Das literarische Konzeptbüchlein

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Das literarische Konzeptbüchlein
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Mark Ammern

Das literarische Konzeptbüchlein

AutorenVerlag Matern

Nach seiner Herausgabe der ‚Analytischen Belletristik‘ (2014), in der es primär um geeignete Kriterien ging, legt Mark Ammern ein „literarisches Konzeptbüchlein“ vor, das konkret die Anfertigung von künstlerischer Literatur thematisiert. Sein gewählter Kontext ist die analytische Philosophie, keineswegs eine Literaturwissenschaft. Ammern erarbeitet Möglichkeiten des Schreibens und der sprachlichen Bezüge unter besonderer Berücksichtigung logischer als auch empirischer Möglichkeiten. Sein Resultat erlaubt nicht nur neue Blicke auf die Literaturgeschichte, sondern erläutert auch eine Wirklichkeit, die, gemessen an den literarischen Standardauskünften, aus einer fremden Galaxie stammen könnte.

1. EBook-Auflage 2017, Version 1

Copyright © 2017 AutorenVerlag Matern

Cover: Joshua, unter der Verwendung des Bildes ‚Einen Brief schreiben‘

von foreverdreaming, CC-Lizenz (BY 2.0)

[http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/deed.de

aus der kostenlosen Bilddatenbank www.piqs.de]

Zeichensätze: linuxlibertine.org

www.softmaker.de (Cover)

978-3-929899-27-6 (ePub)

978-3-929899-28-3 (Mobi)

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Einführung

Ich hatte bereits Diskussionen über literarische Kriterien im Sprachanalytischen Forum vorangetrieben, die in einer Publikation mündeten, dem Essay- und Gesprächsband „Analytische Belletristik“, der 2014 als eBook im Autorenverlag Matern erschien. Als geeignete Kriterien wurden dort Autonomie und (sachliche) Angemessenheit ausgewiesen. Die Zusammenstellung, für die ich u.a. als Herausgeber fungierte, bietet weiterhin eine Grundlage unserer literarischen Arbeit im Verlag. Um mehr als um geeignete Kriterien ging es damals jedoch nicht.

Das inzwischen vorgelegte Konzeptbüchlein erörtert Möglichkeiten der literarischen Arbeit, geht einen Schritt weiter, ohne jedoch philosophisch oder wissenschaftlich ausgearbeitet zu sein. Der Band bleibt literarisch praktisch (konzeptionell), auch falls das Abstraktionsniveau für manchen Literaten oder Kritiker eventuell zu hoch sein könnte. Um einen simplen Ratgeber handelt es sich nicht.

Ich erläutere meine literarischen Entscheidungen, die in einem vollkommen anderen Kontext als üblicherweise stehen, im Kontext der analytischen Philosophie. Für manchen Kulturenthusiasten werden die Texte wie aus einer fremden Galaxie kommend erscheinen, und dies obwohl die analytische Philosophie universitär aufgrund ihrer wissenschaftlichen Ausrichtung eine Vormachtstellung eingenommen hat. Meiner persönlichen Beobachtung nach sind gesellschaftlich die alte Frankfurter Schule oder neuere französische Ausrichtungen weitaus beliebter, die primär esoterische Deutungen betreiben.

Eine wissenschaftliche oder philosophische Ausarbeitung hätte viel mehr Nachweise bringen müssen, als ich gewillt war, textlich zu integrieren, um die vorgelegte Arbeit nicht zu überlasten. Das Konzeptbüchlein bleibt deshalb eine Meinungsäußerung, die interessieren kann, oder auch nicht.

Der Band ist in drei Hauptkapitel mit mehreren Unterabschnitten gegliedert. Behandelt werden zunächst Erzähler als Bedingung, bevor es zu einer zweiteiligen Durchführung – und zu einem Ende kommt. Besonders danken möchte ich den Ruhrbaronen (www.ruhrbarone.de), die dazu beitrugen, dass wichtige Abschnitte schon vorab an die Öffentlichkeit kamen.

Literatur:

Ammern, Mark, (Hg.), 2014, Analytische Belletristik, eBook, Duisburg.

Erzähler als Bedingung von künstlerischer Literatur
I

Eine Bedingung von erzählender künstlerischer Literatur ist, einen Erzähler präsentieren zu können, wenigstens einen. Wäre lediglich ein Schriftsteller angebbar, jedoch kein Erzähler, könnte das relevante Werk eventuell authentisch geschrieben sein, eine erlangte Authentizität würde jedoch nicht ausreichen, um künstlerische Autonomie zu gewährleisten, nicht einmal zu ermöglichen. Authentizität würde zu Erzählendes bereits vorab stark einschränken. Eine Frage nach der ‚Echtheit‘ bezöge sich auf das Erzählte, berücksichtigte jedoch keinen Erzähler. Dies kann ein Grund sein, weshalb in authentischer Literatur Schriftsteller und Erzähler nicht selten zusammenfallen. Fehlte jedoch ein Erzähler, wäre eine sprachliche Kunst nicht möglich, lediglich ein Plaudern fast wie unter Nachbarn, sogar unabhängig von der konkreten sprachlichen Gestaltung.

Mit einem literarischen Erzähler entsteht eine Figur, die Hauptfigur eines erzählenden Werks. Der besondere Blinkwinkel und die Sprache sind relevant, nicht ein etwaiger Plot. Mit der Erschaffung einer solchen Figur entscheidet sich alles weitere, sogar die Form. An dieser Form ist leicht überprüfbar, ob die Figur dem Anspruch genügt, autonom zu erzählen, oder lediglich irgendwelchen Förmchen, bekannten Kunsthandwerks- bzw. Warenformen folgt.

Relevant wäre jedoch nicht nur, ob eine allgemeine Autonomie vorliegt, sondern auch ihre Angemessenheit. Einem künstlerischen Erzähler wäre zuzutrauen, was er betreibt. Es hat plausibel zu sein, wie er sprachlich vorgeht. Ob die Hauptfigur, der Erzähler, aus der ersten oder dritten Person heraus agiert, ist hingegen nicht entscheidend. Wechsel könnten allerdings interessant sein.

Die Frage nach Autonomie reicht aber weit über die allgemeine Formgebung des Erzählers hinaus. Sie richtet sich auch auf die behandelten Sachverhalte, ob sie primär sinnlich oder intellektuell sind. Einem Erzähler attestieren zu müssen, nicht zu wissen, eventuell nicht einmal zu ahnen, worüber er spricht, würde zwar nicht die Figur unglaubwürdig machen, menschlich wäre Unwissenheit durchaus möglich, eventuell sogar normal, aber ihre Autonomie bezweifeln lassen. Sich mit jedem literarischen Schritt entscheiden zu können, Auswahlen zu treffen, ist an Bedingungen geknüpft. Würde dem Erzähler praktisch keine Wahl bleiben, wäre er schlichtweg verloren.

Erzählende künstlerische Literatur zu verfassen ist zentral eine intellektuelle Angelegenheit, die häufig unterschätzt wird. Ihre Bewältigung und spätere Kritik hängt letztlich vom einbringbaren intellektuellen Niveau ab. Schriftsteller zu sein, mit Schrift zu hantieren, ist heute tatsächlich relativ vielen Menschen möglich, dies jedoch in autonomer Weise zu vollbringen, ein Autor zu sein, weiterhin etwas Besonderes.

Eine Erzählerfigur ist im erzählten Geschehen integriert, sie steht nicht außerhalb. Die jeweiligen Umstände und andere Figuren üben eventuell Einflüsse aus. Die entstehende Simulation einer sozialen Konfiguration ist nur teilweise ein Resultat des Erzählers. Es ist ähnlich wie im richtigen, im wirklichen Leben. Außerhalb steht nur der Autor, der die Simulation wie ein Puppenspieler steuert und überwacht.

Die Integration der Erzählerfigur hat starke Auswirkungen auf die Sachverhalte, von denen er möglicherweise wissen und erzählen kann. Eine auktoriale, außenstehende Position einzunehmen, ist ihm nicht möglich. Sie könnte ihm erlauben, fiktional als allwissender Übervater zu fungieren. Doch obgleich funktionale Schemata über verschiedene Erzählsituationen angelegt wurden, würde ich die Wahl einer auktorialen Position ausschlagen. Sie ließe sich nicht nur mit einer angenommenen Existenz Gottes oder eines idealisierten Königs vergleichen, auch falls sich nicht mehr als eine Plaudertasche offenbart, sondern sogar mit einem als authentisch angelegten Erzähler, der primär über sich und seine literarisch gleichgültigen Eindrücke erzählt.

Zwischen einem auktorialen und einem authentischen Erzähler gibt aus historischer Sicht aber einen wichtigen Unterschied. Ein auktorialer Erzähler hat die spätestens mit der Aufklärung gesellschaftlich bemerkbare Säkularisierung noch nicht verarbeitet. Relativ viele Schriftsteller der sogenannten Moderne schrieben gleichsam im Prophetenmodus, so absurd diese Formulierung auch klingen mag. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg setzten sich auf relativ breiter Front erzählende Figuren durch.

Es muss nicht verwundern, dass mit der Etablierung von Erzählerfiguren viele ‚Experimente‘ entstanden, in denen literarisch getestet wurde, was man Figuren, aber auch möglichen Lesern, abverlangen kann. Die sogenannte Postmoderne entstand.

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