Mit Konsequenz zur Exzellenz

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Mit Konsequenz zur Exzellenz
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Martin Haas

Michael Hahn

Michael Schurr

Mit Konsequenz zur Exzellenz

Wertschöpfung systematisch managen

Cartoons von Dieter Hermenau


CIP-Anmeldung unter

Martin Haas, Michael Hahn, Michael Schurr:

Mit Konsequenz zur Exzellenz – Wertschöpfung systematisch managen

Ludwigsburg: LOG_X Verlag GmbH, November 2014

ISBN 978-3-932298-53-0

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Copyright 2014 LOG_X Verlag GmbH, Ludwigsburg.

eBook-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

Inhaltsübersicht


Vorwort
Kapitel 1 Herausforderung Exzellenzvon Martin Haas
Kapitel 2 Bausteine und Leitsätze eines Wertschöpfungssystems von Michael Hahn
Kapitel 3 Der Weg zur Wertschöpfungsexzellenz von Michael Hahn
Kapitel 4 Die Dynamik der ständigen Verbesserung von Michael Schurr
Kapitel 5 Das Ganzheitliche SEW-Wertschöpfungssystem von Johann Soder

Kapitel 1

Herausforderung Exzellenz

von Martin Haas

1.1 Bestandsaufnahme

Die Ausgangsfrage

Die Herausforderungen kennen

1.2 Was exzellente Unternehmen anders machen

Die Leitsätze

Kapitel 2

Bausteine und Leitsätze eines Wertschöpfungssystems

von Michael Hahn

2.1 Das Wertschöpfungssystem aufbauen

Bausteine, Leitsätze, Methoden

2.2 Zielorientierte Führung und Motivation

Streben Sie nach Perfektion

Lernen Sie von den Besten!

Die Führungskräfte sind der Motor des Verbesserungsprozesses!

Fördern Sie eine Unternehmenskultur, die Verbesserungsprozesse unterstützt!

Arbeiten Sie mit wenigen sinnvollen Kennzahlen!

Fördern und fordern Sie Umsetzung!

Investieren Sie in die Qualifizierung!

2.3 Flexibilitäts- und Engpassmanagement

Reduzieren Sie konsequent und kontinuierlich die Durchlaufzeit!

Sorgen Sie für Flexibilität!

Erkennen und entschärfen Sie Engpässe!

Entwickeln Sie Notfallkonzepte!

2.4 Prozess- und Leistungsexzellenz

Erkennen und vermeiden Sie Verschwendung!

Fordern Sie permanent Leistung ein!

Messen Sie den Exzellenzgrad Ihrer Prozesse!

2.5 Sichtbare Ordnung und Sauberkeit

Schaffen Sie Transparenz!

Unterstützen Sie verschwendungs-minimiertes Arbeiten durch strukturierte und organisierte Arbeitsplätze!

Setzen Sie gezielt das visuelle Management ein!

2.6 Dynamische und organisierte Verbesserung

Stellen Sie Ihre Mitarbeiter für KVP-Aktivitäten frei!

Definieren Sie Ihre Verbesserungsplattformen!

Gehen Sie beim Problemlösungsprozess strukturiert vor!

Kapitel 3

Der Weg zur Wertschöpfungsexzellenz

von Michael Hahn

3.1 Wertschöpfungsexzellenz „Step by Step“

3.2 Begehrlichkeiten wecken, Möglichkeiten aufzeigen (Step 1)

Die Potenziale ermitteln: Der Potenzialcheck

Marketing und Projektkommunikation: Begeisterung schaffen

Die Führungskräfte sensibilisieren

Pilotprojekte durchführen: Wow!-Effekt erzeugen

Die Erfolgsfaktoren bei Step 1

3.3 Basis schaffen und Verbesserung organisieren (Step 2)

Die interne Verbesserungsorganisation aufbauen

Das Führungssystem entwickeln

Die Erfolgsfaktoren bei Step 2

3.4 In kontinuierlichen Prozess übergehen (Step 3)

Weitere Projekte initiieren

Standards schaffen und dokumentieren

Die Standards „leben“ und weiterentwickeln

Für Nachhaltigkeit sorgen: regelmäßig auditieren

Die Erfolgsfaktoren bei Step 3

Kapitel 4

Die Dynamik der ständigen Verbesserung

von Michael Schurr

4.1 Audits

Nicht Kontrolle, sondern Training

Audits: Basiswerkzeug zur permanenten Verbesserung

Ein Audit durchführen: Die Vorgehensweise

Die Gesprächsführung im Audit: Ein pragmatischer Leitfaden

Tipps: Worauf Sie unbedingt achten sollten

4.2 Die Dokumentation

Schwarz auf weiß

Warum dokumentieren? Sechs gute Gründe

 

Gelernt ist gelernt: Die Anforderungen

Für wen dokumentieren? Die Zielgruppen

Die Struktur: Vom Groben zum Feinen

4.3 Schon wieder ein neues System?

Wertschöpfungssystem und Managementsysteme

Managementsysteme, ein Einstieg

Die Vorteile eines integrierten Managementsystems auf einen Blick

Das System aufbauen

Von der Qualitäts- zur Leistungsorientierung

Ein „aktives“ Wertschöpfungssystem aufbauen: Tipps

Der Wille zum Wandel ist nicht genug

Kapitel 5

Das Ganzheitliche SEW-Wertschöpfungssystem

von Johann Soder

5.1 Von Lean Production zum Wertschöpfungssystem

5.2 Nachhaltigkeit gewährleisten – Unser Weg mit dem SEW-Auditmanagement

Praxisorientiertes Auditmanagement für alle Geschäftsprozesse

Das Auditsystem anwenden: die Vorgehensweise

5.3 WIEPRO Consulting – die interne Beratung

Kraftvoll gestalten, dynamisch zum Erfolg

Neue Werks-, Eurodrive- und Prozessplanung

Geschäftsprozessoptimierung „Make it simple“

Schulung und Qualifizierung

Kontinuierliche Verbesserung

Beratergrundsätze

Autorenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Vorwort

Viele Unternehmen haben in der jüngsten Vergangenheit Produktionssysteme eingeführt. Dadurch wurden erhebliche Fortschritte hinsichtlich Produktivität und Effizienz der Produktionsbereiche erzielt. Wirklich exzellente Unternehmen müssen jedoch bestrebt sein, dass alle Kernprozesse und Bereiche den bestmöglichen Standard erreichen.

Diesem Ziel einer durchgängigen Wertschöpfungsexzellenz dienen sogenannte Wertschöpfungssysteme. Denn das permanente Streben nach Exzellenz in allen Prozessen ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, um die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens nachhaltig und langfristig zu sichern.

Kapitel 1 liefert den Einstieg ins Thema und Antwort auf die Frage, warum Unternehmen exzellente Prozesse benötigen. Die Effizienz-Potenziale in der Produktion werden seit Jahrzehnten verbessert und ausgereizt. Viele indirekte Bereiche dagegen blieben bisher weitgehend „verschont“. Letztere kommen im Zusammenhang mit dem Thema Wertschöpfungsexzellenz endgültig auf die Tagesordnung der Veränderung.

In Kapitel 2 lernt der Leser den Aufbau eines Wertschöpfungssystems kennen. Die wichtigsten Bausteine des Systems werden dabei mit Leitsätzen und Methoden untersetzt. Auf diese Weise entsteht ein handlungsorientierter Leitfaden, der zahlreiche Tipps und Erfahrungen aus unserer Praxis enthält – und kein theoretisches Konstrukt.

Kapitel 3 liefert Antworten auf die Frage, wie man das entstandene Wertschöpfungssystem exzellent macht. Basis für den erfolgreichen Weg zur Wertschöpfungsexzellenz ist ein dynamischer Verbesserungsprozess. Dieser Prozess wird in seinen Bestandteilen vorgestellt und in seiner Wirkung erläutert. Einen Schwerpunkt bildet die Beantwortung der Frage, wie Verbesserung und Veränderung organisiert werden.

In Kapitel 4 geht es um die Dynamik der ständigen Verbesserung. Denn ein Wertschöpfungssystem soll nicht nur eingeführt, sondern auch nachhaltig und erfolgreich betrieben werden. Diesem Zweck dienen Instrumente wie Dokumentation und Auditierung. Die Auditierung ist gleichzeitig Gradmesser und Maßstab der Verbesserung.

Kapitel 5 präsentiert ein ausgewähltes, innovatives Beispiel aus einem Vorreiterunternehmen und liefert den Beweis, dass Wertschöpfungssysteme funktionieren und bereits auf den Weg gebracht werden.

Martin Haas, Michael Hahn und Michael Schurr

Bad Boll im Juni 2006

exzellent:

hervorragend, ausgezeichnet, vortrefflich

Exzellenz:

Vortrefflichkeit, Erhabenheit

konsequent:


1.folgerichtig, logisch zwingend
2a.unbeirrbar, fest entschlossen
2b.beharrlich, immer, jedes Mal

Konsequenz:


1a.Folgerichtigkeit
1b.Zielstrebigkeit
2.Folge, Aus-, Nachwirkung

DUDEN Band 5, Das Fremdwörterbuch

Kapitel 1

Herausforderung Exzellenz

von Martin Haas


Inhalt

1.1 Bestandsaufnahme

Die Ausgangsfrage

Die Herausforderungen kennen

1.2 Was exzellente Unternehmen anders machen

Die Leitsätze

1.1 Bestandsaufnahme

Die Ausgangsfrage

Wertschöpfungsexzellenz: „Nice to have“ oder unabdingbare Voraussetzung für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit?

„In Deutschland gehen jeden Tag 1.000 Arbeitsplätze verloren.“ Was ursprünglich als Wahlkampfslogan diente, ist doch annähernd die Wirklichkeit. Kontinuierlich baut das produzierende Gewerbe Arbeitsplätze ab, häufen sich die Insolvenzen, ohne dass der Dienstleistungssektor diese Verluste kompensieren könnte. Tatsächlich verliert die Dienstleistungswirtschaft derzeit viel von ihrem Glanz als Hoffnungsträger unserer Volkswirtschaft, wird sogar zum Ziel spöttischer Bemerkungen: „Dienstleistungswirtschaft heißt, dass wir uns gegenseitig die Haare schneiden“. Diese Sentenz mag polemisch sein, trotzdem enthält sie einen wahren Kern. Jedenfalls sind exportfähige Dienstleistungen, die die Industrie als Konjunkturmotor ablösen könnten, hierzulande bisher Mangelware. Seit Jahren geistert der Begriff der „High Services“ durch die Wirtschaftspresse, bis auf weiteres wird allerdings „High Tech“ am Standort Deutschland die Basis bleiben – und dies auch nur, wenn wir international wettbewerbsfähig sind. Dass das geht, beweisen uns exzellente Unternehmen, die auch hier am Standort weiter wachsen und die nach mehrjähriger Entwicklung in Richtung Exzellenz ihr Verbesserungspotenzial nach wie vor für „unerschöpflich“ halten – Unternehmen, die gelernt haben, die Herausforderungen unserer Zeit anzunehmen und als Chance zu begreifen. Leider finden wir bei genauerer Analyse noch sehr viele Unternehmen, die anderen Gesetzmäßigkeiten gehorchen.

Nicht nur Menschen neigen bei wachsendem Wohlstand dazu, Fett anzusetzen. Dieses Phänomen ist auch in Unternehmen bekannt. Lebensbedrohlich ist vor allem das unsichtbare und deshalb gefährliche Fett, das sich in den Lebensadern eines Unternehmens, den Wertschöpfungsprozessen, ablagert. Und in den Köpfen von Managern und Mitarbeitern. Typische Symptome:

 Entscheidungen werden vertagt, verschleppt oder erst gar nicht getroffen;

 die Entwicklung reagiert nur auf Neuprodukte des Wettbewerbs, anstatt selbst offensiv zu agieren;

 die Produktion kennt nur zwei Zustände: Vollgas oder Leerlauf, Schwankungen im „mittleren“ Bereich können nicht nachgefahren werden;

 organisatorische Änderungen und Umstellungen werden diskutiert, aber nicht realisiert;

 die Kapazitätsauslastung der kapitalintensiven Betriebsmittel ist wichtiger als die termingenaue Erfüllung des Kundenwunsches

 usw.

Fett macht zufrieden, aber auch unbeweglich und träge. Fett gewordene Unternehmen sind buchstäblich nicht in der Lage, den unberechenbaren Schwankungen der Märkte zu folgen. Ihnen fehlt die lebensnotwendige Agilität, die Anpassungsfähigkeit an ständig veränderte Bedingungen. Und das zeigt bereits die Evolution schonungslos: wer nicht anpassungsfähig ist, gerät auf den absteigenden Ast (vgl. Abb. 1).


Abb. 1: Stufen der Evolution – die Metapher

Wettbewerbsfähigkeit: die erweiterte Sicht

Wettbewerbsfähigkeit ist Grundvoraussetzung für das Überleben eines Unternehmens. Deshalb ist es zunächst richtig, Wettbewerbsfähigkeit anzustreben. Allerdings muss die Sichtweise, dass man Wettbewerbsfähigkeit einmal herstellen und ohne weiteres Zutun auf Dauer erhalten kann, im heutigen, turbulenten Umfeld als überholt gelten. Wer verharrt und sich auf den Lorbeeren einer guten Wettbewerbsposition ausruhen will, wird unweigerlich von der Konkurrenz überholt. Der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit ist eine täglich neue Aufgabe.

Mittel- bis langfristig kann die Wettbewerbsfähigkeit nur durch ständiges Streben nach immer besserer Leistung, nach Exzellenz, gesichert werden. Diese dynamische Sichtweise setzt sich bei Vorreiterunternehmen immer mehr durch. Voraussetzung ist, dass das gesamte Unternehmen „in Bewegung“ gebracht und gehalten wird. Dabei reicht es nicht, einzelne Projekte aufzusetzen, Exzellenz muss gelebt werden.

Die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ist nicht nur von internen Faktoren, sondern in hohem Maße von den Umgebungsbedingungen, von den Standortfaktoren, abhängig. Und über die Bedingungen am Standort Deutschland wird seit Jahren heftig diskutiert. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft zeigt im globalen Wettbewerb einen deutlichen Trend ins Mittelmaß (vgl. Abb. 2).

Abb. 2: Weltweite Wettbewerbsfähigkeit: Rangordnung von Deutschland (Quelle: World Competitiveness Yearbook (IMD))

Verantwortlich für diesen Abstieg ist vor allem, dass neue Standort-Wettbewerber aufgetaucht sind, die sich um die Ansiedlung von Produktionsunternehmen bemühen und mit den traditionellen Industrieländern konkurrieren. Wir werden hierüber unter dem Stichwort der Globalisierung noch eingehender reden (vgl. Abschnitt 1.2).

Der internationale Wettbewerb ist ein Wettbewerb der Unternehmen und der Standorte. Diesem Trend kann sich auch der Mittelstand nicht mehr entziehen. „Mittelstand spürt den Aufstieg Chinas“ überschreibt die Stuttgarter Zeitung den Bericht über eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (StZ Nr. 100, 2. Mai 2006). Laut dieser Studie „sehen sich 26 Prozent der deutschen Mittelstandsunternehmen“ vom Aufstieg Chinas zur Wirtschaftsmacht betroffen. „Direkt im Geschäft mit den Chinesen sind 17 Prozent und machen dabei überwiegend gute Erfahrungen“ (vgl. ebd.).

 

Um gute Erfahrungen mit der Internationalisierung machen zu können, müssen die Weichen im Unternehmen richtig gestellt sein. Exzellente Unternehmen, die sich erfolgreich im internationalen Wettbewerb behaupten, nutzen die Chancen der Globalisierung, anstatt die Risiken zu scheuen. Das bestätigt auch die zitierte Studie: „Vom Erstarken der chinesischen Wirtschaft verspricht sich jeder fünfte deutsche Mittelständler einen positiven Schub fürs Geschäft, nur jeder zehnte sieht den Boom im Reich der Mitte als Gefahr“ (vgl. ebd.). Von den positiven Wirkungen der Expansion kann also auch der Standort Deutschland profitieren, weil international erfolgreiche Unternehmen ihre Position auch am heimischen Standort stärken. Das belegen zahlreiche Beispiele.

Beantwortung der Ausgangsfrage

Bereits nach diesen kurzen einleitenden Worten dürfte es über die Beantwortung der Ausgangsfrage keinen Zweifel mehr geben: Wertschöpfungsexzellenz ist ein Muss und die unabdingbare Voraussetzung für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit. Was das heißt und wie dies geht, wollen wir Ihnen in diesem Buch zeigen.

Die Herausforderungen kennen

„Wir kennen keine Probleme, wir kennen nur Herausforderungen!“ So eingängig die Slogans von Management-Gurus und Motivationskünstlern sein mögen, so weit gehen sie an der Wirklichkeit vorbei. Natürlich steht ein Unternehmen vor Problemen, die es bewältigen muss – täglich und stündlich. Die Frage ist nur, wie Management und Mitarbeiter mit dieser Problemflut umgehen, ob sie lediglich die unwillkommene Störung sehen oder auch die Chance zur Verbesserung.

Die Psychologie kennt das Phänomen der „Schlaraffenland-Depressionen“. Menschen, die keine täglichen Sorgen kennen, verlieren buchstäblich die Lebensfreude, werden weinerlich und antriebsschwach. Auf Organisationen gemünzt hieße das, dass sich Unternehmen, die keine Probleme haben, drastisch verschlechtern. Und tatsächlich lassen sich Beispiele finden: so manches Staats- oder Monopolunternehmen hat sich durch Mangel oder Verdrängung von Problemen jeglicher Wettbewerbsfähigkeit beraubt. Oder: es werden Probleme, meist im zwischenmenschlichen Bereich, konstruiert, deren Lösung zur Betriebshygiene, aber kaum zur Leistungssteigerung beiträgt.

So gesehen sind Probleme tatsächlich Chancen. Sie bieten Anlässe zur Verbesserung. Die japanische Verbesserungsphilosophie begreift Probleme als „Schätze“ von großem Wert. Kontinuierliche Verbesserung ist dann die Kunst, diese Schätze systematisch aufzuspüren und zu heben. Sprich: die Probleme zu lösen. Traditionell richtet sich der Blick hier auf Hemmnisse in Prozessen oder Abläufen, die auf der täglichen Agenda der Verbesserung stehen. Verbesserung beginnt beim Bewegungsablauf der Werker und endet beim Managen der Kunden- und Lieferantenbeziehung.

Immer häufiger allerdings liegen die wahren Herausforderungen außerhalb eines Unternehmens – deshalb ist es angebracht, den Blickwinkel entsprechend zu erweitern. Hier findet man eine praktisch unendliche Zahl von Herausforderungen, Problemen und Chancen, sich zu einem „Weltklasse-Unternehmen“ zu entwickeln, das diesen Namen auch verdient. Wir wollen uns auf drei fundamentale Herausforderungen konzentrieren, weil ihnen heute und in den kommenden Jahren entscheidende Bedeutung zukommt: der Globalisierung, der steigenden Komplexität und dem schnellen Wandel unternehmerischer Erfolgsfaktoren.

Herausforderung Globalisierung

Im Management-Slang unserer Tage steht das „Window of Opportunity“ als Sinnbild für die Kurzlebigkeit geschäftlicher Möglichkeiten. Steht das Fenster offen, eröffnen sich Chancen. Ist das Fenster wieder geschlossen, hat man eine Chance vertan. Nun haben es offene Fenster allerdings auch an sich, dass sie kalte Luft ins Zimmer lassen. Will sagen: das Risiko des Scheiterns existiert immer.

Dieses Bild lässt sich unschwer auf das in den letzten Jahren heiß diskutierte Thema der Globalisierung übertragen. Die weltweiten Veränderungen seit Beginn der 1990er Jahre bieten Unternehmen neue Chancen, setzen sie jedoch auch neuen Risiken aus. Egal wie, eine Herausforderung ist die Globalisierung in jedem Fall. Und: niemand kann sich den daraus resultierenden Zwängen entziehen. Das Fenster steht offen.

Fakt ist, dass 2,5 Milliarden Menschen mehr oder weniger überraschend Zugang zu den globalen Märkten bekommen haben – als Nachfrager, aber eben auch als Anbieter von Produkten und Leistungen. Dieses Phänomen steht im Zentrum der weltweiten Veränderungen und gewinnt zunehmend an Dynamik. So können heute Länder, die bis vor wenigen Jahren noch echte Entwicklungsländer waren, zu niedrigen Kosten Produkte und Dienstleistungen anbieten, die bis dato Monopole der klassischen Industrienationen waren. Atemberaubend ist vor allem das Tempo dieser Entwicklung: in Indien oder China entstanden quasi „über Nacht“ Cluster für Industrie und Dienstleistung, die im weltweiten Vergleich eine mehr als respektable Rolle spielen.

Dies hat zur Folge, dass die Möglichkeit zur „Delokalisierung“ neue Dimensionen bekommen hat. Produzierende Unternehmen aus Westeuropa, Nordamerika oder Japan, der klassischen „Triade“, haben den Vorteil, Standorte mit niedrigen Produktionskosten nutzen zu können, ohne die früher damit verknüpften Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Heute bekommt man die Nutzung von Hochtechnologie, hohe Produktivität und gute Qualität auch zu vergleichsweise niedrigen Löhnen. Konsequenz ist ein tatsächlicher „Mega-Wettbewerb“: Unternehmen und Volkswirtschaften müssen nun nicht mehr nur gegen bekannte Konkurrenten antreten, sondern gegen eine ständig wachsende Zahl völlig neuer Wettbewerber. Diese Tatsachen verursachen einen permanenten Druck, die Produktion zu rationalisieren, die internen Kosten zu reduzieren und die Leistungsfähigkeit (Qualität, Lieferservice) insgesamt zu erhöhen.

Kein Unternehmen, kein Land ist gegen diesen Druck gefeit. Im Gegenteil: die Herausforderungen ähneln sich für alle Unternehmen mehr oder weniger stark.

Leitgedanken zur Globalisierung

In nahezu allen Branchen gilt, dass Wachstum nur noch über Internationalisierung und globale Aufstellung zu erreichen ist. Die heimischen Märkte für Industriegüter sind weitestgehend gesättigt. Bereits der Mittelstand ist deshalb gezwungen, sich in dem Sinne international zu betätigen, dass er an ausländischen Standorten präsent ist, sei es mit Vertriebsaktivitäten, sei es mit Fertigung und Montage.

Vor allem in der Automobil-Zulieferindustrie gehören Werke im europäischen Ausland heute zur Normalität. Produziert wird in einem internationalen Werkeverbund mit komplexen logistischen Strukturen. Damit ein solches verteiltes Gebilde überhaupt funktionieren kann, müssen die Unternehmensprozesse stabil und robust sein. Instabile Prozesse können einen ganzen Werkeverbund in Schieflage bringen, die Lieferfähigkeit gerät in Gefahr. Um dies zu verhindern, müssen die Wertschöpfungsprozesse systematisiert und standardisiert werden. Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das an allen Standorten nach den gleichen Prinzipien, auf höchstem Niveau (nämlich exzellent), arbeitet. Die Einhaltung der Prinzipien (Standards) kann im globalen Netzwerk permanent überwacht, Abweichungen können schnell fest- und abgestellt werden. Ein solches Unternehmen verfügt über ein Wertschöpfungssystem, wie wir es Ihnen in diesem Buch vorstellen und näher bringen wollen.

Herausforderung Komplexität

Nicht nur die Welt wird immer komplexer, auch Produkte werden es. Noch vor zehn Jahren war ein Telefon in der Hauptsache eine Sprech- und Höreinrichtung an einem Kabel. Jeder Wehrpflichtige konnte nach wenigen Tagen Ausbildung ein funktionierendes Netz aufbauen, vorausgesetzt, er war stark genug, um die riesige Kabeltrommel zu schleppen. Ein Mobiltelefon der neuesten Generation ist nicht physisch schwer, aber schwer zu verstehen, komplex. Besonders fatal: die Diskussion, ob es sinnvoll oder notwendig ist, mit einem Telefon zu fotografieren, Texte zu verschicken oder im Internet zu surfen, wird nicht geführt. Funktionen, die technisch machbar sind, werden eingebaut. Mag es sich beim Mobiltelefon im Hinblick auf Entwicklung und Produktion noch um Trivialitäten handeln, wird die Angelegenheit beim Automobil wirklich komplex. So stellt der hohe Elektronikanteil die gesamte Wertschöpfungskette vor Komplexitätsprobleme. Wer früher ein mechanisches Türschloss nebst Schlüssel lieferte, ist heute verantwortlich für ein mechatronisches Schließsystem, das mehr Intelligenz besitzt als ein Personalcomputer in den 1980er Jahren.


Abb. 3: Modellvielfalt im Automobilbau (Quelle: McKinsey)

Es kann deshalb nicht verwundern, dass einige große Unternehmen wie DaimlerChrysler Stabs- und Forschungsabteilungen für Komplexitätsmanagement eingerichtet haben. Ob es diesen Stäben allerdings gelingen wird, die Komplexität wirksam einzudämmen, bleibt abzuwarten.

Die Kardinalfrage lautet: ist die explodierende Komplexität eine Kundenforderung oder ist sie hausgemacht? Beides trifft in Teilen zu. So verzeichnen wir im Automobilbau bekanntlich eine drastische Zunahme der Modell- und Produktvielfalt (vgl. Abb. 3).

Die Automobilhersteller sind bestrebt, Marktnischen so gut wie möglich zu besetzen und sich durch schnelle Modellwechsel und „Facelifts“ an die schnell wechselnden Moden anzupassen – oder die Trends eben selbst zu setzen. Der Kunde nimmt die Modellvielfalt gerne an. Hier die steigende Komplexität richtig zu managen, wird künftig eine wesentliche Herausforderung und ein Erfolgsfaktor sein.

Stichwort Varianz

Die Varianz ist ein wesentlicher Treiber von Komplexität. Nicht immer hat hohe Varianz ihre Ursachen in den differenzierten Wünschen der Kunden. Auch die hohe Innovationsrate ist ein Variantentreiber, weil neue „Features“ häufig Eingang in Produktkataloge finden, ohne dass die alten Varianten konsequent getilgt worden wären. Der Vertrieb argumentiert dann meist mit der Bindung von Stammkunden, die vor allem veraltete „Exoten“ nachfragen. Und selbst das angesprochene Tilgen im aktuellen Lieferverzeichnis wäre nur ein Teilerfolg, weil das After-Sales- und Ersatzteilgeschäft förmlich dazu zwingt, auch längst hinfällige Varianten herstellen zu können.

Leitgedanken zur Komplexität

Komplexität ist nicht gleichzusetzen mit Intelligenz. Für das Entstehen von Komplexität ist keine besondere Intelligenz notwendig – aber für das Beherrschen bzw. Reduzieren von Komplexität. Die Steigerung von intelligent ist … einfach (worauf wir noch eingehender zu sprechen kommen). Oder, wie die Amerikaner nicht ohne Berechtigung sagen: „KISS – Keep it stupid simple“. Das heißt aus Sicht des Managements nicht, die Augen vor der bisweilen unvermeidlichen Komplexität zu verschließen. Vielmehr sollte vermieden werden, die Komplexität vollständig in Systemen abzubilden, sondern zu segmentieren und in überschaubare Einheiten zu zerlegen und diese durch robuste und stabile Prozesse beherrschbar zu machen.

Der Wandel der unternehmerischen Erfolgsfaktoren

„Verfügbarkeit“ heißt eines der Zauberworte der modernen Gesellschaft. Wir gehen davon aus, dass Dinge, die wir kaufen wollen, in den Geschäften oder zumindest im Internet verfügbar sind. Und das gilt nicht nur für Konsumgüter: auch die Industrie setzt bei der Beschaffung kurze Lieferzeiten und besten Lieferservice voraus.

Stichwort Lieferzeiten

„They never stand in line – sie wollen sich nicht anstellen“. Was früher die Karikatur der Briten für kontinentale Drängler war, ist heute die zutreffende Beschreibung nahezu aller Kunden. Überspitzt ausgedrückt: Produkte mit langer Lieferzeit sind bei ihrer Auslieferung möglicherweise bereits von der nächsten Generation abgelöst (siehe oben). Was am „Point of Sale“ gilt, wo der Kunde, statt zu warten, eben das kurzfristig lieferbare Konkurrenzprodukt kauft, gilt in der Lieferkette in noch stärkerem Maße. Die in vielen Branchen mittlerweile zum Standard gewordene Just-in-Time-Philosophie beschleunigt die Lieferprozesse zwischen den Produktionsstufen ungemein. Derzeit läuft ein europäisches Forschungsprojekt zum sogenannten „Fünf-Tage-Auto“. Man kann sich vorstellen, was bei Verwirklichung dieser Vision bei den Zulieferern los sein wird – zumal Sicherheitsbestände nicht erlaubt sind. Es geht künftig nicht mehr um Material, sondern nur noch um Zeit. Ein völlig neues Paradigma des Produktionsmanagements.

Leitgedanken

Lieferfähigkeit, Lieferservice und kürzeste Lieferzeiten werden die wichtigsten Erfolgsfaktoren. Das heißt in der Konsequenz, dass sich die Durchlaufzeiten drastisch verkürzen – und zwar nicht nur bei Standardprodukten, sondern bei kundenindividuellen Produkten. Diese kurzen Durchlaufzeiten lassen sich nur erreichen durch … exzellente Prozesse.

Ein erstes Fazit

Bringt man die Konsequenzen des bisher Gesagten auf den Punkt, so stellt man fest, dass jede Maßnahme, die punktuell und kurzfristig durchgeführt wird, zu kurz greift. Gefordert ist vielmehr ein aktiver Prozess in Richtung Exzellenz. Diesen Prozess konsequent zu beschreiten, erfordert wiederum ein greifbares Bild des Ziels („Nur wer weiß, wohin er will, wird dort auch ankommen“), wirksame Konzepte und Methoden sowie umfassende, nachhaltige Maßnahmen.

1.2 Was exzellente Unternehmen anders machen

Die Leitsätze

„Tue Gutes und verdiene daran“. Mit dieser Schlagzeile kommentieren die „Stuttgarter Nachrichten“ vom 28. April 2006 die wirtschaftliche Leistung des Bosch-Konzerns. Anlass war die Veröffentlichung der Unternehmenszahlen, die einmal mehr für sich sprachen. Umsatzsteigerung, verbessertes Ergebnis und gestiegene Mitarbeiterzahl: So sieht profitables Wachstum aus.

Es gibt sie also tatsächlich, die exzellenten Unternehmen, die ungeachtet aller Herausforderungen und Risiken auf einem nachhaltigen Erfolgskurs sind. Und: diese Unternehmen sind nicht so selten, wie uns die Medien bisweilen glauben machen wollen. Der jährlich ausgeschriebene Wettbewerb zur „Fabrik des Jahres“ braucht sich jedenfalls über einen Mangel an Kandidaten nicht zu beklagen. Und die Gewinner liefern den Nachweis, dass die Abgesänge auf die deutsche Industrie zu früh angestimmt wurden. Mehr noch: diese Unternehmen stellen nachdrücklich unter Beweis, dass unser eingangs formulierter Anspruch, dass exzellente Unternehmen auch unter den in Deutschland herrschenden Bedingungen Arbeitsplätze schaffen, keine Träumerei ist, sondern Realität (vgl. Abb. 4).


Abb. 4: Beschäftigungsentwicklung der besten Teilnehmer „Fabrik des Jahres “ am Standort Deutschland (Quelle: A.T. Kearney)

Was aber machen diese Unternehmen anders als diejenigen, die unter der Last der Herausforderungen stagnieren oder scheitern? Da wir eine ganze Reihe hervorragender Firmen seit Jahren beratend begleiten, sind wir in der Lage, die wichtigsten Erfolgsfaktoren zu benennen bzw. als Leitsätze zu formulieren: