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Die beiden Freunde

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An der Thür ergriff der junge Mann noch einmal die Hand seines Retters und brachte Sie an seine Lippen; dann ging er, das Herz erfüllt von Glück und Dankbarkeit.

»Auf Wiedersehn,« rief Christians ihm nach, »auf Wiedersehn!«

IV

Monate vergingen, ohne das; der Doktor etwas von Wilhelm Hoofes gehört hätte und er dachte oft darüber nach, was wohl aus seinem Schützlinge geworden wäre. Doch that er keine Schritte, um seine Neugierde nach dieser Richtung zu befriedigen.

Im Laufe des vierten Monats bemerkte er eines Morgens den jungen Mann ans der Ferne auf der Namener und Chaussee, und da er auf ihn zuzukommen schien, hielt er sich bereit einige freundliche Worte mit ihm zu wechseln.

Er fand sich indessen in seiner Erwartung getäuscht: Wilhelm Hoofs verschwand in einem Seitenwege. Sollte er seinen Wohlthäter nicht erkannt haben?

Einige Wochen später begegnete der Doktor ihm indessen wieder, als er durch die Magdalenenstraße ging. Diesmal war es außer Zweifel, daß Wilhelm wußte, wen er vor sich sah, denn er erröthete, stutzte einen Augenblick und trat dann vor ein Ladenfenster, wo er, den Rücken der Straße zugewendet, bewegungslos stehn blieb.

Ueberzeugt, daß der junge Mann ihn absichtlich vermeide, ging der Doktor verdrießlich vorüber; das sonderbare Betragen ihm gegenüber verletzte und betrübte ihn. So hatte er also einen Undankbaren verpflichtet, hatte ein Verbrechen verziehen, fünfhundert Franken geopfert zur Rettung eines herzlosen Menschen, der jetzt schon sich den Anschein gab, ihn nicht zu kennen?

Gleichwohl gewann nach der ersten Aufwallung des Aergers sein angeborener Edelsinn wieder die Oberhand; er sagte sich, daß Jener indem er ihm auswich, vielleicht einem ganz natürlichen Schamgefühl Folge geleistet hätte. Wie dem auch sei, wenn er zu der bestimmten Zeit sich einstellte und die geliehene Summe oder einen Theil derselben abtrug, so ließ sich gegen sein Verhalten nichts einwenden. Wahrscheinlich lebte er nun arbseitsam und eingezogen, es war Christians aufgefallen, daß er sehr reinlich und sorgfältig gekleidet gewesen war.

Dies war das letzte Begegnen; der Doktor dachte endlich kaum mehr an seinen Schützling, denn andere wichtigere Ereignisse zogen seine Aufmerksamkeit von der Vergangenheit ab, um sie gänzlich der Gegenwart zuzuwenden.

Napoleon, der Kaiser der Franzosen, war mit einem mehr als eine halbe Million Soldaten zählenden Heere und dreißigtausend Pferden in Rußland eingerückt und hatte nach einem siegreichen Zuge die Stadt Moskau eingenommen.

Die Berichte seiner glänzenden, so kurz auf einanderfolgenden Triumphe hatten ganz Europa mit Schrecken und Bewunderung erfüllt und alle Gemüther tief erregt.

Unser Doktor hatte außerdem noch einen anderen Grund ängstlicher Besorgniß, der ihn persönlich nahe anging. Seinem Sohne Bernhard war es in der That gelungen, die Liebe von Fräulein Veronika Walter zu erwerben, er hatte ihr, sie ihm ewige Treue gelobt, nachdem sie lange über ihre gegenseitigen Gefühle in Zweifel gewesen waren. Bernhard hatte nun seinen Vater gebeten, bei Herrn Walter um die Hand seiner Tochter für ihn anzuhalten.

Als Christians, nicht ohne eine gewisse Befangenheit, diese Bitte erfüllte, zeigte der reiche Weinhändler nicht das geringste Erstaunen, ja er gestand zu, daß Bernhard ein verständiger junger Mann und ganz geeignet sei, Veronika glücklich zu machen. Als Kaufmann, der den Werth des Geldes kannte, pflegte er indessen alle Verhältnisse mit kühler Berechnung zu prüfen und so wünschte er denn, bevor er eine direkte Antwort gab, genau in wissen, wie groß der Brautschatz sei, den der Doktor seinem Sohne mitgeben könne. Da Veronika nur eine Schwester hatte, würde sie mit der Zeit sechs- bis siebenmal hunderttausend Franken erben; als Mitgift erhielte sie am Tage ihrer Hochzeit hunderttausend Franken; Walter meinte nun, der Doktor solle seinem Bernhard eben so viel mitgeben.

Christians war bei dieser Eröffnung wie vom Schlage gerührt. Hunderttausend Franken! Woher sollte er die nehmen? War er doch nicht gewiß, ob alles, was er in der Welt besaß, diesen Werth erreichte. Außerdem konnte er Bernhard Schwester doch nicht enterben und sich und seine Frau von Allem entblößen.

Unglücklicher Weise hielt der Weinhändler unsern Freund für viel reicher als er wirklich war. Sie geriethen darüber aneinander und schieden in sehr gereizter Stimmung. Der Doktor brachte die Nachricht zurück, das; eine Verbindung Bernhards mit Veronika außer aller Frage, daß sie schlechtweg unmöglich sei.

Wie innig der Kummer seines guten Sohnes ihn auch schmerzte, es ließ sich einmal nichts daran ändern. »Schicksalsschlägen, denen wir ohnmächtig gegenüberstehn,« sagte Christians, »müssen wir geduldig ertragen.«

Die Betrübniß und das unaufhörliche Anbringen der und jungen Leute führte indessen nach einiger Zeit die beiden Väter wieder zusammen. Herr Walter erklärte sich zu einem Opfer bereit um seine verzweifelnde Tochter zu trösten; er wollte zwanzigtausend Franken streichen und sich und sich mit einem Brautschatz von achtzig-tausend Franken zufrieden geben.

Auf diese Bedingung konnte der Doktor eben so wenig eingehen, ja er mußte auf seiner Weigerung beharren, als Walter seine Forderung noch verminderte. Mehr als dreißigtausend Franken könnte er unmöglich entbehren.

Der Weinhändler zuckte mit verächtlichem Lächeln die Achseln; er müsse von Sinnen sein, sagte er, wenn er sein Kind zu einem eingeschränkten, armseligen Leben verurtheilt sehen wolle. Wenn der Andre nicht wenigstens siebzigtausend Franken zugestände, so möchte er die der Sache als endgültig entschieden ansehn.

Christians liebte seinen Sohn innig, und der junge Mann verdiente diese Liebe, denn er war fleißig und brav und hielt seine Eltern hoch in Ehren. Ihre schönsten Hoffnungen ruhten auf ihm und im Voraus schon hatten sie Gott gedankt für dass Glück das der ganzen Familie durch die eben so ehrenvolle als vortheilhafte Verbindung zu Theil werden sollte.

Es war dem Doktor daher äußerst peinlich, wieder unverrichteter Sache zu den Seinigen zurückkehren und das Herz seines armen Bernhard durch einen abschlägigen Bescheid in der bestimmtesten Form zerreißen zu müssen. Unmögliches konnte er aber doch nicht leisten, und wenn er selbst auch gern Alles hingegeben hätte, um seinen Sohn glücklich zu sehn, als Gatte und Vater durfte er seine Frau und Tochter nicht der Armuth preisgeben.

Er betrachtete die so heißgehegten Wünsche als gänzlich fehlgeschlagen und brachte auch seiner Frau und Tochter diese betrübende Ueberzeugung bei. Bernhard allein wollte die Hoffnung noch nicht fahren lassen; hatte doch Veronika am vergangenen Sonntag noch beim Verlassen der Kirche ihm die Versicherung gegeben, daß sie seine Frau werden, oder niemals heirathen wolle.

Jetzt verbreiteten sich plötzlich beunruhigende Gerüchte H aus Deutschland. Man erzählte von großen Verlusten, welche die französische Armee in Rußland erlitten haben sollte; andere Berichte dagegen meldeten neue glänzende Siege des Kaisers über seine Feinde.

Alle diese Nachrichten waren so verworren und so widerstreitend, daß man nicht wußte, was man glauben sollte. Eine namenlose Aufregung hatte sich der Bevölkerung Frankreichs und Belgiens bemächtigt, man versammelte sich auf Märkten und Straßen, um jede Neuigkeit gleich bei ihrem Eintreffen zu erhaschen.

Die noch unbekannte Wahrheit war, daß Napoleon, zum Rückzuge aus dem abgebrannten Moskau gezwungen, von der furchtbaren Winterkälte überfallen worden war. Von Eis, Schnee, Hunger und Krankheit besiegt und und vom Feinde unablässig verfolgt säete die französische Armee ihre Todten zu Hunderttausenden in ein wüstes, verlassenes Land und bald war von der halben Million wackerer streitbarer Männer nichts übrig als ein kleiner Haufen, der selbst seinen Gegnern kein anderes Gefühl als das des Mitleids einflößen konnten.

Napoleon verließ das Heer in einem Schlitten und traf am 18 Dezember 1812 unerwartet in Paris ein.

Der geschlagene aber nicht entmuthigte Kaiser war sofort daraus bedacht, neue Truppen zu sammeln, um für die erlittene Niederlage blutige Rache zunehmen. Schon im folgenden Monat veranlaßte er einen Senatsbeschluß, kraft dessen dreimal hundertundfünfzigtausend Rekruten einberufen wurden, und da man innerhalb der gesetzlichen Grenzen so viele Soldaten nicht finden konnte, nahm man auch diejenigen jungen Leute, welche erst nach zwei Jahren hätten loosen müssen.

Schrecken und Jammer waren allgemein, denn nach den letzten Erfahrungen zweifelte Niemand daran daß sämtliche Ausgehobenen als Kanonenfutter, wie man es nannte, Verwendung finden sollten, daß keiner von ihnen in die Heimath zurückkehren, dem sicheren Tode entgehen würde.

Inmitten der großen Aufregung und Noth fuhren Bernhard und Veronika fort ihrer Liebe zu leben und kaum war der Eindruck der welterschütternden Ereignisse einigermaßen verblaßt, als sie aufs Neue den Hebel in Bewegung setzten, um ihre Eltern zu gegenseitigem Entgegenkommen zu veranlassen. Bernhard war Veronika noch ganz kürzlich auf der Promenade begegnet er hatte es nicht gewagt sie anzureden, aber es war ihm aufgefallen, wie bleich und eingefallen sie aussah. Gewiß, dass arme leidende Mädchen wurde krank, siechte vielleicht dahin!

Dieser Gedanke zerriß ihm das Herz; er lief nach Haus und bat seinen Vater knieefällig und mit Thränen, sich seiner mit Veronika zu erbarmen.

Der tiefgerührte Doktor versprach, noch einen Versuch bei Herrn Walter zu wagen. Was dieser forderte konnte er nicht zugestehn, aber er wollte sein Opfer noch um Einiges vermehren. Weint dieser äußerste Beweis seines guten Willens den Vater Veronikas nicht befriedigte, dann freilich mußte man alle Hoffnung fahren lassen.

Eben jetzt hatte Christian sich zum Hause des Weinhändlers begeben, um diesen letzten Versuch zu machen; zwei Stunden waren bereits verflossen, seit er die Seinen verlassen hatte.

 

Bernhard saß mit seiner Schwester am Kaminfeuer, denn es war ein kalter Märztag. Die Mutter beschäftigte sich in der Nähe des Fensters mit einer Stickerei, ließ aber häufig voll Sorge ihre Blicke auf den Sohn haften.

Der junge Mann schien auf den Erfolg der Bemühungen seines Vaters keine große Hoffnungen zu haben; die liebreichen, ermuthigenden Worte seiner Schwester wies er mit einer Handbewegung ab und sah schweigend

in die züngelnden Flammen.

Endlich. als ob er den Druck der schmerzlichen Empfindungen nicht länger still ertragen konnte, stieß er einen tiefen Seufzer aus und rief:

»O Gott, was bin ich für ein unglücklicher Mensch!«

»Quäle Dich selbst nicht mehr als nöthig ist, lieber Sohn,« sagte die Mutter tröstend. »sei vernünftig; Du weißt ja gar nicht einmal, ob der Vater diesmal wieder abgewiesen wird.«

»Ach Mutter, wie kannst Du nur so sprechen,« versetzte er ungeduldig, »wir kennen ja Alle die unabänderlichen Bedingungen des Herrn Walter. Der Vater

will sich darauf nicht einlassen und ist zu Jenem gegangen, um seine Weigerung zu wiederholen, was wird er dadurch erreichen?«

»Aber Bernhard, mach doch die Sache nicht schlimmer als sie ist,« unterbrach ihn Frau Christians. »Obgleich es ihn mit schwerer Sorge erfüllt, will Dein Vater sich dennoch zu einem neuen Opfer erbieten.«

»Das aber gänzlich unzureichend ist. Verlaß Dich darauf, Herr Walter wird einfach die Achseln zucken und sein grausames Urtheil wiederholen. Freilich der Vater ist in seinem Recht, aber glaubst Du Mutter, daß er in diesem Falle thut was er kann, um seinen Sohn vor der Verzweiflung zu bewahren?«

Betroffen stand Frau Christians von ihrem Sessel auf.

»Habe ich recht gehört?« rief sie und ein Ton schmerzlichen Vorwurfs klang in ihrer Stimme, »Du klagst Deinen guten Vater an? Armes Kind, ist es dahin mit Dir gekommen?«

»Verzeih mir, Mutter,« bat Bernhard, »es war gewiß ein sündhafter Gedanke. Ich kenne ja das edle Herz meines Vaters und seine Liebe zu mir . . . Aber doch regt sich in mir oft die Frage: Warum verurtheilt er mich zu einem Leben voll Leid, da er mein Glück durch Geld erkaufen kann?«

»Man verlangt Unmögliches von ihm.«

Es ist eine große Summe, daß weiß ich, aber er könnte sie doch bezahlen.«

»Er konnte sie bezahlen, wenn er eben Alles, verstehst Du, mein Sohn, Alles hingäbe, was wir besitzen, und Deine Schwester und mich dadurch in Gefahr brächte, zu verarmen. Was nun mich angeht so habe ich ihn wiederholt dringend gebeten, nicht an mich zu denken, sondern nur Dein Glück im Auge zu behalten, und Deine gute Schwester hat dasselbe gethan. Er aber sagt, Gott habe ihm die Pflicht auferlegt, für unser aller Wohl mit gleicher Liebe zu sorgen.«

»Ach er mißtraut also meinem Herzen, er zweifelt an meiner Dankbarkeit, an meiner Liebe,« seufzte der junge Mann mißmuthig. Glaubt er denn, ich könnte durch Euer Geld reich werden und dann dulden, daß Euch Etwas abginge oder einer Eurer Wünsche unerfüllt bliebe? Euch stände Noth bevor, während Euer Sohn, dessen Lebensglück durch Aufopferung Eures Vermögens erkauft wäre, in Ueberfluß schwelgte? Mutter, Mutter, ein solcher Verdacht gibt mir einen Stich ins Herz.«

»Ich weiß,« versetzte Frau Christians, »das; wir Dir ohne Sorge Alles überlassen könnten, wenn Du allein in Frage stündest, aber der Schmerz verdunkelt Deinen Verstand und läßt Dich die Sache nicht sehn, wie sie ist. Wenn Du geheirathet hast, bist Du nicht der alleinige Herr des Vermögens, das noch dazu größtentheils von Deiner Frau herrühren würde. Wären wir dann später auf Deine Hilfe angewiesen, – ich darf Dir gar nicht sagen, wie Dein Vater das nennt, – so müßten wir gewissermaßen ein Almosen von Dir annehmen, zu dem Deine Frau jedesmal ihre Zustimmung zu geben hätte. Dein Vater mußte sein ganzes Leben hindurch angestrengt arbeiten und sich abmühn, um in einen gewissen Wohlstand zu gründen; fühlst Du nicht, mein Sohn, wie sein edler Sinn vor solcher Gefahr zurückschrecken muß? Einstweilen schützt uns seine Wirksamkeit vor aller Noth, aber wenn er nun selbst krank würde?«

»Du hast Recht, Mutter es ist genau wie Du sagst; ich war von Sinnen,« seufzte Bernhard.

»Und nun bedenke einmal weiter, fuhr Frau Christians fort, »seit Jahren schon wünscht dir Vater für sich selbst ein weniger mühevolles Leben; er möchte in seinen alten Tagen auch gerne ein wenig ausruhen und seine Lieblingsbeschäftigung, die Pflege von Blumen und seltenen Pflanzen betreiben. Diesen schönen Traum hat er Dir zu Liebe schon gänzlich aufgegeben, ohne Murren übernimmt er die Verpflichtung, bis zu seinem Lebensende weiter für uns zu schaffen . . . «

»O Mutter, ich bitte Dich, höre auf!« rief Bernhard, »ich gestehe, daß ich ungerecht gegen den besten Vater gewesen bin; Gott wolle mir diese Sünde verzeihen. Nein, nein, wie auch der Würfel fallen möge, nie kann ich dem Vater seine Güte vergelten.«

»Verliere nur den Muth nicht; wer weiß, vielleicht kehrt er mit einer frohen Nachricht heim.«

»Nein Mutter, daß ist nicht wohl möglich, ich hege keine Hoffnung. Mein eigenes Kreuz wollte ich gern geduldig tragen, aber stets schwebt mir die gute Veronika vor den Augen mit ihrem blassen verweinten Gesichtchen. Fürchten müssen, daß sie dahinsiecht, verkümmert, o, der Gedanke macht mich wahnsinnig!«

»Still, still!« rief Frau Cristians, wir werden es gleich erfahren! Mich dünkt ich höre Deinen Vater.«

Zitternd vor Erregung sprang der Jüngling auf, er hörte im Hausflur ein Geräusch, aus dem er nicht allein die Stimme seines Vaters sondern auch die Veronikas zu unterscheiden glaubte. Täuschte er sich nicht? Was konnte ihr Kommen bedeuten? Heftig schlug sein Herz, er mußte sich an der Lehne des Sessels halten, um nicht umzufallen.

Da flog die Thür auf! Der Doktor lief mit ausgebreiteten Armen seinem Sohne entgegen.

»Bernhard,« rief er, »danke Gott und freue Dich; hier bringe ich Dir Deine Braut!«

Thränen des reinsten Glücks flossen aus des jungen Mannes Augen; er umarmte seinen Vater, während er Worte innigen Dankes stammelte.

Hinter dein Doktor waren Herr Walter und seine Tochter eingetreten, und die letztere mit dem lauten Freudenrufe: »Mutter! Mutter!« auf Frau Christians zugelaufen.

Jetzt erst entwand sich Bernhard den Armen seines Vaters.

»Veronika,Veronika!« rief er, seiner Braut beide Hände entgenstreckend, und »Bernhard, Bernhard!« tönte es jubelnd zurück.

Selbst der allen Herzens- und Gefühlsangelegenheiten gegenüber so kühle Weinhändler stand gerührt da beim Anblick der allgemeinen Glückseligkeit. Diese Stimmung war ihm lästig; um sie zu verbergen trat er auf das Brautpaar zu und rief scherzend:

»Ei zum Henker, was seht Ihr einander so fragend an, als zweifeltet Ihr noch an Eurem Glück. Muth gefaßt, Bernhard, in wenigen Wochen ist Veronika Deine Frau, gib Ihr darum nur unverzagt den Verlobungskuß.«

Dann lachte er laut und klatschte in die Hände als er sah, daß seiner Weisung Folge geleistet wurde.

Die Mutter und Schwester Bernhards hatten inzwischen Sessel und Stühle herangeschoben, und nun begann eine lebhafte Unterhaltung über das schöne Leben, über die Hochzeit, die häusliche Einrichtung und tausend Kleinigkeiten, welche jungen einfältigen Herzen als Blumen des Glücks entgegen lachen.

Die beiden Väter hatten sich indessen in einen andern Theil des Zimmers zurückgezogen und überlegten in ernstem Zwiegespräch die geschäftliche Seite der bevorstehenden Verbindung. Sie mußten bald darüber einig sein, denn Herr Walter trat zu der plaudernden Gruppe und sagte laut:

»Hört, Kinder, was wir beschlossen haben. In diesen schweren Zeiten müssen wir das Glück, wenn es uns zulächelt, rasch ergreifen, wir wollen daher rasch die Papiere ordnen und Euch von der Kanzel verkündigen lassen, in einen Monat seid Ihr dann Mann und Frau. Drei bis Vier Wochen reichen aber nicht hin, ein ganzes Haus einzurichten, ich muß daher anderweitig Rath schaffen. Mein Landgut zu Brendale ist reichlich mit schönen Möbeln und allen sonstigen Bedürfnissen ausgestattet, in den Kellern liegt sogar der köstlichste Wein. Dahin zieht Ihr an Eurem Hochzeitstage und bleibt wohnen so lange es Euch gefällt.«

»Vater, lieber Vater, wie gut bist Du gegen uns!« rief Veronika.

»Sie überschütten uns mit Wohlthaten!« fügte Bernhard bei.

»Wir wollen die Sache ganz geschäftsmäßig regeln,« » fuhr der Weinhändler fort. »Die Möbeln, wenn Ihr Sie übernehmen wollt, lassen wir so billig als möglich taxieren. Die Miethe für das Gut sollte eigentlich fünftausend Franken jährlich betragen indessen da Ihr junge Anfänger und außerdem meine Kinder seid, so wollen wir nur dreitausend dafür rechnen.«

Für derartige Bestimmungen hatten die beiden Glücklichen keine Ohren. Die Aussicht, das herrliche Landgut zu bewohnen, war für sie so verlockend, daß sie aufsprangen und den gütigen Vater mit Dankesbezeugungen überhäuften.

Der Doktor, welcher inzwischen das Zimmer verlassen hatte, kehrte jetzt zurück in jeder Hand eine Flasche.

»Komm, Frau,« rief er seiner Gattin zu, zeige einmal, daß Du noch flink auf den Füßen bist; schaffe Gläser herbei und etwas gutes zu essen, ich habe hier einen spanischen Wein, den selbst Herr Walter vorzüglich finden wird; ein Graf den ich von einem Magenleiden kurierte, hat ihn mir geschenkt. Wir müssen doch die Gesundheit des Herrn Walter und des Brautpaares trinken.«

»Ja ja, und auch die Ihre, lieber Freund,« stimmte der Weinhändler zu, »das erste Glas freilich gilt dem Glück unserer Kinder!

Die Römer wurden gefüllt und eben schickte der Doktor sich an, einen feierlichen Toast auszubringen, als er durch das Eintreten der Magd unterbrochen wurde, welche ein zusammengefaltetes Papier in der Hand hielt.

»Der Flurschütz bringt eben diesen Brief für Herrn Bernhard,« sagte sie in einer gewissen Aufregung, »er sagt, es hatte Eile und ich müsse ihn sofort abgeben.«

Bernhard nahm das Blatt und faltete es auseinander. Bei dem ersten Blick aber, den er hinein warf, entfuhr ihm ein Schreckensruf, er wurde blaß wie der Tod und sank, die Hände auf die Stirn legend, auf einen Stuhl.

»O mein Gott!« rief er aus, »ist es denn möglich? Ich muß Soldat werden!«

Wie ein vernichtender Blitzstrahl traf diese Nachricht die eben noch so glückliche Familie. Die Römer zerbrachen, der Wein floß von dem Tisch auf den Fußboden, Alle erbleichten.