Goethes Lebensweisheit

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Goethes Lebensweisheit
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Josef Hofmiller

Goethes Lebensweisheit

Ausgewählt von Josef Hofmiller

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

XIII

XIV

Nachwort

Nachwort zur dritten Auflage

Impressum neobooks

I

Goethes Lebensweisheit

Große Gedanken und ein reines Herz, das ist’s, was wir uns von Gott erbitten sollten. (Wanderjahre)

Gründliche Gedanken sind ein Schatz, der im Stillen wächst, und Interessen zu Interessen schlägt … Denn das echte Lebendige wächst nach. (An Zelter, 26.08.1828)

Der Mensch mache sich nur irgendeine würdige Gewohnheit zu Eigen, an der er sich die Lust in heiteren Tagen erhöhen und in trüben Tagen aufrichten kann. Er gewöhne sich z.B. täglich in der Bibel oder im Homer zu lesen, oder Medaillen oder schöne Bilder zu schauen, oder gute Musik zu hören. Aber es muss etwas Treffliches, Würdiges sein, woran er sich so gewöhnt, dass ihm stets und in jeder Lage der Respekt dafür bleibe. (Zu F. v. Müller, 30.05.1814)

In oberflächlicher Beschauung einer Bibliothek fühlt man sich wie in der Gegenwart eines großen Kapitals, das geräuschlos unberechenbare Zinsen spendet. (Annalen.)

Das Vortreffliche sollte durchaus nicht bekrittelt noch besprochen, sondern genossen und andächtig im Stillen bedacht werden. (An Zelter, 29.03.1827)

Eigentlich lernen wir nur von Büchern, die wir nicht beurteilen können. Der Autor eines Buchs, das wir beurteilen könnten, müsste von uns lernen.

Die guten Leute wissen gar nicht, was es für Zeit und Mühe kostet, das Lesen zu lernen und von dem Gelesenen Nutzen zu haben; ich habe achtzig Jahre dazu gebraucht. (Zu Soret, 25.1.1830)

Ein Buch, das große Wirkung gehabt, kann eigentlich gar nicht mehr beurteilt werden. Die Kritik ist überhaupt eine bloße Angewohnheit der Modernen. Man lese ein Buch, und lasse es auf sich einwirken, gebe sich dieser Einwirkung hin, so wird man zum richtigen Urteil darüber kommen. (zu F. v. Müller, 11.6.1822)

Freiwillige Abhängigkeit ist der schönste Zustand; und wie wäre der möglich ohne Liebe!

Gegen große Vorzüge eines Andern gibt es kein Rettungsmittel als die Liebe.

Die wenigsten Menschen lieben an dem anderen das, was er ist. Nur das, was sie ihm leihen, sich, ihre Vorstellung von ihm lieben sie. (Zu Riemer, 7.6.1813)

Nein, ihr könnt es nicht fühlen, kein Mann ist imstande, den Wert eines Weibes zu fühlen, das sich zu ehren weiß! Bei allen heiligen Engel, bei allen Bildern der Seligkeit, die sich ein reines Herz erschafft, es ist nichts Himmlischeres als ein weibliches Wesen, das sich dem geliebten Mann hingibt. (Lehrjahre)

Nichts ist bedeutender in jedem Zustand als die Dazwischenkunft eines Dritten. (Wahlverwandtschaften)

In jeder großen Trennung liegt ein Keim von Wahnsinn; man muss sich hüten, ihn nachdenklich auszubreiten und zu pflegen. (I.R.)

Wir sind nie entfernter von unsern Wünschen, als wenn wir uns einbilden, das Gewünschte zu besitzen.

Gegen unsern Herrgott sind wir doch arme Schelmen, wir haben zu reden, und er hat zu tun. Und wenn wir lange wählen, dahin? oder dorthin? So nimmt er uns beim Arme, und führt uns den dritten Weg, an den wir gar nicht gedacht haben. (An Trapp, 28.7.1770 Konzert)

Man weiß nicht eher als nach einem längeren Lebenslauf, was echte Maximen, die uns über das Gemeine heben, für einen hohen Wert haben. (An Rochlitz, 29.03.1801)

II

Wenn ein Weib einmal vom rechten Wege ab ist, dann geht es auch blindlings und rücksichtslos auf dem bösen fort; und der Mann ist nichts dagegen, wenn er auf bösen Wegen wandelt. Bei ihr aber wirkt dann die bloße Natur. (Zu Riemer, 8.8.1807)

Man lernt nichts kennen, als was man liebt, und je tiefer und vollständiger die Kenntnis werden soll, desto stärker und lebendiger muss Liebe, ja, Leidenschaft sein. (An F. H. Jacobi, 10.05.1812)

Was ist unserm Herzen die Welt ohne Liebe! Was eine Zauberlaterne ist ohne Licht! (Werthers Leiden)

Es ist eine sehr angenehme Empfindung, wenn sich eine neue Leidenschaft in uns zu regen anfängt, ehe die alte noch ganz verklungen ist. So sieht man bei untergehender Sonne gern auf der entgegengesetzten Seite den Mond aufgehen und erfreut sich an dem Doppelglanze der beiden Himmelslichter. (Dichtung und Wahrheit.)

Der Umgang mit Frauen ist das Element guter Sitten.

Wenn die Männer sich mit den Weibern schleppen, so werden sie so gleichsam abgesponnen wie ein Wocken.

Für die vorzüglichste Frau wird diejenige gehalten, welche ihren Kindern den Vater, wenn er abgeht, zu ersetzen im Stande ist.

Die Weiber, sagt man, sind eitel von Hause aus; doch es kleidet sie und sie gefallen uns um desto mehr. (Wanderjahre.)

Ein wenig Geiz schadet dem Weibe nichts, so übel sie die Verschwendung kleidet. Freigebigkeit ist eine Tugend, die dem Mann ziemt, und Festhalten ist die Tugend eines Weibes. (Die guten Weiber.)

Was sogar die Frauen an uns ungebildet zurücklassen, das bilden die Kinder aus, wenn wir uns mit ihnen abgeben. (Lebensjahre.)

Es ist unglaublich, wie der Umgang der Weiber herabzieht. (Zu F. v. Müller, 14.12.1808.)

Im Ehestand muss man sich manchmal streiten, denn dadurch erfährt man was voneinander. (Wahlverwandtschaften.)

Bei Verhältnissen, die nicht zu ändern sind, müssen gewisse Schärfigkeiten sich sammeln und zuletzt irgendwo ausbrechen. Von Zeit zu Zeit wiederholt sich das. (T. 12.8.1779.)

Wer die Weiber hasst, wie kann der leben? (Lebensjahre.)

Was rechte Weiber sind, sollten keine Männer lieben, wir sind‘s nicht wert. (An Auguste Gräfin zu Stolberg, 20.5.1776.)

So wahr ist’s, dass wahre Verbindungen Zeit brauchen, wie Bäume, um Wurzeln zu treiben, Kronen zu bilden und Früchte zu bringen. (An Betty Jacobi, Anfang Febr. 1774.)

Die Gegenwart ist’s allein, die wirkt, tröstet und erbaut! Wenn sie auch wohl manchmal plagt – das Plagen ist der Sommerregen der Liebe. (An Frau v. Stein, 22.6.1776.)

Beide Geschlechter besitzen eine Grausamkeit gegeneinander, die sich vielleicht in jedem Individuum zu Zeiten regt, ohne gerade ausgelassen werden zu können: bei Männern die Grausamkeit der Wollust, bei den Weibern die des Undanks, der Unempfindlichkeit, des Quälens u. a. m. (Zu Riemer, 7.7.1811.)

Pah! Als ob die Liebe etwas mit dem Verstande zu tun hätte! Wir lieben an einem jungen Frauenzimmer ganz andere Dinge als den Verstand. Wir lieben an ihr das Schöne, das Jugendliche, das Neckische, das Zutrauliche, den Charakter, ihre Fehler, ihre Capricen und Gott weiß was alles Unaussprechliche sonst; aber wir lieben nicht ihren Verstand. Ihren Verstand achten wir, wenn er glänzend ist, und ein Mädchen kann dadurch in unsern Augen unendlich an Wert gewinnen. Auch mag der Verstand gut sein, uns zu fesseln, wenn wir bereits lieben. Allein der Verstand ist nicht dasjenige, was fähig wäre, uns zu entzünden und eine Leidenschaft zu erwecken. (Zu Eckermann, 2.1.1824.)

Des Menschen Wesen ist mühselig, doch überwiegt das Leben alles, wenn die Liebe in der Schale liegt. (An Frau v. Stein, Ende Mai [?] 1786.)

Einem bejahrten Manne verdachte man, dass er sich noch um junge Frauenzimmer bemühte. „Es ist das einzige Mittel“, versetzte er, „sich zu verjüngen, und das will doch jedermann.“ (Wahlverwandtschaften.)

Wer die Weiber hasst, ist im Grunde galanter gegen sie, als wer sie liebt; denn jener hält sie für unüberwindlich, dieser hofft noch mit ihnen fertig zu werden. (Zu Riemer, 6.9.1810)

Den Enthusiasmus für irgendeine Frau muss man einer anderen niemals anvertrauen, sie kennen sich untereinander zu gut, um sich einer solchen ausschließlichen Verehrung würdig zu halten. (Wanderjahre.)

Die Missheiraten sind viel gewöhnlicher als die Heiraten, denn es sieht leider nach einer kurzen Zeit mit den meisten Verbindungen gar misslich aus. (Lehrjahre.)

 

Was die Kultur der Natur abgewonnen habe, dürfte man nicht wieder fahren lassen, es um keinen Preis aufgeben. So sei auch der Begriff der Heiligkeit der Ehe eine solche Kultur-Errungenschaft des Christentums und von unschätzbaren Wert, obgleich die Ehe eigentlich unnatürlich sei . . . Genug dergleichen Kulturbegriffe sind den Völkern nun einmal eingeimpft und laufen durch alle Jahrhunderte; überall hat man vor ungeregelten, ehelosen Liebesverhältnissen eine gewisse unbezwingliche Scheu, und das ist recht gut. Man sollte nicht so leicht mit Ehescheidungen vorschreiten. Was liegt daran, ob einige Paare sich prügeln und das Leben verbittern, wenn nur der allgemeine Begriff der Heiligkeit der Ehe aufrecht bleibt! Jene würden doch auch andere Leiden zu empfinden haben, wenn sie diese los wären. (Zu F. v. Müller, 7.4.1830)

Wer mir den Ehestand angreift, wer mir durch Wort, ja durch Tat diesen Grund aller sittlichen Gesellschaft untergräbt, der hat es mit mir zu tun. Die Ehe ist der Anfang und der Gipfel aller Kultur. Unauflöslich muss sie sein, denn sie bringt so vieles Glück, dass alles einzelne Unglück dagegen gar nicht zu rechnen ist. Sie zu trennen, gibt’s gar keinen hinlänglichen Grund. Der menschliche Zustand ist so hoch in Leiden und Freuden gesetzt, dass gar nicht gerechnet werden kann, was ein paar Gatten einander schuldig werden. Es ist eine unendliche Schuld, die nur durch die Ewigkeit abgetragen werden kann. (Wahlverwandtschaften.)

III

Das Muss ist hart, aber beim Muss kann der Mensch zeigen wie’s inwendig mit ihm steht. Willkürlich leben kann Jeder. (An J. J. Krafft, 31.1.1781.)

Es ist unglaublich, wie viel der Geist zu Erhaltung des Körpers vermag . . . Der Geist muss nur dem Körper nicht nachgeben! (Zu Eckermann, 21.3.1830.)

Ich bin gesund und kann arbeiten, was verlang‘ ich mehr? (An Zelter, 23.6.1813.)

Der Körper muss, der Geist will. (An Zelter 21. 11. 1830)

Es liegen produktiv machende Kräfte in der Ruhe und im Schlaf; sie liegen aber auch in der Bewegung. Es liegen solche Kräfte im Wasser und ganz besonders in der Atmosphäre. – Die frische Luft des freien Feldes ist der eigentliche Ort, wo wir hingehören; es ist, als ob der Geist Gottes dort den Menschen unmittelbar anwehte und eine göttliche Kraft ihren Einfluss ausübte. (Zu Eckermann, 11.03.1828.)

Wer sein Vaterland nicht kennt, hat keinen Maßstab für andere Länder. (Lehrjahre.)

Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen. (Lehrjahre.)

Die Reise gleicht einem Spiel, es ist immer Gewinn und Verlust dabei, und meist von der unerwarteten Seite, man empfängt mehr oder weniger, als man hofft, man kann ungestraft eine Weile hin schlendern, und dann ist man wieder genötigt, sich einen Augenblick zusammenzunehmen. Für Naturen wie die meine, die sich gerne festsetzen und die Dinge festhalten, ist eine Reise unschätzbar, sie belebt, berichtigt, belehrt und bildet. (An Schiller, 14.10.1797.)

Mäßige körperliche Bewegung, neue Gegenstände und die alten von einer neuen Seite, mehr bedarf es nicht zum Wohlbefinden des Leibes und der Seele. ( An August v. Goethe, 29.4.1829.)

Nun mache ich aber die Bemerkung, dass ich weder abends, noch in der Nacht jemals gearbeitet habe, sondern bloß des Morgens, wo ich den Rahm des Tages abschöpfte, da denn die übrige Zeit zu Käse gerinnen mochte. (An S. Boisseree, 11.9.1820.)

Aufs Glück kommt es nicht an, es handelt sich nur vom Dasein und von der wahren Beschaffenheit der Dinge. Ich will nicht hoffen und fürchten wie ein gemeiner Philister. (Zu F. v. Müller, 3.4.1824.)

Wie steht’s mit ihrer Gesundheit? Ich bitte Sie, sorgen Sie doch für diesen Leib mit anhaltender Treue. Die Seele muss nun einmal durch diese Augen sehen, und wenn sie trüb sind, so ist’s in der ganzen Welt Regenwetter. (An Trapp, 28.7.1770.)

Mit jedem Atemzug durchdringt ein ätherischer Lethe-Strom unser ganzes Wesen, so dass wir uns der Freuden nur mäßig, der Leiden kaum erinnern. Diese hohe Gottesgabe habe ich von jeher zu schätzen, zu nützen und zu steigern gewusst. (An Zelter, 15.2.1830.)

Die Pestkranken aber hat er [Napoleon] wirklich besucht, und zwar um ein Beispiel zu geben, dass man die Pest überwinden könne, wenn man die Furcht zu überwinden fähig sei. Und er hat recht! – Ich kann aus meinem eigenen Leben ein Faktum erzählen, wo ich bei einem Faulfieber der Ansteckung unvermeidlich ausgesetzt war, und wo ich bloß durch einen entschiedenen Willen die Krankheit von mit abwehrte. Es ist unglaublich, was in solchen Fällen der moralische Wille vermag! Es durchdringt gleichsam den Körper und setzt ihn in einen aktiven Zustand, der alle schädlichen Einflüsse zurückschlägt. Die Furcht dagegen ist ein Zustand träger Schwäche und Empfänglichkeit, wo es jedem Feinde leicht wird, von uns Besitz zu nehmen. Das kannte Napoleon zu gut, und er wusste, dass er nicht wagte, seiner Armee ein imposantes Beispiel zu geben. (Zu Eckermann, 7.4.1829.)

An unmöglichen Dingen soll man selten verzweifeln, an schweren nie. (I.R.)

Bei jedem bedeutenden Unternehmen muss man die Hindernisse für Null erklären. (Annalen.)

Was wir in uns nähren, das wächst; das ist ein ewiges Naturgesetz. Es gibt ein Organ des Misswollens, der Unzufriedenheit in uns, wie es eines der Opposition, der Zweifelsucht gibt. Je mehr wir ihm Nahrung zuführen, es üben, je mächtiger wird es, bis es sich zuletzt aus einem Organ in ein krankhaftes Geschwür umwandelt und verderblich um sich frisst, alle guten Säfte aufzehren und anstecken. Dann setzt sich Reue, Vorwurf und andere Absurdität daran, wir werden ungerecht gegen andere und gegen uns selbst. Die Freude am fremden und eigenen Gelingen und Vollbringen geht verloren, aus Verzweiflung suchen wir zuletzt den Grund alles Übels außer uns, statt es in unserer Verkehrtheit zu finden. (Zu F. v. Müller, 3.2.1823.)

Was ich Gut’s finde in Überlegungen, Gedanken, ja sogar Ausdruck, kommt mir meist im Gehen; sitzend bin ich zu nichts aufgelegt. (T. 21.3.1780)

Mein Rat ist, nichts forcieren und alle unproduktiven Tage und Stunden lieber zu vertändeln und zu verschlafen, als in solchen Tagen etwas machen zu wollen, woran man später keine Freude hat. (Zu Eckermann, 11.3.1828.)

Unser Leben kann sicherlich durch die Ärzte um keinen Tag verlängert werden, wir leben, solange es Gott bestimmt hat; aber es ist ein großer Unterschied, ob wir jämmerlich, wie arme Hunde leben oder wohl und frisch, und darauf vermag ein kluger Arzt viel. (Zu F. v. Müller, 12.8.1827.)

Der Druck der Geschäfte ist sehr schön der Seele; wenn sie entladen ist, spielt sie freier und genießt des Lebens. Elender ist nichts als der behagliche Mensch ohne Arbeit, das Schönste der Gaben wird ihm Ekel. (T. 13.1.1779.)

Glauben Sie mir, der Mensch muss ein Handwerk haben, das ihn nährt. Auch der Künstler wird nie bezahlt, sondern der Handwerker. Chodowiecki, der Künstler, den wie bewundern, äße schmale Bissen, aber Chodowiecki, der Handwerker, der die elendesten Sudeleien mit seinem Kupfern illuminiert, wird bezahlt. (An J.J. Kraft, 9.9.1779.)

Seelenleiden, in die wir durch Unglück oder eigenen Fehler geraten, zu heilen, vermag der Verstand nichts, die Vernunft wenig, die Zeit viel, entschlossenen Tätigkeit hingegen alles. (Wanderjahre.)

Es kommt doch am Ende darauf an, dass man aushält und die anderen ausdauert. Wie viel Fälle sind nicht möglich, da sich das Gesicht unserer Existenz ins Bessere verändern kann. (An Herder und Frau, 2.9.1786.)

Man könnte noch mehr, ja das Unglaubliche tun, wenn man mäßiger wäre. (T. 22.6.1780.)

Gott helfe weiter und gebe Lichter, dass wir uns nicht selbst so viel im Wege stehen. Lasse uns vom Morgen zum Abend das Gehörige tun und gebe uns klare Begriffe von den Folgen der Dinge. Dass man nicht sei wie Menschen, die den ganzen Tag über Kopfweh klagen und gegen Kopfweh brauchen und alle Abend zu viel Wein zu sich nehmen. (T. 7.8.1779.)

Die Unzufriedenheit mit Ihrem Zustande, die Sie mir zu erkennen geben, scheint mir so sehr aus dem Verhältnis Ihres Innersten, Ihrer Talente, Begriffe und Wünsche zu dem Zustande unserer bürgerlichen Verfassung zu liegen, dass ich nicht glaube, es werde Sie die Veränderung des Ortes außer einem geringen Mehr oder Weniger jemals befriedigen können. Es ist in unserem Lande keine einzige Justizbeamtenstelle, davon nicht der Besitzer an eben den Übeln krank läge, über die Sie sich beklagen. Keine subalterne Stelle ist weder für einen denkenden Menschen, was wir gewöhnlich so nennen, noch dazu eingerichtet, das Leben in seinem feineren Sinne zu genießen. Tüchtige Kinder dieser eingeschränkten Erde, denen im Schweiß ihres Angesichts ihr Brot schmecken kann, sind allein gebaut, sich darin leidlich zu befinden und nach ihren Fähigkeiten und Tugenden das Gute und Ordentliche zu wirken. Jede höhere Stelle ist nach ihrem Maße unruhiger, mühseliger und weniger wünschenswert. (An Bürger, 20.2.1782.)

Was aber ist deine Pflicht? Die Forderung des Tages.

Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist; weiß ich, womit du dich beschäftigst, so weiß ich, was aus dir werden kann.

Die Botaniker haben eine Pflanzen Abteilung, die sie Incompletae nennen; man kann eben auch sagen, dass es inkomplette, unvollständige Menschen gibt. Es sind diejenigen, deren Sehnsucht und Streben mit ihrem Tun und Leisten nicht proportioniert ist.

Einen Rat verlangt ihr! Aus der Ferne ist schwer raten! Aber der sicherste, treueste, erprobteste ist: bleibt, wo Ihr seid! Tragt diese oder jenen Unbequemlichkeit, Verdruss, Hintansetzung usw., weil Ihrs nicht besser finden werdet, wenn Ihr den Ort verändert. Bleibt fest und treu auf eurem Patze! Fest und treu auf einem Zweck, Ihr seid ja der Mann dazu, und Ihr werdet vordringen durch Bleiben, weil alles andre hinter Euch weicht. Wer seinen Zustand verändert, verliert immer die Reise- und Einrichtekosten, moralisch und ökonomisch, und setzt sich zurück. (An Kestner, 28.9.1777.)

Wie kann man sich selbst kennenlernen? Durch Betrachten niemals, wohl aber durch Handeln. Versuche, deine Pflicht zu tun, und du weißt gleich, was an dir ist.

Der geringste Mensch kann komplett sein, wenn er sich innerhalb der Grenzen seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten bewegt; aber selbst schöne Vorzüge werden verdunkelt, aufgehoben und vernichtet, wenn jenes unerlässlich geforderte Ebenmaß abgeht. Diese Unheil wird sich in der neuern Zeit noch öfter hervortun; denn wer wird wohl den Forderungen einer durchaus gesteigerten Gegenwart, und zwar in schnellster Bewegung, genugtun können?

Olete lõpetanud tasuta lõigu lugemise. Kas soovite edasi lugeda?