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Impressum

Copyright: © 2015 Judith Cramer

Verlag: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

ISBN: 978-3-7375-3120-7

Kurzbeschreibung:

Glaubst du wirklich, das kann dir nicht passieren?

Sag niemals NIE!!!

Die bekannte Autorin für Katzengeschichten erzählt erstmals über ihre Panikattacken, Klaustrophobie und Agoraphobie, ausgelöst durch ein Burnout. Wie ein Thriller fesselt die Geschichte, man sitzt wie ein stiller Beobachter dabei, fühlt mit, wie aus einer lebenslustigen und erfolgreichen Frau ein Opfer ihrer Angst vor der Angst wird.

Mit 43 Jahren wurde sie brutal aus ihrem Leben gerissen. Es gibt zahlreiche Ratgeber, wie man mit der Angst umgeht, doch selten erzählt ein Mensch so hautnah, wie es sich anfühlt, seiner Panik ausgeliefert zu sein.

Alle Vorboten hatte sie ignoriert und mit dieser Erzählung wird sie dir zeigen, was passieren kann, wenn man nicht auf sich aufpasst.

Du wirst spüren, wie es sich anfühlt, gefangen in der Angst zu leben. Unerschütterlich bewegte sie sich auf der Überholspur, eine Rolle die ihr gefiel und ihr zum Verhängnis wurde. Sie stand an einer Kreuzung und ist einfach nur verkehrt abgebogen. Die Rückfahrkarte hatte sie im Vorfeld nicht gelöst.

Heute lebt Judith Cramer auf einer kleinen Finca auf Mallorca. Sie steht mit den Hühnern auf, verspürt Zufriedenheit, wenn sie ihre Hunde und Katzen um sich hat und hilft nicht nur den Tieren in der Not.

Wenn Du keine Angst hast, dann hast Du noch nicht in den Abgrund geschaut.

Judith Cramer


Das bin ich heute. Eine fast „normale“ Frau, die zu ihren Ängsten steht. Ich bin etwas nachdenklicher geworden, doch das darf ich auch sein, wenn du meine Geschichte gelesen hast. Lange habe ich darüber nachgedacht, ob ich mein Manuskript, das schon eine längere Zeit in meiner Schublade liegt, veröffentlichen sollte. Mein kleines Kind in mir hat sich die Augen gerieben und schüchtern gesagt: JA, DU DARFST.

Die Ängste werden mich wahrscheinlich ein Leben lang begleiten, doch heute habe ich gelernt, damit umzugehen. Sie haben mich noch sensibler gemacht und das ist auch gut so.

Freunde von damals habe ich verloren, denn sie konnten mit meinem Zustand nicht umgehen. Ich gehörte nicht mehr dazu, ein Mensch, der im Adressbuch und aus ihren Gedanken entfernt wurde.

Der Tag, als sich mein Leben veränderte

Ich liege im Bett, um mich herum ist es dunkel und ganz entfernt höre ich Stimmen, die nur flüsternd bei mir ankommen. Mein Körper ist verschwitzt und ich möchte mich von der Überdecke befreien. Meine Haut brennt und ich spüre, wie eine Angst in mir aufsteigt und sich wie eine Manschette um meinen Hals legt. Wo bin ich? Das ist nicht mein Bett und das bin nicht ich, die eine Panik verspürt.

Ich rede mir ein, dass ich nur phantasiert habe. Gleich gehe ich in die Küche, trinke einen Schluck Wasser und alles wird wieder gut. Ein Lächeln huscht über meine Lippen, weil Träume einem einen bösen Streich spielen können. Ich versuche mir Mut zuzusprechen, so wie ich es fast täglich mache. Die letzten Wochen waren anstrengend, ich habe vieles übertrieben, dies wird wahrscheinlich der Grund meiner wirren Gefühle sein.

Mein Herz rast, meine eigenen Worte können mich nicht beruhigen, was ist los mit mir? Augenblicklich wird mir bewusst, dass alles Realität ist. Ich muss meine Arme bewegen, etwas Kickboxen, meine Beine hochheben und das Radfahren simulieren, das wird mich wieder fit machen. Es funktioniert nicht, mein Körper fühlt sich wie ein Betonblock an. Was für ein beschissener Moment!!!

Irgendein Gen muss mir in die Wiege gelegt worden sein, dass ich nur schwer die innerliche Ruhe finde. Ich mag es, zu diskutieren, auch manchmal zu provozieren, bleibe keinem eine Antwort schuldig und frage nach, wenn ich etwas nicht verstehe. Das Leben fühlt sich wie ein Karussell an, das sich fortan dreht. Ich liebe meinen Beruf als Kosmetikerin und bin stolz darauf, dass ich seit einem Jahr einen vollen Terminkalender habe. Sechs Tage die Woche bin ich für meine Kundinnen da, am Sonntag schmeiße ich meinen Haushalt und ich finde immer noch genügend Zeit für die Probleme meiner Freunde.

Man sagt mir nach, ich bin ein Kumpeltyp, immer gerade heraus und man kann sich auf mich verlassen. Bis zu dem schicksalhaften Tag, da brauchte ich Hilfe und erst da musste ich erkennen, dass das Wort „Freundschaft“ jeder anders interpretiert. In dem Moment habe ich begriffen, dass ich meistens nur gegeben, nichts empfangen habe.

Wo ist gerade meine Dynamik geblieben? Ich will raus aus der Lethargie. „Komm, schmeiß Deinen Motor an, ab auf die Überholspur, so wie du es gewohnt bist.“

Ich rolle mich auf die Seite, um aus dem Bett zu steigen, doch meine Muskulatur gehorcht mir nicht. Gestern Abend war doch noch die Welt in Ordnung. Wir sind mit dem Taxi in die Oberhausener Innenstadt gefahren und ich sehe deutlich die lustigen Bilder vor mir, wie wir ausgelassen Spaß hatten. Was ist danach bloß passiert? Ich kann mich nicht erinnern. Filmriss!!!

Am frühen Abend bin ich im Ruhrpott angekommen. Nur 2 ½ Stunden brauchte ich von Hamburg bis vor die Haustür meiner Freundin. Ich liebe es, mit hoher Geschwindigkeit über die Autobahn zu fegen.

Draußen werden die Stimmen lauter und ich höre meinen Namen fallen.

„Judith muss weg von hier, sie gehört in die Klapse. Ich bin selber nicht gesund und sie ist eine Belastung für meine Familie“.

Ich bohre meine Fingernägel in den Oberschenkel, nur um zu fühlen, dass ich nicht träume.

Nein, oh nein, das sind nicht die Worte von meiner Freundin Petra. Was habe ich nur gemacht, dass sie so über mich spricht?

***

Petra und ich kennen uns seit über zwanzig Jahren, und auch wenn wir uns nur selten, bei mir in Hamburg gesehen haben, zerriss nie das Band unserer Freundschaft. Wie oft habe ich ihr sinnbildlich meine Schulter gereicht, wenn sie sich am Telefon ausheulen wollte.

Ich erinnere mich noch daran, wie ihre Mutter die schreckliche Nachricht erhielt, sie habe unheilbaren Krebs. Für Petra brach eine Welt zusammen. Ihr Ehemann schenkte meiner Freundin in dieser schwierigen Zeit, in der Mama ihre Chemotherapie bekam, keinen Trost. In seinen Augen ist sie ihren Pflichten als Ehefrau nicht gerecht geworden. Immer wieder wollte er mit ihr schlafen, doch in ihrer Gefühlswelt war kein Platz für sexuelle Hingabe.

Wie oft habe ich sie am Telefon ermutigt, auf keinen Fall nachzugeben, nur um ihm einen Gefallen zu tun. Doch eines Tages musste sie bitter feststellen, dass er ein Verhältnis mit der Nachbarin eingegangen ist. Zur Scheidung kam er händchenhaltend mit der Neuen in das Gerichtsgebäude. Wie schmerzhaft muss das für Petra gewesen sein und dann erst seine Worte mit einem abfälligen Lächeln: „Bist ja selbst schuld, hättest ja mal etwas mehr für mich tun können.“

Dieser Schuft. Was habe ich mit meiner Freundin gelitten, ihr immer wieder Trost gespendet.

***

Gerade ist mir noch heiß gewesen und nun kriecht eine Kälte in mir hoch. Was haben ihre Worte zu bedeuten? Erinnere dich Judith, was ist passiert.

Ich schließe meine Augen und schlagartig fängt mein Herz an zu rasen, mein Kopf droht zu zerspringen und ich habe das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Bilder tanzen wie kleine Blitze vor meinem inneren Auge. Ich sehe einen Unfallwagen, Ärzte, die mich schweigend anstarren, Hände, von geistig verwirrten Menschen, die nach mir greifen, um mich auf ihre Seite zu ziehen.

Ich zwinge mich ruhig zu werden, um mehr Bilder zurückzuholen, doch es gelingt mir nicht. Augenblicklich fange ich an zu schreien. „Hilfe, Hilfe, ich ersticke.“

Oh, mein Gott, es sind genau die Worte, die eine schlimme Erinnerung in mir hervorrufen.

Ich hatte einen Zusammenbruch!

Nein, das kann nicht sein, ich nicht! Just in dem Moment stürzt Petra in das Zimmer.

„Judith, beruhige dich, alles wird gut“.

Ich kann sie nicht hören. Ihre Worte kommen wie in Watte gepackt bei mir an.

„Bitte hilf mir, ich bekomme keine Luft.“

Ich spüre ihre Hand in meinem Nacken, mein Kopf wird hochgehoben und sie befiehlt mir den Mund zu öffnen. Ich schmecke eine kleine Pastille auf meiner Zunge und fühle ein Glas an meinen Lippen.

„Trink, du musst trinken.“

Das Wasser rinnt mir aus den Mundwinkeln. Ich will sprechen, doch mein Husten hält mich davon ab.

„Judith, gleich wirst du schlafen. Hab keine Angst, alles wird gut.“

Ich werde ruhiger, mein Kopf sackt auf das Kissen zurück. Mir wird schwindelig und die Erschöpfung erlöst mich wie im Zeitlupentempo von meiner psychischen Tortur.

***

Am nächsten Morgen schlage ich meine Augen auf und ein stechender Schmerz im Kopf drückt mich tiefer in das Kopfkissen. Schlagartig fällt mir der gestrige Abend ein.

„Judith ist eine Belastung.“

Ich fühle mich hilflos, wie ein kleines Kind, das sich verlaufen hat.

Ich muss hier raus, ich möchte nach Hause, in meine friedliche Umgebung, da wo die Harmonie mein Leben umgibt. Mühsam quäle ich mich aus dem Bett, meine nackten Füße berühren den kalten Boden und ich schleiche wie eine Katze, geräuschlos, auf leisen Pfoten, in die Küche.

 

Ein Aufschrei lässt mich zusammenzucken.

„Mein Gott, Judith, hast du mich erschreckt. Was machst du hier? Geht es dir besser?“

„Nein, mir geht es beschissen.“

Pause.

Sie starrt mich nur an, fragt nicht weiter und dreht sich langsam wieder um.

„Petra, ich gehe unter die Dusche. Kannst du mir bitte eine Fahrverbindung heraussuchen? Ich möchte früher nach Hamburg zurück“.

Die Spannung zwischen uns könnte dem Gegenstand in ihrer Hand einen Sprung versetzen, und mit den Worten, ohne mich anzuschauen, höre ich sie sagen:

„Das habe ich schon erledigt, um 12.00 Uhr geht dein Zug.“

Augenblicklich wird mir bewusst, dass eine lange Freundschaft in die Brüche gegangen ist.

Ich starre auf das Glas, das ihre Hände hält und ein Bild erscheint vor meinen Augen. Eine Frau liegt auf dem Fußboden, auch sie umklammert solch ein Glas, doch dies zerspringt. Blut, wo ist das Blut? Ich kann es nicht sehen. Meine Psyche droht verrückt zu spielen.

Ich fange an zu zittern und habe Angst vor noch mehr Erinnerungen. Mit einem leisen „Okay“ verlasse ich die Küche und gehe ins Badezimmer. Das warme Wasser gibt mir die ersehnte Wärme auf die Haut zurück, doch sie dringt nicht tief genug in mich hinein.

Ich wickele mich in ein großes Badehandtuch, frottiere meine Haut, bis sich rote Flecken zeigen, doch das Zittern will nicht verschwinden. Im Spiegel betrachte ich mein Gesicht und schrecke zurück. Schwarze Ränder umspielen meine Augen und der Blick ist so leer und traurig. Ich muss hier weg.

Mit nassen Füssen eile ich ins Schlafzimmer, ziehe rasch meine Sachen über, die unordentlich, vom Vortag, über einem Stuhl liegen. Die restliche Kleidung stopfe ich in meinen Koffer und würde am liebsten sofort aufbrechen.

Eine Stunde muss ich hier noch aushalten, dann werde ich sicherlich ruhiger. Ich setze mich geräuschvoll ins Wohnzimmer und beobachte verstohlen meine Freundin, die in der offenen Küche sich beschäftigt.

Wie sehr wünsche ich mir, dass sie sich umdreht und einfach nur etwas Nettes zu mir sagt, doch sie behandelt mich wie ein lebloses Möbelstück.

Warum frage ich nicht direkt, „was ist passiert?“ Das kann doch nicht so schwer sein, doch ich fürchte mich vor der Antwort. Tief in mir spüre ich, dass irgendetwas Schreckliches passiert sein muss, was ich verdrängen möchte.

Ich schicke meiner besten Freundin in Hamburg eine sms, mit der Bitte, dass sie mich am Nachmittag am Hamburger Hauptbahnhof abholt. Unverzüglich erhalte ich eine Antwort und kann mich darauf verlassen, dass sie da sein wird. Ein kleiner Trost in meiner Gefühlswelt, die Achterbahn fährt.

Bahnfahrt von Oberhausen nach Hamburg

Endlich ist es so weit, wir stehen vor dem ICE. Während der ganzen Autofahrt haben wir nicht ein Wort miteinander gesprochen. Ich möchte sie fragen, ob wir noch Freundinnen sind, doch an ihrer Körperhaltung bemerke ich den Widerwillen.

„Judith, ich wünsche dir eine gute Heimreise und melde dich, wenn du angekommen bist.“

„Danke, ich rufe dich an.“

Keine Umarmung, kein Lächeln, nur kurz berührt sie mich am Arm. Ich werde sie nicht anrufen, denn ich weiß, dass sie nicht mehr mit mir sprechen will. Ihre Worte waren nur eine Floskel, ein höfliche Verabschiedung, so wie es die Eltern ihr beigebracht haben.

Im Abteil angekommen, ziehe ich das Zugfenster herunter und schaue meiner Freundin nach. Da geht sie, entfernt sich immer mehr von mir. Ich möchte meine Hand heben, ihr ein letztes Mal zuwinken, Lebewohl sagen, doch sie dreht sich nicht mehr um. Ihre Gestalt wird immer kleiner und dann verschwindet der Schatten im Nichts. Tränen laufen mir über meine Wangen, weil der Platz in meinem Herzen, der von ihr belegt ist, so schmerzt.

Erst jetzt bemerke ich, dass ich nicht allein bin. Das Abteil ist voll mit Menschen und die Nähe dieser Personen jagt mir Angst ein. Warum grinst mich der dicke feiste Typ mit seinen Schweinsaugen so an? Und da, der kleine Junge ganz rechts in der Reihe. Sein Finger zeigt auf mich und leise flüstert er seiner Mutter etwas ins Ohr. Bilde ich es mir nur ein, oder lesen die Menschen an meinen Augen ab, dass etwas mit mir nicht stimmt? Schnell hole ich meine Sonnenbrille aus der Handtasche, um mich dahinter zu verstecken. Ich setze mich auf den freien Platz am Fenster und beobachte verstohlen die Mitfahrer, die scheinbar alle glücklich sind. Ich muss mich beruhigen und drehe meinen Kopf von ihnen fort. Wie schnell die Landschaft doch an mir vorbeizieht. Keinen Baum, kein Haus, keine Wolke kann ich mit meinen Augen festhalten. Alles scheint sich zu verflüchtigen, im Nebel einzutauchen, wie mein bisheriges Leben.

Lieber Gott, wenn ich dir jetzt verspreche, nie wieder einen Wutausbruch zu bekommen, mich auch nicht mehr über ein unberechtigtes Knöllchen aufrege, keinen Polizisten mehr als Blödmann tituliere, bekomme ich dann mein gewohntes Leben zurück? Bitte, ich werde mich bessern, ich verspreche es dir.

Vielleicht ist es ja nur ein böser Traum und gleich erscheint Petra in meinem Abteil und alles um mich herum fängt an zu lachen?

Nein, keiner ist lustig, ich bin allein und schutzlos und wünsche mir nur noch daheim zu sein. Ich möchte die Tür hinter mir schließen, die Decke über meinen Kopf ziehen und alles ungeschehen machen. Morgen ist ein neuer Tag, alles wird gut, denn nichts ist wirklich passiert, denn ich kann mich nicht erinnern.

Zurück in Hamburg

Endlich kommt der Zug in Hamburg an. Die Türen öffnen sich automatisch und verunsichert steige ich aus. Mit meinem Koffer stehe ich wie ein verloren gegangenes Kind auf dem Bahnsteig. Meine Augen suchen Anne in der Menge. Anne, meine beste Freundin, wird mich mit Sicherheit schnell auf andere Gedanken bringen.

Kennengelernt haben wir uns beim Golfen. Was habe ich mich schwergetan, diese Trainingsstunden auszuüben, doch mein Lebenspartner hat eine so große Leidenschaft für diesen Sport entwickelt, und um ihn überhaupt einmal zu Gesicht zu bekommen, schlug ich mich mit den Schlägern tapfer durch das Gras.

Anne und ich haben uns auf dem Platz oft unmöglich verhalten, wie zwei gackernde Hühner. Über peinliche Schläge unserer Flightpartner oder über unser eigenes „Gehacke“ konnten wir uns ausschütten vor Lachen und dann die Verwarnungen, wenn wir uns nicht augenblicklich ruhig verhielten, da drohte uns hin und wieder eine Platzsperre.

Unsere 17 Jahre Altersunterschied fallen mir nicht auf, optisch gesehen schon, doch für ihre 26 ist sie verdammt reif. Über acht Jahre sind wir nunmehr befreundet und es schmeichelt mir, dass ich ihr Vorbild bin. Bekannte um mich herum haben mich des Öfteren gewarnt, dass sie anstrebt, mein Ebenbild sein zu wollen, doch diese Worte dringen nicht bei mir durch, sie ist meine Freundin, über die ich nichts kommen lasse.

Wo ist sie nur, ich fange an unruhig zu werden und da, unsere Blicke treffen sich. Mit schnellen Schritten kommt sie auf mich zugeeilt.

„Hallo Judith, oh mein Gott, wie siehst du denn aus? Geht es dir nicht gut?“

„Das erzähle ich dir später. Bitte, ich möchte auf dem schnellsten Weg nach Hause.“

Sie schnappt sich meinen Koffer und endlich sind wir raus aus der Menschenmenge, die mir die Luft zum Atmen nimmt.

Schweigend legen wir den Heimweg zurück, doch kaum in meiner Wohnung angekommen, stürzen ihre Fragen auf mich ein.

„Jetzt komm, was ist los mit dir? So kenne ich dich gar nicht. Hast du dich mit Petra gestritten? Du siehst so schrecklich aus, dass ich mir Sorgen mache.“

„Anne, ich weiß nicht was mit mir los ist, doch ich glaube, ich hatte einen Zusammenbruch.“

„Was redest du da, Zusammenbruch? Warum denn nur, was ist passiert?“

„Das kann ich dir nicht sagen. Meine Erinnerungen sind wie ausgelöscht.“

Nachdenklich schaut sie mich an und ich spüre, sie sucht nach den richtigen Worten.

„Judith, das wird schon wieder, hab Geduld. Verzeih, doch ich habe nicht viel Zeit. Du gehst jetzt sofort ins Bett und morgen telefonieren wir miteinander. Du wirst sehen, dann geht es dir wieder richtig gut und ich kann mit meiner starken Freundin nur noch darüber lachen.“

„Anne, kannst Du nicht über Nacht bei mir bleiben, nur diese eine Nacht? Bitte.“

„Es tut mir Leid, doch das geht nicht. Ich bin noch mit Stefan verabredet und außerdem bin ich der Meinung, es ist besser für dich, jetzt allein zu sein. Du musst zur Ruhe kommen. Lass dir ein duftendes Bad ein, das wird dich entspannen.“

Warum sagt sie das? Was denkt sie von mir? Darf ich nicht auch einmal schwach sein? Sie ist doch meine Freundin, warum versteht sie mich nicht, dass ich einfach nur eine Schulter zum Anlehnen brauche?

Ein Blick auf ihre Armbanduhr und ich kann sie nicht mehr aufhalten. Keine Worte kommen über meine Lippen, denn ich schäme mich, nochmals eine Abweisung zu bekommen. Mit einer kurzen Umarmung verlässt sie meine Wohnung.

Lautlos schließe ich die Tür, drehe den Schlüssel zweimal um und lasse die Außenwelt hinter mir. Wie hypnotisiert bleibe ich in der Diele stehen.

Allein Zuhause

Zwei Tage liegen zurück, da war noch so viel Leben in diesen Räumen und nunmehr herrscht eine Stille, wie auf einem Friedhof. Ich könnte eine Stecknadel fallen lassen und den Aufprall hören. Wieso ist Bernd nicht hier? Mein Schatz, der sichere Anker in meinem Leben, er fehlt mir in diesem Moment so sehr.

Warum musste er ausgerechnet an diesem Wochenende auf einer Golfreise sein? Ich konnte mich in all den Jahren immer auf ihn verlassen. Seine starken Arme würden mich jetzt beschützen, seine tröstenden Worte beruhigen und seine Hand zärtlich über meinen Kopf streichen.

Ich versuche mich zu erinnern, heute ist Sonntag und erst am Dienstagmorgen wird er zurück sein. Wie stehe ich das nur durch?

Es ist nicht fair von Anne gewesen, dass sie meine Bitte abgeschlagen hat. Immer bin ich für sie da. Wie oft habe ich ihretwegen schon eigene Termine verschoben. Seit Jahren unserer Freundschaft habe ich ein offenes Ohr für ihre großen und kleinen Probleme innerhalb ihrer letzten Beziehungen gehabt. Sogar bei ihrem neuen Freund, dem Stefan, fängt es schon wieder an zu kriseln.

Anne ist zu eifersüchtig, besitzergreifend und versucht die Männer zu verbiegen. Vorsichtig habe ich ihr immer wieder versucht zu erklären, dass sie das nicht macht darf. Vergebens, meine Worte fanden kein Gehör.

Langsam bewege ich mich in Richtung Küche. Meine Absätze auf den Fliesen verursachen Laute, die für mich die erschreckende Trostlosigkeit und Leere noch unterstreichen. Ein angebissenes Brot, eine halb ausgetrunkene Tasse Kaffee auf dem Tisch ziehen meinen Blick an und ich fühle mich zwei Tage zurückversetzt. Laute Musik schwingt durch die Räume, Vorfreude auf Oberhausen, lange Beine, die von Raum zu Raum stürmen, Hände, so flink und gezielt, die ein paar Sachen aus den Schränken ziehen.

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