Geister, Gräber, Gänsehaut

Tekst
Autor:
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Geister, Gräber, Gänsehaut
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

H. P. Karr präsentiert

Geister, Gräber, Gänsehaut

13 Gruselstorys

Unheimliche Ereignisse, grauenvolle Traumbilder, mysteriöse Erscheinungen. Dreizehn Gruselgeschichten mit Gänsehautgarantie.

Table Of Contents

01 Richard Janssen: Spiel nicht mit fremden Puppen

02 Rex Richartz: Begegnung über den Wolken

03 Regina Bertram: Der Busch

04 Rex Richartz: Die Rache des schwarzen Hundes

05 Moni Daurel: Das Geheimnis der schönen Zigeunerin

06 Mara Mainau: Das unheimliche Schloss

07 Marek Stein: Die Insel der Fliegen

08 Leila Stone: Voodoo-Zauberer irren sich nicht

09 Rex Richartz: Der Gott der Leoparden

10 Marek Stein: Nebel des Todes

11 Marek Stein: Kontrakt mit dem Tod

12 H. P. Karr: Seine große Liebe

13 Rex Richartz: Der Fluch des weißen Hauses

Quellennachweise

01 Richard Janssen: Spiel nicht mit fremden Puppen

Sie fand die Puppe, als sie das Gerümpel auf dem Dachboden aufräumte. Mit ihren großen Augen, dem langen, weizenblonden Haar und den vollen Lippen ließ die Puppe sie sofort an Marion Hansen denken.

Ute war der Frau, mit der Bernd bei »Exact Programming« zusammenarbeitete, bisher nur ein paar Mal begegnet, aber die Begegnungen waren ihr im Gedächtnis haften geblieben. Marion Hansen war nicht die Frau, die man so schnell vergaß.

Die Puppe lag in einem Pappkarton mit abgestoßenen Ecken, und neben ihr fand Ute zwei lange, spitze Nadeln.

Nachdem sie den Dachboden aufgeräumt hatte, nahm sie den Karton mit der Puppe mit nach unten.

»Sie ist einfach ein Genie«, sagte Bernd Junker.

Das warme Licht der untergehenden Sonne schien durch das große Wohnzimmerfenster. Es war schwül. Spätsommer.

»Sie nutzt dich aus«, sagte Ute.

»Marion ist ein Naturtalent, wenn es um Computerprogramme geht«, erwiderte Bernd und wich Utes Blick aus. »Sie schafft in fünf Minuten, wofür andere Systemanalytiker fünf Stunden brauchen.« Er grinste enthusiastisch. »Sie ist eine richtige Powerfrau!«

Ute spürte wieder ihre Eifersucht. »Ihr versteht euch wohl ziemlich gut?«, fragte sie.

»Ach komm!« Bernd schaute aus dem Fenster. »Wir sind Kollegen. Mehr nicht.«

Wirklich?, fragte sie sich. Sie spürte schon seit einiger Zeit, wie Bernd ihr entglitt, und wusste nicht, wie sie es verhindern konnte.

»Man gibt der Puppe den Namen der Person, die der Zauber treffen soll, und fügt ihr das zu, was der Person widerfahren soll«, sagte Dr. Behrend.

Jeden Donnerstag trafen sie sich in der Volkshochschule zu ihrem Kurs »Magie in der modernen Welt«.

Dr. Behrend hob die Puppe hoch, die Ute mitgebracht hatte. »Frau Junker war so nett, uns heute ein Demonstrationsobjekt für den Voodoo-Kult der karibischen Inseln mitzubringen.« Er nahm eine der Nadeln, die in dem Karton gewesen waren. »In seinem Ursprung geht der Voodoo-Kult von einer Übertragung des Geistes auf unbelebte Materie aus«, sagte er und kratzte mit der Nadel ein bisschen am Arm der Puppe. »Wie nennen wir solche kultischen Vorstellungen? Ja, Frau Uhlenbrock?«

»Ganzheitlich-pantheistische Mythologie!«, erwiderte die Frau des Buchhändlers, die zu den eifrigsten Anhängerinnen von Dr. Behrend gehörte.

Ute starrte auf die Schrammen, die die Nadel auf dem Arm der Puppe hinterlassen hatte.

Marion!, dachte sie und schloss dabei die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. So etwas müsste ihr passieren. Nur ein paar Kratzer, damit sie sich daran erinnert, wie verletzbar sie ist.

Marion!

»Du siehst müde aus«, sagte Ute. Bernd hatte sich einen Gin Tonic gemacht und auf die Couch zurückgezogen. Der Fernseher lief ohne Ton.

»Marion ist nicht da«, sagte er. »Für ein paar Tage bleibt alles in der Firma an mir hängen.«

»Was hat sie denn?« Ute starrte auf den Bildschirm. Sie spürte ihr Herz pochen. »Ist ihr was passiert?«

»Sie ist gestürzt, auf dem Tennisplatz«, sagte Bernd und griff zur Fernbedienung. »Und da lagen Scherben von einer Colaflasche. Das war Schlamperei vom Platzwart. Sie hat sich den ganzen Arm zerschnitten. Zum Glück keine tiefen Schnitte, und es sind auch keine Nerven oder Sehnen verletzt – aber sie kann damit nicht arbeiten.« Er regelte den Ton, als die Tagesschau begann. Ute nahm kaum etwas von den bunten Bildern wahr.

»Ich habe ihn gesehen«, sagte Marieluise Grotewohl und nahm sich noch ein Erdbeertörtchen. Roswitha Bredenbrock neben ihr räusperte sich nur. Sie besaß mehr Taktgefühl.

»Im Bistro an der Oper«, nuschelte Marieluise ganz undamenhaft mit vollem Mund.

»Ah ja«, sagte Ute. Sie zitterte ein wenig. »Manchmal geht er in der Mittagspause dorthin.«

»Mittagspause um halb sechs Uhr am Abend?«, fragte Marieluise.

»Wie wäre es, wenn wir nächste Woche bei unserem Mädelsabend die neue Staffel von dieser Serie schauen?«, schlug Roswitha vor. »Ich habe grade gestern die DVD-Box bestellt!«

»Um halb sechs?«, fragte Ute.

»Ja, am Dienstag«, meinte Marieluise und schaute auf das letzte Erdbeertörtchen. »Und die Blonde, mit der er da war ...«

Ute schob ihr das Törtchen hin.

Marion war blond. Und am Dienstag war Bernd erst spät abends heimgekommen, weil er eine »Besprechung« gehabt hatte.

»Ja, ich habe mit Marion nach Feierabend noch etwas getrunken«, sagte Bernd. »Deine Eifersucht ist einfach lächerlich, Ute!«

Sie saßen auf der Terrasse. Es war schon dunkel, aber die Hitze des Tages hing wie ein schweres Tuch über dem Garten.

»So«, sagte Ute. »Lächerlich?«

Sie bemerkte, wie er zu Boden schaute.

»Du ...« Er brachte den Satz nicht heraus.

Sie wusste, wie schwer er sich manchmal mit der Wahrheit tat, und dass er jetzt nicht in Beteuerungen seiner Unschuld ausbrach, machte sie noch misstrauischer. Und plötzlich war da wieder dieses Gefühl, ihn an die andere verloren zu haben.

»Du würdest doch nicht unsere Ehe wegen einer Affäre aufs Spiel setzen?«, fragte sie. »Das würdest du doch nicht tun, nein?«

Er sagte einen Moment nichts. Dann schüttelte er den Kopf.

»Nein«, sagte er dann.

Sie stand in einem Hauseingang gegenüber dem Gebäude der »Exact Programming«. Es war später Nachmittag, die Angestellten der Firma kamen heraus. Feierabend. Bernd und Marion ließen auf sich warten.

Nach einer halben Stunde fiel Ute das einzelne beleuchtete Fenster in der ersten Etage auf. Sie schaute genauer hin.

Sah Bernd. Und Marion. Er hielt sie im Arm. Sie standen da, unbeweglich. Nur Marions Schultern bewegten sich.

Ute spürte den Stich mitten ins Herz.

Sie starrte auf die Puppe, die vor ihr lag. Es war kurz vor Mitternacht, und Bernd war immer noch nicht daheim. In der Brust der Puppe steckte eine der beiden Nadeln.

Ute zitterte. Ihre Gedanken purzelten durcheinander.

Wut, Hilflosigkeit, Hass.

Als es klingelte, ging sie zur Tür und öffnete.

»Kriminalpolizei, Kommissar Klett«, sagte der Mann, der draußen stand, und zeigte eine Dienstmarke. Auch sein Begleiter ließ eine Marke aufblitzen. Ute wurde schwindelig.

»Ihr Mann ...«, sagte der Kommissar.

»Bernd?« Ihre Stimme war heiser. »Was ist mit Bernd?«

»Wir haben ihn festnehmen müssen«, sagte der Kommissar. »Er hat sich sofort nach der Tat gestellt.«

Er führte Ute ins Wohnzimmer. »Setzen Sie sich doch!«, sagte der andere Kriminalbeamte. Als Ute sich nicht rührte, drückte er sie in einen der Sessel.

»Besser, ich sage Ihnen gleich die ganze Wahrheit«, meinte der Kommissar. »Ihr Mann hat seine Kollegin erstochen. Marion Hansen.« Der Kommissar zögerte kurz. »Er hat alles gestanden. Er hatte eine Affäre mit dieser Frau und wollte sich heute Abend von ihr trennen. Sie drohte, Ihnen alles zu sagen, Frau Junker. Da hat Ihr Mann die Nerven verloren und sie mit einem Brieföffner von einem der Schreibtische erstochen. Mehrere Stiche, mitten in die Brust.«

02 Rex Richartz: Begegnung über den Wolken

»Und pass gut auf dich auf!«, sagte Clara Steffen, als sie ihren Mann Curd an der Sicherheitsschleuse des Flughafens in die Arme schloss, um sich von ihm zu verabschieden. Curd Steffen küsste seine Frau und spürte, wie ihn eine warme Woge der Liebe durchströmte. So stark wie schon seit Jahren nicht mehr empfand er dieses Gefühl der innigen Zuneigung und Verbundenheit.

»Was ist?« Clara sah ihn verwundert an. »Du zitterst ja!«

»Nichts!«, murmelte Curd mit belegter Stimme.

 

In der Abflughalle des Flughafens herrschte emsige Betriebsamkeit. In das Stimmengewirr der zahllosen Menschen, die auf ihre Flüge warteten, mischte sich, wie Curd Steffen es schien, immer wieder ein leises, kaum vernehmbares Kinderlachen. Curd sah sich um. Er entdeckte ein paar Kinder, die zu einer Reisegruppe gehörten, aber das Lachen war nicht aus dieser Richtung gekommen.

Zögernd bewegte sich Curd durch das Gate und machte sich auf den Weg zur Maschine.

»Guten Flug!«, sagte die Stewardess beim Einchecken an der Tür der Maschine freundlich, und Curd suchte sich seinen Platz.

Überrascht sah er sich um, als er plötzlich wieder hinter sich eine Kinderstimme zu hören glaubte. Doch auf den Plätzen hinter ihm saß nur eine Gruppe von Geschäftsleuten, die schon mit emsigen Mienen ihre Laptops und Akten auspackten, um während des Flugs zu arbeiten.

Etwas verwirrt von der Täuschung wandte Curd sich wieder den Geschäftsunterlagen zu, die er während des Fluges durcharbeiten wollte.

Doch anders als sonst konnte sich der Geschäftsmann und Logistikspezialist heute nicht auf die Zahlenkolonnen und Tabellen konzentrieren. Düstere Bilder drängten sich vor sein inneres Auge, grelle, lodernde Flammen und zerborstenes Metall schien er plötzlich zu sehen, und ein stechender Geruch reizte seine Nase.

Das Flackern des »Bitte-anschnallen«-Schildes und die Durchsage der Stewardess brachten ihn wieder in die Realität zurück. Er befestigte den Sicherheitsgurt und lehnte sich zurück, um sich während des Starts der Maschine zu entspannen. Der riesige Silbervogel gewann auf der Startbahn an Geschwindigkeit, löste sich vom Boden, hob ab und schwebte davon in den düsteren Vormittagshimmel.

Nachdem sie ihre Reiseflughöhe erreicht und Kurs nach Osten genommen hatten, nahm Curd mit einem dankbaren Lächeln den Drink entgegen, den ihm die blonde Stewardess servierte.

Weiter vorn lachte ein Kind, und gleich darauf sah Curd ein blondes, wohl kaum fünfjähriges Mädchen durch den Mittelgang kommen. Aus großen blauen Augen schaute es ihn an, kam heran und legte ohne Scheu seine kleine Hand auf Curds Arm.

»Ich habe mich verlaufen, Onkel!«, sagte das Mädchen. »Kannst du mir helfen?«

Für einen Augenblick war Curd verwirrt und wollte nach der Stewardess rufen, die sicherlich wusste, wohin das kleine Mädchen gehörte. Doch dann gab er einem unbestimmten Impuls nach und stand auf. »Dann komm. Suchen wir deine Eltern!« Mit dem Mädchen an der Hand ging er durch den Mittelgang.

Als er ein zaghaftes Zupfen an seiner Hand verspürte, blieb er überrascht stehen und sah zu dem Mädchen hinunter.

»Hast du auch eine Tochter?«, fragte das Kind.

Curd schüttelte den Kopf. Er stand mit dem Mädchen in Höhe der kleinen Bordküche, in der die Stewardessen die Speisen vorbereiteten, die sie gleich servieren würden.

»Nein, ich habe keine Tochter«, sagte er und erinnerte sich, dass das kleine Mädchen, das Clara ein Jahr nach ihrer Heirat zur Welt gebracht hatte, jetzt ungefähr so alt gewesen wäre wie das Mädchen an seiner Hand. Das Kind war damals trotz aller Bemühungen der Ärzte unmittelbar nach der Geburt gestorben. Clara hatte den Verlust nie ganz überwunden.

»Komm, wir suchen weiter nach deiner Mutter!«, sagte Curd und wollte weitergehen, doch im nächsten Moment löschte ein ohrenbetäubendes Krachen alles Denken aus.

Die Maschine sackte ab, Curd wurde gegen die Wand der Bordküche geworfen, um ihn herum schrien Menschen in Todesangst.

Seine Hand griff verzweifelt suchend nach dem kleinen Mädchen, er wollte die Kleine festhalten, doch er griff immer wieder ins Leere. Verzweifelt schrie er auf und versuchte sich vor den umherfliegenden Trümmern des zerberstenden Flugzeugs zu schützen.

Und dann raubte ihm plötzlich ein donnerndes Krachen das Bewusstsein.

Langsam nahm hinter der milchig-weißen, flimmernden Wand, die seinen Blick trübte, eine menschliche Gestalt Formen an. Das Licht, in das er blickte, wurde heller, und schließlich erkannte er einen Mann, der ihm mit einer Lampe ins Auge leuchtete. Der Arzt prüfte Curds Reflexe und lächelte dann beruhigend. »Es ist alles in Ordnung, Herr Steffen. Sie waren einige Stunden ohne Bewusstsein, aber außer ein paar Knochenbrüchen und einer Menge Schürfwunden haben Sie keine Verletzungen davongetragen.«

Curd bewegte die Lippen, um zu sprechen. Erst kam nur ein Krächzen aus seinem Hals. »Was ist passiert?«, brachte er schließlich hervor.

»Es ist wie ein Wunder, dass Sie den Flugzeugabsturz überlebt haben«, sagte der Arzt. »Viele Passagiere sind tot, verstehen Sie? Sie hatten unwahrscheinliches Glück, denn Sie standen an der stabilsten Stelle der Maschine und sind auch durch die Bordküche, in die Sie hineingeschleudert wurden, geschützt worden. Das hat Ihnen das Leben gerettet. Wir haben auf dem Plan der Maschine gesehen, wo Sie gesessen haben. Wenn Sie an Ihrem Platz geblieben wären ...«

»Das Kind ...«, flüsterte Steffen kraftlos. »Ein Mädchen, etwa fünf Jahre. Es hat seine Mutter gesucht, es hat mich zu dieser Stelle im Flugzeug geführt ...«

»Sie müssen sich täuschen, Herr Steffen«, meinte der Arzt. »Wir haben die Passagierliste hier. Es war kein Kind an Bord. Und jetzt müssen Sie schlafen.«

Er nickte ihm beruhigend zu und verließ das Zimmer. Und einen Augenblick lang glaubte Curd ein helles Kinderlachen vom Gang des Krankenhauses hereinwehen zu hören.

Olete lõpetanud tasuta lõigu lugemise. Kas soovite edasi lugeda?