Die Baumkinder aus der Mangrove

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Die Baumkinder aus der Mangrove
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Dieses Buch schrieb ich für Mama, die mir das Geschichtenerfinden und Schreiben von klein an beibrachte, für meinen Bruder, Yannick, der immer der Erste ist, der meine Ideen hört, der mich motiviert und mir hilft, meine Ideen weiterzuführen und für Papa, der meine Geschichte korrigierte und mir beim Gestalten zur Seite stand. Außerdem widme ich dieses Buch meinen Freunden, und allen anderen, die mein Buch lesen werden. Denn ohne dich, Leser, kann es keine Schriftsteller geben.

Inhalt

Gefahr durch Menschen

Isins Geheimnis

Wir wollen laufen!

Laufende Bäume

Die Reise beginnt

Ein kleines Boot

Wir brauchen die Natur!

Auf einem Auto

In der Stadt

Bei den Menschen

Ich – ein Mangrovenmonster?

Getrennt

Zurück nach Hause?

Niso hatte Recht!

Die letzte Gefahr

Das große Wiedersehen

Über die Autorin

Marisa Dittmar

Die Baumkinder

aus der Mangrove


1. Kapitel

Gefahr durch Menschen

V

iele Menschen denken, dass Pflanzen nicht sprechen können. Das stimmt natürlich auch. Sprechen können Pflanzen nicht, doch dafür können Pflanzen etwas Anderes. Sie können sich auf eine viel bessere Art verständigen. Pflanzen können nämlich Bomeare.

Bomeare ist die Sprache aller Pflanzen. Diese Sprache ist aber keine gewöhnliche Sprache, sie wird nämlich nicht gesprochen, sondern gedacht und der Gedanke wird als Bomear in den Kopf einer anderen Pflanze geschickt. Bomeare ist sehr praktisch, denn wenn eine Pflanze ihre Ruhe will, dann können sich die anderen Pflanzen in ihrer Nähe unterhalten ohne die andere zu stören. Bomearieren können Pflanzen natürlich auch mit mehreren Pflanzen gleichzeitig. Weil nur Pflanzen Bomeare können, denken viele der anderen Lebewesen, dass Pflanzen nicht kommunizieren.

Mitten in einer kleinen Stadt in Nordbrasilien, die Bragança heißt, befindet sich eine schöne und große Mangrove. Ihr kennt sicher alle das Watt bei uns in Deutschland an der Küste. Das ist so schlammig, dass selbst Gummistiefel stecken bleiben. In Brasilien wächst in diesem Schlamm an der Küste ein eigenartiger Wald, die Mangrove.

In dieser Mangrove gibt es drei Baumarten: die Avicennia, die Laguncularia und die Rhizophora.

Die Avicennia hat Luftwurzeln von unten, die aussehen wie kleine Stöcke, die um die Avicennia herum in den Boden gesteckt worden sind. Sie hat dünne, spitze Blätter.

Die Laguncularia hat auch solche Luftwurzeln wie die Avicennia, aber im Gegensatz zu ihr hat sie runde Blätter wo zwei Punkte am Ende des Stiels sind. Aus diesen Punkten scheidet sie Salz aus, denn der Mangrovenschlamm ist salzig.

Die Rhizophora hat Stelzwurzeln, das sind Wurzeln, die über der Erde sind und vom Stamm zur Erde hinunterreichen. Dann hat die Rhizophora auch noch Luftwurzeln, die ganz anders sind als die der Avicennia und Laguncularia. Es sind lange Wurzeln, die von der Baumkrone herunterhängen. Die Blätter der Rhizophora sind spitz, aber rundlicher als die der Avicennia.

Die Luftwurzeln sind zum Atmen da und die Stelzwurzeln zum Halt. Zusätzlich zu den Luftwurzeln und den Stelzwurzeln haben alle drei Mangrovenbäume auch die normalen Wurzeln unter der Erde. Die Rinde der drei Bäume ist ungefähr so rau wie die der Kastanie. In der Mangrove kann man ganz leicht im Schlamm versinken. Doch wenn man sich in der Nähe der Rhizophoras befindet, ist es noch viel extremer, denn sie mögen es sehr feucht. Man kann sich auch in der Nähe von Rhizophoras fortbewegen ohne sich sonderlich schmutzig zu machen, indem man auf die Rhizophora-Wurzeln klettert. In der Mangrove von Bragança gibt es natürlich auch Gezeiten, aber nicht so extreme wie in der Nordsee, wo das Meer komplett zum Watt wird. Nein, die Mangrove bleibt immer Mangrove.

Im Jahr 2017 existierte nur eine kleine Gruppe von Bäumen, die Menschensprache sprach. Einer von denen war der berühmteste Baum der Erde. Er lebte mit seiner Familie mitten in der Mangrove von Bragança. Dieser Baum hieß Isin. Isin wohnte in einer besonders schlammigen Stelle der Mangrove, denn er war eine Rhizophora. Die Sprache, die Isin konnte, hieß Portugiesisch. Sie wird in ganz Brasilien gesprochen und stammt ursprünglich aus Portugal, wo sie auch immer noch gesprochen wird.

Zusammen mit Nolia, hatte Isin viele Kinder, aber die Samen seiner Kinder sind alle ganz weit weg geschwemmt worden, nur eins ist direkt bei Isin geblieben. Dieser Samen ist zu einem hübschen Baumkind herangewachsen und heißt Rila. Eigentlich haben die meisten Bäume kein Geschlecht, sondern sind Neutrums, aber sie finden es klingt nicht gut sich selbst „es“ zu nennen, also geben sie sich üblicherweise selbst Geschlechter.

Ganz, ganz nah an Rila sind zwei andere Rhizophora-Samen von anderen Bäumen hin geschwemmt worden. Sie hießen Soni und Niso und waren Rilas beste Freunde. Rila, Soni und Niso spielten immer nur zu dritt, denn es gab kein anderes Baumkind in der Nähe und die Erwachsenen Bäume spielten nicht mehr so gerne im Schlamm. Rila, Soni und Niso meinten, dass sie für immer spielen werden, auch noch, wenn sie schon ganz alte Bäume sind.

Nolia war der zweitschlauste Baum der Erde, denn Isin hatte ihr schon vieles beigebracht. Auch Rila, Soni und Niso wurde viel beigebracht. Allerdings wusste niemand, auch nicht seine engsten Freunde, wo der weise Baum all dies gelernt hatte. Isin war allerdings nicht der einzige Baum, der eine Menschensprache konnte, denn Nolia, Rila, Soni und Niso konnten nun auch schon fließend Portugiesisch. Mit Isin redeten die drei Baumkinder und Nolia immer nur Portugiesisch, um es zu üben und es nicht zu vergessen. Um Bomeare mussten sie sich nicht sorgen, denn jeder Baum konnte es seit der Geburt und vergaß es niemals.

„Können die anderen nicht endlich mal aufwachen?“, dachte Niso an einem frühen Morgen. Er war einfach nicht mehr müde, dennoch schliefen alle um ihn herum noch fest. Seit einer Stunde langweilte sich der junge Baum schon und wartete bis die anderen Schlafmützen endlich mal aufwachten. Ungeduldig buddelte er, um sich die Langeweile zu vertreiben, um sich herum im Schlamm.

Aber was war das? Plötzlich stieß Niso an das, womit unsere Geschichte beginnt- es war etwas Festes, das sich ungewöhnlich glatt und Nisos Meinung nach irgendwie unpassend anfühlte. Ein Stein konnte das unmöglich sein, und es war auch sonst nichts Bekanntes. Einen Moment lang zögerte Niso, doch dann grub er den komischen Gegenstand aus.

„Vielleicht ist das ja etwas von den Menschen“, dachte Niso hoffnungsvoll.

Er war sehr aufgeregt und dachte die ganze Zeit daran, dass dieser Gegenstand womöglich etwas von diesen Menschensachen sein konnte, von denen Isin ständig erzählte. Während Niso aufgeregt buddelte, verging die Zeit viel schneller und schon waren die anderen aufgewacht, trotzdem war das geheimnisvolle Ding immer noch nicht aus der Erde raus.

„Niso, was machst du denn da so früh am Morgen?“, fragte Nolia verwundert.

„Ich habe etwas gefunden!“, bomearierte Niso stolz.

„Niso!“, sagte Isin streng, denn er wollte, dass die Baumkinder Portugiesisch nicht verlernten. Niso hörte gar nicht zu.

„Helft mir mal es aus der Erde zu ziehen“, bomearierte er.

Isin wusste, dass es keinen Sinn hatte, Niso jetzt zum Portugiesisch reden zu bringen. So ignorierte er es einfach und half kräftig mit, das Ding aus der Erde zu buddeln und zu ziehen.

Kurze Zeit später hatten sie es aus der Erde befreit. Anschließend wurde der Schlamm abgeschüttelt. Und dann …

fffschchchchchchchchch!!!

„Kannst du nicht endlich mal aufpassen wo du hintrittst!“

„Hör auf zu meckern und hilf mir lieber!“

… hörten sie plötzlich Menschenstimmen.

Die Baumkinder wussten sofort was zu tun war und erstarrten in ihrem Holz, während sich ihre Äste nur ein wenig im Wind bewegten. Doch innig waren sie alle sehr aufgeregt - es passierte nicht oft, dass so eine große Menschengruppe in die Mangrove kam. Dort wo die Stimmen hergekommen waren, sahen sie nun eine Gruppe junger Menschen. Einer von ihnen war bis über die Hüfte im Schlamm versunken, er sah ziemlich genervt aus. Ein anderer beugte sich nun zu dem im Schlamm versunkenen Menschen runter und zog ihn mit festem Griff aus dem Schlamm.

„Genau deswegen mag ich es hier nicht!“, sagte der Mensch der vorhin noch im Schlamm steckte.

„Dann müssen Sie eben lernen die Mangrove zu mögen!“, rief eine höhere Stimme, während der dazugehörige Mensch, von der obersten Spitze einer Rhizophora aus, neben der Menschengruppe landete und so weit im Schlamm versank, dass nur noch der Kopf sichtbar war. Schnell zog sich der Mensch an einer Rhizophora Stelzwurzel aus dem Schlamm und blickte die Menschengruppe verwundert an.

„Wer bist du?“, fragte einer in der Gruppe.

Der vom Schlamm geschwärzte Mensch ignorierte ihn einfach und fragte: „Was habt ihr vor?“

Erst jetzt bemerkten die Baumkinder die komischen Gegenstände, die die Menschen in der Gruppe bei sich trugen. Obwohl sie solche Geräte noch nie gesehen hatten, wussten sie sofort was sie waren und wozu sie nütze waren. Jedoch wussten sie auch, dass diese Menschen ihre größten Feinde waren. Denn diese Gegenstände waren Sägen. Nun öffnete einer in der Gruppe den Mund zum Antworten, doch komischerweise schloss er ihn gleich wieder.

 

„Was wir vor haben geht dich nichts an. Könntest du uns jetzt kurz alleine lassen?“, antwortete ein anderer an seiner Stelle.

„Alles klar“, antwortete der Mensch. „Aber nur, wenn ihr versprecht die Natur nie mehr zu beleidigen, ja?“ fügte er schnell hinzu.

„Verschwinde!“, donnerte die Gruppe zurück.

„So sind Kinder nun mal …“, flüsterte ein Mensch dem anderen zu.

„Ganz verrückt wie sie einfach so vom Baum in den Schlamm gesprungen ist“, antwortete ein anderer.

„Stimmt, man konnte ja nur noch den Kopf sehen.“

„Jetzt müssen wir aber mal anfangen, wir sind ungewöhnlich spät dran“, rief plötzlich einer, „und das wertvolle rote Holz einer Rhizophora dürfen wir um keinen Preis verlieren. Ich würde sagen wir nehmen die dicke dort.“ Zum Schreck aller Bäume zeigte der Mann auf Isin.

Sofort ging eine Bomear-Welle los. Alle Bäume schickten ängstliche Bomeare herum. Es waren so viele, dass es Rila, Soni und Niso vom ganzen Bomear-annehmen schwindelig wurde.

Die Menschen gingen schon mit ihren Sägen auf Isin zu, doch- alle Sicherheitsregeln vergessend- hörten sich die Baumkinder selbst auf Portugiesisch rufen: „Stopp! Bitte! Nein! Das könnt ihr nicht tun!!!“

Die Menschen wirbelten herum und fielen vor Schreck rücklings in den Schlamm. Die Baumkinder wunderten sich, wieso die Menschen sich so schlimm erschrocken hatten.

„Lasst die Pflanzen in Ruhe! Lasst alle Pflanzen in Ruhe! Erhaltet die Wunder der Natur, und lernt diese zu lieben!“, rief das Mädchen, das vorher mit Schlamm verschmiert von der Gruppe verscheucht worden war.

Und dann urplötzlich waren alle Menschen verschwunden. Die Baumkinder sahen die Gruppe noch im Chaos in einem Priel davon paddeln.

2. Kapitel

Isins Geheimnis

D

en Rest des Tages waren die Bäume in der Mangrove aus Bragança in Brasilien nicht mehr sehr gesprächig. Die Menschen tauchten nicht mehr auf, jedoch mussten die Baumkinder noch lange an das Geschehene denken. Immer wieder tauchten die genervten Gesichter der Menschen vor ihrem geistigen Auge auf und vor allem die letzten Worte des Mädchens kamen immer wieder als Gedanken vorbei: „Erhaltet die Wunder der Natur und lernt diese zu lieben.“ Die Baumkinder fragten sich immer wieder, was sie mit Wunder der Natur meinte.

Endlich unterbrach Isin das Denken mit einem Bomear: „Ist schon gut! Was soll das ganze Schweigen? Wollen wir mal nach Nisos Fund schauen?“

„Wieso bomearierst du?“, wunderte sich Rila auf Portugiesisch.

„Es ist sicherer, wenn wir jetzt für eine Weile bomearieren. Die Menschen könnten noch in der Nähe sein und die sollen uns ja nicht belauschen“, erklärte Isin bomearisch.

„Wo ist das Ding? Ah, nein! Ich habe es vorhin fallen gelassen!“, ärgerte sich Niso bomearisch.

„Wir finden es schon“, bomearierte Nolia zuversichtlich.

„Schon gefunden!“, rief Soni und hielt Nisos Fund hoch.

Nachdem sie es einigermaßen saubergemacht hatten, sahen sie, dass es sich um etwas schwarzes Eimerähnliches handelte, dessen Boden gelöchert war.

„Was ist das, Isin?“, bomearierten die Baumkinder wie aus einem Mund.

„Das ist ein Blumentopf“, antwortete Isin. „Es ist eine Erfindung der Menschen …“

Kaum hatte er das gesagt, unterbrach ihn Niso, der froh in die Zweige klatschte und bomearierte:

„Ich habe eine Menschensache gefunden! Ich wusste, dass es ein großartiger Fund war!“

„War es nicht! Menschen sind doof, das weißt du doch! Du hast gerade selbst gesehen, was sie mit Isin anstellen wollten“, bomearierte Soni aufgebracht.

„Es gibt überall böse Typen“, bomearierte Isin abschließend. „Wollt ihr jetzt wissen, wofür ein Blumentopf gut ist?“

„Ja, selbstverständlich wollen wir das wissen!“, antworteten die Baumkinder, die nun wieder gute Laune hatten.

„Ok …“ Isin überlegte eine Weile, wie er das erklären konnte, ohne dass die Baumkinder wieder schlechte Laune bekamen.

„Also, ihr findet die Menschen interessant, oder?“, bomearierte er schließlich.

„Nein!!!“ Die Baumkinder waren sich einig.

„Gestern fandet ihr sie noch interessant und fantastisch, aber gut, wenn ihr sie nicht mehr mögt. Sie mögen Pflanzen noch!“ Auf die verdutzten Blicke der Baumkinder hin fügte er rasch hinzu: „Wenigstens die meisten Menschen. Wie ich schon sagte gibt es gibt überall doofe Typen. Ihr habt doch dieses Mädchen gesehen. Ihr habt gehört was sie zu sagen hatte. Es gibt Menschen, die Pflanzen mögen und welche, die keine Pflanzen mögen. Es gibt auch welche, die Pflanzen so gerne mögen, dass sie selbst welche aufziehen wollen, sie wollen so nah an Pflanzen sein wie nur möglich. Wisst ihr, ich glaube dieses Mädchen heute früh war so eine. Aber die Menschen hatten ein Problem. Pflanzen brauchen Erde um zu wachsen und Menschen wollen keine Erde in ihren Häusern. Wie ihr wisst, haben Menschen nie lange ein Problem. Sie lösen ihre Probleme immer mit den fantastischsten Erfindungen. Und in diesem Fall war ihre Erfindung ein Blumentopf für einen Wald im Haus!“

Die Baumkinder waren begeistert. Das waren sie praktisch immer nach Isins Erzählungen. Isin konnte es einfach! Er konnte sie mit Worten begeistern!

„Und wozu sind die Löcher?“, fragte Rila, nun vollkommen interessiert.

„Ach ja, die sind zum Ablaufen des Wassers. In einem Haus regnet es nicht, darum müssen die Menschen die Pflanzen gießen, das heißt denen Wasser geben. Manchmal werden sie aus Versehen zu viel gegossen und dann muss das Wasser ablaufen können“, bomearierte Isin.

Er zögerte einen Moment, dann sagte er: „Ich selbst wurde …“

„In einen Blumentopf gepflanzt?“, vollendete Soni unglaublich.

„Soni, kannst du nicht einfach mal zuhören!“, meckerte Rila, der schon immer mehr über Isins Kindheit erfahren wollte.

Isin ignorierte Rila und fuhr fort, während alle noch gespannter als normal zuhörten: „Genau, ich wurde in einen Blumentopf gepflanzt! Von einer Krabbenfischerfamilie, ist ja klar! Die sind eine der wenigen Gruppen, die die Schönheit der Mangrove kennen. Bei einem Spaziergang durch die Mangrove nahmen sie mal einen Rhizophora-Samen oder besser gesagt meinen Rhizophora-Samen zu sich nach Hause mit. Also bin ich in ihrem Wohnzimmer aufgewachsen. Zur Familie gehörte auch ein kleines Mädchen, Luana. Sie und ihren Nachbar, Thiago, kannte ich sehr gut. Sie kümmerten sich gut um mich und gossen mich jeden Tag. Als die Kinder schon etwas größer wurden und eingeschult wurden, hatten sie nicht mehr so viel Zeit zum Spielen. Doch sie vergaßen mich nie. Luana und Thiago lernten gemeinsam für die Schule in Luanas Zimmer, wo auch ich war. Dort machten sie immer ihre Hausaufgaben. Ich habe jede Menge Menschensachen gelernt. Anders als die anderen Bäume. Ich weiß auch nicht wie ich das geschafft habe, eigentlich ist es unmöglich. Langsam fing ich an ihre Laute wahrzunehmen. Und dann ganz langsam, Schritt für Schritt fing ich an ihre Sprache zu verstehen. Langsam war mir alles klar. Sie wussten es nicht, doch ich lernte alles mit, was sie lernten. Denn ich verstand jedes Wort.

Natürlich wuchs ich weiter und bald war ich zu groß für ihr Haus. Sie mussten mich unter Tränen und Trauer in die Mangrove umpflanzen. Ich mochte sie gerne. Am Anfang kamen sie mich ab und zu in der Mangrove besuchen und ich war ihnen sehr dankbar dafür. Nach einer Zeit kamen sie nicht mehr und ich kannte noch niemanden hier. Die Mangrove war etwas Neues für mich und ich genoss es, hier zu sein. Im Gegensatz zu euch, die ihr schon immer hier wart, war die Mangrove etwas sehr Besonderes für mich. Ich sah sie, so wie sie gesehen werden soll, als Wunder der Natur!

Ich langweilte mich zuerst, dann fing ich an die gelernten Geräusche der Menschen, also den Ton der Buchstaben nachzuahmen. Es war schwer, denn ich hatte keinen Mund so wie sie. Es war schwer einen Ton aus mir rauszukriegen. Ich hatte keine Ahnung, wie man es als Baum machen kann. Endlich hatte ich es raus. Ich schaffte es! Ich lernte alle Buchstaben, dann tat ich sie zu Worten zusammen und schließlich zu Sätzen. Die Bäume um mich herum nahmen die von mir erzeugten menschlichen Laute natürlich nicht wahr, allerdings fing ich an mich mit ihnen anzufreunden. Es war schön mal mit anderen Bäumen zu bomearieren. Damals lernte ich auch Nolia kennen. Ich erzählte den Bäumen, dass ich Menschensprache konnte und sie bewunderten mich. Freilich war Nolia der einzige Baum, der sich wirklich dafür interessierte und ich brachte es ihr bei. Es dauerte lange bis sie es gelernt hatte, doch, weil ich ein anderer Baum war, der es ihr beibrachte, war es nicht ganz so schwer wie bei mir. Das schwerste war es ihr beizubringen, wie man die menschlichen Laute wahrnimmt. Endlich hatte sie es verstanden.

Ich und Nolia passten gut zusammen und wurden gute Freunde, darum beschlossen wir zusammen Kinder zu kriegen. Ich war ein bisschen älter und hatte schon vorher Kinder bekommen, aber noch nie ein Kind mit einem anderen Baum, Nolia hingegen schon. Es war jedoch etwas sehr Besonderes für uns beide. Alle unsere Kinder wurden weit weg gespült, bis auf Rila. Sie blieb bei uns.

Euch Kindern war es nicht ganz so schwer Menschensprache beizubringen, denn ihr habt es seitdem ihr kleine Keimlinge wart, gelernt. Also wart ihr schon lange daran gewöhnt.“ Er hielt kurz inne, dann bomearierte er: „Ich bin immer noch der einzige Baum, der eine Menschensprache von sich allein gelernt hat und darum bin ich bei den Bäumen berühmt. Bisher wusste noch keiner wie ich Menschensprache gelernt habe, denn es ist und bleibt mein größtes Geheimnis, auch wenn ihr es jetzt wisst, denn ihr dürft es niemals weitererzählen.“

Die Baumkinder staunten, aber nicht wie sonst. Diesmal war es anders! Diesmal hatte Isin ihnen das erzählt, was sie schon immer wissen wollten! Das, wonach sie schon so oft gefragt hatten! Das, was Isin ihnen nie erzählen wollte! Diesmal war es keine normale Erzählung! Jetzt wussten sie endlich, wie Isin all das gelernt hatte! Endlich! Und er hatte es ihnen erzählt, ohne dass sie gefragt hatten!

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