat, in gemeinsame »Erfahrungsschubladen«. Dies ermöglicht einen Alltag, in dem nicht jeden Tag aufs Neue jeder noch so flüchtige Kontakt bewusst abgescannt werden muss. Der positive Effekt dieser Einordnung in verschiedene Kategorien ist, leichter mit der Komplexität von Eindrücken und Begegnungen umgehen zu können. Ein negativer Aspekt ist, dass diese unreflektierten Bewertungen über Stereotype zu einer Diskriminierung bestimmter Personengruppen führen.

Auch dies ist prinzipiell gut nachvollziehbar: Stereotype Gruppen können zum Beispiel Frauen, Männer, Menschen mit Migrationshintergrund, Rentner oder Jugendliche sein. Diese Stereotype gelten also zunächst nur der Zuordnung bestimmter Personen zu einer Gruppe. Interessant wird es dann, wenn dieser Gruppe feste Eigenschaften zugewiesen werden, beispielweise:

• Frauen interessieren sich nicht für Technik.

• Männer sind grobmotorisch.

• Menschen mit Migrationshintergrund bleiben lieber für sich.

• Rentner gehen immer einkaufen, wenn Berufstätige an den Kassen stehen.

• Jugendliche sind respektlos Älteren gegenüber und nur mit ihrem Handy beschäftigt.


Diese Eigenschaften können richtig oder falsch, begründet oder unbegründet, positiv oder negativ sein. Sie helfen im Alltag, die Fülle von Informationen, mit denen jeder konfrontiert ist, zu bewältigen. Einzelne Personen werden als Mitglieder dieser Gruppe mit den dazugehörigen Eigenschaften wahrgenommen, nicht als Individuum.

Diesen Stereotypen folgend, entstehen unbewusst Vorurteile: Wenn Frauen sich nicht für Technik interessieren, sind sie auch für Berufe, in denen zum Beispiel technisches Verständnis nötig wäre, ungeeignet. Gleiches gilt für Männer, die den Stereotypen folgend etwa für Aufgaben, in denen Feinmotorik unabdingbar ist, nicht geeignet wären. Solche Vorurteile führen dazu, dass gleiches oder ähnliches Verhalten von Männern und Frauen aufgrund ihres Geschlechts unterschiedlich wahrgenommen und bewertet wird. Was bei einem Mann als durchsetzungsstark und hartnäckig gilt, erscheint bei Frauen schnell als penetrant oder nervig. Und während eine Frau als sensibel gilt, wenn sie über ihre Gefühle spricht oder diese zeigt, wird ein Mann schnell zu einem nicht belastbaren Softie.10 Selbst wenn diesen Bewertungen häufig ein Fünkchen Wahrheit zugrunde liegt, können sie den individuellen Eigenarten eines Menschen nicht wirklich gerecht werden.

Žanrid ja sildid
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