Loe raamatut: «Ketzer, Chemtrails und Corona», lehekülg 3

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Ein Reformator auf Abwegen

Auch die Reformation veränderte die Haltung den Juden gegenüber nicht zum Besseren. Der Reformator Martin Luther, der zu Beginn seines Wirkens noch eine wohlwollende Haltung gegenüber den Juden eingenommen hatte, entwickelte sich zum Ende seines Lebens zu einem regelrechten Judenhasser, dessen Abneigung tatsächlich einen nahezu rassistischen Charakter annahm. Die von Luther zunächst abgelehnte Idee des Ritualmords wurde ihm in der 1543, zum Ende seines Lebens hin erschienenen Schrift Von den Juden und ihren Lügen zur Gewissheit:

„So ists auch unser schuld, das wir das grosse unschuldige Blut, so sie an unserm Herrn und den Christen bey dreyhundert jaren nach zerstörung Jerusalems, und bis daher, an Kindern vergossen (welchs noch aus jren augen und haut scheinet) nicht rechen, sie nicht todschlahen, Sondern fur alle jren mord, fluchen, lestern, liegen, schenden frey bey uns sitzen lassen, jre Schule, heuser, leib und gut schützen und schirmen, damit wir sie faul und sicher machen, das sie getrost unser geld und gut uns aussaugen, dazu uns spotten, uns anspeien, ob sie zuletzt künden unser mechtig werden. Und für solche grosse Sünde uns alle todschlahen, alles gut nehmen, wie sie teglich bitten und hoffen.“

Luther unterstellte den Juden verschiedene Bosheiten gegen die Christen und forderte, sie „wie die tollen hunde aus[zu]jagen“. Vor den mittelalterlichen Anschuldigungen konnten sich Juden in der Regel durch die Taufe, den Religionswechsel also, retten. Doch Luther sah die Juden als „religiös verloren“ an, ihre Rettung sei also auch durch die Taufe nicht mehr möglich. Der christlich geprägte Antijudaismus wandelte sich beim Reformator zu einer Frühform des Antisemitismus. Der Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann sieht in Luthers Denken daher auch ein wichtiges Bindeglied zwischen dem religiösen Judenhass des Mittelalters und dem rassistisch motivierten Antisemitismus des 19. und 20. Jahrhunderts.

Der politische Erfolg seines Hasses blieb dem alternden Reformator gleichwohl versagt. Die evangelischen Stände machten sich seine Vorschläge größtenteils nicht zu eigen, und Kaiser Karl V. ließ 1546 die Rechte der Juden bestätigen und sie auch von der Lutherschen Ritualmordunterstellung freisprechen. Vierhundert Jahre später wurden Luthers Schriften in neuen politischen Zusammenhängen aus der Mottenkiste geholt und dienten als eine der Begründungen für die nationalsozialistische Unterdrückungs- und Vernichtungspolitik. Der Herausgeber des NS-Hetzblattes Der Stürmer, Julius Streicher, berief sich noch vor dem Nürnberger Gerichtshof auf Luthers Aussagen.


Verschwörungsdenker? Denkmal des Reformators Martin Luther in Eisleben

Geschlechtsverkehr mit dem Teufel? Hexerei und Hexenprozesse

Magie und Teufel galten, wie eingangs erwähnt, im Mittelalter als reale Phänomene. Zunächst hatte die Kirche Vorstellungen von Zauberei abgelehnt. Hexerei erschien nur als Einflüsterung des Teufels möglich und machte sich höchstens als Traum bemerkbar, nicht als Phänomen der Wirklichkeit. Dennoch verbreiteten sich entsprechende Vorstellungen weit und bildeten zum Beispiel einen Bestandteil des Beichtfragebogens und des Canon Episcopi, einer Sammlung von kirchlichen Rechtssätzen aus dem 9. Jahrhundert. Hier wurde festgehalten, dass „gewisse verbrecherische Frauen […] glauben und von sich behaupten, dass sie in nächtlichen Stunden mit der Diana, der Göttin der Heiden, […] auf gewissen Tieren reiten“.

Im 15. Jahrhundert entwickelte sich die zuvor vor allem als Bestandteil der Beichte relevante Hexerei zu einem Kapitalverbrechen. Die heute häufig für mittelalterlich angesehene Hexenverfolgung war vor allem ein Phänomen der Frühen Neuzeit: Zum einen war der Glaube an Hexerei mit dem Glauben an Magie verbunden – der Möglichkeit also, Wirklichkeit durch zauberische Mittel zu verändern. Zum anderen geht er zurück auf den Glauben an das personalisierte Böse, auf Teufel und Dämonen. Und nicht zuletzt gab es sowohl in protestantischen als auch in katholischen Regionen umfangreiche Hexenverfolgungen, weil sich die Konfessionen darin überboten, gegen religiöse Abweichung vorzugehen – wenn nötig mit Gewalt.

Hexen und Zauberern wurde nachgesagt, Schadenzauber zu betreiben und damit schlechtes Wetter, Epidemien, Unfruchtbarkeit, Missernten und andere Katastrophen auszulösen. Die Verschwörung der Hexen galt als Teil der Wirklichkeit. Wie im Fall der Templer oder auch der Verschwörungsunterstellungen gegen Juden wurden die Geständnisse auf brutalste Weise unter Einsatz von Folter abgepresst. Häufige Unterstellungen betrafen den Hexensabbat, Versammlungen von Hexen in Anwesenheit des Teufels, und die Teufelsbuhlschaft, also Geschlechtsverkehr mit dem Teufel. Hexen und Hexer – etwa 25 Prozent der Opfer in Hexereiprozessen waren Männer – wurden obszöne Rituale, Ritualmorde, Kannibalismus und Hexenflug nachgesagt. Zwar gab es auch während der Hochzeit der Hexenverfolgungen stets Zweifel und Kritik: Nicolas Oresne etwa, ein Berater des französischen Königs, hielt Hexerei für Aberglauben und wies darauf hin, dass unter Folter keine wahren Geständnisse abgegeben würden. Dennoch setzten sich seit Ende des 15. Jahrhunderts Fanatiker wie Heinrich Kramer durch, der in seinem 1486 herausgegebenen Malleus maleficarum (lat. Hexenhammer) das gesamte Register an Vorwürfen gegen Hexen zusammenfasste. Kramer brachte eine deutlich frauenfeindliche Tendenz in den Hexereiglauben. In Buch Exodus (2 Mos Ex 22, 18) der Bibel ist davon die Rede, die (männlichen) Hexer solle man nicht leben lassen, Kramer legte seinen Fokus allein schon durch den Titel seines Werkes auf (weibliche) Hexen.

Von guten Geistern ziemlich sehr verlassen

Nach der Reformation 1517 verstärkte sich die Verfolgung der Hexen. Zweifel an der Hexerei wurden – auf katholischer Seite – nur vorsichtig geäußert. In seinem kritischen Werk Cautio criminalis (lat. Vorsicht in Kriminalsachen) griff der Jesuitenpater Friedrich Spee 1631 die Folter bei Hexereiprozessen an. Als Beichtvater angeblicher Hexen hatte er den Eindruck gewonnen, dass unter Folter falsche Geständnisse zustande kämen. Offenbar bezweifelte Spee sogar, dass es Hexerei überhaupt gebe – diese grundsätzliche Haltung konnte gefährlich sein und gegebenenfalls auch eine Verfolgung nach sich ziehen.

Im Zuge der Hexenprozesse waren bis Ende des 18. Jahrhunderts etwa 50.000 bis 60.000 Opfer zu beklagen. Gerade während der Aufklärung fanden in Gegenden Südeuropas wie Italien und Spanien, die zuvor kaum Prozesse zu verzeichnen hatten, weitere Verfahren wegen Hexerei statt. Dennoch bildete Nordeuropa das Zentrum: Ein päpstlicher Diplomat, der 1648 den Heiligen Stuhl bei den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden vertrat, äußerte sich entsetzt darüber, wie „arme und überaus bedauernswerte Frauen als Hexen von den Flammen verzehrt worden waren“. Es hatte sich ihm ein „fürchterliches Schauspiel“ geboten, bei dem „unzählige“ Menschen getötet worden seien.

Doch sollte es danach noch gut 100 Jahre dauern, bis die Hexereiprozesse zu Ende gingen. Diese Epoche, die sich besonders religiös wähnte, war schon längst vom Pfad der Besonnenheit abgewichen. Ricarda Huch brachte es auf den Punkt: „Wenn die Regierenden anfangen, Feuer und Schwert anzuwenden, um die Einheit des Glaubens und Denkens zu erhalten, hat Gott sie meistens schon verlassen.“

Phantastische Anfänge und weltkluge Berechnung – Die Jesuiten

In Zeiten konfessioneller Auseinandersetzungen wird auch den Jesuiten, der Elitetruppe des Heiligen Stuhls, verschwörerisches Denken und Handeln unterstellt. Die Sprengung des englischen Parlaments, der Stadtbrand von London, die Ermordung des englischen Königs: Im 17. Jahrhundert gelten Jesuiten und Papst in England als Ursache allen Übels. Bis in die Gegenwart richten sich immer wieder üble Unterstellungen gegen den wie ein Geheimbund des Papstes wirkenden Orden.

„Ein Jesuit kommt in eine fremde Stadt. Da er nicht Bescheid weiß, hält er auf der Straße einen Franziskaner an und fragt ihn: ‘Ehrwürdiger Bruder, können Sie mir sagen, wie ich zum Jesuitenkolleg komme?‘ ‘Das werden Sie kaum finden, hochwürdiger Pater‘, antwortet der Franziskaner. ‘Da müssten Sie nämlich immer geradeaus gehen.‘“ Anschaulich zeigt dieser Witz Vorurteile gegenüber den Jesuiten – eine der Gruppen, der über die Jahrhunderte im besseren Fall der Hang zu Schlichen oder Rabulistik unterstellt wurde, im übleren aber, sich zum Nachteil der Menschheit verschworen zu haben.

Die Gesellschaft Jesu – so der eigentliche Name des Ordens – galt von Anfang an als „Speerspitze“ der katholischen Reformbewegung, die sich in der Reformationszeit als Antwort auf die protestantische Herausforderung bildete. Dieses militärische Bild ist nicht ganz abwegig, denn es war ein ehemaliger spanischer Offizier, der den Orden 1534 in Paris gründete. Ein Erweckungserlebnis auf dem Krankenlager, auf dem Ignatius nach einer schweren Verletzung lag, brachte ihn dazu, sich ganz der Nachfolge Christi zu widmen. Mit Hilfe von Exercitia spiritualia (lat. Geistliche Übungen) sollten sich die Jesuiten ihrem Ziel widmen, „Gott und den Seelen zu dienen“.

Militärisch ist aber auch die Organisationsform des Ordens, der 1540 vom Papst anerkannt und zum Gehorsam verpflichtet wurde. Anders als bei den kontemplativen Ordensgemeinschaften, die das Mittelalter geprägt hatten, war es nicht allein sein Ziel, Armut, Keuschheit und vor allem Gehorsam zu pflegen. Auf Geheiß des Papstes ging die „Kampfgruppe Jesu Christi“ vielmehr überall hin, „zu den Türken […] oder zu andern Heiden, selbst in jene Länder, die man Indien nennt, oder zu beliebigen Ketzern und Abtrünnigen, oder zu allen beliebigen Gläubigen“, um „für die Förderung der Seelen und die Verbreitung des Glaubens“ zu wirken, wie es in der Regel des Ordens heißt. Die Jesuiten, die auf Außenstehende nicht zuletzt durch ihre straffe Organisation Eindruck machen, verstanden sich seit je, um es mit den Worten des Heiligen Franz Xaver, eines Mitgründers des Ordens, auszudrücken, als „Gesellschaft der Liebe“. Zugleich wurden sie von Anfang an auch von manchen Katholiken, Vertretern der älteren, mittelalterlichen Orden etwa, als „Werkzeug des Satans und Vorläufer des Antichrist“ beschimpft.


Soldat Christi: Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens

Anrüchige Elite?

Nicht zuletzt die auf weltweite Wirkung angelegte Ordensstruktur ist entscheidend für die Verschwörungen, die den Jesuiten unterstellt wurden. Hinzu kam auch der Erfolg des Ordens, der Misstrauen, Angst und Hass bei seinen Gegnern hervorrief. Innerhalb kurzer Zeit hatten die Jesuiten immer mehr Mitglieder angezogen und sich zu einer Elite von sehr gut ausgebildeten und intellektuell wie geographisch äußerst beweglichen Geistlichen entwickelt.

Die Arbeit des rasch wachsenden Ordens war im 16. und 17. Jahrhundert entscheidend für den Erfolg der Gegenreformation oder, wie man heute auch sagt, Katholischen Reform. Die Jesuiten breiteten sich in ganz Europa, aber auch in Übersee aus. Bereits Franz Xaver, Mitgründer des Ordens, ging mit drei Gefährten nach Ostindien. Die Jesuiten wirkten unter anderem in China, in Tibet, in Nord- und in Südamerika. Bedeutsam war ihre Rolle im Bildungswesen und als Hofbeichtväter katholischer Fürsten. Den großen Erfolg der Jesuiten in den ersten beiden Jahrhunderten ihres Bestehens und ihren prägenden Einfluss auf Bildung, Kultur, Politik und Ökonomie machten die zunächst fortschrittliche Pädagogik, die Beschäftigung mit Philosophie und Naturwissenschaften und überdies die das Mittelalter hinter sich lassende Wirtschaftsethik und Wirtschaftspolitik aus. Die alten großen Orden des Mittelalters waren mit der Reformation in eine Motivations- und Glaubwürdigkeitskrise geraten, die ein Vakuum schuf, das die Jesuiten ausfüllen konnten.

Neben der Inquisition wurden die Jesuiten, wie es der Historiker Markus Friedrich beschreibt, das stärkste „Symbol“ all dessen, was Menschen am althergebrachten Katholizismus ablehnten. Naturgemäß war die Ablehnung in den protestantischen Regionen besonders stark, wie sie zum Beispiel von Ricarda Huch analysiert wird: „Es ist begreiflich, daß die Protestanten die siegreich vordringende Armee der Jesuiten haßten. Sie konnten sich ihren Erfolg nur durch den Gebrauch abgefeimter Mittel, Verzauberung der Seelen und Vergiftung der Leiber erklären. Sie schrieben den Jesuiten alle erdenklichen Teufeleien zu, die ihnen fernlagen; aber die Witterung von etwas Anrüchigem trog sie doch nicht ganz.“

Aber auch in katholischen Kreisen schlug den Jesuiten Abneigung entgegen, besonders bei traditionellen Orden wie den Dominikanern, die die neue Konkurrenz durch die Societas Iesu (lat. Gesellschaft Jesu) bekämpften. In Paris wehrte sich die Universität Sorbonne gegen die Einrichtung eines Jesuitenkollegs – der Orden machte sich mit seiner Tätigkeit viele Feinde. Der Anwalt der Sorbonne, Etienne Pasquier, bezeichnete die Jesuiten als einer der ersten auch als politisch gefährlich: Sein 1602 erschienener Catéchisme des Jésuites (frz. Katechismus der Jesuiten) war eine der ersten wichtigen polemischen Streitschriften gegen die Gesellschaft Jesu. Kritik übte Pasquier auch an ihrer zentralistischen Verfasstheit: Hier war das Motiv gesetzt, das Verschwörungstheoretiker über Jahrhunderte in ihren Polemiken gegen den Orden verwendeten, nämlich das Bild des Jesuitenordens als hypereffiziente Organisation, die weltweit ihre Finger im Spiel hat. Ein deutscher Autor des 18. Jahrhunderts behauptete: „Ihre Monarchie ist eine Maschine, worin alle Räder richtig gehen, sobald das Triebrad gerühret ist“.

Alles schon mal dagewesen

Vermutlich war es Hieronymus Zahorowski, ein ehemaliger Jesuit, der 1614 in Krakau die Monita secreta (lat. Geheime Anweisungen) veröffentlichte. Zahorowski, der von den Jesuiten entlassen worden war, trieb das Motiv, sich am Orden zu rächen. Die Schrift enthielt vorgebliche Regeln, die belegen sollten, wie der Orden Macht und Reichtum zu erreichen suchte. Aus der Schrift ließ sich außerdem eine angebliche jesuitische Grundregel herauslesen: Dass der Zweck die Mittel heilige. Zahlreiche Auflagen auf Latein, Deutsch, Englisch und Französisch machten die Monita secreta bis ins 20. Jahrhundert wirksam. Die vorgeblichen Anweisungen beschreiben, wie sich die Jesuiten in das Vertrauen der Völker und Herrscher schleichen sollen, „reiche Witwen für sich gewinnen“ oder auf andere Art und Weise den materiellen Nutzen des Ordens mehren können. Zwar wurde die Schrift rasch als Fälschung entlarvt, dennoch erlebte sie viele Auflagen und galt in der jesuitenfeindlichen Szene noch lange als authentisch. Die Produktion falscher Dokumente gehört spätestens seit den Monita secreta zum gängigen Methodenrepertoire von Verschwörungstheoretikern. Als ein weiteres Beispiel sind hier in erster Linie die Protokolle der Weisen von Zion zu nennen, ein Anfang des 20. Jahrhunderts in Russland veröffentlichtes fiktives Dokument, das angeblich eine jüdische Weltverschwörung belegt. Nach dem Ersten Weltkrieg waren es – übrigens von einem ehemaligen Jesuiten veröffentlichte – falsche Dokumente, die die Schuld der Freimaurer am Attentat von Sarajevo belegen sollten.

Auf Anweisung des Heiligen Stuhls?

Im 17. Jahrhundert gerieten die Jesuiten im anglikanisch gewordenen England ins Visier von Verschwörungstheoretikern. Die Pulververschwörung vom 5. November 1605 – der gescheiterte Versuch katholischer Verschwörer also, das englische Parlament samt König in die Luft zu jagen – wurde den Jesuiten ebenso angelastet wie der Ausbruch der Pest 1665 und der Londoner Großbrand von 1666.

Tödliche Folgen für etliche Angehörige des Ordens hatte der sogenannte Popish Plot (engl. Papisten-Verschwörung) im Jahr 1678. Zentrale Figur dieser Verschwörungstheorie war der ehemalige anglikanische Geistliche Titus Oates. Wegen Gotteslästerung und Unzucht von der anglikanischen Kirche entlassen, trat er bei den Jesuiten ein, wo er kurze Zeit in einer nordfranzösischen, dann in einer spanischen Niederlassung lebte. Der Orden warf ihn nach wenigen Monaten wegen ungebührlichen Verhaltens hinaus, so dass Oates im Juni 1678 nach London zurückkehrte. Gemeinsam mit einem alten Spießgesellen, dem anglikanischen Pfarrer Israel Tonge, schmiedete Oates ein Komplott. Mit Hilfe von gefälschten Briefen und unter Verweis auf seine intime Kenntnis des Ordens, die er als Mitglied erworben hätte, unterstellte er den Jesuiten, auf Geheiß des Papstes ein Attentat auf König Karl II. verüben zu wollen. Bevorzugtes Massenmedium bei der Verbreitung dieser Verschwörungstheorie waren Flugblätter, die zahlreich in den Straßen der Großstadt im Umlauf waren.


Ziel von Unterstellungen: Propagandadarstellung der Jesuiten in Portugal

Die Verschwörungstheorie zog weite Kreise, unter anderem erhoben Tonge und Oates Vorwürfe gegen George Wakeman, den Leibarzt der Königin, in die Mordpläne gegen den König verwickelt zu sein. Noch während das Verfahren lief, wurde der mit dem Fall befasste Friedensrichter Edmund Berry Godfrey von Unbekannten ermordet – auch dieses Verbrechen wurde zunächst den Jesuiten in die Schuhe geschoben. Insgesamt fünfzehn Menschen wurden im Laufe der Verfahren aufgrund der Verschwörungstheorie von Titus Oates hingerichtet. Nach dem Freispruch eines Angeklagten 1681 drehte sich allerdings der Wind. Die Anschuldigungen stellten sich als erlogen heraus, Oates wurde in mehreren Prozessen inhaftiert und zu einer Geldstrafe von 100.000 Pfund verurteilt. Nach dem Machtantritt Jakobs II. 1685 wurde die Strafe dann zu lebenslanger Haft mit jährlicher Vorführung am Pranger und öffentlicher Auspeitschung umgewandelt. Später wurde Oates dann begnadigt.

Wortverdreher oder Sündenböcke?

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kamen mehrere Motive auf, die von an da an zum Grundbesteck antijesuitischer Propaganda zählten. So entwarf der geistliche Schriftsteller Blaise Pascal – als Anhänger einer konkurrierenden theologischen Richtung – in seinen Lettres provinciales (frz. Briefe in die Provinz) das Bild des unmoralischen Jesuiten, dessen Kasuistik – seine Wortverdreherei also – für jede Sünde eine Rechtfertigung biete. Gegenstand der Kritik wurde auch die mit wirtschaftlichen Unternehmungen verbundene jesuitische Missionspolitik in Südamerika: Diese kam vor allem der portugiesischen Krone in die Quere. Portugals leitender Minister Sebastião José de Carvalho e Mello initiierte nach 1750 eine regelrechte Kampagne gegen den Orden, dem er unter anderem auch unterstellte, für den Niedergang der einstmals einflussreichen Kolonialmacht Portugal in der Frühen Neuzeit verantwortlich zu sein.

Die Jesuiten hatten sich im 18. Jahrhundert überlebt. Ihre Modernität, wie etwa im Bildungswesen, war in Rückständigkeit umgeschlagen. Zugleich galten sie als arrogant, elitär und geldgierig – ein wiederkehrendes Motiv in der Geschichte des Verschwörungsdenkens. Kritik fand auch ihre besondere Nähe zum Volk – so richteten sie ihre Arbeit in den unterschiedlichen Ländern stark an den jeweils vorhandenen Bedürfnissen aus. Der Jesuit als von der Zentrale gesteuerter Akteur seines Ordens wurde gleichsam zu einer Figur der Populärkultur. Im aus „Tausenden von Individuen“ bestehenden Orden schien nichts zu geschehen, das nicht den geheimen Zielen der Führung entsprach. Ein jesuitenfeindlicher deutscher Autor meinte 1761, es sei „höchst billig, daß man nach ihren eigenen Gesetzen wegen der Vergehungen einzelner Mitglieder auch die Oberen der Gesellschaft zur Rechenschafft zieht, als welche nothwendig die sachen vorher müssen gewußt haben“.

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