Das Gift an Amors Pfeil

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… und weiter geht’s

Der erste Teil dieses Buches erklärt, warum ich mich dazu entschlossen habe, eine andere Art des Liebesspiels zu wählen, und berichtet von den Entdeckungen, die auf diese Entscheidung folgten. Was als subjektive, persönliche Erkundung alten Wissens über den Umgang mit meinem Liebesleben begann, erweiterte sich unerwarteterweise in Richtung objektiver wissenschaftlicher Forschung, als mein Mann und ich begannen, zusammenzuarbeiten. Ich war erstaunt, wie exakt die jüngsten Gehirnforschungen mit den Beobachtungen und Behauptungen alter Weisheitslehrer übereinstimmen. Diese Übereinstimmung von vergangenem Wissen, persönlicher Erfahrung und jüngster Forschung hat mich dazu getrieben, diese Informationen mit anderen zu teilen.

Wenn Sie feststellen sollten, dass das Material in diesem Buch Widerstand und Skepsis in Ihnen auslöst, dann stehen Sie damit nicht allein da. Es könnte sogar sein, dass Sie das Gefühl haben, dazu gedrängt zu werden, etwas gegen Ihren Willen auszuprobieren. Ich kenne diese Gefühle selbst – und umso mehr während der zweiwöchigen Perioden nach einem Orgasmus. Denn schließlich konfrontieren uns die Aussagen dieses Buches mit einem der machtvollsten Programme in unserem Gehirn: dem Paarungsprogramm. Wer möchte sich schon für großzügige, entspannte Zuneigung im Schlafzimmer entscheiden, wenn unsere Gehirnchemie einzig und allein darauf programmiert ist, uns dafür zu „belohnen“, uns in diesem Bereich so getrieben wie möglich zu fühlen?

Andererseits ist die Situation nicht ganz unähnlich derjenigen, in einem Auto mit zwei Pedalen zu sitzen. Wenn uns einmal bewusst wird, wie unsere Paarungs- und Bindungspedale funktionieren, liegt es an uns, zu entscheiden, wie wir sie benutzen – abhängig davon, was wir in unseren Beziehungen erreichen wollen. Falls Sie sich entscheiden sollten, die schrillenden Signalglocken Ihres Paarungsprogrammes für ein paar Wochen zum Schweigen zu bringen, um zu schauen, was es Ihnen bringt, dann bietet Ihnen dieses Buch einen Weg, das Experiment mit einem Mini­mum an innerem Konflikt zu wagen. Denn was haben Sie schließlich zu verlieren, außer ein paar Orgasmen auszulassen?

Ein weiteres Ziel dieses Buches ist es, eine breitere Diskussion über unsere unbewussten Paarungs- und Bindungsprogramme und ihre nicht erkannte Rolle in unserem Leben anzuregen. Mit einem tieferen Verständnis dafür ausgestattet, wie Sex in Wahrheit unsere Wahrnehmung und Prioritäten verzerrt, können wir den Prozess beginnen, bewusst dagegen zu steuern, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Wie die Weisen der Vergangenheit, die das Thema Sexualität sorgfältig aus der Perspektive größerer Harmonie und verbesserter Gesundheit untersucht haben, können Liebende dann beginnen, ihre eigenen Untersuchungen mit größerer Bewusstheit zu machen. Sie können das berücksichtigen, was ihnen am besten dazu dient, sich im Laufe ihrer Verbindung auf befriedigende Art und Weise zu lieben. Und sie können das von Natur aus im Orgasmus liegende Potenzial, Zwänge zu entwickeln, angehen und lernen, wie man am besten damit umgeht.

Ein großer Teil des Textes besteht aus echten Beobachtungen von Menschen, von denen ich allerdings die Namen geändert habe. Ich konnte außerdem nicht der Versuchung widerstehen, die Seiten mit den Witzen anderer über die Geschlechtsunterschiede zwischen Mann und Frau aufzupeppen. Warum sollen wir nicht auch mal etwas zu lachen haben, wenn es um die Tricks geht, die unsere raffinierten Gene uns bislang gespielt haben? Anschließend können wir dann unsere Gene auszutricksen.

Immerhin finden wahrscheinlich neunundneunzig Prozent aller sexuellen Zusammenkünfte ohne die Absicht statt, ein Ei zu befruchten. Wenn wir darauf bestehen, uns mit sexuellem Verhalten abzugeben, das trotz seiner Nachteile befruchtungsorientiert ist, dann ist das so ähnlich wie hochkalorische Desserts zu futtern, weil ein Prozent der Bevölkerung gern zunehmen möchte.

Es macht mir nichts, wenn Frauen mich verlassen, aber sie müssen einem immer auch noch sagen, warum.

Richard Pryor

Jetzt, da unser Planet vor ungeliebten, ungenährten menschlichen Wesen nur so wimmelt, könnte es höchste Zeit sein, diese alte Alternative zu erlernen und unserem Repertoire an Liebestechniken hinzuzufügen. Sex und intime Beziehungen sind zwei der wertvollsten Schätze unseres Lebens. Was immer Ihre wirtschaftlichen Sorgen sein mögen, ich hoffe, diese Informationen hier werden Ihnen dabei helfen, diese im großen Maße verfügbaren Reichtümer zu bewahren und mehr als je zuvor davon zu profitieren, während Sie Ihren idealen Lebensweg entwickeln. Zumindest werden Sie am Ende mehr darüber wissen, wie Amors seinen Pfeil vergiftet, während Sie darauf hinarbeiten, die intime Beziehung zu erschaffen, nach der sich Ihre Seele sehnt.

Selig, wer in besonnener

Scheu mit Mäßigung deine Lust

Kostet, göttliche Kypris [Aphrodite]!

Ruhig fließt sein Leben dahin,

Nimmer getränkt von stürmender Wut.

Der goldlockige Liebesgott

Hält zwei Pfeile mit Wonne getränkt.

Einer bringt ein seliges Los,

Einer zertrümmert des Lebens Glück.

Diesen, reizende Kypria,

Halte fern von unserm Gemach!

Mir sei bescheidener Liebreiz

Gegönnt und heilige Lust,

Auch Aphrodites keuscher Genuß,

Doch unmäßigen haß ich.2

Euripides (ca. 480–406 v.Chr.), Iphigenie in Aulis

Kapitel 1
Die Biologie hat Pläne für Ihr Liebesleben

Sex bis zum Punkt absoluter Übersättigung zu haben (dieses Gefühl „Ich bin wirklich satt!“) ist ein Zeichen in der Säugetierwelt, sich wieder der Partnersuche zu widmen, das Interesse am alten Partner zu verlieren und sich neuen attraktiven Partnern zuzuwenden.

Obschon Menschen Paare bilden, kann die Gewohnheit, der Leidenschaft bis zum Punkt der Lustbefriedigung nachzugeben, für unerwartete Stimmungsschwankungen sorgen, Ärger auf den Liebsten hervorrufen und die Anziehung unterminieren (Amors Gift).

Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene Arten des Liebesspiels: eine zum Zwecke der Fortpflanzung und eine, um eine engere Bindung der Liebenden zu bewirken (Karezza).

Von Amors Pfeil getroffen! Was für ein erhebender, beneidenswerter Zustand. Wie jeder andere auch, so möchten auch Sie der Überzeugung bleiben, dass der Schlüssel zu dauernder romantischer Glückseligkeit darin liegt, mit einem Partner zusammen zu sein, für den Sie eine so intensive Leidenschaft fühlen, dass Sie meinen, diese ginge nie vorüber. Und doch: Haben Sie sich jemals Hals über Kopf verliebt, wunderbaren Sex miteinander gehabt, sind sich ganz sicher gewesen, dass Sie beide für immer zusammenbleiben wollen – und haben dann regelmäßig wiederkehrende Spannungen zwischen sich und Ihrem Liebsten oder Ihrer Liebsten durchlebt? Wenn Sie verheiratet sein sollten, haben Sie den Eindruck, dass die Flitterwochen vorüber sind? Vielleicht wird einer von Ihnen beiden zuweilen klammernd und fordernd, während der andere sich aufgefressen fühlt und mehr „Raum für sich“ braucht. Womöglich erleben Sie auch von Zeit zu Zeit subtile Verärgerung oder haben ein Gefühl der Stagna­tion, das Ihre frühere Freude aneinander langsam aber sicher erstickt. Oder Sie brechen ab und an in spektakuläre Streitereien miteinander aus, auf die dann leidenschaftliche Versöhnungen folgen.

Diese unbewusste Entfremdung – die Liebende so häufig erfahren, obwohl sie den Wunsch haben, verliebt zu bleiben – ist die Wirkung des unerwarteten Giftes an Amors Pfeil. Wenn wir uns verlieben, sorgt ein primitiver Teil unseres Gehirns für den Wunsch nach großer Leidenschaft (Amors Pfeil). Ein Orgasmus fühlt sich großartig an, und wenn das schon alles wäre, würden Liebende ihren Wünschen im Schlafzimmer einfach natürlich nachgehen und bis ans Ende ihres Lebens glücklich zusammenleben können. Das Problem ist jedoch, dass Sex kein isoliertes Geschehen ist – schon gar nicht die Art von Sex mit vielen Orgasmen, die zu dem Gefühl von „Jetzt bin ich wirklich satt!“ (sexuelle Übersättigung) führt. Ein Orgasmus ist die Spitze von einem weitaus längeren Zyklus nachfolgender Veränderungen in den Tiefen des Gehirns. Diese Nachwirkungen und die unwillkommenen Gefühle, die sie hervorrufen, können unsere Beziehung vergiften, ohne dass wir dies bemerken. Interessanterweise können so unterschiedliche Symptome wie Selbstsucht, unerfüllte Bedürfnisse, Kommunikationsprobleme, Untreue und eine sexlose Ehe aus diesen versteckten Anweisungen resultieren.

In Einigen von uns wirkt das „Gift“ so schnell, dass wir uns bereits nach dem ersten Stelldichein wieder trennen. Häufiger jedoch gibt es zunächst eine Phase, in der die Beziehung relativ glücklich und ein Zaubertrank der Liebe am Werk zu sein scheint. Diese Flitterwochen-Harmonie (bzw. Begierde) ermutigt uns, eine Zeit lang miteinander verbunden zu bleiben. Im Durchschnitt ist sie gerade lang genug, um ein Kind zu zeugen und eine Bindung zum Kind zu entwickeln, selbst wenn die Beziehung in der Realität gar nicht der Fortpflanzung dient. Doch eine aus Amors Gift wachsende Desillusionierung motiviert uns dann, unsere Gene mit einem aufregenden neuen Partner zu verbinden (auch wenn wir vielleicht die Zähne aufeinanderbeißen und der Versuchung widerstehen mögen). Warum? Unsere Gene sind auf ihre Unsterblichkeit programmiert und sie warten nicht höflich auf eine Gelegenheit dazu. Diese kleinen DNA-Fetzchen treiben uns zu so vielen Schwangerschaften wie möglich und einer ganzen Palette von Partnern. Je vielfältiger unser Nachwuchs ist, umso besser stehen die Chancen, dass ein Teil davon auch unter veränderten Bedingungen oder gar Epidemien überlebt und sich fortpflanzen kann. Unsere Bereitschaft, uns mit artfremden Genen einzulassen, hat früher einmal kleinere Bevölkerungsgruppen vor Inzucht bewahrt.

 

Darüber hinaus tun unsere Gene ihr Bestes, um uns in einem engen Zeitplan zu halten. Die Anthropologin Helen Fisher schätzt, dass wir dazu geschaffen sind, ungefähr vier Jahre zusammenzubleiben. In einer Untersuchung über achtundfünfzig Kulturkreise fand sie heraus, dass die Scheidungsraten zu dieser Zeit ihren Höhepunkt erreichen.3 In moslemischen Ländern hingegen, wo eine Scheidung leichter zu arrangieren ist, endeten die Ehen tendenziell sogar früher.

Kurz gesagt, sowohl die süße als auch die bittere Phase unserer Romanzen lässt die Chance steigen, dass unsere Gene es bis in die nächste Generation schaffen – selbst wenn wir dabei zynisch werden oder mit gebrochenem Herzen zurückbleiben. Unsere genetische Partnerprogrammierung funktioniert großartig. Sie hat einfach nur nicht unsere besten Interessen im Sinn. Als Säugetiere, die eine feste Paarbindung eingehen, ziehen wir überraschend viele Vorteile aus einer Wegbegleitung durch einen vertrauten Partner, und wenn wir diese Vorteile unserem genetischen Erfolg opfern, dann tut uns das sehr weh.

Wenn Amors Gift unsere romantische Beziehung zerstört, ziehen wir daraus im Allgemeinen den Schluss, dass wir die falsche Partnerwahl getroffen haben oder dass Männer und Frauen schlichtweg hoffnungslos verschieden sind. Und doch sind es nicht unsere Unterschiede, die für den Stress sorgen, sondern das, was wir gemeinsam haben: unfreiwillige, biologische Reaktionen, die genau so unbewusst vonstattengehen wie unser Augenblinzeln. Wir sind auf diese schmerzliche Entwicklung genau so programmiert wie darauf, uns überhaupt Hals über Kopf zu verlieben.

Natürlich können Ärger und sonstige Probleme in intimen Beziehungen auch von anderen Faktoren herrühren, so wie unterschiedliche Ansichten über den Umgang mit Geld, Kindheitstraumata und persönliche Eigenheiten. Doch dieser versteckte biologische Faktor ist mit großer Wahrscheinlichkeit der Verursacher, wenn es sich um immer wiederkehrende Reibereien handelt. Und im besten Fall sorgt er einfach nur dafür, dass die anderen Herausforderungen schwieriger zu lösen sind.

Die meisten von uns tragen geistige Augenbinden und erkennen meist nichts, solange wir keine Erklärung dafür haben … oder zumindest solange wir keine Erklärung erwarten. Glauben ist gleich Sehen.

Barah und Lipton, The Myth of Monogamy

Ein Hinweis darauf, dass emotionale Distanzierung in unseren intimen Bindungen vorprogrammiert ist, ist, dass sich das Eheglück normalerweise im Laufe der Zeit verflüchtigt.4 Mysteriöserweise sind jedoch Freundschaften oder enge Familienbeziehungen dieser vorprogrammierten Verschlechterung der Beziehung gegenüber immun.5 Könnte es daran liegen, dass romantische Beziehungen uns in die Leidenschaft stürzen, bis wir „genug!“ haben, während dies in anderen Beziehungen nicht der Fall ist? Mag sich weit hergeholt anhören. Doch für die meisten Säugetiere ist ekstatische Paarung bis zum Punkt des Desinteresses (Überdruss) das Zeichen, sich auf die Socken zu machen und einen neuen Tanzpartner zu suchen. Hat unser Säugetiererbe uns vielleicht mit ganz ähnlichen unbewussten Reaktionen auf sexuelle Übersättigung ausgestattet, die auch uns unruhig werden lassen? Ist es vielleicht fest in uns verdrahtet, dass wir uns von einem vertraut gewordenen Partner entfernen – obwohl wir gleichfalls darauf programmiert sind, die Vorteile einer langfristigen Bindung zu suchen?

Und noch viel wichtiger: Was können wir tun, wenn wir unsere Beziehung vor Amors Gift schützen wollen? Wir können unsere sexuellen Begegnungen anders gestalten, so dass wir für den giftigen Pfeil weniger empfänglich sind und die Wahrscheinlichkeit größer wird, dass wir in der Liebe eine beständige Freude finden. Sowohl alte Weisheitslehren als auch moderne Forschungsergebnisse geben uns Hinweise darauf, wie wir dies erreichen können. Doch um aus diesen Informationen Nutzen zu ziehen, müssen wir ganz klar sehen, womit wir es genau zu tun haben.

Der Coolidge-Effekt

Stellen Sie sich einmal vor, was passiert, wenn Sie eine männliche Ratte in einen Käfig mit einer empfangsbereiten weiblichen Ratte stecken. Zunächst sehen Sie ekstatisches Kopulieren. (Mein Mann Will und ich haben uns gefragt, ob es nicht sehr einsam im Labor wird bei solchen Experimenten.) Nach einer Weile hört die Raserei dann auf. Herr Ratte zieht sich mit der Fernbedienung in den Fernsehsessel zurück. Als Ergebnis seiner veränderten Körperchemie sieht Frau Ratte jetzt völlig uninteressant für ihn aus.6 Wenn jedoch Fräulein Ratti (ein neues Weibchen) auf der Bildfläche erscheint, verschwindet seine Erschöpfung auf wundersame Art und Weise lang genug, um auch hier galant seinen Befruchtungspflichten nachzukommen.

Die regenerierte Männlichkeit eines Nagers ist kein Zeichen für seine unersättliche Libido. Und sie erhöht auch keinesfalls sein Wohlergehen – auch wenn es so aussehen und sich für ihn auch kurzfristig so anfühlen mag. Sein Verhalten stimmt einfach nur mit einem Anstieg von Neurochemikalien in seinem kleinen Gehirn überein, die ihm die Anweisung geben, kein williges Weibchen unbefruchtet zu lassen.

Stillschweigend geduldete Gene können zu wahren Sklaventreibern werden. Die Männchen der Spezies der pelzigen kleinen Beuteltiere (Antechinus stuartii) sind so intensiv mit der Kopulation beschäftigt, dass sie ihr eigenes Immunsystem zerstören und am Ende der Paarungsperiode an verschiedensten Krankheiten sterben.7 Wenn Wissenschaftler die Tiere hingegen mit einer Art künstlichen Willenskraft ausstatten, indem sie ihre männlichen Sexualhormone regulieren, sorgt das Immunsystem der Tiere wieder für einen gesunden Körper.

Für die Männchen der Gottesanbeterinnen endet die wahre Liebe noch ein bisschen abrupter, zumindest für die, die es in der Gefangenschaft überkommen hat. Das Weibchen bringt das Männchen dazu, sein Sperma abzugeben, indem sie ihm seinen Kopf abbeißt. (Warnung: Gehen Sie niemals mit einer weiblichen Gottesanbeterin essen.)

Tierarten, die weniger radikale Abschlüsse suchen, erkennen ehemalige Sexualpartner schlicht und einfach wieder und lehnen sie ab. Unter Wissenschaftlern kennt man diesen Reflex als den „Coolidge-Effekt“. Er verdankt seinen Namen der Zeit, als der US-Präsident Coolidge und seine Gattin eine Farm besuchten. Während der Präsident gerade woanders war, zeigte der Farmer der First Lady stolz einen Hahn, der „den ganzen Tag mit Hennen kopulieren konnte, Tag für Tag.“

Schüchtern bat Mrs. Coolidge ihn, diese beeindruckende Tatsache auch Mr. Coolidge mitzuteilen. Und das tat der Farmer auch.

Der Präsident dachte einen Augenblick nach und fragte dann: „Mit der gleichen Henne?“

„Nein, Sir“, antwortete der Farmer.

„Sagen Sie das Mrs. Coolidge“, erwiderte der Präsident.

Der Coolidge-Effekt wird in weiten Teilen der Tierwelt beobachtet, sogar bei Weibchen. Einige weibliche Nager flirten wesentlich mehr – indem sie sich einladend winden – mit ihnen nicht vertrauten Männchen als mit den Partnern, mit denen sie bereits kopuliert haben.8

Zeigt sich vielleicht eine Variante des Coolidge-Effekts im menschlichen Verhalten? Ich erinnere mich an eine Unterhaltung, die ich einmal mit einem Mann führte, der in Los Angeles aufgewachsen war. „Bei 350 Liebhaberinnen hab’ ich aufgehört zu zählen“, gestand er mir, „und ich fürchte, dass bei mir irgendwas total falsch läuft, weil ich jedes Mal so schnell das sexuelle Interesse verliere. Und einige der Frauen waren wirklich auch sehr hübsch.“ Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs hatte ihn seine dritte Frau gerade wegen eines Franzosen verlassen, und er war regelrecht entmutigt. Diesmal hatte sie das Interesse an ihm verloren.

Von Frauen hört man zuweilen, dass ihr Männergeschmack und ihre Sichtweise auf Männer sich um den Zeitpunkt des Eisprungs herum verändern. Sie fühlen sich mehr zu Don Juans hingezogen und sehen den Mann weniger als Menschen. Die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass sie ihn einfach nur als ein verführerisches Bündel heißer Gene betrachten.

„Unser biologisches Selbst ist kleinlich und ziemlich grausam und findet seltsamerweise nur allzu leicht Fehler, während es sich auf der anderen Seite wiederum mit erstaunlich niedrigen Standards zufriedengibt. Eine meiner kritischen Stimmen in meinem Kopf sagt über meinen Freund solchen Mist wie: ‚Er ist so weiß, ich brauche einen dunklen, exotischen und mysteriösen Mann! Sein Haar ist dünn; ich will nicht, dass meine Kinder dünnes Haar haben.‘ Die Stimme in mir be- und verurteilt meinen jeweiligen Partner aufgrund von selbstsüchtigen, oberflächlichen Vorstellungen, die entweder mit körperlichen Eigenschaften oder mit seinem Status zu tun haben.“

Lisa

Streng genommen müssen wir Menschen den Coolidge-Effekt gar nicht unmittelbar wahrnehmen (es sei denn, wir sind gerade auf einer Orgie). Bei uns nimmt Gewohnheit häufiger die Form abnehmenden sexuellen Interesses an unserem langjährigen Partner an. Wir sind wahrscheinlich mehr wie Affen. Als männliche Affen sich wiederholt mit dem gleichen Weibchen paaren sollten (die dank täglicher Hormongaben immer in Stimmung waren), verringerten sich ihre sexuellen Aktivitäten einfach immer mehr und geschahen im Laufe von 3,5 Jahren außerdem mit abnehmendem Enthusiasmus. Diese Schlamperei gab sich jedoch sogleich wieder, wenn neue Weibchen auftauchten.9

Könnte unser Säugetiergehirn uns in unsere Fähigkeit, intime Partnerschaften aufrechtzuerhalten, hineinfunken? (Das Säugetiergehirn liegt unter dem rationalen Gehirn. Es herrscht über Sex und Liebe und hat bei allen Säugetieren eine erstaunliche Ähnlichkeit.) Die meisten Säugetierarten gehen nicht so feste Paarbindungen ein wie wir. Doch selbst unter unseren monogamen Säugetierverwandten gewährt keine Spezies sexuelle Exklusivität. Sie bauen ihre Nester zusammen und teilen sich die Elternschaft, doch sie werden häufig dazu getrieben, Gene von Fremden aufzulesen. Diese wagemutigen Gene halten den Gen-Pool schön frisch. Selbst unter den wenigen Säugetieren, die feste Paare bilden, dient die Gewöhnung an den Partner ganz offensichtlich dem Ziel der Evolution, neue Partner verführerisch aussehen zu lassen. Denken Sie mal so herum: Wenn sexuelle Treue eine Garantie für mehr und gesünderen Nachwuchs wäre, würde kein Säugetier fremdgehen.

Säugetiere haben im Allgemeinen klare Perioden der Empfänglichkeit, die von den Hormonen vorgeschrieben werden, während Menschen jederzeit Sex haben können, wenn der Drang danach aufkommt. Doch auch wir werden von unseren Hormonen reguliert.

Dummerweise sieht unsere Version der hormonellen Regelung jedoch eher so aus wie das ständige Anfahren und Abbremsen in einem Stau. Zwischen unseren leidenschaftlichen Ausbrüchen finden wir unseren Partner zunehmend anstrengend, eifersüchtig oder schwer zufriedenzustellen. Und unser Partner empfindet uns als selbstbezogen, wenig hilfsbereit oder nicht liebevoll – außer, wenn es um Sex geht.

„Zu Beginn unserer Ehe schliefen wir nackt miteinander. Kurz darauf begann sie, Unterwäsche zu tragen. Sie genoss es immer weniger, wenn ich meinen Arm um sie legte oder mich an sie kuschelte. Manchmal schlief sie aus geringstem Anlass oder völlig grundlos in einem anderen Zimmer, was auf mich gefühllos wirkte und mich einsam und frustriert fühlen ließ. Wir hatten immer weniger Sex, und schließlich zog sie ganz in ein anderes Zimmer. Ich war der Überzeugung, dass sie Sex einfach nur mehr genießen müsste, also zum Beispiel mehr Orgasmen brauchte, dann würden wir öfter Sex haben und meine Bedürfnisse würden besser erfüllt. Also hab ich immer versucht, es ihr richtig gut zu besorgen. Tja …“

Brent

Die Forschung bestätigt, dass mit der Dauer der Partnerschaft das sexuelle Interesse bei den Frauen abnimmt – während der Wunsch nach Zärtlichkeit bei den Männern abnimmt.10 Diese miserable Programmierung kann dafür sorgen, dass wir ständig den Partner wechseln und so unsere Fortpflanzungsmöglichkeiten mehren – oder einfach nur frustriert, verwirrt und schlecht gelaunt sind. Und niemals kommt es uns in den Sinn, dass der Drang, unser sexuelles Begehren ganz auszuschöpfen, in diesem vertrauten Muster eine Rolle spielen könnte. Stattdessen sind wir davon überzeugt, dass sexuelle Übersättigung eine gute Strategie ist, um eine Partnerschaft zu festigen. Doch wie wir noch sehen werden, gibt es Grund zur Annahme, dass dieses Verhalten den Prozess der Gewöhnung beschleunigt und dabei auf subtile Art und Weise die Wahrnehmung der Partner voneinander zum Schlechten hin verschiebt.

 

Bemerkenswerterweise haben schon Weise verschiedenster Traditionen festgestellt, dass sexuelle Übersättigung Partner auseinanderbringt und Gefühle der Erschöpfung und Disharmonie erzeugt. Sie haben auch einen Ausweg aus diesem Dilemma entdeckt. Sie erkannten, dass es zwei fundamental unterschiedliche Zugänge zum Liebesakt gibt, je nach seinem Sinn.

Vom Befruchtungsdrang angetriebener Sex dient der Fortpflanzung. Beim Höhepunkt wird das Spermium auf das Ei angesetzt. Im Gegensatz dazu geht es bei Sex, der der Verbindung der beiden Partner dient, in erster Linie um Harmonie und Wohlergehen. Bei beiden Methoden spielt der Geschlechtsverkehr eine Rolle, um sexuelle Spannung effektiv abzubauen. Sex mit dem Ziel der Befruchtung erreicht dieses Ziel mit einem neurochemischen Crash, nach dem es überraschend lange dauert, bis wieder eine Homöostase erreicht wird (der Zustand des Gleichgewichts, wie er vor dem Orgasmus herrschte). Sex mit dem Ziel, die Bindung zu stärken, erleichtert sexuelle Spannung durch sanften Geschlechtsverkehr, gemischt mit tiefer Entspannung und jeder Menge beruhigender Zuwendung, was zu einem erfrischenden Gefühl der Befriedigung und anhaltendem Gleichgewicht führt.

„Der sexuelle Akt ähnelt dem Aufblasen eines Ballons. Der Orgasmus ist die Nadel, die den Ballon zum Platzen bringt, doch wenn man den Sex ohne Orgasmus beendet, bleibt man selbst als Ballon zurück, der im Laufe der nächsten Tage langsam an Luft verliert. Man hat so viel länger etwas von dem schönen Gefühl des Aufgeblasenseins.“

Rob