Tango der Lust

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Tango der Lust
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Sira Rabe

Tango der Lust

erotische Kurzgeschichten


www.Elysion-Books.com

Sira Rabe

Von Sira Rabe sind bisher die Romane »Dienerin zweier Herren«,

»Viola – Das Tagebuch der Sklavin« und »Gefangen« erschienen.

Aber auch als Novellenschreiberin hat sie sich einen Namen gemacht,

z.B. mit »Gezähmt« und »Tango der Lust« sowie in der Sammlung »Shades of blue and darker«.

2013 erschien bei Ullstein ein »Best of« ihrer schönsten Kurzgeschichten unter dem Titel »Ich will es hart«.

Bei Elysion-Books finden sich ihre Kurzgeschichten in »Nuancen der Lust«, »Alles Liebe – zum Fest der Hiebe« und »Kling Glöckchen«.

Aktuelle Infos unter: www.sira-rabe.de


WWW.Elysion-Books.com

ELYSION-BOOKS TASCHENBUCH

1. Auflage: August 2016

VOLLSTÄNDIGE TASCHENBUCHAUSGABE

überarbeitete Neuauflage

© 2016 BY ELYSION BOOKS, LEIPZIG

ALL RIGHTS RESERVED

ORIGINALAUSGABE U-Line UG 2011

UMSCHLAGGESTALTUNG: © Ulrike Kleinert

www.dreamaddiction.de FOTOS: © Fotolia/seelenit LAYOUT & WERKSATZ: Hanspeter Ludwig www.imaginary-world.de ISBN Buch: 978-3-96000-054-9 ebook: 978-3-96000-055-6 Mehr himmlisch heißen Lesespaß finden Sie auf: www.Elysion-Books.com

Inhalt

Callgirl

Ein neuer Auftrag, ein neues Wagnis, ein neuer Mann.

Jessica kam es vor, als nähme ihr Pulsschlag zu, je mehr sie sich der Adresse näherte, die Martha ihr vor einer Stunde gegeben hatte. Sie würde sich wohl nie daran gewöhnen und es als selbstverständlich empfinden, Termine mit ihr fremden Männern wahrzunehmen.

Der Aufzug zum vierten Stock des exklusiven Appartementhauses surrte leise und Jessica starrte auf die wechselnde Etagenanzeige, als könne sie diese hypnotisieren und dadurch verhindern, dass sie jemals ihr Ziel erreichten. Sie musste den Verstand verloren haben, dass sie zugesagt hatte. Dabei sagte sie sich das jedes Mal, seit sie mit diesem Nebenjob angefangen hatte, und fügte im zweiten Schritt hinzu, dass es ja nur wegen des Geldes war, welches man so schnell und mit so wenig Zeitaufwand in keinem anderen Job verdienen konnte.

Jessica traute sich nicht, ihren Eltern zu sagen, dass das Geld, das sie ihr monatlich für das Zimmer im Studentenwohnheim und alles andere gaben, hinten und vorne nicht reichte. Ihnen wäre es viel lieber gewesen, wenn sie sich für eine Ausbildung oder ein kürzeres Studium entschieden hätte, und bald Geld verdiente. Andererseits waren sie aber auf ihre angehende Frau Doktor auch ein bisschen stolz und das wollte Jessica ihnen nicht verderben, indem sie über Geldsorgen klagte.

Noch vor einem Jahr hätte sie jeden, der es gewagt hätte, ihr eine Karriere als Callgirl vorauszusagen, zutiefst beleidigt einen Idioten genannt und möglicherweise nie wieder ein Wort mit ihm gewechselt. Doch es war alles ganz anders gekommen.

Wie immer hatte Martha ihr ein paar Informationen über den Kunden gegeben. Martha gehörte diese sogenannte Hostessenagentur. Geschäftsleute oder VIPs wünschten sich eine elegante Begleiterin für ein Geschäftsessen, für die Oper oder ein anderes gesellschaftliches Ereignis und buchten selbige bevorzugt bei Martha.

Jessica hatte es Karin, einer ihrer Mitbewohnerinnen aus dem Studentenwohnheim zu verdanken, dass sie für Martha arbeiten durfte. Denn die Anforderungen, die an die jungen Damen gestellt wurden, waren hoch. Gutes Aussehen alleine genügte nicht. Gute Allgemeinbildung, bevorzugt Studentinnen, Etikette und sicheres Auftreten in jeglicher Umgebung, Beredsamkeit ohne eine Quasselstrippe zu sein. Sowie das gewisse Extra, auf den jeweiligen Mann und die Situation einzugehen. Jessica hatte den Einstellungstest sofort bestanden. Martha bemängelte lediglich, sie wäre ein wenig zu schüchtern. Aber das würde sich im Laufe der Zeit schon noch legen.

Die Hälfte der Aufträge war tatsächlich ein reiner Hostessenjob als Abendbegleitung. Aber die andere Hälfte war mehr, viel mehr, und das hatte Karin ihr wohlweislich verschwiegen, sondern Martha die Aufklärung überlassen.

Jessica war schockiert. Sie sollte mit den Männern auch ins Bett gehen, wenn diese es wünschten? Martha machte ihr das Ganze schmackhaft. Zu allen Zeiten hätte es Mätressen gegeben und nichts anderes wären ihre Mädchen, moderne Mätressen. Sie versprach ihr, dass Jessica es nur mit gut situierten Männern zu tun haben würde. Denn auch an Marthas Stammkunden, die bei ihr ein Callgirl für erotische Stunden buchten, wurden gewisse Anforderungen gestellt, um den jungen Damen ein bestimmtes Maß an Sicherheit zu garantieren.

Martha wusste immer, wo sich ihre Mädchen gerade aufhielten und schickte einen Sicherheitsmann vorbei, wenn sie sich nicht innerhalb des vereinbarten Zeitraums meldeten. Ihre Kunden bezahlten im Voraus, per Kreditkarte, und gaben genaue Wünsche an, damit Martha ihnen das passende Callgirl zuordnen konnte. Viele ihrer Mädchen gewannen so einen festen Kundenstamm, was die Arbeitsbedingungen durchaus angenehm machen konnte.

Es fiel Jessica nicht leicht, ihre moralischen Vorstellungen und ihre Angst zu überwinden, aber sie brauchte das Geld dringend. Die überschaubaren Arbeitszeiten im Verhältnis zum Lohn waren ein unschlagbares Argument gegenüber anderen, anstrengenderen Jobs als Kellnerin oder Verkäuferin. So blieb ihr genügend Zeit für ihr Studium.

Jessicas erster war einer von Marthas Stammkunden. Er wusste, dass sie ein Neuling war und er führte sie gerne wie eine Jungfrau in die Gepflogenheiten ein. Schnell lernte sie, dass es hilfreich war, sich vor dem Treffen selbst die Nippel zu reizen und die Vagina mit Gleitgel vorzubereiten. Meistens hatte sie Glück. Die Kunden waren nett und stellten keine besonderen Ansprüche. Manchmal wollten sie ein wenig reden und ein paar Zärtlichkeiten. Trotzdem widersprach dies Jessicas Moralvorstellungen, ihrer Erziehung und sie lebte in ständiger Angst, ihre Eltern oder ihr Freundeskreis könnten davon erfahren.

Als Martha an diesem Abend bei Jessica anrief, war eigentlich kein Termin vorgesehen. Jessica brütete gerade über einem Fachartikel mit neuesten Erkenntnissen zur Entschlüsselung der DNA, als das Telefon klingelte.

»Hi Jess, hast du Zeit? Ich habe eine Anfrage von einem Stammkunden vorliegen, aber niemand ist frei. Jedes der Mädchen, die ich ihm sonst vermittle, ist schon anderweitig gebucht oder krank oder schlichtweg nicht zu erreichen. Es ist wie verhext.« Martha klang ein wenig missmutig.

»Hm«, machte Jessica unschlüssig. Es passte ihr an diesem Wochenende eigentlich gar nicht. Sie musste unbedingt lernen. Die anstehenden Prüfungen lagen ihr jetzt schon im Magen. Allerdings zahlte Martha gut. Vermutlich kassierte sie bei den Männern entsprechend ab. Dafür waren ihre Mädchen aber auch keine Huren vom Straßenstrich.

Jessica hatte zu Anfang ziemlich daran geknabbert, ob sie nun eine Hure war. Nicht, dass sie die Frauen verachtete, die diesem Gewerbe nachgingen. Im Gegenteil, sie hegte eine gewisse Bewunderung dafür, denn einfach war es gewiss nicht, sich mehrmals täglich irgendeinem fremden und vielleicht nicht unbedingt sympathischen Kerl hinzugeben. Da hatte sie es bestimmt ein wenig leichter. Trotzdem konnte sie es mit sich und ihrem Gewissen fast nicht vereinbaren, was sie tat und sie redete sich ein, sie würde sofort damit aufhören, sobald sie es sich finanziell leisten konnte.

»Ich würde ihm sehr ungern sagen, dass keine meiner jungen Damen heute Zeit für ihn hat. Ich zahle dir auch einen Extra-Bonus«, versuchte Martha ihr Angebot schmackhaft zu machen.

Jessica seufzte. »Ach Martha, es ist ja nicht so, dass ich etwas vorhätte und das Geld kann ich auch brauchen, aber ich muss an diesem Wochenende soviel lernen.«

»Ich weiß, du bist ein fleißiges Mädchen, Jess.«

Martha wusste über alle ihre Callgirls genau Bescheid, kannte jede Lebens- und Leidensgeschichte. In den meisten Fällen waren Schulden oder andere Geldnöte der Hintergrund der Zusammenarbeit, weil die jungen Frauen, die für Martha arbeiteten, alleinerziehende Mütter oder mittellose Studentinnen waren. Sie war für jede von ihnen so etwas wie eine Ersatzmama, immer offen für ein Gespräch. So konnte man ihr nichts abschlagen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben.

»Aber morgen kannst du auch noch lernen. Du schaffst das schon. Jess bitte, du bist meine letzte Rettung. Du wirst es nicht bereuen. Er ist wirklich nett.«

Es war schwer, Martha eine Absage zu erteilen. Ihre Stimme verfügte über so eine gewisse unterschwellige Dominanz, der man sich kaum zu entziehen traute. Schließlich wollte man sie nicht verärgern.

Jessica beschloss, sich wenigstens mal anzuhören, wie der Auftrag im Detail aussah. »Erzähl mir was über ihn. Was ist es denn für ein Typ?«

»Sehr gut situiert, immer charmant, ein sehr kluger Kopf, aber nicht überheblich. Eigentlich reißen sich die Mädels, die schon mal dort waren, um ihn.« Martha legte eine Kunstpause ein, um ihre Worte wirken zu lassen.

»Nun ja …, also wenn es nicht die ganze Nacht dauert.«

 

»Prima. Ich will dir allerdings nicht verschweigen, dass er etwas mag, was du noch nie gemacht hast. Er bezahlt dafür aber auch mehr.«

Jessica runzelte die Stirn. Was wollte er, was sie noch nie probiert hatte? »Aha, und weiter?«

»Er steht auf spezielle Sexspiele. Auf Fesseln, Peitschen und …«

»Was? Martha, ich bitte dich! Du kannst mich doch nicht zu einem Kerl schicken, der auf Sadomaso steht! Das ist überhaupt nicht mein Ding!« Jessica war empört. Wie konnte Martha ihr so etwas anbieten?

»Das macht doch nichts, Schätzchen. Ihn stört das nicht, dass du ein Frischling bist, dann sollte es dich auch nicht stören. Er findet es bestimmt interessant und spannend, dich in diese Praktiken einzuweisen.«

»Nein, so perverse Sachen mache ich nicht.« Eigentlich hatte sie nur eine vage Vorstellung von SM, aber das genügte ihr völlig. Noch mehr Abenteuer, als sie bisher erlebt hatte, brauchte sie weiß Gott nicht.

»Das ist nicht pervers, Jess. Das ist nur anders. Es ist ein Spiel, ein Spiel mit der Erotik.«

Jessica atmete tief ein und aus. »Und du würdest es ihm vorher sagen, dass ich davon keine Ahnung habe?«

»Aber natürlich, Jess! Ich kann dich doch nicht als Profi anpreisen. Er würde das sofort merken und sich hintergangen fühlen.«

»Ich weiß nicht … Nein Martha, das ist so …«

Jessica fehlten die Worte. Sie wusste nur ein wenig aus Karins Erzählungen, die damit ganz offen umging, was Männer bei SM-Spielen mitunter verlangten. Zu ihrem eigenen Entsetzen hatte sich in ihrem Unterleib beim Zuhören ein lüsternes Ziehen eingestellt und so hatte sie Karin schließlich gesagt, sie wolle davon nichts mehr hören. War es nur der Reiz des Voyeurismus gewesen, dass sie die Vorstellung erregt hatte, sie könnte die Unterworfene sein, oder war es viel mehr? Nie hatte sie einen ernsthaften Gedanken daran verschwendet, es mal ausprobieren zu wollen. Sie war dafür viel zu ängstlich. Doch nun – sie hätte die Gelegenheit herauszufinden, wie es sich anfühlte. Einmal nur. Sie bräuchte es dann ja nie wieder zu machen. Ihr Herz klopfte empört über diese waghalsige Idee. Genau so gut kannst du über einen Gebirgsgrat wandern, obwohl du Höhenangst hast, protestierte ihr Gewissen.

»Nun, hättest du nicht Lust, mal SM auszuprobieren?« Martha war ganz schön hartnäckig und einfühlsam. »Komm schon, Jess, vielleicht macht es dir Spaß. Solange du es nicht versucht hast, kannst du es doch nicht wirklich wissen.«

Am liebsten hätte Jessica laut aufgelacht. Wie bitte? Sie und Spaß bei SM? Knebel, Peitschen und Klammern? Sie würde vermutlich vor Angst sterben und überhaupt alles falsch machen. Ein nervöses Kribbeln setzte auf ihren Armen ein, als würde sie von kleinen Fliegen gekitzelt.

»Martha, ehrlich, das ist nix für mich.« Sie fror beim Gedanken, sich den Hintern versohlen zu lassen.

»Ich wüsste nicht, wer sonst mutig genug sein könnte. Wie schon gesagt, es ist keines der Mädchen frei, die auf SM spezialisiert sind. Und Jess, komm schon – du erhältst auch einen dicken Extra-Bonus. Es wäre doch schade, wenn ich absagen müsste. Komm, gib dir einen Ruck.«

Jetzt appelliert sie wieder an mein schlechtes Gewissen, falls ich nein sage, dachte Jessica resignierend. Ihr Herz klopfte so heftig, als wolle es ihren Brustkorb sprengen. Gleichzeitig fühlte sie sich kurz vor einer Ohnmacht. Ich bin alles andere als mutig. Andererseits – warum sollte ich nicht wenigstens einmal über meinen eigenen Schatten springen.

Als sie antwortete, kam es ihr dennoch so vor, als spräche nicht sie selbst, sondern eine andere Person, die als Symbiont in ihr steckte. »Also gut. Aber wenn es mir nicht gefällt, mache ich das nie, nie wieder!«

»In Ordnung.«

Das Haus war so exklusiv, dass auf den Klingelschildern und an den Wohnungstüren keine Namen zu lesen waren, sondern vierstellige Zahlkombinationen. Wie der Postbote hier wohl die Briefe zustellte oder ob alle Bewohner über ein Postfach verfügten?

Jessica klingelte am Appartement 32. Sie wartete darauf, Schritte zu hören, aber von drinnen klang kein Laut zu ihr. Dann öffnete sich die Tür.

»Guten Abend. Ich bin Jessica«, sagte sie höflich.

In ihrem eigenen Interesse hatte sie trainiert, ihr Gegenüber schnell von oben bis unten zu taxieren, ohne dass es zu neugierig wirkte. Immerhin wollte sie wissen, mit wem sie es zu tun hatte. Ihre Menschenkenntnis wuchs an der Kombination von Optik und Erfahrung wie eine regelmäßig gefüllte Datenbank. Noch irrte sie sich zwar manchmal in ihrer Einschätzung, aber mit jedem Mal nahm ihre Trefferquote zu.

Der Mann war groß und attraktiv, ganz in schwarz gekleidet. Er trug ein seidenmatt glänzendes Hemd, dessen Ärmel mit silbernen Manschettenknöpfen geschlossen waren, um den Hals ein silbernes Schaltuch, dazu eine eng sitzende Lederhose und modische, saubere Schuhe.

Eitel und sehr selbstbewusst, vielleicht ein wenig zu arrogant, kombinierte Jessica. Sein wacher Blick lässt auf Intelligenz schließen, aber auch auf Dominanz. Wahrscheinlich ist er nicht leicht zufrieden zu stellen. Ich werde auf der Hut sein müssen, alles richtig zu machen, damit Martha es nicht bereut, mich ausgewählt zu haben.

Ihr Gastgeber musterte Jessica seinerseits aufmerksam und vollkommen ungeniert. Sie kam sich vor, als stünde sie nackt vor ihm, nicht körperlich nackt, sondern innerlich. Schließlich nickte er mit einem zufriedenen Lächeln und reichte ihr die Hand.

»Guten Abend, komm doch rein, Jessica.«

Sie ging an ihm vorbei, er nahm ihr ihren Mantel ab und bat sie dann mit einer Handbewegung ins Wohnzimmer. Ein schneller Rundumblick bestätigte Marthas Informationen, dass dieser Mann äußerst wohlhabend sein musste. Möbel, Bilder und Accessoires waren exklusiv, aber alles in allem geschmackvoll kombiniert. Dass die Ausstattung nicht protzig wirkte, macht ihren Besitzer sympathisch.

Erwartungsvoll sah Jessica zu ihm auf. Er allein würde das Spiel bestimmen und ihr sagen, was sie zu tun hatte. Unter seinem durchdringenden Blick wurde ihr wieder ein wenig mulmig zumute.

»SM kann man nicht für Geld machen«, sagte er mit sonorer Stimme, ruhig und bestimmt. »SM muss man wirklich wollen, muss man aus Überzeugung leben.«

Warum bin ich dann hier?, fragte sich Jessica, wenn Martha mit offenen Karten gespielt und ihn über ihre Unerfahrenheit in diesen speziellen Dingen informiert hatte. Sie machte eine Kopfbewegung zur Tür.

»Soll ich wieder gehen?«

Kleine Grübchen bildeten sich auf seinen Wangen, als er lächelte. »Nein, dann hätte ich dich nicht kommen lassen. Ich weiß, dass du Neuland betrittst.« Er deutete auf die dunkelgrüne Ledercouch. »Bitte, setz dich Jessica. Was möchtest du trinken? Ein Glas Wein zur Entspannung? Oder lieber Saft, Wasser?«

»Ein Glas Wein bitte.«

Ihre Nervosität war einem anderen unerklärlichen Gefühl gewichen. Vielleicht würde sie der Alkohol ein wenig ablenken.

Dieser Mann war anders als die Männer, von denen sie bisher gebucht worden war. Er strahlte eine Souveränität aus, eine natürliche Dominanz, die nicht unangenehm war, nicht arrogant, nur – ein wenig einschüchternd. Sie wusste nicht recht, was er vorhatte, was er von ihr erwartete, wie sie sich verhalten sollte. Martha hatte ihr als letzten Rat mitgegeben, sie solle einfach abwarten. Aber was bedeutete das? Warten worauf? Dass er sie fesselte und auspeitschte? Ihr wurde bei dem Gedanken daran ganz schwindlig. Martha war nicht bereit gewesen, ihr Details zu verraten.

Verstohlen wischte sie ihre feuchten Handflächen an ihrem Rock ab.

»Nervös?«, fragte er ein wenig spöttisch, als er ihr das Glas reichte.

Allzu gerne hätte sie ihm entgegen geworfen, nein, wie kommen Sie denn darauf? Aber der Blick aus seinen dunkelbraunen Augen genügte, ihre Lippen zu versiegeln.

Mit einem Glas Rotwein in der Hand setzte er sich ihr gegenüber, hob es ihr zuprostend empor und trank.

Wenn sie es genau bedachte, wirkte er jetzt, wo er Platz genommen hatte, viel weniger bedrohlich. Eher wie ein gesättigtes Raubtier, das besänftigt, aber nicht zu unterschätzen ist. Nur bei leichtsinnigem Handeln ging davon Gefahr aus. Welche Gefahr?

Jessica fluchte innerlich. Hunderte Gedanken schossen ihr durch den Kopf, sie konnte nicht klar denken, ihr Puls wechselte ständig die Geschwindigkeit, und ihr Körper mochte sich auch nicht zwischen aufsteigender Angst und kribbelnder Lust entscheiden. Lust in der Erwartung von was?

Auf einmal stand er auf, stellte sein Glas weg, trat ganz nah vor sie und hob mit den Fingern seiner rechten Hand ihr Kinn an.

»Du bist außergewöhnlich.«

Das sagte er bestimmt zu jeder.

»Du solltest das glauben, wenn ich es sage.« Es klang tatsächlich wie ein Tadel, als hätte er ihre Gedanken erkannt. Das lag bestimmt daran, dass er darin geübt war, sich als strenger Dom zu präsentieren.

»Wenn du mir widersprechen möchtest, dann sag es lieber laut!« Sein Spott klang nun beißender und wie eine Provokation. »Du sollst nicht denken, dass für mich eine Sklavin wie die andere ist, nur weil ich dafür bezahle.«

Das Wort Sklavin jagte ihr einen Schauer über den Rücken und sie fühlte, wie es in ihrem Schoß warm und feucht wurde. Es war noch nicht oft vorgekommen, dass sie ohne zärtliche Berührung erregt worden war. Aber wenn es passierte, dann war sie gleichermaßen fasziniert wie erschrocken, dass so etwas überhaupt möglich war.

Der Griff um ihr Kinn wurde fester. »Erste Lektion. Kein Widerspruch, nicht einmal gedacht. Versuche nicht mich zu hintergehen. Zweite Lektion. Wenn doch Widerspruch, dann nimm mit Freude dafür eine Züchtigung entgegen und bedanke dich anschließend dafür.«

Jessica war sprachlos vor Staunen. Sie ertrank in dem Blick seiner Augen. Ihr gefiel sein Gesicht, die rasierte, leicht sonnengebräunte Haut, der Schwung seiner schwarzen Augenbrauen, die schlanke Nase. Alles an ihm erschien ihr männlich herb und überaus perfekt. Wie alt er wohl sein mochte? Mitte dreißig, oder doch schon vierzig? Ihn zeichnete die Alterslosigkeit einer griechischen Statue aus und sie wagte kaum noch zu atmen.

Endlich gab er ihr Kinn frei, nahm wieder sein Glas in die Hand, setzte sich auf seinen Platz zurück und nippte. Dabei sah er sie unverwandt an und sie schlug verlegen die Lider nieder. Was erwartete er von ihr? Sein Blick versetzte ihren Körper in Schwingungen, die sie bei Treffen mit ihren Kunden nur selten empfand. Überaus angenehme, sinnliche Schwingungen, die ihr Verlangen nach Berührung schürten. Sie hielt es nicht länger aus, ihm in die Augen zu sehen, aber sie fühlte auch so, dass er sie weiterhin ansah.

Jessica hatte keine Ahnung, was sie sagen oder tun sollte. Dies war eine Situation, auf die sie völlig unvorbereitet war. Sie traute sich nicht, nach ihrem Glas zu greifen, das sie auf dem Tisch abgestellt hatte, weil sie befürchtete, ihre Hand würde unter seiner Beobachtung zittern.

»Möchtest du lieber gehen?«, brach er auf einmal die Stille. »Wegen des Geldes musst du dir keine Sorgen machen. Ich werde trotzdem den vollen Betrag bezahlen.«

Jessica räusperte sich. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. »Warum?«, presste sie verwirrt heraus, zu mehr nicht in der Verfassung. Sie fühlte sich in ihrer Ängstlichkeit ertappt und kam sich wie ein unwissender Teenager vor. Wobei – sie war ja auch unwissend. Das kam nun davon, dass sie nie gewollt hatte, dass Karin ihr mehr darüber erzählte.

»Wie ich schon sagte. SM lebt man. SM kauft man sich nicht. Wenn du also lieber gehen möchtest …«

Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen. »Ich habe keine Ahnung, was Sie von mir erwarten. Sie müssen – Martha hat Ihnen doch gesagt, dass …«

Seine abwehrende Handbewegung ließ sie verstummen. Diese einfache Geste, sie war eindeutig, herrisch, und sie wagte es nicht, sich dagegen aufzulehnen. Jessica schluckte. Sie hatte auf einmal das Gefühl laut aufstöhnen zu müssen. Was machte dieser Mann mit ihr? Seine Gegenwart erdrückte sie. Ihr fiel plötzlich ein, dass sie immer noch nicht wusste, wie er überhaupt hieß. Martha hatte es ihr nicht sagen wollen. Sie fühlte ein geradezu schmerzliches Bedürfnis, unterwürfig vor ihm niederzuknien und bettelnd zu ihm aufzuschauen. Spinnst du?, rief sie sich zur Ordnung. Wer hat dir denn ins Hirn geschissen?

»Martha hat keinen Hehl daraus gemacht, dass du nicht weißt, ob dir das Spiel aus Dominanz und Unterwerfung gefallen könnte. Es bestand immerhin eine gewisse Chance, es zu versuchen. Schau mich an.«

Jessica gehorchte. Seine Miene war ernst und sie wagte kaum zu atmen. Jetzt wurde er der Rolle eines Herrn gewiss gerecht, wie er mit übereinander geschlagenen Beinen auf der Ledercouch saß, stolz und unnahbar, das Glas kaum mit den Fingern berührte und nun an seine Lippen führte.

 

Diese Lippen. Es war viel leichter, auf diese schön geschwungenen Lippen zu schauen, wie sie die Worte formten, die seinem Mund mit einem angenehm sonoren Klang entwichen, als seinem Blick stand zu halten.

»Schau mich an, Jessica.«

Diesmal war es nur ein Flüstern, als hätte er es nicht ausgesprochen, sondern als wäre das nur der erinnerte Widerhall in ihrem Kopf. Ein Kribbeln jagte ihr von den Haarspitzen beginnend den Rücken hinunter und endete mit einem heftigen Pulsieren ihrer Schamlippen. Sie gehorchte und hob den Kopf.

»Möchtest du gehen oder bleiben?«

Ja und Nein. Wieso wusste sie nicht klipp und klar die Antwort darauf? Wieso hatte sie das Gefühl, unter diesem strengen Gesichtsausdruck im Boden versinken zu müssen? Als sauge er sämtliche Energie aus ihr. Zugleich entfachte er eine Glut, die geradezu unheimlich war, die ihren gesamten Körper erfasste, in ihrem Schoß sich zu einem rasanten Feuer ausbreitete. Es war unmöglich nachzudenken, einen klaren Gedanken zu fassen, eine rationale Entscheidung zu finden. Eigentlich war es überflüssig darüber nachzudenken. Sie war hier, also musste sie das jetzt durchziehen. Ein Rückzug würde ewig an ihrem Selbstbewusstsein nagen und auch Martha wäre von ihr enttäuscht.

»Ich möchte bleiben«, hauchte Jessica kraftlos. »Bitte sagen Sie mir, was ich zu tun habe, Herr.« Wie leicht es ihr von den Lippen kam. Herr. Noch nie hatte sie das zu jemandem gesagt, aber nichts anderes passte zu ihm. Ihre Knie begannen zu zittern und sie presste sie fest gegeneinander.

Ein frisches Lächeln formte seine Lippen und Jessicas Anspannung ließ ein wenig nach.

»Schön. Du bist also bereit, deine Entscheidungsfreiheit an mich abzugeben, mir zu dienen und zu gehorchen?«

Nicht nachdenken, tu es einfach und sag ja. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt über Vernunft oder Unvernunft, über meine Ängste und Zweifel zu grübeln. Zaghaft nickte sie.

»Gut. Du wirst tun, was ich dir sage und nur sprechen, wenn ich dich dazu auffordere. Verstanden?«

Jessica schluckte. Nun gab es kein Zurück mehr. Sie war dabei Neuland zu betreten und die Angst, die ihren Nacken empor kroch, hatte zu ihrer Verblüffung auch wieder etwas Erregendes. »Ja – Herr.«

Mit einer Kopfbewegung lenkte er Jessicas Aufmerksamkeit auf seine Stereoanlage.

»Such dir eine Musik aus und dann mach mich mit einem Striptease heiß.«

Sein Wunsch war nichts Ungewöhnliches. Karin und sie hatten zusammen geübt. Bewegung, Rhythmus, aber auch Blickkontakt und sie hatte schon unzählige Male gestript, weil das vielen Männern gefiel und die Atmosphäre entspannte, wenn man sich fremd war. War ihr der Mann sympathisch, versetzte sie der Striptease in eine sanft pulsierende Erregung und es fiel ihr anschließend leichter, weiter zu machen.

Ein wenig erleichtert über diesen einfachen Wunsch stand Jessica auf und nahm die CD-Sammlung in Augenschein, die sorgfältig nach Genres sortiert war. Klassische Konzerte von Mozart, Händel, Bach und Beethoven. Filmmusik. Musicals. Oldies. Jazz und Rock’n’Roll. Die Rubrik Pop war ziemlich unterrepräsentiert, woraus Jessica schloss, dass der Dom diese Musik wohl nicht so gern hörte. Unter den Musicals entdeckte sie schließlich eine CDs von Cats und einen Titel, der ihr bekannt war. Soweit sie das beurteilen konnte, handelte es sich bei der Stereoanlage um eine teure Luxusausrüstung. Schwarz und Chrom. Kein Fingerabdruck, kein Staubkörnchen. Alles piccobello. Die Fernbedienung lag gut sichtbar im Regal und war leicht zu bedienen.

Sie ging zur Tür, um mit dem Drehknopf des Lichtschalters die Beleuchtung auf eine diffusere Helligkeit zu dimmen.

Sobald die ersten Takte erklangen, bewegte sie sich langsam, mit zur Musik passenden, weichen, katzenartigen Hüftbewegungen rückwärts zur Couch zurück. Dabei öffnete sie den Reißverschluss ihres Rockes, zwängte die Daumen auf Hüfthöhe in den Bund und schob den Stoff schrittweise nach unten. Es wirkte elektrisierend auf sie, als sie den Rock herabfallen ließ und aus ihm ausstieg. Bestimmt hing sein Blick auf ihrem knackigen Po und er legte schon in Gedanken seine Hände darauf. Würde er bemerken, dass ihre Schamlippen bereits feucht waren?

Mit einem eleganten Schwung drehte sie sich zu ihm um. Sein Fuß wippte im Takt zur Musik und seine Miene wirkte entspannt, vielleicht auch ein wenig amüsiert, in diesem Punkt war sie sich nicht ganz sicher.

Jessica knöpfte ihre Bluse auf, leckte sich lasziv über ihre lachsrot geschminkten Lippen, drehte sich vor ihm um ihre eigene Achse, ließ die Bluse dabei langsam über ihre Arme und den Rücken hinunter rutschen. Jetzt stand sie nur noch mit den weißen, von Strapshaltern aus Spitze gehaltenen Strümpfen vor ihm, einem weißen Nichts von String, der längst feucht war, und einem weißen knappen Spitzenbüstenhalter, durch den sich ihre steifen Nippel abzeichneten. Normalerweise war es ihr zu diesem Zeitpunkt nicht mehr peinlich, dass sie so gut wie nackt war, ihr Kunde dagegen mit Hemd und Anzughose bekleidet und sie gierig betrachtete. Aber bei diesem war alles ganz anders. Von Erregung keine Spur.

Sie beugte sich vor, stützte sich mit den Händen auf seinen Knien ab, ließ ihre Brüste wackeln.

»Ganz nett.« Er klang amüsiert. »Hübsch anzuschauen, aber davon bekomme ich ihn nicht hoch.«

Jessica war irritiert. Eine solche Reaktion auf ihren Striptease war neu.

»Im Übrigen – damit dir dieses Dessous gut steht, müsstest du dich auf die Sonnenbank legen. Du bist viel zu blass für Weiß. Warum trägst du nicht Rot oder wenigstens Zitronengelb?«

»Na ja, weil – weiß ist neutral, unschuldig und rein«, entfuhr es ihr ohne zu Überlegen.

Ihre Antwort entlockte ihm ein kurzes Lachen. »Okay, zieh den Rest ohne viel Tamtam aus. Ich brauche diesen Schnickschnack nicht.«

Sie gehorchte. Normalerweise öffnete der Mann den Verschluss ihres Büstenhalters, wenn sie sich zu ihm herabbeugte, knetete ihre festen Brüste und streichelte ihre Nippel, vergrub seinen Kopf zwischen ihren Brüsten. Und dann verlangte er entweder einen Blowjob oder mit ihr zu schlafen. Aber all das schien diesem Dom wohl zu langweilig zu sein.

Als sie unbekleidet war, winkte er sie mit einer herrischen Geste näher heran, bedeutete ihr, ihre Beine zu spreizen, und sie links und rechts von seinen zu stellen. Jessica gehorchte und stellte erstaunt fest, wie sehr sie davon angemacht wurde. Erst sein Befehl machte sie völlig nackt und zugleich gefügig.

Oh mein Gott, jetzt sieht er, wie erregt ich bin, schoss es ihr durch den Kopf. Meine Schamlippen glänzen bestimmt.

»Hände hinter den Kopf. Denk an die Spielregeln, Sklavin.«

Es war nicht die Position, deretwegen sie sich wie ausgeliefert fühlte, sondern die Art, wie er es sagte. Jedes Wort betonend, die Stimme fest und bestimmend. Bald würde sie es wissen, worin der Unterschied bestand, ein gewöhnliches Callgirl zu sein, oder eine Sklavin.

Das Spiel hatte begonnen.

»Nun, ich höre nichts«, tadelte er.

»Ja, Herr. Ich werde alles so machen, wie Sie es wünschen.«

Oh mein Gott, habe ich es wirklich geschafft, das auszusprechen?

Jessica zitterte vor Aufregung.

Er strich mit den Fingern über das gestutzte Nest ihres Venushügels und sie wagte es nicht, sich auch nur einen Millimeter zu rühren. Alles lag aufgrund ihrer gespreizten Beinstellung offen vor ihm. Er konnte sie anfassen, wo und wie er es wollte, sie befummeln, in sie eindringen. Es würde ihm nicht verborgen bleiben, wie feucht sie war. Oh Gott, was wird er nur von mir denken? Jessica biss sich verlegen auf die Unterlippe und sie wagte es nicht, ihn anzusehen.

Die Spitze seines Daumens schob sich zwischen ihre Schamlippen, fuhr sanft über ihre Perle, verteilte ihren Saft darüber und stimulierte sie zärtlich.

Mühsam unterdrückte Jessica ein Seufzen und fixierte einen Punkt in dem Gemälde an der Wand hinter ihm. Beobachtet er meine Reaktion?

Seine andere Hand streichelte über ihren Bauch, seine Beine pressten ihre Schenkel noch weiter auseinander und sie schwankte unsicher auf ihren Stilettos. Dann fühlte sie seine Küsse auf dem Bauch, während seine Hände nun ihre Brüste kneteten und dabei mit ihren Nippeln spielten.