Loe raamatut: «Mentoring - im Tandem zum Erfolg», lehekülg 4

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Im Extremfall kommt es so zu einer (mittelbaren) Diskriminierung bestimmter Gruppen, zum Beispiel dadurch, dass Frauen bei der Besetzung technischer Berufe oder Männer bei Berufen, für die scheinbar männeruntypische Eigenschaften vorausgesetzt werden, gar nicht berücksichtigt werden. Im Mentoring beziehungsweise für das Matching bedeutet das, dass viele Konstellationen von den Projektverantwortlichen gar nicht erst in Erwägung gezogen werden. Mentor X ist Experte für Controlling? Dann passt er nicht zu Mentee Y, deren Thema Work-Life-Balance ist. Dass Mentor X Elternzeit genommen hat oder das Thema Home-Office in seiner Abteilung vorbildlich gehandhabt wird, wird bei diesem ersten Eindruck übersehen. So begrenzen sich die Verantwortlichen selbst und schließen bestimmte Konstellationen von vornherein aus.

Bei der möglichen Option, dass sich Mentees und MentorInnen ihre TandempartnerInnen selbst suchen, spielt Sympathie eine sehr große Rolle. Ein Faktor für Sympathie ist Ähnlichkeit. Diese kann sich in verschiedenen Ausprägungen zeigen: Gleiche Interessen, Zugehörigkeit zu einem bestimmten Verein, ähnliche Herkunft und/oder Bildung, Ideologien oder auch Übereinstimmungen im Aussehen führen dazu, dass wir uns zu einzelnen Personen hingezogen fühlen. Gibt es die Wahl zwischen einer Person, mit der Übereinstimmungen festgestellt werden, und einer anderen, bei der dies nicht der Fall ist oder die den eigenen Vorstellungen konträr entgegensteht, entscheidet »der Bauch« und wählt das, was bekannt und damit vertrauenswürdiger ist. Besteht diese Wahlmöglichkeit nicht, weil eine Person, wie zum Beispiel ein Mentor, bestimmt wurde, und besteht keine grundsätzliche Sympathie, wird es schwierig, ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen. Sind sich zwei Personen aufgrund der genannten Umstände sympathisch, führt dies dazu, dass man sich kompromissbereiter verhält, Fehler toleranter bewertet und das Gesagte aufmerksamer wahrnimmt. Dies geschieht alles aufgrund des Gefühls. Reale Fakten, wie sie für die Auswahl eines Tandempartners ebenfalls nötig sind, werden in diesem Moment vollständig ausgeblendet und nicht wahrgenommen. Man kann diese Sympathie auch als »positives Vorurteil« bezeichnen.

Der Halo-Effekt

Um ein ähnliches Phänomen handelt es sich beim »Halo-Effekt«. Auch hierbei wird eine Person aufgrund eines einzelnen Attributs verzerrt wahrgenommen. Ist der erste Eindruck eines Menschen positiv, ist die Wahrscheinlichkeit, dass diesem Menschen weitere positive Eigenschaften zugeschrieben werden, sehr groß. Diese Eigenschaften müssen in keinerlei Zusammenhang zueinander stehen. Jemandem, der zum Beispiel während eines Vortrags als kompetent wahrgenommen wird, werden auch Attribute wie Intelligenz, Souveränität oder Fachkenntnisse in anderen Bereichen zugeschrieben. Einem Hundebesitzer unterstellt man Tierliebe, einem ausgezeichneten Schwimmer generell Sportlichkeit. Ob der Hundebesitzer nur seinen eigenen Hund und keinerlei andere Tiere mag oder der Schwimmer tatsächlich noch über andere Talente als Schwimmen verfügt oder nur in dieser Disziplin eine Koryphäe ist, ist dem Gehirn »total egal«. Das (unbewusste) Ziel, die eigenen Erfahrungen und Erwartungen in Einklang mit der aktuellen Situation zu bringen, wird nicht als solches wahrgenommen.

Eine objektive und differenzierte Betrachtung von Personen ist so per se nicht möglich, was zu deutlichen Fehleinschätzungen führen kann. Es gilt also, sich dieses Effekts bewusst zu werden. Studien11 zeigen, dass zum Beispiel die Attraktivität einer Person bei der Einschätzung ihrer Kompetenz eine große Rolle spielt. So werden attraktive Professoren von ihren Studierenden für kompetenter gehalten als weniger attraktive. Gleiches gilt umgekehrt für Lehrkräfte: Nehmen sie ihre Schüler als freundlich und attraktiv wahr, neigen sie zu einer besseren Benotung als bei durchschnittlich oder weniger attraktiven Schülern. Die eine überragende Eigenschaft, etwa Attraktivität oder Sportlichkeit, überstrahlt im wahrsten Sinne des Wortes die anderen vorhandenen Eigenschaften. In der Wahrnehmung des Beobachters werden diese eventuell nicht zu den eigenen Vorstellungen passenden Attribute verdrängt.

Angenommen wird jeweils das, was für den Einzelnen relevant ist. Ist die Eigenschaft »Fleiß« ein wichtiges Element im eigenen Wertesystem, wird dies einem anderen Menschen, der (aus ganz anderen Gründen) als sympathisch wahrgenommen wird, zugeschrieben. Ist Großzügigkeit ein hoher eigener Wert, wird einer sympathischen Person diese Eigenschaft zugewiesen. Diese Eigenschaften müssen überhaupt nichts mit der Realität oder den Aussagen dieser Person zu tun haben.

Im Umkehrschluss kann diese Wahrnehmung auch negative Folgen haben. Entspricht eine Person aufgrund ihres Aussehens nicht der Norm oder weicht sie in anderen Bereichen vom eigenen Idealbild ab, werden ihr entsprechend weniger positive Merkmale zugeschrieben. So wird (unbewusst!) einer extrem übergewichtigen Person häufig mangelnde Willensstärke oder Durchsetzungskraft zuerkannt, was sich in einem Vorstellungsgespräch durchaus auswirkt. Ob die betreffende Person Experte auf dem eigenen Gebiet ist, wird nicht mehr so stark berücksichtigt, wie es bei einer positiveren Wahrnehmung der Fall wäre. Einem Anwalt, der seine Kanzlei in einer sozial schwachen Wohngegend betreibt, wo die Wände mit Graffiti besprüht sind und die Haustür defekt ist, wird vermutlich nicht die Vertretung eines seriösen Immobilienmaklers angeboten – auch wenn er auf seinem Gebiet eine Koryphäe ist. Ist der Auftraggeber selbst eher alternativ eingestellt, kann das gleiche Umfeld mit entsprechenden Assoziationen (keinerlei Statussymbole, Konzentration auf das Wesentliche, mitten im Leben stehend) wiederum als durchaus positiv wahrgenommen werden. Es liegt also tatsächlich und ausschließlich im Auge des Betrachters, was wahrgenommen wird.

Relevant werden diese Wahrnehmungsfehler erst dann, wenn die Fehlbeurteilung zu einer Irritation führt. Handelt die Person ganz anders als angenommen, wird es schwierig. Stellt sich zum Beispiel die als sympathisch und attraktiv wahrgenommene Person als erfolglos und unzufrieden dar, muss theoretisch die eigene Wahrnehmung als »falsch« erkannt werden. Das Revidieren dieser angenommenen »Fakten« ist etwas, was dem Gehirn schwerfällt. Der Wunsch, die Aussage »Ich hatte recht!« zu bestätigen, ist groß. Besonders schwer lässt sich diese Meinung revidieren oder aktualisieren, wenn noch der Faktor »sich selbst erfüllende Prophezeiung« hinzukommt. Nimmt jemand einen anderen beispielsweise als Egoisten wahr, wird diese negative Zuschreibung überproportional bestätigt. Solche negativen Eigenschaften werden ebenfalls wieder auf andere Bereiche der Persönlichkeit übertragen.

Der Halo-Effekt trägt maßgeblich zur Entstehung von Vorurteilen inklusive deren Konsequenzen bei. So kann zum Beispiel ein Matching, das aufgrund dieses Effekts zustande kam (MentorIn und Mentee konnten sich ihre PartnerInnen selbst auswählen und haben sich aufgrund bestimmter, als sehr positiv empfundener Eigenschaften entschieden), im Verlauf des Programms als negativ wahrgenommen werden. Dies ist dann der Fall, wenn sich herausstellt, dass die angenommenen positiven Eigenschaften nicht wie erwartet auf das Gegenüber zutreffen und dadurch die eigenen Wünsche nicht erfüllt werden. Hier kommt es zu Unzufriedenheit bei beiden PartnerInnen. Und zwar mehr, als es der Fall wäre, wenn das Matching ohne den eigenen Anteil (Selbstverantwortung durch Auswahl der Mentees/MentorInnen) stattgefunden hätte. Beim Matching durch eine objektive Projektgruppe wäre die Enttäuschung geringer als angesichts der Erkenntnis, dass der- oder diejenige nicht den eigenen Erwartungen entspricht. Auch wenn diese Annahme rein auf dem eigenen Gefühl beruhte und keiner sachlichen Überprüfung standgehalten hätte. In der Konsequenz führen das mangelnde »Wir-Gefühl« und der fehlende Erfolg zu einer negativen Wahrnehmung der gesamten Maßnahme. Diese Unzufriedenheit (»Ich habe meine Mentorin ganz anders eingeschätzt!«) kann eine totale Abwehr und Ablehnung (»Mentoring bringt überhaupt nichts!«) provozieren.


Es zeigt sich, dass der Halo-Effekt im Alltag nicht vermeidbar ist. Alle Menschen haben eigene Erfahrungen, die in ihre Bewertung einfließen. Das gilt selbstverständlich auch für Menschen, die im Personalbereich tätig sind. Möglich ist aber eine Sensibilisierung für diese Effekte. Neben einer notwendigen Selbstreflexion und Selbsterfahrung der Verantwortlichen spielt auch die im Vorfeld mehrfach erwähnte größtmögliche Objektivität eine Rolle. Diese kann zum Beispiel durch den Einsatz von externen ExpertInnen und das Mehr-Augen-Prinzip erreicht werden.

Bei Bewerbungsverfahren hilft eine Standardisierung, etwa, dass Unterlagen ohne Foto eingesendet werden, um eine Typisierung aufgrund des Aussehens zu vermeiden. Inwieweit Fotos bei der Bewerbung für einen Platz im Mentoring-Programm relevant sind, muss die jeweilige Projektgruppe entscheiden. Dabei geht es primär um die Sorgfalt, die ersichtlich ist (Passfoto, Urlaubsschnappschuss hinter Palmen oder ein professionelles Bewerbungsfoto?), und nicht um das Aussehen der Person. Handelt es sich bei den Verantwortlichen für die Bewerbungen und das Ranking um externe ExpertInnen, ist ein Foto spätestens vor dem Interview hilfreich, um zu wissen, mit wem man sich trifft. Zu diesem Zeitpunkt sind die BewerberInnen jedoch schon in der engeren Wahl und eine potenzielle Diskriminierung aufgrund des Aussehens kann nahezu ausgeschlossen werden.

Same gender oder Cross-Gender? Pro und kontra gemischte Tandems und Gruppen

Geschlechtsunterschiede bestehen in jedem Lebensbereich. Doch während man sich im Privatleben die Menschen, mit denen man seine Zeit verbringen möchte, in den meisten Fällen aussuchen kann, muss man im Berufsleben mit Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzten und/oder MitarbeiterInnen unabhängig von Geschlecht und persönlicher Sympathie leben. Professionalität im Umgang mit Unterschieden ist notwendig, um erfolgreich miteinander arbeiten zu können.

Aufgrund der allseits bekannten Unterschiede von männlichen und weiblichen Teilnehmern stellt sich vor jedem Programm die Frage: »Same gender« oder »Cross-Gender«? Bestehen die Tandems jeweils aus »Frau und Frau« beziehungsweise »Mann und Mann« oder funktionieren auch Kombinationen wie »Frau und Mann« und »Mann und Frau«? Anhand der möglichen Vor- und Nachteile der jeweiligen Konstellationen können Sie sich für die passende Maßnahme entscheiden.

Es gibt Programme, in denen ausschließlich Frauen mit Frauen als Mentorinnen oder Männer mit Männern als Mentoren gematcht werden.12 Abgesehen davon, dass wir primär die Themen der Mentees berücksichtigen und danach einen Mentor oder eine Mentorin identifizieren, ist die zurzeit noch häufigste Tandem-Konstellation »weibliche Mentee mit männlichem Mentor«. Dies lässt sich simpel erklären: Mentoring wird häufig als »Frauenfördermaßnahme« verstanden und eingesetzt, wodurch der höhere Anteil der weiblichen Mentees begründet ist. Da zwischen Mentor und Mentee mindestens zwei Hierarchiestufen liegen sollen, bewegen wir uns in der Wahl der Mentoren und Mentorinnen in der Regel in oberen Führungsebenen – wo Frauen noch deutlich unterrepräsentiert sind. So ist die Erklärung für die Überzahl der männlichen Mentoren ebenso einfach wie bedauerlich.

Erfreulicherweise findet hier eine Entwicklung statt: Wäre vor 15 Jahren ein rein weibliches Mentoring-Programm (Mentee und Mentorin) mangels weiblicher Führungskräfte definitiv zum Scheitern verurteilt gewesen, steigt die Anzahl der Frauen, die als Mentorinnen zur Verfügung stehen, signifikant. Das heißt, ein Matching »Frau und Frau« wäre in den meisten Fällen möglich, wenn es gewünscht ist. Ob es ratsam und zielführend ist, den Wünschen der Mentees (»Ich möchte aber unbedingt eine Frau als Mentorin!«) oder dem vermeintlichen Expertinnen-Status (»Mein Thema ist Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das kann nur eine Frau beantworten!«) zu folgen, haben wir bereits angesprochen.

Neben der Frage, ob die Tandems dem gleichen Geschlecht angehören sollen, stellt sich die gleiche Frage bei der Zusammensetzung der Mentee-Gruppe: Ist es sinnvoll, reine Frauengruppen im Mentoring zu begleiten? Oder können männliche und weibliche Mentees voneinander profitieren? Wenn es nicht um die originäre Förderung einer bestimmten Zielgruppe (weiblicher Führungskräftenachwuchs, junge (werdende) Väter usw.) geht, kann die Zusammenstellung von Männern und Frauen in Mentee-Gruppen aus Sicht der Autorinnen sehr bereichernd sein. Einige Verhaltensweisen können zu großen Lerneffekten auf beiden Seiten führen. Dass junge Männer sehr viel weniger Zweifel an ihren (großartigen! überragenden!) Fähigkeiten haben als junge Frauen, hat vermutlich jeder, der im weitesten Sinne mit Personal (oder Kolleginnen und Kollegen) zu tun hat, schon erlebt.

Hierzu ein »Erlebnis aus dem Leben«, das uns eine befreundete Personalerin erzählt hat: »Mein großer Sohn wollte nach dem Abitur nach Australien reisen. Völlig unerschrocken und ohne jeden Zweifel informierte er sich über alle Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung standen. Da er einen längeren Aufenthalt plante, erschien ihm Work & Travel13 die ideale Kombination. Zur Vervollständigung seiner Unterlagen benötigte er noch einen Lebenslauf, den ich mit großem Erstaunen gelesen habe. Mein Sohn, der in seinem behüteten Schülerdasein wirklich nicht einen Tag gearbeitet hatte, verfügte über »Vertriebserfahrungen«! Auf meine irritierte Nachfrage, wo er diese erworben hätte, guckte er mich zunächst erstaunt an, um mir dann wortreich zu erklären, wo er »gearbeitet« hätte. Es stellte sich heraus, dass er während seines Schüler-Praktikums an einem Tag seinen Chef beim Beliefern von Apotheken begleiten durfte – und sich zu diesem Zweck einen Anzug angezogen hatte. Nachdem ich mich von meinem Lachanfall erholt hatte, kam ich nicht umhin, meinem Sohn einen gewissen Respekt zu zollen: Dieses Selbstbewusstsein würde ich mir, mit zwei Studienabschlüssen, manchmal wünschen!«14 Eine nicht repräsentative Umfrage in unserem beruflichen Umfeld bestätigte unsere Annahme, dass niemandem eine junge Frau bekannt ist, die mit einer ähnlichen Überzeugung von ihren Fähigkeiten gehandelt hätte.

Ziele und Zielsetzung des Programms müssen berücksichtigt werden. Steht primär die Verbesserung der Unternehmenskommunikation im Vordergrund, wie beispielsweise beim Zusammenlegen mehrerer Abteilungen oder beim Ziel, die Arbeitgeberattraktivität zu erhöhen, kann eine gemischte Mentoring-Gruppe die besten Erfolge bringen. Das Mentoring bietet einen geschützten Rahmen, um sich ohne Angst vor möglichen Konsequenzen ausprobieren zu können. Die Aufgabe der MentorInnen ist, ihre Mentees zu unterstützen und zu fördern. Es stehen die Mentees und ihre Themen im Mittelpunkt, was Sinn der Sache ist, jedoch mit dem beruflichen Alltag nicht sehr viel gemeinsam hat. Die Mentee-Gruppe stellt insofern eher die Realität dar und bietet allen teilnehmenden Mentees SparringspartnerInnen für einen respektvollen Umgang miteinander. Es ist wichtig, den Mentees den Mehrwert dieser Gruppe und des damit verbundenen Netzwerks bereits zu Beginn des Programms deutlich zu machen.

Die Mentees sind in ihrer Position gleichwertig, unabhängig davon, ob sie aus dem gleichen Unternehmen kommen oder unterschiedliche Positionen innehaben. Die Funktion der Mentees besteht darin, dass sie für einen bestimmten Zeitraum Teil einer größeren Gruppe sind, in die sie sich einbringen und in der sie Aufgaben übernehmen sollen. Die Verteilung von Arbeiten ist in einer reinen Frauengruppe in den meisten Fällen eine harmonische Angelegenheit. Die Aufgabe wird in der ganzen Gruppe vorgestellt und diskutiert, je nach zeitlicher Verfügbarkeit oder Eignung werden Vorschläge gemacht, wer welche Bereiche übernehmen kann. Selbst wenn es, was in diesen Gruppen eher die Ausnahme ist, eine »Leiterin« gibt, wird diese darauf achten, dass sich keine der Teilnehmerinnen übergangen oder nicht gesehen fühlt. Häufig wird nach der finalen Verteilung der Aufgaben noch einmal abgefragt, ob es für alle so in Ordnung ist oder ob es doch noch Änderungswünsche gibt. Ziel ist es, den größten gemeinsamen Nenner zu finden. Die Verteilung, die niemanden überfordert, aber auch niemanden ins Abseits stellt, ist für Frauen das »Best-Case-Szenario«. Dieses Verhalten funktioniert in Gruppen mit Männern und Frauen definitiv nicht. Männer scannen die Aufgaben unter ganz anderen Gesichtspunkten: Wie attraktiv ist die zu erledigende Arbeit? Mit wie viel Prestige ist sie im besten Fall verbunden? Wenn die Aufgabe weder zu großer Anerkennung führt noch besonders attraktiv in der Umsetzung ist: Gibt es jemanden anders, der sie erledigen kann?

Die in der Praxis häufig erlebten Unterschiede machen eine allgemeingültige Aussage unmöglich, wenn gefragt wird, ob reine Frauenprogramme oder gemeinsame Programme ratsam sind. Hier empfiehlt sich die Prüfung der Ziele und der potenziellen Zielgruppe. Weiteres zum unterschiedlichen Umgang der Geschlechter mit zielgruppenspezifischen Programmen lesen Sie in Kapitel 5.


Das optimale Matching der Tandems, also das Zusammenstellen von Mentee und MentorIn, ist eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Mentoring-Beziehung. Hierbei sind die Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel das Fehlen einer Hierarchie, genauso zu beachten wie die persönliche Ebene. Tandems, die sich zu ähnlich sind, werden ebenso wenig erfolgreich zusammenarbeiten wie Tandems, die ganz unterschiedlich in ihren Eigenschaften, Zielen und Werten sind.


3
Internes Mentoring in der Personalentwicklung


In diesem Kapitel werden grundlegende Rahmenbedingungen vorgestellt, die zum Teil auch für Cross-Mentoring (Kapitel 4) gelten: »Welche Ziele verfolgt das Mentoring?«, »Gibt es eine optimale Mentee-Zielgruppe?« oder »Wie läuft ein optimaler Bewerbungsprozess ab?«. Fragen wie: »Wie viele Mentees sollten an einem Programm teilnehmen?« »Wie finde ich geeignete MentorInnen im Unternehmen?« oder »Kann der Personalchef Mentor werden?« zielen primär auf das interne Mentoring. Ob Sie schon die Entscheidung getroffen haben, ein eigenes Programm initiieren zu wollen, noch in der Findungsphase sind oder sich bereits entschieden haben, externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen – hier bekommen Sie einen vertieften Einblick in unternehmensinternes Mentoring.

Internes Mentoring bedeutet, dass Mentee und MentorIn im gleichen Unternehmen tätig sind, jedoch in keiner direkten Hierarchie zueinander stehen. Die MentorInnen stehen im Idealfall zwei Hierarchiestufen über den Mentees. Es darf kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Parteien bestehen.


Vor dem Zusammenstellen der Tandems ist unbedingt mit einer Matrix festzustellen, welche MentorInnen wegen bestehender Abhängigkeiten nicht infrage kommen. Gerade in großen Unternehmen ist es schwierig bis gar nicht möglich, alle Querverbindungen zu erkennen! Die Mentees können im Vorfeld benennen, mit wem sie nicht zusammenarbeiten können oder möchten. Sollte dieser Schritt verpasst werden, kann das dazu führen, dass ein mit hohem Aufwand zusammengestelltes Tandem zum Beispiel aufgrund einer gemeinsamen beruflichen Vergangenheit aufgelöst werden muss, was unnnötige Mühen nach sich zieht (neuen Mentor oder neue Mentorin identifizieren, Kennenlernen des Tandems, Enttäuschung aufseiten des »alten« Tandems usw.).

Primär in großen Unternehmen und Konzernen ist das interne Mentoring-Programm eine sehr gut geeignete und bewährte Maßnahme zur Personalentwicklung. Internes Mentoring bedeutet einen Austausch auf Augenhöhe, ein wertschätzendes, professionelles Feedback von einer erfahrenen Führungskraft sowie Raum und Zeit für die Fragen der persönlichen und beruflichen Entwicklung. Mentees, die an einem internen Mentoring-Programm teilnehmen durften, identifizieren sich mehr mit dem Unternehmen, in dem sie tätig sind. Sie nehmen ihren Arbeitgeber als attraktiver wahr und sind zufriedener als vor der Maßnahme.15

Welche Voraussetzungen müssen die Mentees erfüllen?

• Respektieren die MentorInnen in ihrer Rolle

• Kümmern sich um die gemeinsamen Termine, halten den Kontakt

• Regen in eigener Initiative Themen an

• Arbeiten an sich und den gestellten Aufgaben, ohne die Gesamtperspektive aus den Augen zu verlieren

• Sind offen-konstruktiv gegenüber Feedback und berichten über ihren Entwicklungsstand

• Übernehmen Verantwortung, indem sie Anregungen und Ratschläge der MentorInnen in einer für ihr Arbeitsfeld adäquaten Weise umsetzen

Welche Voraussetzungen müssen die MentorInnen erfüllen?

• Übernehmen die Mentorenschaft freiwillig

• Sehen Mentees als kompetente und eigenständige Persönlichkeit an, mit der sie sich gleichberechtigt austauschen

• Sind in der Lage, sich empathisch in die Arbeits- und Lebenssituation der Mentees hineinzuversetzen

• Können mit differierenden Lösungsansätzen und Meinungen umgehen

• Regen Mentees zur Reflexion über die jeweilige berufliche Situation an

• Sind selbstkritisch und offen für neue Sichtweisen und auch für Anregungen vonseiten ihrer Mentees

Welche Ziele werden damit realisiert?

• Führungskompetenzen werden ausgebaut und gefördert

• Nachwuchspotenzial wird gefördert

• Komplementierung der Personalentwicklungsmaßnahmen auf längerfristiger Ebene

• Wissenserweiterung der MentorInnen und Mentees auf fachlicher, firmeninterner und persönlicher Ebene

• Wissen wird individuell weitergegeben und innerbetriebliche Netzwerke werden gefördert

Der Erfolg des Programms steht in Zusammenhang mit der entsprechenden Vorarbeit. Das erfordert als Erstes die genaue Definition einer Zielgruppe im Vorfeld. Für die Projektverantwortlichen stellen sich darüber hinaus weitere Fragen: Wen wollen wir an unserem internen Mentoring-Programm teilnehmen lassen? Mit welchem Ziel? Welche Voraussetzungen müssen die TeilnehmerInnen erfüllen? Welche Ergebnisse sollen am Ende des Programms stehen, damit es für alle Beteiligten, Mentees, MentorInnen, Personalverantwortliche, ein voller Erfolg ist?

Potenzielle Mentees müssen sich im Vorfeld ebenfalls Gedanken machen: Was sind meine nächsten beruflichen Ziele? Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für ein Mentoring-Programm? Habe ich genug Zeit und Interesse, um regelmäßige Treffen inklusive Vor- und Nachbereitung realisieren zu können? Und möchte ich wirklich ein ehrliches Feedback auf meine Fragen?

Wir empfehlen von Anfang an eine größtmögliche Transparenz im Unternehmen bezüglich Auswahlverfahren oder -kriterien, Zielgruppe, Zielen usw. Die Erfahrung zeigt, dass sich Betriebs- und Personalräte sehr viel zugänglicher und offener zeigen, wenn sie vor Beginn der Maßnahme »mit ins Boot« geholt werden, unabhängig von eventuellen gesetzlichen Mitbestimmungsrechten. Ähnliches gilt für die MitarbeiterInnen: Je offener das Programm, die Zielgruppe und die Ziele kommuniziert werden, umso größer sind Akzeptanz und Interesse.

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