Geist Gottes - Quelle des Lebens

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Sari: Edition IGW #5
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e.Der Geist in der Mission und in der Gemeinde

Vor allem die Apostelgeschichte des Lukas berichtet von dem Leben der ersten christlichen Gemeinden und der Mission in der Kraft des Heiligen Geistes. Die vom Geist Gottes neu geschaffene Gemeinschaft der Gläubigen verstand sich als „ein Leib und ein Geist“ (Eph 4,4; LU). Diese Gemeinschaft sammelte sich auf der Grundlage der Lehre der Apostel und Propheten (Apg 2,42; 13,1; Eph 2,20). Sie traf sich in Einmütigkeit zur gemeinsamen Anbetung und zum Gebet (Apg 2,42; 3,1). Auch gemeinsame Mahlzeiten und die Feier des Abendmahls gehörten zu ihren regelmäßigen Gewohnheiten. Die Grundlage der Einheit konstituierte sich in der gemeinsamen Geisterfahrung, der gemeinsamen Lehre, dem gemeinsamen Gebet und dem Brotbrechen. Die erste Gemeinschaft der Gläubigen war auch geprägt durch ein hohes Maß an Hilfsbereitschaft und Liebe. Das frühgemeindliche Leben wirkte einladend und hatte einen ganzheitlichmissionalen Charakter (Apg 2,47). Immer wieder berichtet Lukas, wie man sich im Frühchristentum der Hilfsbedürftigen und Armen annahm. Bei der Lösung auftretender Fragestellungen wurde nach Menschen gesucht, die mit dem Heiligen Geist erfüllt waren (Apg 6,1ff). Heuchelei wurde in der Kraft des Geistes und durch göttliche Offenbarung aufgedeckt (Apg 5,9). Schwerwiegende Lehrfragen wurden in Offenheit und mit aller Schärfe ausgetragen, aber die Entscheidungen in der Einheit des Heiligen Geistes weitergegeben (Apg 11,1–18; 15,1–28). Auch wenn die Ausbreitung des Evangeliums auf oppositionelle Kräfte traf, erwies sich in den ersten Christen die Kraft des Heiligen Geistes zum Zeugnis (Apg 4,13; 6,10; 13,4–12).

Die Apostel achteten darauf, dass Menschen, die sich für das Evangelium öffneten, die Gabe des Heiligen Geistes empfingen. Die für die Christwerdung grundlegenden Elemente Buße, Glaube, Taufe und Geistempfang traten nicht immer in der gleichen Reihenfolge auf, aber es wurde darauf geachtet, dass alle Elemente möglichst zeitnah zusammenkamen. In der Apostelgeschichte wird nirgends davon berichtet, dass Menschen getauft wurden, die ohne bewusste Buße und Glauben waren. Wir finden jedoch zwei Berichte, dass Personengruppen an Jesus gläubig wurden, ohne bewusst die Gabe des Heiligen Geistes empfangen zu haben. In Samaria kamen Menschen durch die Missionstätigkeit von Philippus zum lebendigen Glauben an Jesus und sie wurden auf den Namen Jesus getauft. Als die Apostel aus Jerusalem davon hörten, sandten sie Petrus und Johannes aus, um dieses Geschehen in Samaria zu besehen. Lukas berichtet:

„Als aber die Apostel in Jerusalem hörten, dass Samarien das Wort Gottes angenommen hatte, sandten sie zu ihnen Petrus und Johannes. Die kamen hinab und beteten für sie, dass sie den Heiligen Geist empfingen. Denn er war noch auf keinen von ihnen gefallen, sondern sie waren allein getauft auf den Namen des Herrn Jesus. Da legten sie die Hände auf sie und sie empfingen den Heiligen Geist“ (Apg 8,14–17; LU).

Ein ähnlicher Vorgang wird von den Johannesjüngern in Ephesus berichtet. Hier handelt es sich um Menschen, die als „Jünger“ und als „gläubig“ bezeichnet werden, die jedoch noch nicht die Taufe auf den Namen Jesus und die Gabe des Heiligen Geistes empfangen hatten. Sie hatten noch nicht einmal vom Heiligen Geist gehört (Apg 19,2). Die einzigen Elemente christlicher Grunderfahrung, die sie kannten, waren Buße und Glaube; die Taufe und der Empfang des Geistes geschahen erst auf Nachfrage des Apostels.

Beide Berichte zeigen den nicht trennbaren Zusammenhang der Initiation des Christseins, der durch Buße, Glaube, Taufe und Geistempfang konstituiert wird. Fehlt eines der Elemente, so soll dieses unmittelbar noch dazu kommen.

John Stott und andere evangelikale Theologen68 sehen in diesen beiden Berichten keine Vorlage für eine Erfahrung, die sich womöglich in der Missions- und Kirchengeschichte wiederholt hätte. Damit wollen sie einer Lehre von einer zweiten, zusätzlichen Grunderfahrung, wie sie in der klassischen Pfingstbewegung als „Geistestaufe“ gelehrt wird, exegetisch wehren. Sie deuten diese Berichte ausschließlich im Sinne der einzigartigen, bewussten Integration nichtjüdischer Menschen in die Gemeinde Jesu Christi durch die Apostel. Ich halte das für eine verkürzte und sehr eigenwillige Exegese dieser Berichte. Vielmehr gehe ich davon aus, dass auch schon in der frühen Christenheit die Erfahrung des zeitlichen Auseinanderfallens von Glauben, Taufe und Geistempfang gegeben war.69 Zudem zeigen diese Berichte auf, welch einen hohen Stellenwert in der frühchristlichen Gemeinde der bewusste Empfang der Gabe des Geistes hatte.

Der umfassende Zeugendienst der ersten Jünger Jesu geschah in der Kraft des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist gab den Aposteln den Mut, auch bei großen Widerständen das Zeugnis von Jesus weiterzugeben. Das Wort „Zeuge“ bzw. „Zeugnis“ (griech. martys, martyreo, martyrion) wird von Lukas immer im Sinn des Christuszeugnisses gebraucht. Erst später wurde es zum Inbegriff für die „Märtyrer“, die in diesem Zeugendienst ihr Leben ließen.

Die Apostel und Märtyrer waren jedoch nicht die einzigen Zeugen. Die Mission war eine Laienbewegung, die von vielen unterschiedlichen Menschen getragen wurde. Der Geist Gottes gab dem Wort der Gläubigen seine Kraft und bestätigte das Zeugnis durch mitfolgende Zeichen und Wundertaten (Mk 16,17f; Apg 2,43 u. a.). Das Zeugnis breitete sich, von Jerusalem ausgehend, über Judäa, Samaria bis „an das Ende der Erde“ (Apg 1,8) aus. Philippus bezeugte in der Kraft des Heiligen Geistes das Evangelium von Jesus Christus dem äthiopischen Kämmerer. Paulus wurde zum Apostel für die Nationen berufen. Diese Berufung und Aussendung geschah konkret durch den Heiligen Geist. Der Geist Gottes sprach Berufungen und Beauftragungen aus. „Als sie aber dem Herrn dienten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Sondert mir aus Barnabas und Saulus zu dem Werk, zu dem ich sie berufen habe“ (Apg 13,2; LU). In der Ausführung der Mission ist der Geist Gottes als der eigentliche „Regisseur“ tätig. Er leitet die Apostel und eröffnet oder verschließt Türen (Apg 16,1ff).

Die ersten Zeugen Jesu wurden nicht nur in ihrer Missionstätigkeit, sondern auch in ihrem persönlichen Leben vom Geist geführt. So nahm Paulus sich „im Geist“ vor, durch Mazedonien und Kleinasien zu ziehen, und nach Jerusalem zu reisen, um das gesammelte Geld dort hinzubringen (Apg 19,21). Die Reisepläne wurden im Einklang mit dem Geist Gottes entworfen (vgl. Apg 20,22). Der Geist sprach durch frühchristliche Propheten, die der Gemeinde halfen, ihren Zeugendienst zu tun (Apg 21,11). Die Mission ist nicht losgelöst vom Wirken des Heiligen Geistes zu sehen.

Durch die ganze Zeit- und Kirchengeschichte ist Gottes Geist wirksam. Ungezählte Zeugnisse aus der bewegenden Missionsgeschichte bestätigen das. Der Geist Gottes ist der Geist der Sendung.70 Die Auffassung, dass der Geist Gottes in seinen Wirkungen nach der Vollendung des biblischen Kanons im 4. Jahrhundert n. Chr. nicht mehr in dieser frühchristlichen Weise erfahrbar gewesen sei, ist kirchen- und missionsgeschichtlich schlichtweg nicht nachweisbar. Wohl gab es die Erfahrung, dass nicht alle Wirkungen und Gaben des Geistes in gleicher Intensität und Dichte auftraten, jedoch hörten sie niemals völlig auf. Im sog. „Cessationismus“ (engl. Cessation = Beendigung) wird die Lehre vom Aufhören der Zeichen- und Offenbarungsgaben nach der Zeit der Apostel besonders vehement vertreten.71 Häufig wird dabei auf 1Kor 13,10 Bezug genommen, wobei das „Vollkommene“ (griech. teleion) willkürlich mit dem Abschluss der Kanonbildung gleichgesetzt wird:

„Ehe das NT vollendet war, würden die Menschen die Apostel und andere um Beweise bitten, dass das Evangelium von Gott ist. Um die Predigt zu bestärken, gab Gott mit Zeichen, Wundern und verschiedenen Geistesgaben davon Zeugnis. Diese Wunder werden heute nicht mehr benötigt. Wir haben die gesamte vollständige Bibel. Wenn die Menschen der nicht glauben, werden sie sowieso nicht glauben.“72

Einige Vertreter dieser Auffassung gehen zuweilen noch weiter, indem sie jegliches Auftreten von Glossolalie oder Prophetie in der nachapostolischen Zeit nur noch einem anderen Geist zuordnen, jedoch nicht mehr dem Heiligen Geist.73 Eine derartige pauschale Verteufelung charismatischer Wirkungen in der Missions- und Kirchengeschichte hat zu starken Verunsicherungen geführt, die auch als ein „Betrüben des Geistes“ gewertet werden können (1Thess 5,19–21).

f.Der Geist der Vollendung

Der Geist Gottes wirkt – wie bereits dargelegt – durch die gesamte Geschichte dieser Welt hindurch. Er ist in der Schöpfung als Geist allen Lebens wirksam, sodass wir eine Analogie zwischen seinem Wirken in der Schöpfung und der Neuschöpfung annehmen dürfen. Er wirkt in der Geschichte Israels und seine umfassende Ausgießung wird bereits in der alttestamentlichen Prophetie mit der Verheißung des Geistträgers, des Messias verknüpft. Der Geist wirkt in Christus; er ist es, der bei ihm in der Todesverlassenheit ist und der ihn zum neuen Leben auferweckt. Jesus verheißt die Geistausgießung, ohne die eine Christusverbindung nach seinem Tod und seiner Auferstehung nicht möglich wäre. Der Geist wird zum Pfingstfest ausgegossen und wirkt seitdem als Geist der Sendung in der Gemeinde Jesu und in der Welt. Der holländische Theologe H. Berkhof schreibt:

„Wir bekennen, dass der Geist in weltweitem Maßstab in den Kirchen und in der missionarischen Bewegung am Werk ist, zugleich aber beschränken wir seine Wirkung auf die gläubigen Kirchenglieder und auf die durch die Mission Bekehrten. Im Gegensatz zu dieser gängigen Meinung glaube ich, dass der Einfluss des Geistes als aktive Gegenwart Jesu Christi in der Welt viel weiter reicht, als wir meinen.“74

 

Das Geisteswirken beschränkt sich also keineswegs nur auf den Ort der Kirche und Mission, sondern es weist darüber hinaus auf die Vollendung allen Lebens in Gott hin. Im Wirken des Geistes sind somit die Schöpfung und die Neuschöpfung, als „Beginn der Erlösung“ und als „Vollendung der Schöpfung“ zu deuten.75 Der gegenwärtige und zukünftige Äon sind eine Schöpfung desselben Gottesgeistes. Der Geist zielt auf die Vollendung des Heilsgeschehens, auf die kommende Welt. Der Geist wird als Gabe „am Ende der Tage“ verheißen, der Tage, die nach der Auferstehung und dem Pfingstereignis angebrochen sind. Durch den Geist erfahren wir hier schon die Kräfte des kommenden Äons (Hebr 6,5). Der an Jesus Christus Glaubende und Gerechtfertigte ist zugleich auch Miterbe des erhöhten Christus. In dem Werk der Rechtfertigung und Heiligung hat der Beginn, das „Vorspiel der Vollendung“ (H. Berkhof) begonnen.

Paulus verwendet in diesem Zusammenhang die griechischen Begriffe aparche und arrabon. Aparche (Röm 8,23) erinnert an die „Erstlingsfrucht“, die Menschen im alttestamentlichen Bund Gott brachten. Der Begriff im NT weist einen Unterschied auf, denn hier geht es um eine Gabe, die Gott den Menschen bringt. Sie weckt in den Geistbegabten die Sehnsucht nach der Vollendung. Diese Sehnsucht, die möglicherweise immer mehr zunimmt, je stärker das Wirken des Geistes erfahren wird, führt jedoch nicht in eine Verzweiflung, sondern sie weckt die gestaltende Kraft der Hoffnung im Glaubenden (Röm 5,5). Noch kräftiger wird der gleiche Gedanke durch den Begriff arrabon ausgedrückt. (2Kor 1,22; 5,5; Eph 1,14). Arrabon ist ein griechisches Lehnwort aus der semitischen Handelssprache. Es war gleichbedeutend mit „Anzahlung“ oder auch „Bürgschaft“. Luther übersetzt „Unterpfand“.

Die gegenwärtigen Geisterfahrungen weisen somit auf die entscheidenden eschatologischen Ereignisse hin, auf die Wiederkunft Christi, die Auferstehung der Toten, das Gericht, das Anschauen Gottes in Christus und die neue Welt. Der Geist Gottes gibt den Glaubenden die Zusicherung, dass der Tod nicht das letzte Wort haben wird. Das Leben der Kinder hier auf der Erde ist endlich, auch das Leben derer, die die Gabe des Geistes empfangen haben. Die Erlösung des Leibes steht noch bevor (vgl. Eph 1,17; Röm 8,22ff). Die Kraft der Auferstehung Christi, die auch hier und jetzt schon als Kraft seines gegenwärtigen Geistes erfahren wird, vermag unendlich viel mehr zu wirken, dass nämlich unser Leib umgestaltet und der „göttlichen Natur teilhaftig“ wird (2Petr 1,4). Dieser neue Leib, der gleich dem Auferstehungsleib Jesu nicht mehr an Raum und Zeit gebunden sein wird und eine andere fleischliche Qualität hat, bekommt für den vom Geist erfüllten Menschen hier und jetzt schon einen Realitätsbezug (1Kor 15; Phil 3,2). Hier und jetzt erfährt der Christ durch den Geist Gottes bereits das Charisma des ewigen Lebens, allerdings nur als ein Angeld und im Verborgenen (Kol 3,3; Röm 6,23; Gal 6,8). Ewiges Leben ist eine Gnadengabe Gottes, die wir hier schon empfangen, die sich aber erst im neuen Äon in ihrer Leiblichkeit und ihrem ganzen Umfang äußern wird76. „Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1Joh 3,2).

Die eschatologische Dimension des Wirkens des Geistes Gottes ist jedoch nicht nur für den individuellen menschlichen Bereich zu sehen, auch im Gericht Gottes über die Nationen wird er seine Wirksamkeit erweisen77. Er ist der Geist, der alles zur Vollendung führt.

„Von Anfang an richtet sich der Geist nicht auf ein ‚Jenseits‘, sondern auf ein ‚Morgen‘, und zwar auf den Morgen, der in der Auferstehung Jesu Christi endlich ans Licht getreten ist: die eschatologische ‚Pneumatisierung‘ der ganzen Schöpfung, wobei die ganze im Geist Gottes geschaffene und erhaltene Welt im neuschaffenden Geist über sich hinaus geführt und dadurch verwandelt wird, dass sie durch den Sohn in die Gemeinschaft des trinitarischen Gottes aufgenommen wird.“78

Der Geist Gottes wirkt nicht nur in der Schöpfung, in der Zeit des Alten Bundes, in dem Messias, Geistträger und Geisttäufer Jesus oder in seiner Gemeinde der Gläubigen, sondern er wirkt durch alle Zeiten hindurch in unterschiedlicher Dichte und Intensität im Kosmos. Eine missionale Pneumatologie spürt diese umfassende Sendung des Geistes auf und artikuliert sich damit als eine Theologie der Welt, der Geschichte, der Kultur, der Politik, ja, des gesamten Lebens.79

1.2Die trinitarische Einheit

Ich war richtig erschrocken. Es war bei meiner Einführung zum Landesjugendpastor in Niedersachsen. Eine gute und stabile Mitarbeiterschaft war von meinem Vorgänger sehr stark lehrmäßig in diesem Dienst ermutigt und geprägt worden. Sie hatten den Römerbrief sorgfältig studiert und im Zentrum der Lehre stand eindeutig eine Christologie, die stark von dem Kreuzesgeschehen ausging. Es war eine Art „Christomonismus“ oder eine „staurologische Christologie“, die sich auf das Wort des Apostels Paulus berufen konnte, der nichts anderes weiß, als das „Wort vom Kreuz“ (1Kor 2,2). Zu Beginn des Einführungsgottesdienstes stand ein großes Holzkreuz sehr zentral auf der Bühne. Dann ging ein Mitarbeiter nach vorn, nahm das Kreuz und stellte es in eine Ecke. „Lange haben wir uns mit dem Kreuz Jesu beschäftigt, nun kommt eine neue Zeit“, proklamierte er der verdutzten Zuhörerschaft. „Der neue Jugendpastor wird uns mehr über den Heiligen Geist beibringen, er kommt, wie wir alle wissen, aus der charismatischen Erneuerung.“ Einige lachten und ich saß geradezu wie gelähmt auf meinem Platz. „Was für ein theologisches Missverständnis!“, dachte ich. Man kann doch nicht bildhaft Christus in die Ecke schieben und sich dann dem Heiligen Geist zuwenden! In meiner anschließenden kurzen Ansprache habe ich versucht, das auch gleich wieder zurechtzurücken, weiß aber nicht, ob es mir gelungen ist.

Heute habe ich auch mehr Verständnis für die ungehobelte Theologie der jungen Leute. Wie sollten sie es denn auch anders denken und zuordnen? War ihnen das nicht immer wieder bewusst oder unbewusst vermittelt worden, dass der Geist Gottes die „Dritte Person“ der Trinität sei? Dass alles Reden und Nachdenken über den Geist Gottes ja letztlich geradezu wie eine Konkurrenzveranstaltung in der himmlischen Welt aufgenommen werden könnte?

Mir wird immer bewusster, dass ein mangelndes Verständnis des trinitarischen Geheimnisses der Gottesoffenbarung zu Verunsicherungen und Vereinseitigungen in der Theologie und auch in der Spiritualität führen muss. Heute würde ich es umso klarer sagen: Je mehr ein Mensch vom Geist Gottes erfüllt ist, umso mehr ist er auch mit dem Sohn Gottes und mit dem Vater im Himmel verbunden. Der Geist stellt das Kreuz nicht in die Ecke, sondern er lässt es als einen zentralen Ort der Gottesoffenbarung aufleuchten. Die Redeweise von der „Geistvergessenheit“ (O. Dillschneider) hat seinerzeit viele Theologen aufhorchen lassen und vielleicht auch verunsichert.

Es gab in der Folgezeit eine Flut von Schriften über den Heiligen Geist, die eine Reihe von Einzelaspekten zur Pneumatologie aufhellten, die aber noch nicht ein neues „Paradigma in der Pneumatologie“80 aufzeigten. Belebend und zugleich erschwerend kam die wuchtige neue Erfahrungsebene der unterschiedlichen charismatischen Aufbrüche jener Zeit, die eine sorgfältige theologische Reflexion kaum zuließen und – besonders in freikirchlichem Milieu – die Dominanz einer Theologie der Erfahrung verstärkten. „Wahr ist das, was wir mit dem Geist Gottes erfahren!“, so könnte das Motto vieler charismatischer Gruppierungen lauten. Die aufgeschlagene Bibel würde hier und da schon helfen, diese Erfahrungen zu reflektieren. Und selbst wenn derartige Erfahrungen nicht biblisch belegt werden konnten, blieb ja immer noch der Hinweis auf den „Geist, der in die ‚ganze Wahrheit‘ führt“ (Joh 16,13). So manche irreführenden Auffassungen und Lehren berufen sich auf ein solches weiterführendes Offenbarungsgeschehen des Heiligen Geistes. Eine wegweisende Pneumatologie muss sich jedoch auf die in den biblischen Schriften des AT und NT gegebenen Offenbarungen gründen und kann die Erfahrungsebene nicht als eine gleichwertige Offenbarungsquelle ansehen. Eine Engführung oder Irreführung im Nachdenken über eine Lehre vom Heiligen Geist hat sich allerdings im Laufe der Kirchengeschichte eingebürgert durch ein mangelndes Verständnis der Trinität. Viele Vorbehalte gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes sind in einer solchen defizitären Trinitätslehre begründet.

a.Der Geist des Sohnes

Die Beziehung zwischen dem Heiligen Geist und Christus ist im NT in einer doppelten Weise dargestellt. Zum einen können wir zu der Auffassung gelangen, dass Jesus Christus der Träger des Geistes, der angekündigte Messias, ist. Der Geist „ruht“ auf dem Gesalbten, das wird bei seiner Geburt, seiner Taufe, in seinen Wundertaten und in seiner Ankündigung der Geistausgießung deutlich (Mt 1,20; 4,1; 12,28; Lk 4,14; 10,21; Apg 1,2; Apg 10,38; Röm 1,4). Das Wirken Jesu Christi ist nur möglich, weil der Geist Gottes ihn dazu befähigte. Der Geist war auf Jesus, und das nicht nur in einem begrenzten Maß, sondern in der ganzen Fülle (Joh 3,34).

Zum anderen finden wir Aussagen, die Christus als den Entsender des Geistes zeigen. Paulus kann sogar davon sprechen, dass der „Herr“ selber der lebendig machende Geist ist (2Kor 3,17).81 Er bezeichnet den Geist als „Christi Geist“ oder als „Geist des Sohnes“ (Röm 8,9; Gal 4,6; Phil 1,19). Der Geist wird vom Vater „im Namen“ Jesu gesandt (Joh 14,26) bzw. Jesus selbst wird als der gesehen, der den Geist senden wird (Joh 15,26; 16,7; Lk 24,49). Jesus wird also als Geistgeleiteter und auch als Geistsendender beschrieben.

Wer aus dieser Aussage ein hierarchisches oder monarchisches Trinitätsverständnis ableitet, wird hier allerdings irregeleitet. Die Sendung ist im Sinn einer Freisetzung zu verstehen und nicht im Sinn einer nachgeordneten Rangfolge. Der Sendende ist dem Gesandten nicht übergeordnet oder bestimmend vorgesetzt. So gesehen müsste ja Jesus selbst, der vom „Geist gezeugt ist“, ebenfalls dem Geist subordiniert sein. Noch deutlicher wird diese differenzierte Deutung zwischen Sendung und Subordination (Unterordnung) im Verhältnis Jesu zum Vater. Besonders Johannes stellt heraus, dass Jesus sich in eine vollkommene Abhängigkeit vom Vater begibt. Er empfängt seine Rede, seine Vollmacht und seine Herrlichkeit allein aus dem Vater (Joh 5,19ff; 6,57; 14,9ff, 16,15). Gerade in dieser Abhängigkeit wird die Autorität Jesu begründet, die als eine „Einheit“ mit dem Vater gekennzeichnet ist. Der Vater selbst zeugt von Jesus und Jesus zeugt vom Vater (Joh 8,18f). Jesus ehrt den Vater und der Vater ehrt Jesus (Joh 8,49.54). Der Vater und Jesus sind eins (Joh 10,30.38; 14,10). Der Vater wird im Sohn verherrlicht und der Sohn im Vater (Joh 14,13; 17,1ff). Die Sendung des Sohnes vom Vater wird also nicht im Sinn einer Dominierung des Vaters gegenüber dem Sohn oder im Sinn einer Subordinationsauffassung gedeutet, sondern als ein Ausdruck der Einheit. Unterordnung wird als ein Einheitsbegriff verstanden und nicht als ein hierarchischer Terminus.

Gemäß dieser „trinitarischen Logik“ kann aus der Aussage, dass Jesus, gemeinsam mit dem Vater, der Geist-Sender ist, nicht theologisch abgeleitet werden, dass der Geist Gottes nur als „Dritte Person“ der Gottheit zu verstehen sei oder dass er Christus in einem hierarchisch-monarchischem Verständnis untergeordnet sei. Der Geist Gottes ist immer auch der Geist Christi und der Geist des Vaters. Der Geist wird immer auf Christus und sein Erlösungswerk hindeuten, er wird immer Kreuz und Auferstehung aufleuchten lassen. Der Geist Gottes wird die Worte, die Lehre Jesu „weiterlehren“. Jesus sagt in seinen Abschiedsreden:

„Ich hätte euch noch viel mehr zu sagen, aber jetzt würde es euch überfordern. Wenn aber der Geist der Wahrheit kommt, hilft er euch dabei, die Wahrheit vollständig zu erfassen. Denn er redet nicht in seinem eigenen Auftrag, sondern wird nur das sagen, was er gehört hat. Auch was euch in Zukunft erwartet, wird er euch verkünden. So wird er meine Herrlichkeit sichtbar machen; denn alles, was er euch zeigt, kommt von mir. Was der Vater hat, gehört auch mir. Deshalb kann ich mit Recht sagen: Alles, was er euch zeigt, kommt von mir“ (Joh 16,12–15).

 

Die Lehre des Geistes wird niemals der Lehre Jesu widersprechen oder sie in einer widersprüchlichen Weise ergänzen. Die Einheit Jesu Christi mit dem Geist wird durch die doppelte neutestamentliche Aussage in der Christologie markiert: Der, auf dem der Geist ruht und bleibt, der Messias, ist auch der, der den Geist mit dem Vater sendet und der mit dem Geist tauft (Joh 1,33).

Anhand dieser Überlegungen liegt es nahe, die Lehre von Christus aus einem pneumatischen Gesichtspunkt zu entwerfen, das heißt, „die Person und das Werk Jesu Christi als die Folge und den Anfangspunkt, als die Mitte der Leben schaffenden Gegenwart Gottes, der Werktätigkeit des Geistes unter den Menschen zu begreifen.“82 Die Versuche, eine pneumatologische Christologie zu entwerfen, sind dennoch in der Theologiegeschichte relativ selten. Der Geist ist weit mehr, als nur eine Gabe oder eine Energie, die von Christus gesandt wird. Er ist handelndes Subjekt, der Identifikator mit dem Christus. So, wie der auferstandene Christus sich mit dem Geist identifiziert in seiner Zusage der Gegenwart „Ich bin immer bei euch, bis das Ende dieser Welt gekommen ist“ (Mt 28,28). Christus ist gegenwärtig, wo der Geist gegenwärtig ist (1Joh 2,24). Da, wo der erhöhte Herr sein Wort an die Gemeinden richtet, ist zu hören „was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 2,7 u. ö.). Der Geist ist der irdische Repräsentant des erhöhten Herrn. „Im Geist wird der auferstandene Eine offenbar in seiner Auferstehungsmacht.“83 Eine pneumatologische Christologie kann vor den Gefahren eines Christomonismus bewahren84. Der Geist Gottes ist immer auch der Geist Jesu Christi.