Schon wieder einer tot

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Schon wieder einer tot
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Wondratsch

Schon wieder einer tot

Kurzkrimis mit Rezepten


Irene Wondratsch

Schon wieder einer tot

Kurzkrimis mit Rezepten


Haftungsausschluss: Die Rezepte dieses Buchs wurden von Verlag und

Herausgeber sorgfältig erwogen und geprüft. Dennoch kann eine Garantie

nicht übernommen werden. Die Haftung des Verlags bzw. des Herausgebers für

Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

© 2012 Oktober Verlag, Münster

Der Oktober Verlag ist eine Unternehmung des

Verlagshauses Monsenstein und Vannerdat OHG, Münster

www.oktoberverlag.de

Alle Rechte vorbehalten

Satz: Britta Gerloff

Umschlag: Thorsten Hartmann

unter Verwendung eines Fotos von Claudiad/istockphoto.com

Rezepte: Roland Tauber; Irene Wondratsch; Eva Angelides-Fink

Herstellung: Monsenstein und Vannerdat

ISBN: 978-3-941895-29-4

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Inhalt

AMOUREN

Diamonds

Bärlauchsuppe

El destino del corazon

Gespicktes Herz

Strohhalm

Schwammerlgulasch

Lost in Dubai

Dubai Chicken

Hojotoho

Kalter Hund (Kakao-Keks-Kuchen)

BINDUNG(S)LOS

Blackwater River

Alligator Stew (Krokodil-Gulasch)

Ein Bruch

Lebkuchenherz

Der Scharfrichter

Extra scharfe cremige Chili-Suppe für Singles

La dolce vita

Mousse au chocolat

RANKÜNE

Vernissage

Schinkenkipferl

Lady Macbeth

Papagei in Mandelsauce

Die Protagonistin

Hüttensuppe

Eiszeit

Eismarillenknödel

Au clair de la lune

»Heiße Liebe« – Vanilleeis mit Himbeerpüree und Blätterteigmonden

WUNDERBAR SONDERBAR

Needles and Pins

Voodoo-Sauce zu gegrilltem Huhn, Fisch oder Garnelen

Staudingers Katze

Zanderterrine

Stumme Zeugen

Ente à la Peking

Danksagung

AMOUREN

Diamonds

Selbst wenn ihre Männer vor der Zeit dahingegangen sind – Mathilde blickte ins Leere, als sähe sie dieses »dahin« –, so waren sie dennoch bei ihr. Auch Erich würde ihr immer zur Hand sein.

Sie stand auf, ging ins Vorzimmer, die Treppe hinauf und kehrte mit ihrer Schmuckschatulle zurück, stellte sie auf den Tisch und nahm einen Ring heraus, an dem ein prächtiger Diamant schimmerte. Sie steckte ihn an den Finger ihrer linken Hand. Er brachte ihre Lilienhände perfekt zur Geltung.

Und wie gut er zu Otto passte. Sie hielt den beringten Finger zur Brosche, die an ihrem Kleid steckte: ein mit Diamanten besetztes vierblättriges Kleeblatt. Er ruhte an ihrem Busen und brachte ihr Glück.

Sie kramte in ihrer Schatulle. Heinrich sollte sie auch wieder einmal tragen. Sie hielt beide Ohrringe mit den Edelsteinen in Form von Tautropfen gegen das schräg durch das Fenster einfallende Licht.

Es war ihr zu einer lieben Gewohnheit geworden, die Asche ihrer verstorbenen Männer zu Diamanten einzuschmelzen. Nur Peter war ihr entwischt. Mathilde seufzte und ließ die Goldkette mit dem Anhänger, der nur noch aus der Fassung zu einem großen Brillanten bestand, Peter war ein Hüne gewesen, zwischen ihren Fingern pendeln.

Ob sie noch einmal heiraten würde?

Mathilde setzte sich mit einer Tasse Darjeeling First Blossom in ihren geliebten Lehnstuhl, das Schmuckkästchen auf ihrem Schoß, und gedachte voll Liebe ihrer Verstorbenen.

Erich, der Naturbursche, kam mit roten Wangen und leuchtenden Augen von seinem Spaziergang im Lainzer Tiergarten zurück. Das Jutesäckchen voller Bärlauch. »Das gibt eine wunderbare Suppe.«

Mathilde lächelte. Ihr Mann konnte sich so kindlich freuen. »Bist du sicher, dass keine Blätter von Herbstzeitlosen dabei sind?«

»Geh Mathilde, auf meine Botanikkenntnisse kannst du vertrauen.«

»Und der Fuchsbandwurm?«

»Wird bei 80 Grad abgetötet.«

Während Erich in den Supermarkt fuhr, um die fehlenden Zutaten – Schlagobers und Baguette – zu besorgen, ging Mathilde aus dem Haus über die Wiese zum Waldrand, wo die Herbstzeitlosen standen. Sie schnitt einige Blätter ab und eilte damit zurück in die Küche. Vorsichtshalber wollte sie sie mit den Bärlauchblättern vergleichen, ob Erich nicht doch ein Fehler unterlaufen war.

Als er zurückkam, hatte sie die Bärlauchblätter schon fein gehackt.

»Mmh«, sagte Erich, »ich hab schon einen Mordsappetit.« Er deckte den Tisch. Bald stand die cremig-schaumige Suppe darauf. Mathilde servierte einen Suppenteller wieder ab.

»Isst du denn nichts?«

»Ich habe heute meinen Fasttag.«

Erich schaute bestürzt. »Hättest mir doch was gesagt, dann hätt’ ich die Suppe morgen gemacht.«

»Frisch schmeckt Bärlauch am besten und ich mach mir nicht so viel draus.«

»Wie konsequent du bist«, sagte Erich bewundernd und blickte ein wenig bekümmert auf seinen Bauch. Hätte der gute Erich nur auch gefastet! Dann könnten sie auch heute noch gemeinsam speisen.

Im Bioptat waren Spuren vom Gift der Herbstzeitlose enthalten. Dabei hatte sie die Blätter so sorgfältig geprüft.

Wie ein Gruß aus einer fernen Welt, in der Otto schon länger als Erich weilte, erschien ihr die Spinne, die sich an einem Faden von der Zimmerdecke über ihrem Lehnstuhl herabließ.

Otto hatte an Arachnophobie gelitten. Immer war es Mathilde gewesen, die Spinnen entfernte, wenn sie in seinem Umfeld auftauchten. Das war ihm zwar peinlich, aber Mathilde hatte ihn gerne vor seinen Ekelwesen beschützt, war er doch der großzügigste Mann gewesen, den sich eine Frau wünschen konnte. »Meine Kreditkarte ist auch deine.«

Ach, hätte sie ihn doch zu einer Desensibilisierungstherapie überredet. Aber so war alles, was ihr von ihm geblieben war, ein großer Batzen schnödes Geld und diese wunderschöne Brosche.

Dass diese südrussische Tarantel aber auch ausgerechnet in ihrer Datscha im Seewinkel auftauchen musste, als Otto im Weinkeller war. Und dass er am Abend davor seine Herzmedikamente nicht gefunden hatte, obwohl er so sicher gewesen war, sie eingepackt zu haben. Ihren Vorschlag, eine diensthabende Apotheke aufzusuchen, lehnte er ab. »Ach, einmal keine Tablette wird mir schon nicht den Garaus machen!« Mathilde fand ihn dann im Weinkeller zusammengekrümmt am Boden. Der Arzt konstatierte Herzinfarkt.

Das Haus im Seewinkel hatte Mathilde verkauft, nur Ottos roten Ferrari behalten.

 

Heinrich, der Kunstsinnige. Heinrich, der Sammler. Mathilde steckte sich die Ohrringe an, um in ihrer Erinnerung nun auch mit Heinrich in Verbindung treten zu können.

Wie oft war sie mit ihm durch die Galerien und Museen gestreift. Kaum eine Ausstellung hatte er ausgelassen.

Heute zierten die Bilder, die er gekauft oder ersteigert hatte, die Wände ihres Heimes. Hätte ihr Otto nicht so viel Barschaft hinterlassen, wäre sie nicht in der Lage, die Versicherungssummen zu bezahlen.

Wenn er nur nicht zu jeder Auktion gerast wäre. Dieser schreckliche Unfall. Die Radmuttern hatten sich gelöst. Der Werkstatt, in der Heinrich immer die Reifen wechseln ließ, hatte man natürlich nichts nachweisen können.

Und schließlich Peter. Er war ein passionierter Bergsteiger gewesen. Mathilde sah sich wieder auf dem Felsensteig. Hinter ihr Peter, der mehr Gewicht zu stemmen hatte, leicht schnaubend. Auf dem Grat rasteten sie. Peter packte das Fernglas aus, stand auf, schaute ins Tal, durch das sich der flaschengrüne Fluss wand.

»Da schau!«, sagte er, »Gämsen.«

Mathilde trat neben ihn. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe.

Nie würde sie diesen Schrei vergessen.

Diesmal würde es kein böses Ende nehmen. Manuel war jung, gesund und in jeder Hinsicht unverwüstlich. Der Sex mit ihm brachte sie noch einmal richtig auf Touren. Manuel wollte und konnte immer und überall. In der Sauna, in der Seilbahngondel und auf dem Jagdstand. Besonders anregend war das letzte gemeinsame Wannenbad. Nachdem sie Kraken gespielt und sich mit ihren Armen und Beinen umfangen hatten, lehnte Mathilde noch mit geschlossenen Augen genüsslich in der Wanne, während Manuel schon herausgestiegen war und – in den flauschigen Bademantel gehüllt – seine Haare mit dem Föhn trocknete. Sein Gesicht im Spiegel betrachtend sinnierte er, dass er nicht jünger wurde. Er sollte seine Zeit mehr mit Schönheitsschlaf als mit Arbeit verbringen. Leichter gesagt als getan. Zwar hatte er reich geheiratet, aber finanzielle Abhängigkeit war nichts für ihn.

Er drehte sich zu Mathilde, dabei rutschte er auf dem nassen Boden aus, der Föhn entglitt ihm und fiel in die Badewanne, in der Mathilde nun heftig zuckte, ehe sie sich gar nicht mehr bewegte.

Bärlauchsuppe

Zutaten für 4 Portionen:

Zwei Hände voll Bärlauch, grobgehackt (und ein wenig

feingehackt zur Garnitur)

2 EL Butter

1 Zwiebel, feingehackt

2 große mehligkochende Kartoffeln, kleingewürfelt

50 ml Weißwein

1 l Gemüsebrühe

Salz

Pfeffer

125 ml Sahne oder Crème fraîche

Zubereitung:

Die Zwiebel in der Butter golden anschwitzen, den Bärlauch und die Kartoffelwürfel dazugeben und kurz anrösten, dann nacheinander mit dem Weißwein und der Gemüsebrühe ablöschen und 20 Minuten vor sich hinköcheln lassen. Salzen und pfeffern. Dann die Suppe mit dem »Zauberstab« pürieren und mit Sahne oder Crème fraîche verfeinern. Servieren und mit dem restlichen feingehackten Bärlauch bestreuen.

El destino del corazon

Andere Männer mochten Nägel einschlagen, um Bilder aufzuhängen, quietschende Türen ölen, den Videorecorder programmieren, Rosa jedoch kam ihm immer zuvor. Zugegebenermaßen war das sehr bequem und bewahrte ihn vor Blaumeisen am Daumennagel und der Lektüre komplizierter technischer Gebrauchsanweisungen, und natürlich war sie als Chirurgin auch noch im permanenten Geschicklichkeitstraining, was bei ihm auf der HNO weniger gefordert war.

Wollte Joe sich beim Unkrautzupfen im Garten nützlich machen, protestierte sie: »Gartenarbeit ist der richtige Ausgleich zu meinem Job« und fuchtelte ihm mit der Gartenschere vor der Nase herum. Seit er mit dem Rasenmäher über das Stromkabel gefahren war, übernahm sie auch diese Tätigkeit.

Wenn er »Raumschiff Enterprise« im Fernsehen schaute, vertiefte sie sich in ihre Fachliteratur. Sie war geradezu bildungswütig.

Wer aber dachte, sie würde letztendlich todmüde ins Bett fallen, der irrte. Es kam eher öfter als selten vor, dass sie ihn verführte und er sein Letztes geben musste. Schließlich wollte er wenigstens im Bett seinen Mann stehen.

Als er ihr einmal aus der Zeitung vorgelesen hatte, dass Paare in Langzeitbeziehungen in der Regel höchstens einmal pro Woche, manchmal auch nur einmal pro Monat oder noch seltener Sex hatten, stieß sie mit gespieltem Entsetzen einen Schrei aus und umarmte ihn lachend, setzte sich auf seinen Schoß und knöpfte ihre Bluse auf.

Wenn sie ihn wenigstens einmal betrügen würde. Dann müsste er nicht so ein schlechtes Gewissen haben wegen Susi. Sie schafften es fast immer, gemeinsam für Nachtdienste eingeteilt zu werden. Der leitende Oberarzt, der den Dienstplan machte, fand es vernünftig, wenn Menschen, die gut miteinander auskamen, zusammenarbeiteten. Das Zimmer für die diensthabenden Nachtärzte hatte Joe längst mit einem CD-Player ausgestattet, denn »Je t’aime« oder »Sexual Healing« konnte die Stimmung ganz schön anheizen.

Rosa war, ihrem geradlinigen Charakter entsprechend, die Treue in Person.

Und so verständnisvoll. Akzeptierte sogar, dass er keine Kinder wollte.

Susi hingegen war weniger verständnisvoll. In letzter Zeit drängte sie immer öfter auf Scheidung. Sie wollte ihn ganz für sich haben. Sie war nicht nur jung und sehr sexy, sie war auch schutzbedürftig, wollte ihren Kopf an seine Schulter lehnen, was er gerne zuließ. Meistens blieb es aber nicht dabei und er vergrub seinen Kopf zwischen ihren Brüsten oder Schenkeln.

Susi brauchte ihn wirklich. Wer sonst hätte mit ihr die Großeinkäufe gemacht, wo sie doch kein Auto hatte. Er konnte sie nicht im Stich lassen. Den Härten des Lebens unbehütet ausliefern. Jede Frau außer Rosa brauchte einen Beschützer. Rosa würde sehr gut allein zurechtkommen. Aber könnte er ohne sie noch seinen Porsche behalten, den sie ihm zum vierzigsten Geburtstag geschenkt hatte? Ganz abgesehen davon, dass seine Frau an der Universitätsklinik das Doppelte verdiente, hatte sie auch noch ein beträchtliches Vermögen geerbt, das ihnen einen hohen Lebensstandard ermöglichte. Der wäre bei einer Scheidung für immer dahin.

Ob Susi sich auch in einem Skoda chauffieren lassen würde? Sein Herz krampfte sich bei der Vorstellung zusammen, in welche Niederungen er herabsteigen müsste.

Von der Villa in eine Mietwohnung. Lichthof statt Garten. Er konnte ja nicht einmal bei Susi einziehen, die wohnte im Schwesternheim.

Nach Dienstschluss ging er mit Klaus, seinem besten Freund, auf ein Bier. Klaus hatte in der Ambulanz Dienst gehabt und erzählte einige Schwänke über PatientInnen. Er hingegen fühlte sich in letzter Zeit wie gerädert. Neulich hatte Susi gedroht, sie würde ihn verlassen. Der Gedanke an öde einsame Nachtdienste kroch wie eine Nacktschnecke von seinen Gehirnwindungen in sein Herz. Vorbei das Prickeln, ob sie noch zum Höhepunkt kämen, bevor einer von ihnen am Diensthandy gerufen würde. Das Gefühl der Langeweile legte sich bleiern auf sein Gemüt.

»Ich sitze ganz schön in der Klemme, Klaus!«

»Nein, bloß zwischen den Stühlen.«

Für den »Wortwitz« seines Freundes fehlte ihm im Moment der Humor.

»Warum bringst du sie nicht einfach um?« Klaus lachte.

Seine Scherze begannen Joe allmählich zu nerven.

Daheim empfing ihn Rosa mit Champagner.

»Es gibt was zu feiern.«

»Ja?« Hatte er den Hochzeitstag vergessen? Nein, der war erst im Mai.

»Ich werde Primaria.«

Joe blieb die Luft weg.

»Das hast du dir ehrlich verdient.« Er zwang sich, seine Frau zu umarmen und zu küssen. Sein Herz krampfte sich zusammen. Der Karriereunterschied zwischen ihnen war wieder ein Stück größer geworden. Sie war einfach immer eine Streberin gewesen. Das hätte ihm schon an der Uni auffallen müssen, als sie ihn bei einer schriftlichen Prüfung abschreiben ließ.

Erst nach dem zweiten Schluck fiel ihm ein, dass sie als Primaria jetzt keine Nachtdienste mehr haben würde. Seine Zweisamkeit mit Susi würde also auf die Spitalsnächte beschränkt bleiben. Keine gemeinsamen Kino- oder Restaurantbesuche mehr, wie sie Susi so sehr liebte. Vorbei war es mit der Gemütlichkeit vor dem Sex, wenn er ihr auf dem Barhocker »Tu vas et tu viens entre mes reins« leise ins Ohr sang.

»Hast du was, du bist so nachdenklich?«

»Nein, ich bin nur müde.«

»Ich weiß, dass Ärzte nie zu Gesundenuntersuchungen gehen, aber du solltest es trotzdem. Vor allem solltest du dich mehr schonen.« Rosa meinte es ehrlich, denn sie verzichtete darauf, sich als Primaria auch im Bett feiern zu lassen.

»Weiterbildung ist wichtig und vor allem Networking.« Rosa freute sich, dass er auf den Kongress fuhr.

Der Kongress fand im Hotel Orient statt. Einzige Teilnehmer waren Dr. Josef Bleibtreu und Frau Susanne Dorn.

Frau Dorn genoss den luxuriösen Sündenpfuhl und war vorübergehend beschwichtigt, kritisierte jedoch später in einem Vortrag den ehelichen Status von Dr. Bleibtreu. Sie forderte ihn auf, ein Mann der Tat zu sein. Er würde es tun. Er musste.

So kam es, dass Joe den Kongress vorzeitig verließ und nachhause zurückkehrte. Wo war Rosa? Manchmal hielt sie am Samstag ein Nachmittagsschläfchen. Er schlich also zum Schlafzimmer und öffnete vorsichtig die Tür. Er hatte recht gehabt, sie schlief tatsächlich – in den Armen eines anderen Mannes, der ebenfalls die Augen geschlossen hatte.

Irgendwann brachte Joe seinen Mund wieder zu und löste sich aus seiner Starre. Gleich würde er aus diesem Alptraum erwachen.

Er fühlte eine starke Beklemmung in der Brust, ging zur Bar, schenkte sich einen Whisky ein: Der gab ihm den Rest. Sein Herz krampfte sich zusammen. Er schrie um Hilfe. Rosa kam mit zerzaustem Haar im Bademantel herbei, sie würde ihm Erste Hilfe leisten und ihn retten.

Sie sah interessiert zu, wie er sich krümmte und stand reglos daneben.

»Gleich hat er’s überstanden«, sagte sie zu ihrem Lover.

Gespicktes Herz

Zutaten für 2 Portionen:

1 Herz vom Rind, Hirsch oder Reh

1 Zwiebel, halbiert und in Scheiben geschnitten

2 Knoblauchzehen, in dünne Scheiben geschnitten

1 dicke (oder mehrere dünne) Scheibe(n) Bauchspeck

1 TL Thymian

3 Wacholderbeeren

1 Lorbeerblatt

etwas Rotwein

250 ml Rinderbrühe

etwas Mehl und Butter zu gleichen Teilen vermengt

Das Spicken von Fleisch bzw. hier Innereien ist in den letzten 20-30 Jahren stark in Verruf geraten, da dadurch wohl die Fleischfasern verletzt werden, Saft austritt und so das Fleisch erst recht trocken zu werden droht, obwohl dies durch das Spicken mit fettem Speck ja gerade vermieden werden soll. Als gute Alternative hat sich das Bardieren, also das Umhüllen des Fleisches mit dünnen Speckscheiben erwiesen.

Nun passt das aber nicht wirklich zum Plot unseres Kurzkrimis. Von daher stellen wir es Ihnen anheim, ob Sie lieber spicken oder bardieren, eventuell probieren Sie mal beides parallel aus und testen den Unterschied des fertigen Herzens in der Konsistenz.

Zubereitung:

Das Herz halbieren und mit Streifen vom Bauchspeck mittels einer Spicknadel spicken oder die Herzhälften mit dünnen Speckscheiben umwickeln und mit Küchengarn festmachen. Zwiebel anrösten, Knoblauchscheiben dazugeben, die Herzhälften kurz mitbraten, Gewürze beigeben und mit Rotwein ablöschen. Mit Rinderbrühe aufgießen und eine halbe Stunde köcheln lassen. Die Sauce in den letzten zehn Minuten mit Mehlbutter binden und einreduzieren lassen. Dann die Herzhälften auf Tellern servieren, die Sauce durch ein engmaschiges Sieb passieren und über die Herzhälften gießen.

Sehr gut passen dazu Semmelknödel, Kartoffelknödel oder Spätzle. Und auch separat gegartes Wurzelgemüse (Möhren, Sellerie, Petersilienwurzel).

Strohhalm

»Das ist Lebensqualität«, hätte Norbert gesagt, der unter seinen Sohlen kein hartes Straßenpflaster mehr spüren wollte und deshalb mit Elisabeth ein Bauernhaus im Kamptal gekauft hatte. Aber Norbert war nicht da. Norbert war gestern mit einem Freund zu einer Radtour aufgebrochen und würde erst heute Abend zurück sein.

 

Elisabeth würde ihn mit einem Abendessen empfangen. Er mochte Pilze für sein Leben gern. Sie war früh aufgestanden, in den Wald gelaufen und fündig geworden. Sie befreite die dicken Knollen vom Erdreich, schabte die Stiele vorsichtig ab, zog die Haut von den Kappen, schnupperte. Wusch die Pilze, schnitt sie feinblättrig.

Die Sonne fiel durch die Scheiben, bahnte sich einen Lichtkegel in die geräumige Wohnküche mit dem alten Holzofen. Ich müsste Fenster putzen, dachte Elisabeth. Morgen, vielleicht morgen, da hatte sie noch frei, ehe sie ihren 36-Stunden-Turnus wieder antreten musste. Aber vermutlich hatte sie morgen bereits etwas ganz anderes zu tun. Ihr graute ein wenig vor den vielen Amtswegen. Sie spürte eine leichte Übelkeit und machte das Fenster weit auf, atmete tief durch.

Sie griff in ihre Schürzentasche und holte den nun schon ziemlich zerknüllten kleinen weißen Zettel mit der Telefonnummer heraus, der sich ursprünglich in Norberts Rocktasche befunden hatte.

Vorgestern hatte sich dort noch eine Frauenstimme mit »Stein« gemeldet, aber seit gestern schwieg das Telefon beharrlich, obwohl sie ihre Nummer unterdrückte. Elisabeth schälte eine mittelgroße Zwiebel und weinte dabei mehr als sonst.

Dann schnäuzte sie sich energisch. Sie schmolz ein Stück Butter in der gusseisernen Pfanne, achtete, dass sie nicht zu braun wurde und ließ die Zwiebelstücke glasig anlaufen.

Ein Schatten fiel auf die Pfanne. Elisabeth sah auf, wandte sich um. Jaromir war lautlos hereingeflattert, hatte sich mitten auf den Küchentisch gesetzt. Als sich ihre Blicke kreuzten, neigte er seinen Kopf schräg und krächzte zur Begrüßung, wobei sich sein gelber Schnabel öffnete.

Woody, der Unglücksrabe, hatte ihn Norbert lachend genannt, als er zum ersten Mal in die Küche geflogen war, um im Schlagobers zu landen. Allzu gierig hatte er sich darin versenkt und seinen Kopf nicht mehr von der schaumigen weißen Masse befreien können. Elisabeth hatte ihn sorgfältig mit einem feuchten Geschirrtuch gesäubert und Jaromir getauft. Seither war er ein mehr oder weniger regelmäßiger Besucher, wenn gekocht wurde und das Fenster offen stand. Nun stocherte er mit dem Schnabel in den Küchenabfällen, ohne fündig zu werden, und sah Elisabeth vorwurfsvoll an. Sie schnitt ein kleines Stück von dem Selchspeck ab, das er von ihrem Handteller pickte. Dann hüpfte er von der Tischplatte zu seinem Lieblingsplatz auf der Küchenbank.

In der Ferne hörte sie das schrille Folgetonhorn eines Rettungsfahrzeuges. Ihr erster Nachtdienst vor vielen Jahren fiel ihr ein, als sie im Franz-Josefs-Spital auf der Internen ihren Turnus begonnen hatte. Ein Notfall war gerade eingeliefert worden, eine Vergiftung. Elisabeth hatte sich hastig das Gesicht mit kaltem Wasser gewaschen und sich ein leeres Glasröhrchen auf dem Nachtkästchen einer zarten blonden Frau vorgestellt. Oder eine leere Whiskyflasche, die ein verzweifelter junger Mann in einem Zug geleert hatte. Oder einen Fisch, der das Wasser schon lange nicht mehr gesehen hatte und in einem Haubenlokal bei einem Geschäftsessen verzehrt worden war. Oder verdorbenes Fleisch, grünlich schimmernd. Oder eine Niere, die nicht mehr funktionierte: Urämie oder einen Darmverschluss oder …

Dann war sie schon im Untersuchungszimmer gewesen. Ein Mann mittleren Alters hatte sich in Krämpfen gewunden und gekotzt.

»Was ist passiert?«

»Es müssen giftige dabei gewesen sein.«

»Giftige was?«

»Schwammerl.«

Der Folgeton der Rettung wurde leiser, verlor sich in der Ferne. Auch Jaromir stieß sich von der Küchenbank ab und flatterte aus dem Fenster. Elisabeth sah ihm nach, wie er sich draußen niederließ und über den Hof hüpfte. Plötzlich wuchs er vor ihren Augen zu Mannsgröße. Sein schwarzes Federkleid verwandelte sich in einen Anzug. Schon waren sechs gleiche Gestalten an seiner Seite.

Sieben schwarz gekleidete Männer trugen einen gläsernen Sarg.

Irgendwo unter den Trauernden war vermutlich auch die Stein. Würde sie sie erkennen? Sicherlich. Der Schmerz würde ihr ins Gesicht geschrieben sein. Wie sie wohl aussah? Elisabeth hatte alle Taschen und Laden durchwühlt, aber kein Foto gefunden. Sie widerstand nur mühsam der Versuchung, sich umzudrehen.

Während der Sarg in die Grube gelassen wurde, dachte Elisabeth, dass es nun bald überstanden sei. Der Pfarrer hielt eine Rede und die vielen Kränze erinnerten sie, dass sie vergessen hatte, die Blumen zu gießen. Bei dieser Hitze! Die armen Blumen! Nun drückten die Kondolierenden einer nach dem anderen ihre Hand und sprachen verlegene Trostesfloskeln. Darunter waren sieben verheulte Frauen, die Elisabeth nicht kannte.

Als sie nach dem Leichenschmaus vom Gasthaus nach Hause kam, ging sie in die Küche, schenkte sich einen Vogelbeerschnaps ein, nahm Norberts Foto aus dem Rahmen und zeichnete mit einem Filzstift einen dicken schwarzen Rand herum. Als sie fertig war, küsste sie seinen Mund auf dem Bild. Dann goss sie die Blumen. Danach setzte sie sich auf die Gartenbank im Hof. Endlich konnte sie die Hände in den Schoß legen.

Ein Motorrad bog in einer eleganten Schleife in den Hof ein, kam knapp vor ihr zu stehen. Eine Gestalt in schwarzem Leder stieg ab, erschien ihr sehr groß. Aber das war ja Christoph, der sie da anlachte. In seinem schwarzen Gewand und mit seiner Vogelnase erinnerte er sie an Jaromir. Er breitete die Arme aus wie Flügel.

»Ich war in der Nähe und da hab ich gedacht, ich schau einmal bei dir vorbei. Störe ich?«

»Keineswegs, ich bin jetzt Witwe«, sagte Elisabeth.

»Wie bitte?« Christoph schaute entgeistert.

»Strohwitwe«, verbesserte sich Elisabeth.

»Na, dann ab ins Stroh«, sagte Christoph lachend, hob sie hoch und trug sie ohne Umschweife in die Scheune, in der tatsächlich noch Stroh aufgeschüttet war.

Beim Abschied fragte er, ob er wiederkommen dürfe.

»Aber gern«, sagte Elisabeth, »Norbert macht jetzt sehr oft Radtouren mit seinem Freund.«

Christoph lachte und sang: »Ich glaub, der Freund heißt Gretchen, ich glaub, er ist ein Mädchen.« Christoph war sehr sangesfreudig. Norbert sang nie.

Nachdem das Motorrad außer Sicht- und Hörweite war, ging Elisabeth in die Küche und schüttete das Pilzgericht ins Klo. Ein Gefühl satter Zufriedenheit erfüllte sie.

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