Mords-Kerle

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Mords-Kerle
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Mords-Kerle

Simon muss abnehmen. Ab und zu mal Fisch statt Fleisch hat der Hausarzt empfohlen. Und da Simon niemals halbe Sachen macht, fängt er seine Fische jetzt selber. Er hat fleißig für die Fischerprüfung gelernt und ist mittlerweile unter die Angler gegangen. Als er in der Morgendämmerung im nahen Fluss seinen Köder auswirft, rechnet er mit allem, aber nicht mit einem derart kapitalen Fang. Fredi Leipold, der Vorsitzende der Röthenbacher FCN-Fanclubs ewige Treue, schwimmt mit dem Bauch nach oben an ihm und seinem Begleiter, Peter Kleinlein, vorbei. Als erfolgreicher Absolvent der anspruchsvollen bayerischen Fischerprüfung weiß Simon eines ganz sicher: Ein Fisch, der mit dem Bauch nach oben schwimmt, ist tot. Das gilt natürlich auch für den Fredi.

Man kennt Röthenbachs obersten Vereinsmeier allgemein als streitbaren Mann, dessen Credo schon immer „viel Feind, viel Ehr“ lautete. Und da der Fredi zumindest in dieser Hinsicht zeitlebens ein wahrer Ehrenmann war, gestaltet sich die Suche nach seinem Mörder äußerst aufwändig. Intrigen innerhalb des Fanclubs, mögliche Racheaktionen von Anhängern verfeindeter Vereine führen die polizeilichen Ermittler sogar über die Stadtgrenze hinaus bis nach Fürth. Doch alle Spuren verlaufen irgendwann im Sand. Nur Peter hat wieder einmal den richtigen Riecher. In diesem Fall stinkt nicht nur der Fisch, auch in der Fan-Szene scheint so Einiges anrüchig zu sein.

Inhaltsverzeichnis

Mords-Kerle

Weitere Bücher aus der Rödnbach-Reihe

Vorwort

Handelnde Personen

Die Nacht der langen Messer

Eine Begegnung der besonderen Art

Ja und etz?

Einzug der Gladiatoren

Rückkehr

Schindlers Liste

Peters Liste

Immer auf die Kleinen

Ein haariges Problem

Peter hat einen Schaden

Grün ist die Hoffnung

Unter Kleeblättern

Giselas Liste

Unter Freunden

Wo ist das Stöckchen?

Ruhestörung

Kriegsrat

Aufruhr im Hosererhaus

Das wandelnde Bilderbuch

Schindlers Alptraum

Ruhe in Frieden

Nachspielzeit

Verlängerung und Elfmeterschießen

Ein Silberstreif am Horizont

Was die Oma alles weiß

Der tätowierte Mann

Kennen sie den?

Tabula rasa!

Schon wieder dieser Kleinlein

Epilog

Glossar

Weitere Bücher aus der Rödnbach-Reihe

Mords-Kerwa (Juli 2012)

Mords-Wut (Dezember 2012)

Mords-Urlaub (Mai 2013)

Mords-Schuss (August 2013)


Vorwort

Die folgende Geschichte ist durchaus nicht frei erfunden, jedenfalls nicht vollständig. Das kann sie auch nicht. Es gibt immer Erfahrungen, die ein Autor in seinem Leben gemacht hat, die auf die eine oder andere Weise in einen Roman einfließen. In die Sprech- und Handlungsweisen seiner handelnden Personen etwa. Einige der zahlreichen, unfreiwillig komischen Begebenheiten im Umfeld der fiktiven Mordgeschichte haben daher einen durchaus handfesten Hintergrund. Es handelt sich um Szenen, wie sie tagtäglich im fränkischen Alltag vorkommen. Wer kennt ihn nicht, den rundlichen, gemütlichen Typ, der oft nur so lange ausgeglichen erscheint, wie er in seiner eigenen kleinen Gedankenwelt leben darf, der aber auch heftig poltern kann, wenn er gestört wird oder den siebengescheiten Besserwisser, der alle, die zurückhaltend agieren für dumm und einfältig hält. Einige dieser realen Erfahrungen mit diesen kantigen Typen dienten dem Autor als Inspiration für die zugegebenermaßen hoffnungslos übertrieben komödiantische Ausmalung der einen oder anderen Sequenz, die sich Leser zu Recht im wahren Leben so nicht erwarten würde.

Die kriminellen Aspekte des Geschehens sind jedoch 100% reine Fiktion und haben niemals stattgefunden. Irgendwelche Ähnlichkeiten jeglicher Art mit wahren Begebenheiten und real lebenden Personen sind rein zufällig und keinesfalls beabsichtigt.

Als Quelle für die Namensgebung dienten alle einigermaßen fränkisch klingenden Namen, die dem Schreiberling während der Entstehung der Geschichte begegneten. Tatsächlich sind sie vornehmlich von Grabsteininschriften, Namensschildern von Busfahrern, Kaufhausmitarbeitern oder von Todesanzeigen in der örtlichen Tageszeitung entnommen, kurzum sie stammen allesamt direkt aus dem fränkischen Alltag.

Noch ein Wort zum fränkischen Dialekt. Er ist so vielfältig wie die Landschaft selbst. In jedem Ort wird er anders gesprochen, noch dazu wird die Aussprache oftmals von den äußeren Umständen nachhaltig beeinflusst. So drückt sich auch ein passionierter Dialektsprecher gelegentlich verständlicher aus, wenn er es mit vermeintlich gebildeten Menschen oder Personen zu tun hat, bei denen er nur geringe Kenntnisse seines eigenen Idioms voraussetzt. Bei Peter Kleinlein kann man das gut beobachten, wenn er mit „Norddeutschen“ oder mit Bürgern ausländischer Herkunft spricht. Bei Simon Bräunlein hängt die Tiefe seiner Dialektsprache oftmals vom Grad seiner Erregung ab, je ärgerlicher er ist, umso fränkischer wird er und umso weniger legt er Wert auf Verständlichkeit.

Wie man sehr schnell erkennen kann ist das Fränkische eine sehr weiche Sprache. Damit entspricht sie ganz der Seele der Einheimischen, die sich oft durch einen schier undurchdringlichen Mantel auszeichnet, der aber nur dazu dient, einen unendlich gutmütigen, samtweichen Kern zu schützen. Ein K kommt als G daher, man unterscheidet zwischen einem harten und einem weichen B, wobei das harte eigentlich ein P wäre. Ebenso hält er es mit den Buchstaben T und D. Den Namen Theodor schreibt man also mit einem harddn D.

Den „ou“-Laut im Wort Bou darf man sich übrigens sehr ähnlich dem englischen „ow“ in „I know“ vorstellen. Für viele Laute gibt es gar keine tauglichen Buchstaben. Als Beispiel mögen die berühmten „3 im Weckla“ dienen. Ein echter Franke würde es wohl am ehesten als „3 im Weggler oder Weggläh“ aussprechen. Daher gibt es auch in diesem Buch keine einheitliche Schreibweise für manche Begriffe. Vieles hängt eben auch von dem jeweiligen Sprecher ab.

Mehr zur Aussprache muss man eigentlich nicht wissen, denn die Rödnbacher gehören allesamt zu der überwiegenden Gruppe der Franken, die beim Balanceakt zwischen dem urwüchsigen Dialekt und dem Hochdeutschen einen Mittelweg bevorzugen. Sie sprechen also mehr oder weniger ein fernsehtaugliches Fränkisch, vergleichbar mit dem Ohnsorg-Platt, dem Millowitsch-Köllsch und dem Komödienstadl-Bayrisch. Es bleibt ihnen schon gar nichts anderes übrig, wenn sie von Außenstehenden verstanden werden wollen.

Handelnde Personen


Peter Kleinlein Rödnbacher, kein Detektiv, nur neugierig
Marga Kleinlein seine Ehefrau, die nicht will, dass er Detektiv spielt
Simon Bräunlein Metzgermeister aus Rödnbach, Hersteller der 1A preisgekrönten Bratwurst
Gisela Bräunlein Seine Ehefrau, das Gehirn des Familienbetriebes
Patrick Bräunlein Sohn der beiden, Lehrling
Lothar Schwarm Friseurmeister aus Rödnbach, sehr sensibel, äußerst gepflegte Erscheinung
Maria Leimer Kosmetikerin aus der Oberpfalz und Lebensgefährtin von Lothar Schwarm
Fredi Leipold Vorsitzender des FCN-Fanclubs Röthenbach „ewige Treue“, Brunzkartler
Margarethe Beck Die „Beggn Gredl“, Ratschkartl, eine der Hundsweiber und Unglücksbotin
Harry Seibold Nachbar der Kleinleins und Kaninchenzüchter
Willibald Stiegler Dorfpfarrer
Frau Zängerlein Ältere Dame mit festen Moralvorstellungen
Wilma Hauenstein Ehemalige Dorflehrerin, sieht wenig, hört nix, weiß trotzdem alles
Kevin Kaminski Neuer Vorsitzender im FCN-Fanclub „ewige Treue Röthenbach“
Bastian Hohlinger Schriftführer im FCN-Fanclub „ewige Treue Röthenbach“
Heinz Schnell Fahnenträger im FCN-Fanclub „ewige Treue Röthenbach“
Robert Robbi Götz Mitglied im FCN-Fanclub „ewige Treue Röthenbach“ und Pyro-Freund
Werner Hofmann Mitglied im FCN-Fanclub „ewige Treue Röthenbach“ u. wandelndes Bilderbuch
Hans Hochgesang Mitglied im FCN-Fanclub „ewige Treue Röthenbach“
Renate Hochgesang Zweite Frau des Hans Hochgesang und Kundin im Salon Schwarm
Herbert Mangold Schatzmeister im FCN-Fanclub „ewige Treue Röthenbach“
Annidda Freundin von Herbert Mangold und nicht aufzufinden
Anja Schimmelfleck Blondine und Bruchpilotin
Alwin Hackner Anführer Kleeblatt-Fanclub „grüne Hoffnung“ aus Fürth
Erwin Schindler Kriminalhauptkommissar
Heinz Havranek Kriminalobermeister
Michael Held Streifenpolizist, entfernt mit Peter verwandt
Johanna Mergentheimer Angestellte in einem Autohaus in Fürth
Frau Sebald Anwaltsgattin, „grüne Witwe“ und Kundin im Salon Schwarm
Olga Krämer Eine freundliche Nachbarin
Dr. Eichberger Hausarzt und Diätspezialist

Die Nacht der langen Messer

Sonntag, 27. Oktober, zu nachtschlafener Zeit

 

Mit geradezu aufreizender Ruhe umrundet der riesige weiße Hai nun schon zum dritten Mal den verzweifelten Schwimmer. Dessen Lage ist aussichtslos und er spürt es am ganzen Körper. Er möchte um Hilfe schreien, doch er kann es nicht. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann das Ungeheuer ihn in Stücke zerreißt. Der Mann ist vor Angst erstarrt und zu vollkommener Untätigkeit verurteilt. So oder so ähnlich muss es gewesen sein, als im finsteren Mittelalter unschuldige Menschen vor den sensationslüsternen Augen der geifernden Menge zum Scheiterhaufen geführt oder in den römischen Arenen wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen wurden, während der Mob vor Begeisterung röhrte. Die Panik lässt das Herz des Eingekreisten schier zerspringen. Nur das ihn umgebende Meer verhindert, dass man die unzähligen Schweißbäche erkennen kann, die sein geschundener Körper intervallartig ausstößt. Mit jeder Umrundung des Meeresräubers nimmt der Durchmesser der Kreise in dem Maße ab, in dem die höllische Angst des Mannes zunimmt. Kurz bevor die Bestie zum tödlichen Angriff ansetzt, entblößt sie mehrere, schier endlose Reihen messerscharfer Zähne, es scheint fast, als wolle sie ihr Opfer auch noch lachend verhöhnen, sich an dessen Panik genüsslich weiden. Unvermittelt fängt eine unsichtbare Gruppe südamerikanischer Blechbläser an zu spielen. Guantanamera, guajira Guantanamera, Mi verso es de un verde claro. Los Paraguayos unter Wasser? Oder haben ihn etwa gar die Amerikaner nach Guantanamo verfrachtet, um ihm unter Anwendung ausgefeilter Foltermethoden seine geheimsten Gedanken zu entlocken? Aber er hat doch gar nichts Schlimmes getan und wie ist er nur hierher geraten? Oder war der Hai von eben nur eine Halluzination, ausgelöst von heimtückischen Drogen, die ihm seine Peiniger mit Gewalt eingeflößt haben? Da, die Wende! Urplötzlich lichtet sich das Dunkel um ihn herum. Peter greift kräftig aus und strebt mit mächtigen Armbewegungen der Oberfläche zu. Im selben Moment, in dem er die Wasseroberfläche durchstößt, hört er seine Frau Marga aufgebracht schreien:

„Horch amal, Beder, woss hausd denn du mir dauernd mit deine Arm middn ins Gsichd? Hossd du an Albdraum odder woss? Und warum bläckdn der Wecker in aller Herrgoddsfräih um dreier scho su laud, nu derzou Gwandanamera?“1

„Allmächd, entschuldige, Marga“, beeilte sich der so gescholtene zu versichern, „ich hobb dräumd, ich bin ganz weid drundn im Meer und a weißer Hai greifd mi an und dann hodd auf amol a nu die Musik gschbilld. Einen Schmarrn kommer der vielleichd zsammdräumer, des konnsd der nedd vorstelln. Und dess alles bloß walls heid abnd Forelln gebn soll. Also, wie des mit dem Underbewussdsein funkzjonierd, dess iss mir ein ewiches Rädsl. Underbewussdsein! Von wegen - under aller Sau iss dess!“

Der Radiowecker hatte inzwischen auf das gesprochene Wort umgeschaltet, Nachrichten aus aller Welt. Auch nicht besser, erneut Horrormeldungen, diesmal echte. Peter erhob sich mühsam aus den Federn und schlurfte ins Badezimmer. Vorsichtig zog er den Rollo hoch und spähte in die Morgendämmerung hinaus. Nieselregen. Auch das noch. Saukalt dazu. Na ja, das konnte im Laufe des Tages schon noch besser werden. Als ob er nur auf das Stichwort gewartet hätte, bestätigte der Wetterbericht Peters Hoffnung auf einen leichten Temperaturanstieg. Bis Mittag sollte es achtzehn Grad geben. Er eilte zurück ins Schlafzimmer, drückte vehement auf die Stopptaste und würgte so den Lokalsender abrupt ab. Marga sollte schließlich noch ein paar Stunden ihre Ruhe haben. Es reichte schon, wenn er mitten in der Nacht aufstehen musste. Ihm blieb aber auch gar nichts anderes übrig, denn versprochen ist versprochen.

Es ist stockfinster. Der riesige Mann tastet sich äußerst vorsichtig im dunklen Raum vorwärts. Die Lampe bleibt zur Vorsicht aus, denn er möchte keinesfalls beobachtet werden. Wäre es schon etwas heller, dann könnte man eine Gestalt erkennen, die von oben bis unten in dunkelgrüne Gummikleidung gewandet ist. Ein Messer, dessen Ausmaße selbst Crocodile Dundee höchsten Respekt abringen würden, hängt seitlich an seinem Gürtel. Es ist scharf genug, davon hat er sich überzeugt, denn die Opfer seines Beutezuges sollen nicht unnötig lange leiden. Aus dem Hintergrund des Zimmers ertönt ein gleichmäßiges, leises Schnarchen. Vorsichtig! Gott sei Dank haben seine Stiefel Gummisohlen, die nur ab und zu ein ganz leises, quietschendes Geräusch erzeugen. Es dauert eine kleine Ewigkeit, bis er alle Gegenstände, die er mitnehmen möchte, in seiner geräumigen Tasche verstaut hat. Jetzt nur noch die Uhr. Ein gezielter Griff und er hat sie … leider verfehlt, dafür aber das Nachttischlämpchen vehement von seinem Platz gestoßen. Ein ohrenbetäubender Lärm von brechendem Glas und auf dem Boden herumkullernden Einzelteilen der einstmals ziemlich teueren, stylischen Lampe und ein nicht zu unterdrückender Fluch beenden die Totenstille im Schlafzimmer der Bräunleins. Gisela ist inzwischen aufgewacht und hat ihre Leselampe angeknipst. Als sie die verwegene Gestalt vor sich sieht, will sie ihren Augen kaum trauen.

„Horch amal, spinnsd etz du, Simon. Allmächd!2 Wäi schausd denn du aus. Du willsd doch zum Angln gäih und nedd auf an Feldzuuch! Warum machsd nern aa ka Lichd nedd!“

Normalerweise müsste an dieser Stelle ein Fragezeichen folgen. Um dem schrillen Kommandoton Giselas aber auch nur einigermaßen gerecht zu werden, wären allerdings drei Ausrufezeichen hintereinander durchaus angebracht.

„Etz lieng die ganzn Scherbn am Buudn drunt. Ach Mensch, etz konni a nu middn in der Nachd aufsteh und staubsaung. Nedd neisteign!“

Die Lautstärke stieg, dem Gefahrenpotential angemessen, bis zur messbaren Obergrenze, vielleicht sogar ein bisschen darüber hinaus an. Erst als der völlig verdatterte Ehemann zwei Schritte nach hinten und außerhalb Giselas Reichweite gemacht hatte, pendelte sich der Tonfall wieder etwas ein.

„Wi schbäd issn eigndlich scho? Woss? Dreivärdl Vierer3 erschd? No, dou binni gschbannd, wäi lang du des neie Hobby nu aushäldsd.“

Nun, da endlich das Licht an war, hatte Simon keine Mühe mehr, die gesuchten Ausrüstungsgegenstände zu finden und in seiner riesigen Tasche zu verstauen. Das Zelt würde er heute nicht mitnehmen, denn er hatte ohnehin schon erhebliche Bedenken, ob all das, was er bisher eingepackt hatte, in seinen zwar stabilen, aber räumlich doch begrenzten Fahrradanhänger passen würde, ganz zu schweigen von der Mühe, die es machen würde, die schwere Last vorwärts zu bewegen. Um den ungehaltenen Blicken seiner Frau, unter ruhigeren Umständen die beste Metzgermeistersgattin und Fleischereifachverkäuferin von ganz Rödnbach, zu entkommen, packte er alles zusammen und schleppte es über die Terrasse zu dem nagelneuen Fahrrad, das er anlässlich seines letzten Geburtstags bekommen hatte, inklusive eines praktischen kleinen Anhängers. Schon unter der Türe, rief er seiner Gisela noch einmal kurz zu:

„Ich backs dann amal, Gisela, bis heid um Middooch rum dann!“

Gisela hatte so ihre Zweifel, ob das alles gut gehen würde, behielt ihre Bedenken aber für sich. Stattdessen gab sie ihm einen letzten guten Rat mit auf den Weg.

„Also, bass auf auf dich und fall nedd widder ins Wasser, du sollsd angeln, hodd der Dokder gsachd, nedd schwimmer. Obwohl dess a nix schodn däd!“

Den letzten Satz, den sie deutlich leiser und mehr vor sich selbst hingebrummelt hatte, den hatte Simon schon gar nicht mehr mitbekommen, denn der stapfte zu diesem Zeitpunkt bereits mit, ob des unangenehmen Nieselregens, eingezogenem Nacken auf den Schuppen zu.

 

Gisela hatte die Tür noch nicht wieder richtig geschlossen, da kam bereits Simons Freund Peter um die Ecke gebogen. Peter Kleinlein war zwar selbst nicht zu den Petrijüngern übergelaufen, leistete Simon aber tapfer Gesellschaft, denn eine derart radikale Neuorientierung, wie sie Simon vorhatte, verdient den Respekt und jedwede Unterstützung seiner Kameraden. Seine größten sportlichen Erfolge hatte Simon bisher freilich nur beim Bezwingen riesiger Fleischberge gefeiert, auf einen echten Gipfel hatte er es in der Vergangenheit noch nicht annähernd geschafft, wenn man einmal von einer Seilbahnfahrt auf den Ochsenkopf absieht. Und nun war er, wie Peter, unter die Radler gegangen, wenn auch widerwillig und weil er die eindringlichen Warnungen seines Arztes endlich einmal ernst genommen hatte. Zugegeben, seine Gisela hatte sie ernst genommen und er notgedrungen zugestimmt. Einmal Fisch pro Woche wäre gesünder als jeden Tag Fleisch hatte sein langjähriger Hausarzt, der Herr Dr. Eichberger gemeint. Zuerst wollte Simon das Ganze auf die leichte Schulter nehmen, den dringenden Rat absichtlich falsch verstehen, seinen bisherigen wöchentlichen Fleischkonsum einfach auf sechs Tage komprimieren und einen zusätzlichen Fischtag einlegen. Aber da hatte er die Rechnung ohne den Wirt, in diesem Fall die Gisela, gemacht. Sie wollte ihren Mann noch länger behalten und so hatte sie beschlossen, dass er zu seinem diesjährigen Geburtstag von allen seinen Freunden Ausrüstungsgegenstände für die neuen Hobbys, Radeln und Angeln, bekam. Ein Tourenrad mit 21 Gängen, dazu einen Gepäckanhänger, in dem er die umfangreiche Angelausrüstung, inklusive der für die Ausflüge benötigten Vesper samt Getränken unterbringen konnte.

„Servus Simon! Bisd scho ferdich?“

„Nedd wergli4. Ich hobb zwar alles zsamm gsuchd, abber etz muss is nu in mein Anhänger neibringer.“

Das konnte in der Tat schwierig werden. Vor den beiden erhob sich ein unübersehbarer Hügel, bestehend aus mehreren Angelruten, einem Fischbehälter, einem riesigen Kescher, mit dem man zur Not auch ein Seeungeheuer von dem Ausmaßen Nessis an Land ziehen konnte, jeder Menge Kleinteile, deren Zweck Peter nicht so ganz klar war, Klamotten zum Wechseln, einer Anglerhose von solch überdimensionalen Abmessungen, dass Simon damit getrost trockenen Fußes das rote Meer durchschreiten könnte, mehrere Messer, Taschenlampe, eine Vesperbox, die anscheinend Verpflegung für einen Zweitagemarsch enthielt, sowie ein halber Kasten Veldensteiner.

Peter war einigermaßen beeindruckt und gleichzeitig sicher, dass diese Mengen keinesfalls in dem kleinen zweirädrigen Fahrradanhänger untergebracht, geschweige denn von einer einzelnen Person gezogen werden konnten. Den fragenden Blick Simons konterte Peter noch bevor sein Freund die dazugehörige Bitte aussprechen konnte.

„Doud mer Leid, Simon, abber ich hobb ka Anhängerkubblung an mein Rad, des mousd scho alles selber zäing.“

Aber er hatte neben einer großen Menge Mitgefühl auch genug Verstand, um Simon wenigstens mit praktischem Rat zur Seite zu stehen.

„Maansd nedd, dassd aweng überdreibsd, Simon? Mir wolln doch Middooch scho widder derhamm sei. Zu woss braung mer denn dou zehn Flaschn Bier und a ganz Kilo Schinkn? Ausserdem hommer fasd fuchzehn Kilomeder zum fahrn bis zu dein Anglblatz und zwar fasd durchgehend auf an holbrichn Waldweech. Dess iss doch alles vill zu schwer. Ich däd sagn, mir nehmer bloß des Wichdigsde mit und den Resd sordier mer aus.“

Und scherzhaft fügte er hinzu:

„Und du mousd ja a bedenkn, dass mer hammwärds dee ganzn Fisch dransbordiern müssn, dee du wahrscheinli fängsd.“

Das überzeugte auch Simon und so wurden nach und nach alle überflüssigen Gegenstände ausgesondert und die notwendigen in den Anhänger geladen. Endlich waren die zwei Freunde so weit, dass es losgehen konnte. Peter setzte seinen Helm auf, während Simon, dem dies eine übertriebene Maßnahme zu sein schien, sich einen tarnfarbenen Outdoorhut überstülpte, ein weiteres Geschenk zu seinem vergangen Geburtstag.