Geist Gottes - Quelle des Lebens

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Sari: Edition IGW #5
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b.Der Geist des Vaters

Die Ausführungen über eine pneumatische Christologie haben bereits aufgezeigt, dass eine isolierte Theologie zu einer der drei Personen der Trinität nur in einer gesamttrinitarischen Zuordnung möglich ist. Eine Aussage über den Heiligen Geist ist immer zugleich auch eine Aussage über den Vater und den Sohn; eine Aussage über den Sohn weist zudem immer auf den Vater und den Geist. Ebenso ist eine Aussage über den Vater auch eine Aussage über den Sohn und den Geist. Während wir in den Texten des NT – besonders in den johanneischen Schriften – eine Fülle von Aussagen über die Beziehung zwischen dem Sohn und dem Vater bzw. dem Sohn und dem Geist finden, wird die Relation zwischen Vater und Geist weniger ausgeführt. Dennoch ist der Vater nur als Vater zu denken durch den Sohn, und somit der Geist des Sohnes auch nur in einer Verbindung mit dem Vater wahrzunehmen. Der Vater hat in sich selbst das Leben, ebenso der Sohn (Joh 5,26). So wie alle Vaterschaft ihr Urbild in dem Vatersein Gottes hat, definiert sich auch alle Kindschaft durch die Vaterschaft Gottes.

„Darum knie ich nieder vor Gott, dem Vater, und bete ihn an, ihn, dem alle Geschöpfe im Himmel und auf der Erde ihr Leben verdanken und den sie als Vater zum Vorbild haben. Ich bitte Gott, dass er euch aus seinem unerschöpflichen Reichtum Kraft schenkt, damit ihr durch seinen Geist innerlich stark werdet und Christus durch den Glauben in euch lebt. In seiner Liebe sollt ihr fest verwurzelt sein; auf sie sollt ihr bauen“ (Eph 3,14–17).

In dem Gespräch Jesu mit der Samaritanerin geht es um die Anbetung des Vaters und die Anbetung des Geistes. Jesus sagt. „Doch es kommt die Zeit – ja, sie ist schon da –, in der die Menschen den Vater überall anbeten werden, weil sie von seinem Geist und seiner Wahrheit erfüllt sind. Von diesen Menschen will der Vater angebetet werden. Denn Gott ist Geist. Und wer Gott anbeten will, muss von seinem Geist erfüllt sein und in seiner Wahrheit leben“ (Joh 4,23–24). Die Anbetung Gottes, des Vaters, muss im Geist und in Wahrheit geschehen. Sodann wird der Geist selber zum Empfänger der Anbetung, der Epiklese85. Der Geist wird als Subjekt und als Objekt in der Verbindung mit dem Vater betrachtet. Genau diese Bibelstelle sollte auch jene Anbeter ermutigen, die Anbetung nicht nur dem Vater und dem Sohn zukommen lassen, sondern auch dem Heiligen Geist. Es ist schlichtweg biblisch nicht haltbar, die Anbetung des Heiligen Geistes abzulehnen.

Im Nicänum Konstantinopoletanum (451 n. Chr.)86, einem der ältesten Glaubensbekenntnisse, wird die Anbetung des Heiligen Geistes angesprochen, der „mit dem Vater und dem Sohn zugleich angebetet und verehrt wird.“ Die eucharistische Doxologie nimmt diese Aufforderung mit den Worten auf: „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Der Vater sendet den Geist (Joh 14,26), aber er ist auch ein „Geist des Vaters“, denn er „nimmt“ von dem, was Jesus vom Vater empfangen hat. Dieser Geist wirkt in den Empfängern eine Kindschaft gegenüber dem Vater.

„Ist der Geist Gottes in euch, so wird Gott, der Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib wieder lebendig machen; sein Geist wohnt ja in euch. Darum, liebe Brüder und Schwestern, sind wir nicht mehr unserer alten menschlichen Natur verpflichtet und müssen nicht länger ihren Wünschen und ihrem Verlangen folgen. Denn wer ihr folgt, ist dem Tod ausgeliefert. Wenn ihr aber mit der Kraft des Geistes eure selbstsüchtigen Wünsche tötet, werdet ihr leben. Alle, die sich vom Geist Gottes regieren lassen, sind Kinder Gottes. Denn der Geist Gottes, den ihr empfangen habt, führt euch nicht in eine neue Sklaverei, in der ihr wieder Angst haben müsstet. Er macht euch vielmehr zu Gottes Kindern. Jetzt können wir zu Gott kommen und zu ihm sagen: ‚Vater, lieber Vater!‘ Gottes Geist selbst gibt uns die innere Gewissheit, dass wir Gottes Kinder sind. Als seine Kinder aber sind wir – gemeinsam mit Christus – auch seine Erben. Und leiden wir jetzt mit Christus, so werden wir einmal auch seine Herrlichkeit mit ihm teilen“ (Röm 8,11–17).

Der Geist des Vaters wirkt die Zugehörigkeit zu Gott, die Gewissheit der Gotteskindschaft, die angstfreie Anbetung Gottes als „Abba“, die Teilhabe am Leiden Gottes und an dem Erbe der Herrlichkeit. Während Paulus im Römerbrief die Gotteskindschaft als Folge des Geistempfangs charakterisiert, betont er im Galaterbrief den Geistempfang als Folge der Gotteskindschaft: „Weil ihr nun seine Kinder seid, schenkte euch Gott seinen Geist, denselben Geist, den auch der Sohn hat. Deshalb dürft ihr jetzt im Gebet zu Gott sagen: ‚Lieber Vater!‘“ (Gal 4,6). Es gibt offenbar eine wechselseitige Verwobenheit der Erfahrung der Gotteskindschaft, sprich der Vaterschaft Gottes, und der Geisterfahrung. Der Geist Gottes ist immer auch der Geist des Vaters.

c.Die trinitarische Gemeinschaft

Das Wesen des Geistes wird in seiner Relation zu den ihm wesensgleichen Personen der Trinität wahrgenommen.87 J. Moltmann verdeutlicht das in der Darstellung und Wertung unterschiedlicher Denkkonzepte einer trinitarischen Pneumatologie.88 Er bezeichnet sie als bewegliche Denkkonzepte und untergliedert sie in das monarchische, das geschichtliche, das eucharistische und das doxologische Trinitätsmodell. Dabei geht er in seiner Beurteilung von einer sozialen Trinitätslehre aus, welche die Dreieinigkeit Gottes als ein soziales Miteinander, als ein Gemeinschaftsgeschehen, betrachtet, das jedoch eine Einheit in der Verschiedenheit verdeutlicht. Die Realität des Heiligen Geistes wird als personales Gegenüber des Vaters und des Sohnes gedeutet. Jede alleinige Reduzierung des Geistes auf eine bestimmte Wesens- oder Seinsart Gottes wird damit ausgeschlossen. Moltmann lehnt deshalb ein Verständnis der Trinität als drei Seinsweisen bzw. Substanzweisen (Hypostasen)89 ab. Problematisch zeigt sich für Moltmann der Personenbegriff. Person soll nicht auf Relation begrenzt sein90, im Sinn einer Beziehungsgröße, sondern wird als ein Aktionszentrum, als ein Beziehung schaffendes Subjekt vorausgesetzt. Jede Person darf nicht in ihrer Isoliertheit, sondern nur in ihrer Sozialität verstanden werden, denn Personsein ist gleichbedeutend mit In-Beziehung-Sein. „Die Personalität Gottes des Heiligen Geistes ist die liebende, sich mitteilende, sich auffächernde und ausgießende Gegenwart des ewigen göttlichen Lebens des dreieinen Gottes.“91 Dieses einzigartige Ineinander und Miteinander der innertrinitarischen Gemeinschaft wird dabei immer nur mit begrifflichen Hilfskonstruktionen zu benennen und zu beschreiben sein. Kennzeichnend ist die gemeinschaftsstiftende Liebe, welche die Unterschiede nicht aufhebt, sondern aufzeigt und als Teil der Ganzheit aufleuchten lässt.

Gemäß dieser sozialen Trinitätsauffassung sieht Moltmann das monarchische Trinitätskonzept kritisch. Es wurde in der westlichen Kirche ausgebildet. Immer handelt Gott der Vater durch den Sohn im Geist. Der Vater ist der Schöpfer, er versöhnt und erlöst die Welt durch den Sohn Jesus in der Kraft des Geistes. Alle Aktivität geht vom Vater durch den Sohn aus. Das eigentlich handelnde Subjekt ist der Vater, allenfalls kann der Sohn noch als solches angesehen werden, nicht aber der Geist. Der Geist ist Gabe, und nicht Geber. Mit dem monarchischen Trinitätskonzept wurde folgerichtig auch das „filioque“ („und dem Sohn“) in das Nicänum Konstantinopoletanum eingefügt. Der Geist geht deshalb vom Vater „und vom Sohn“ aus, weil die ganze Heilsgeschichte vom Vater und vom Sohn funktional gedeutet wird.

Bereits bei Tertullian, Athanasius, Basilius, Ambrosius, Augustinus und weiteren Kirchenvätern gibt es Formulierungen, auf welche sich diese spätere Trinitätsauffassung und die Verwendung von Filioque-Formeln stützen konnte. Die Synode von Toledo (447 n. Chr.) billigt ein modifiziertes Glaubensbekenntnis. Entscheidend ist aber erst das 3. Konzil von Toledo (589 n. Chr.). Gegner ist der Arianismus, der die Ansicht vertrat, dass Jesus Christus weniger ist als Gott der Vater. Der Zusatz macht deutlich, dass Jesus Christus mit Gott dem Vater gleichberechtigt ist. Um den Arianismus zu überwinden, musste freilich nicht nur eine Formel verwendet, sondern eine systematische Trinitätstheologie ausgearbeitet werden. Mit dem „filioque“ wird nämlich der Heilige Geist ein für alle Mal an die dritte Stelle in der Trinität positioniert und dem Sohn nachgeordnet bzw. untergeordnet.

J. Moltmann betrachtet die Beseitigung des Filioque-Zusatzes aus dem Glaubensbekenntnis als notwendig, zumal es erheblich zum Bruch zwischen der West- und Ostkirche im Jahre 1056 n. Chr. beigetragen hat. Diese misslungene Interpretationsformel des „filioque“ sollte besser durch eine konsensfähige Interpretation ersetzt werden, dass der Heilige Geist vom Vater allein ausgeht, aber im Sohn ruht und leuchtet. So differenziert Moltmann zwischen der zeitlichen Sendung und dem Ursprung des Geistes.92 Das geschichtliche Trinitätskonzept hingegen schreibt die einzelnen Werke der Heilsgeschichte den einzelnen Personen zu. Die Schöpfung wird dem Vater zugeordnet, die Versöhnung dem Sohn und die Heiligung dem Heiligen Geist. Schon Joachim von Fiore (12. Jh.) sprach von drei unterschiedlichen Reichen, die zwar ineinander greifen, aber voneinander getrennt zu sehen sind; ebenso vertrat Thomas von Aquin (1225–1274) die Auffassung der verschiedenen heilsgeschichtlichen Epochen93. Eine modalistische Zuteilung der einzelnen Heilsepochen zu einer der trinitarischen Personen ordnet zwar dem Geist eine „eigene“ Heilszeit zu, macht jedoch ein gleichzeitiges Zusammenwirken der trinitarischen Personen in den verschiedenen Heilszeiten kaum theologisch darstellbar.

 

Das eucharistische Trinitätsmodell ist geradezu eine Umkehrung der monarchischen Ordnung. In der Eucharistie wird der Geist herabgerufen (Epiklese) und er ermöglicht die Verherrlichung des Vaters und des Sohnes. Der Heilige Geist wird hier als ein handelndes Subjekt verstanden, das für die Verherrlichung und die eschatologische Vereinigung Gottes mit der ganzen Schöpfung verantwortlich ist. Hier ist der Geist die handelnde Person, während dem Vater und dem Sohn eine geradezu passive Rolle in der Gegenwart zugeordnet wird.

Mit dem doxologischen Trinitätskonzept definiert J. Moltmann ein Modell, in dem der dreieinige Gott „um seiner selbst willen“ angebetet wird.94 Ausgehend vom Glaubensbekenntnis, demzufolge der Geist zugleich mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verehrt wird, führt diese Anbetung zu einer Begegnung mit dem Dreieinen, einem Versinken in die Betrachtung Gottes. J. Moltmann nennt diese Erfahrung „Ekstase“, sinnliche und augenblickliche Wahrnehmung der ewigen Gegenwart Gottes95. Erst durch eine derartige doxologische Trinitätserfahrung wird die Voraussetzung geschaffen, um das Wirken und Werk des Geistes in der Heilsgeschichte zu erkennen und zuzuordnen. Moltmanns scharfe Kritik an der westlichen Trinitätslehre bezieht sich auf ihre Neigung zu einer binitarischen Auffassung Gottes. Diese äußert sich darin, dass der Heilige Geist nicht als eine trinitarische Person anerkannt, sondern nur als eine Wesensart oder eine Energie der Trinität gedeutet wird. Derartige Züge einer Binität nimmt Moltmann bei Karl Rahner, Hendrikus Berkhof und auch bei Heribert Mühlen wahr. Die trinitarische Gemeinschaft als eine soziale Trinität zu beschreiben, bleibt sicher eine große Herausforderung. Es wird meiner Ansicht nach hier immer ein rationales Defizit bleiben. Die trinitarische Gemeinschaft wird weniger durch dogmatische Denkmodelle, als vielmehr in der Spiritualität, der Anbetung aufgespürt. Somit kann ich den doxologsichen Ansatz von Moltmann nur begrüßen in der Hoffnung, dass dieser weitergeführt werden kann.

Um das Miteinander und Ineinander trinitarischer Gemeinschaft und Einheit zu kennzeichnen, hat sich der Begriff der „Perichorese“ als hilfreich erwiesen. Dieser Begriff bringt die wechselseitige ewige Beziehung göttlicher Gemeinschaft zur Geltung. Perichorese bezeichnet die vollständige gegenseitige Durchdringung, die zu einer Einheit oder Verschmelzung führt. Der Begriff ist abgeleitet von dem griech. perichorein (wörtlich: „herumgehen, durchwandern“). Chorein bedeutet ursprünglich „schwingen“. Es ist eine dynamische Relation. In der Christologie bezeichnet die Perichorese die wechselseitige Durchdringung der göttlichen und menschlichen Natur in Christus.

In der Trinitätslehre wurde der Begriff zunächst eingesetzt, um das statischruhende Ineinander-Sein der göttlichen Personen zu beschreiben. Erstmals gebrauchte Gregor von Nazianz das Verb perichorein in einem theologischen Kontext. Er bezeichnet damit die dynamische Einheit der drei Hypostasen. Weiterhin finden wir den Begriff bei Johannes von Damaskus, der damit die trinitarische Einheit wie eine Art Wohngemeinschaft beschreibt. Er kennzeichnet damit die Einheit, die über eine Ähnlichkeit hinausweist. In der griechisch-orthodoxen Tradition wird Perichorese schließlich auf das Verhältnis von Gott und Mensch ausgedehnt. Besonderen Einfluss bis in die Gegenwart kommt dabei der Lehre von Gregor Palamas zu: Durch die göttliche Gnade erfüllt das Licht den Menschen und es vollzieht sich dabei der Vorgang der Perichorese, der Verschmelzung und Durchdringung. Nur so ist für Palamas die Rede von dem Sein in Christus (Joh 15) nachvollziehbar. In der jüngeren Theologie hat Karl Barth den Begriff der Perichorese aufgenommen, die bewirkt, „dass die göttlichen Seinsweisen sich gegenseitig so vollkommen bedingen und durchdringen, dass eine auch immer in den beiden anderen wie die beiden anderen auch in ihr stattfinden“.96 Jürgen Moltmann stellt mit der Verwendung des Begriffs stark das dynamische Einheitsmotiv heraus. „In der Kraft ihrer ewigen Liebe existieren die göttlichen Personen so intim miteinander, füreinander und ineinander, dass sie sich selbst in ihrer einmaligen, unvergleichlichen und vollständigen Einheit konstituieren.“97 Diese perichoretische Einheit sei aber eine einladende, weltoffene Einheit. Sie bildet geradezu die göttliche DNA für die Gemeinschaft, wie sie sich im angebrochenen Reich Gottes darstellen kann und soll. In dieser Gemeinschaft achtet einer den anderen höher als sich selbst (Röm 12,10). Perichorese kennzeichnet eine Art von Existenz, die immer auch den anderen mit einbezieht, ohne ihn zu vereinnahmen. Sie ist wie ein Gegengewicht zu einem Individualismus, der sich selbst genügt. In ähnlicher Weise verwendet Hans Urs von Balthasar den Begriff. Das trinitarische Wesen Gottes ist in sich kein starrer Identitätsblock, sondern eine sich bewegende Relation.98 Gisbert Greshake sieht in dieser geradezu schwingenden und spielerischen Relation den Archetyp des Lebens als Gemeinschaft, in der „Einheit und Unterschiedlichkeit völlig und gleichzeitig zum Ausdruck kommen“.99 Ebenso proklamiert Richard Rohr100 dieses trinitarische Miteinander als ein Modell des Zusammenlebens in einer Welt, die Individualismus und Nationalismus überwinden möchte. Die trinitarische Gemeinschaft ist in ihrer Perichorese nicht nur ein Archetyp des Zusammenlebens, sondern sie ist auch die sich aktiv mitteilende Gemeinschaft, die durch die Einwohnung des göttlichen Geistes Menschen dazu befähigt, in Liebe und Gerechtigkeit Miteinander und füreinander einzustehen. Sie wird auch in der Anthropologie als ein im Menschen angelegtes Gemeinschaftsmuster verstanden, das zu einer hingebungsvollen Liebe und Barmherzigkeit in jedem Menschen angelegt ist.101

1.3Das Wesen des Geistes

Die Ausführungen zur trinitarischen Gemeinschaft wirken auf viele Christen aller Denominationen zuweilen sehr abstrakt. Man könnte den Eindruck bekommen, dass sich die Diskussion über „Binität oder Trinität“, über „Person oder perichoretische Gemeinschaft“ doch wohl kaum auf die Spiritualität bzw. die konkrete Glaubensäußerung auswirken würde. Sicher muss nicht jeder Gläubige auch die ganzen Diskussionen kennen, aber dennoch wird sich die Auffassung über die Trinität Gottes auch ganz konkret im persönlichen und gemeindlichen Glaubensleben niederschlagen. In den folgenden Ausführungen möchte ich den Versuch wagen, das Wesen des Geistes in seiner trinitarischen Einheit und Beziehung zu beleuchten. Das soll allerdings nicht in einer theoretischen Weise geschehen, sondern anhand von einzelnen Erfahrungen, die verdeutlichen können, wie komplex die Theologie und persönliche und gemeindliche Spiritualität miteinander korrespondieren.

a.Beweger und Bewahrer

„Können Sie diesen Satz mit voller Überzeugung beten: Heiliger Geist, mach du mit mir, was du willst!“ – Diese Frage stellte ich am Ende einer Predigt während einer Konferenz. Völlig entsetzt sprach mich anschließend eine ältere Pastorenfrau an. „Stellen Sie sich vor, was dann los ist! Der Geist ist doch ein Beweger. Der bringt dann alles durcheinander! Wir aber haben heute eine so gute Ordnung in unseren Gemeinden, die hat Gott uns doch auch geschenkt. Wir brauchen nicht eine neue Bewegung, sondern mehr Bewahrung!“

Ist das eine Alternative, oder können wir es uns aussuchen, wie der Geist Gottes wirkt – laut oder leise, erhaltend oder transformierend? Ist er immer der Unruhestifter oder ist er nicht auch der Geist, der auf die ewige Ruhe hinzielt, der uns in diese göttliche Statik hineinbringt, die gemäß der Perichorese zugleich beweglich und beruhigend ist? Die Kirchengeschichte gibt uns genügend Beispiele einer spirituellen tiefen Erfahrung im Schweigen und in der Ruhe; zugleich wissen wir jedoch auch von Erfahrungen, die Erschütterung, Weinen und Schreien oder gar ein Entsetzen hervorrufen. Auch im biblischen Zeugnis finden wir beide Erfahrungsebenen. Der Geist Gottes ist im „leisen Säuseln“ des Windes (1Kön 19,12), aber er wird ebenso als ein „Brausen“, als eine Feuererfahrung bezeugt (Apg 2,2f). Er ist wie ein „Gentleman Gottes“, der gerne dort wirkt, wo er willkommen ist. Aber er kann auch Türen verschließen und auftun (Apg 16,1ff; 1Kor 16,9). Ein vom Geist Gottes erfüllter Mensch ist „brennend im Geist“ (Röm 12,11), ohne dabei auszubrennen. Die geistgewirkte Leidenschaft steuert ihn nicht in ein „Burnout“, sondern sie kräftigt ihn.

Christliche Spiritualität ist nicht nur ruhig oder beruhigend, sie wird auch nicht nur im Schweigen und in der Stille ihre Krönung finden, sondern auch in der bewegenden, lauten Anbetung, in der Freude und der Vitalität des gesamten Lebens. Ein vom Geist Gottes erfüllter Mensch ist nicht nur ein Mensch des Rückzugs, der inneren betenden Versenkung in die Gegenwart Gottes, sondern er kann auch ein aufbrechender, vielleicht sogar zorniger „Feuermensch“ sein (vgl. Joh 2,13ff), der sich nicht mit Ungerechtigkeit, einem „faulen Frieden“ oder Trägheit arrangieren will. Der Geist Gottes ist der Geist des Vaters und hat zugleich die mütterlichen, tröstenden Züge, die stärker in der Begrifflichkeit der Ruach anklingen.

Die eigene Persönlichkeitsprägung, die eigenen Vorlieben, sollten jedoch nicht voreilig als Vorlieben des Heiligen Geistes gesehen werden. Das gilt auch für Stilfragen. Der Geist Gottes „kann“ nicht nur Orgel, sondern auch Schlagzeug! Diese Warnung gilt nicht nur für Einzelne, sondern auch für ganze Konfessionsfamilien. Er ist der Geist der einen Kirche und nicht ein Geist der Katholiken, der Protestanten oder der Orthodoxen. Insofern ist eine vom Geist Gottes gewirkte Prüfung und Zuordnung gottesdienstlicher Kulturen wichtig, damit Geistloses nicht als Geistliches gedeutet wird, oder – wie es Paul Zulehner salopp formuliert – dass einige nicht „ihren eigenen Vogel mit dem Heiligen Geist verwechseln“.102

Der Heilige Geist ist nicht an bestimmte Gebetshaltungen oder Liturgien gebunden, sondern er entfaltet sich da, wo Menschen ihn willkommen heißen. Der Geist Gottes weht aus unterschiedlichen Richtungen (Hes 37,9) und er weht, „wo er will“ (Joh 3,8). Er kann meine Tradition infrage stellen und er kann sie sogleich auch bestätigen. Er kann mir in meiner spirituellen Prägung begegnen und er kann mich ebenso aus meiner spirituellen Kultur und Tradition herauslocken; er setzt Grenzen und er überschreitet Grenzen. Was für mich ungewohnt, befremdend oder unanständig ist, kann vom Geist Gottes als etwas Reines dargestellt werden (vgl. Apg 10,15). Er kann verbinden und trennen, erinnern und offenbaren. Der Geist Gottes ist der Erinnerer, der auf bereits geoffenbarte und bekannte Wahrheit hinweist. Er bewirkt in positiver Sicht eine erhaltende Tradition, die ihre Lebendigkeit wahrt. In seinem Wirken widerspricht er nicht dem, was er in der Vergangenheit gewirkt hat, sondern er knüpft an, er führt weiter (vgl. Joh 16,13–15). Das NT ist ohne das AT nicht wahrnehmbar. Der Geist Gottes ist auch nicht da stärker, wo wir sein Wirken als ein „plötzliches“, spontanes Wehen wahrnehmen. Spontaneität und Kontinuität, Flexibilität und Stabilität, Stille und Sturm, Bewegung und Bewahrung sind im pneumatischen Geschehen keine Gegensätze, sondern sie bilden jeweils Pole einer breiten und differenziert wahrnehmbaren Intensität des Geisteswirkens.