Loe raamatut: «Kein Stress!», lehekülg 2

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WAS IST DIE HAUPTURSACHE FÜR IHREN STRESS?

Wovon fühlen Sie sich jetzt, im Moment, am meisten gestresst? Gehen wir zuerst die Lebensbereiche durch, die potenziell Probleme bereiten, dann wird es Ihnen leichter fallen herauszufinden, welche der nachfolgenden Interventionen für Sie passen.

FINANZEN

Glauben Sie, Sie kommen nie auf einen grünen Zweig, egal was Sie auch tun? Sind Sie am Monatsende stets im Minus, nehmen Sie an Lotto- und Gewinnspielen teil, oder haben Sie sich damit abgefunden, auf den Tod eines Familienangehörigen warten zu müssen, bis Sie sich den Kredit für ein Eigenheim leisten können?

ARBEIT

Gibt es eine Diskrepanz zwischen den an Sie gestellten Erwartungen und dem, was Sie sich zutrauen? Haben Sie mit schlechter Zeiteinteilung und Prokrastination zu kämpfen? Müssen Sie sich mit unfreundlichen oder narzisstischen Kollegen herumschlagen oder gar mit einem Kontrollfreak als Vorgesetzten? Ist die Angst vor Kündigung für Sie ein Thema?

GESUNDHEIT

Machen Sie sich Sorgen wegen Ihres Ess- und Trinkverhaltens, Ihres Schlafpensums oder irgendwelcher anderer ungesunder Angewohnheiten? Kriegen Sie den Sport, den Sie unbedingt treiben sollten, nicht unter, etwa weil Arbeit und Pendeln so viel Zeit in Anspruch nehmen?

MENSCHEN

Bereiten Ihnen die Menschen in Ihrer Umgebung Schwierigkeiten? Werden Sie gemobbt? Sind Sie umgeben von Menschen, die Ihre Gutmütigkeit ausnutzen? Verbringen Sie viel Zeit allein? Evolutionspsychologisch betrachtet, befinden sich Einzelgänger in ständiger Alarmbereitschaft, weil keiner da ist, der sie beschützen kann; deshalb schütten sie mehr Stresshormone aus.

FAMILIE

Bereitet Ihnen Ihre Familie nicht die Freude, die sie Ihnen eigentlich bereiten sollte? Sind Ihnen die Nächsten nicht immer auch die Liebsten?

SOZIALLEBEN

Haben Sie das Gefühl, Sie müssten den Bildern von einem »perfekten« Körper oder bester Charaktereigenschaften entsprechen? Müssen Sie andauernd die sozialen Medien füttern, um dabei zu sein, »gemocht« und »geteilt« zu werden, toll auszusehen, toll zu sein oder einfach nur akzeptiert zu werden? Früher hörte das Mobbing am Schultor auf. Heute kann es uns bis nach Hause und tief in die Nacht hinein verfolgen.

ELEKTRONISCHE GERÄTE

Sind Sie süchtig nach Ihrem Smartphone? Durch das Internet haben wir Zugang zu einem Haufen Informationen über einen Haufen Dinge, deretwegen wir uns unnötigerweise sorgen. Und da wir auch noch süchtig nach unseren Geräten sind, kommen wir niemals zur Ruhe.

KONKURRENZ

Machen Sie sich Sorgen über Prüfungen, eine Beförderung, einen Berufswechsel? Bereitet Ihnen das moderne Mantra »Stillstand bedeutet Rückschritt« Unbehagen?

VERÄNDERUNGEN

Fühlen Sie sich überfordert von gesundheitlichen Problemen, dem Verlust Ihres Jobs, Ihres Partners oder Haustiers oder von Ihrem Umzug?

UMWELT

Leben Sie in einer lauten Wohnung, mit wenig Natur in der Nähe? Wenn wir von zu vielen Menschen und von Menschenhand geschaffenen Dingen umgeben sind, fällt die Entspannung schwer. Die Menschheit hat sich in natürlichen weiten Flächen entwickelt, deshalb können wir bei natürlichem Licht, umgeben von Pflanzen und Tieren, so gut loslassen.

DIE ZUKUNFT

Machen Sie sich Sorgen, ob Sie es jemals zu etwas bringen werden, oder fürchten Sie, das sowieso alles sinnlos ist?

WOZU ALL DIESE BELASTUNGEN FÜHREN

SIE VERÄNDERN UNSERE

Gedanken

Gefühle und Stimmungen

Fähigkeit, Probleme zu lösen

Motivation und Energie

Verhaltensweisen

Allgemeine Gesundheit



DIE ALLTÄGLICHEN AUSLÖSER VON STRESS

Die meisten von uns führen ein schnelles, dichtes, atemloses Leben und bewältigen die folgenden Stressauslöser vermutlich ohne Probleme! Jeder einzelne für sich allein bringt uns vielleicht nicht zum Ausrasten oder Zusammenbrechen, aber sie tragen zu unserem Stress und einem höheren Risiko bei, wenn auf einmal ein paar davon zusammenkommen oder plötzlich etwas sehr Schlimmes geschieht. Schreiben Sie Ihre persönlichen Auslöser in Ihr NOTIZBUCH, dann wissen Sie, worauf Sie achten müssen.

TRAGEN DIESE AUSLÖSER ZU IHREM STRESS BEI?

Alltägliche Ärgernisse – Autoschäden, Zugverspätungen, Versäumen eines Termins

Große Veränderungen – Wohnungswechsel, neuer Job

Arbeitspensum, Bangen um den Arbeitsplatz, Überstunden

Ihr Chef ist unzufrieden mit Ihrer Arbeit

Probleme in Freundschaft und Partnerschaft

Sie haben zu viel um die Ohren

Körperliche Erkrankungen – Grippe oder Erkältungen, Schlappheit

Ein ungesunder Lebenswandel – nicht genügend Bewegung, nicht genügend Schlaf, ungesunde Ernährung, Alkohol- und/oder Drogenkonsum

Sie haben nicht genügend Auszeiten – Urlaub und Freizeitaktivitäten, die Ihnen Spaß machen

Sie können Rechnungen, Miete oder Hypothek nicht bezahlen

Sie müssen Schlange stehen oder auf irgendetwas oder irgendjemanden warten

Schwierige oder laute Nachbarn

Probleme mit den Kindern oder der Kinderbetreuung

Streit mit jemandem, der Ihnen wichtig ist

Sie erhalten eine schlimme Nachricht

Zeitdruck oder unmögliche Abgabetermine

Sie haben Schuldgefühle wegen etwas, das Sie getan haben

Jemand ist wütend oder sauer auf Sie

Sie leiden unter einem schwierigen Kollegen oder Vorgesetzten

Sie stecken im Verkehr fest

Sie finden keinen Parkplatz

Sie sind zu spät dran

Sie haben schlecht geschlafen

Fortwährender Baustellen- und anderer Lärm

Jemand sagt etwas Ärgerliches oder Verstörendes zu Ihnen

Sie sagen etwas Gemeines zu jemand anderem

IHR STRESSOMETER

Ein äußerst wichtiger Hinweis: Selbstbeobachtung hilft Ihnen, sich weniger gestresst zu fühlen. Je bewusster Sie sich Ihres Stresslevels sind, desto besser können Sie ihn kontrollieren. Der Stressometer kann Ihnen dabei helfen – er ist ein Thermometer für Ihren Stress!

Tragen Sie jeden Tag drei Messungen in Ihr NOTIZBUCH ein – morgens, mittags, abends. Nutzen Sie hierfür eine Skala von 1 bis 10: 10 bedeutet irre angespannt, wie eine jeden Moment zuschnappende Bärenfalle, und 0 heißt so gechillt, dass Ihnen beinahe die Augen zufallen.

Überprüfen Sie damit in der kommenden Woche, wann Ihr Stressometer in die Höhe schnellt. Sie werden bald merken, wann Sie alles im Griff haben und wann Sie sich gestresst fühlen. Und Sie werden dahinterkommen, bei welchen Gelegenheiten Ihr Stressometer hochschnellt und sich »erhitzt« – oder eben wann er fällt und »abkühlt«. Sie können dann den Stresspegel bewusst niedriger halten, indem Sie bei Bedarf einige abkühlende Aktivitäten einplanen oder die erhitzenden reduzieren. Sie können sogar, was noch besser ist, vorbauen: Wenn ein stressiges Ereignis bevorsteht, planen Sie einige abkühlende Aktivitäten ein, um Ihr Stresslevel schon im Vorhinein zu senken. Das verschafft Ihnen einen gewissen Spielraum und die Gewissheit, dass Sie cool bleiben werden, wenn nicht alles nach Plan läuft.

Natürlich hängt unser Stressempfinden nicht nur von einem oder auch ein paar Stressauslösern ab. Vielmehr ist es unsere Antwort darauf, die aus einem Auslöser eine extreme Stresserfahrung macht. Diese Antwort liegt im wortwörtlichen Sinne in unserer Verantwortung, es geht also um eine richtige und angemessene Reaktion von unserer Seite.



Selbstbeobachtung hilft Ihnen, sich weniger gestresst zu fühlen!

VERHALTENSWEISEN UND AKTIVITÄTEN, DIE DEN STRESS IN DIE HÖHE TREIBEN

Einige dieser Verhaltensweisen mögen Ihnen sofortige Erleichterung oder direkten Trost verschaffen, doch auf lange Sicht bescheren sie Ihnen nichts als Probleme. Machen Sie sich bewusst, dass diese kurzzeitigen Tricks Ihren Stresspegel letztendlich erhöhen. Unser Stressempfinden können wir nur ändern, indem wir klug reagieren und uns um abkühlende Maßnahmen bemühen.


VERHALTENSWEISEN UND AKTIVITÄTEN, DIE DEN STRESS SENKEN

Entwickeln Sie ein Bewusstsein dafür, was Sie in Aufregung versetzt und was Ihnen hilft, wenn Sie unter Druck stehen. Erstellen Sie eine Liste mit den Dingen, die Ihr Gemüt erhitzen, und eine zweite Liste mit den Dingen, die Ihnen einen kühlen Kopf bescheren. Das ist bei jedem anders. Denken Sie daran: Wissen ist Macht.


Aus meinem Leben: Kurze Lektionen in Sachen Stress

1 | EINE LEKTION ÜBERS SCHWIMMEN

von Matthew Johnstone

Nach einer Silvesterfeier in Byron Bay vor vielen Jahren beschlossen meine beiden Freunde und ich, am Kings Beach im Freien zu übernachten. Unter einem Ast bauten wir mithilfe einer Plane einen simplen Unterschlupf. Und bei der warmen Sommerluft und dem Rauschen der Wellen schliefen wir auch schnell ein.

Gegen fünf Uhr wurde ich vom Sonnenaufgang und dem Ruf der Natur geweckt. Das Meer lag vor mir, perfekt wie auf einer Postkarte, also entschloss ich mich, die anderen ihrem Schönheitsschlaf zu überlassen und nackt hineinzuhüpfen. Kaum war ich ins Wasser gehechtet, erfasste mich eine heftige Strömung.

Ich bin kein sonderlich guter Schwimmer, geriet sofort in Panik und ruderte in Richtung Küste, aber es war, als sei ich an einem Laternenpfahl festgebunden, während mir jemand zuruft, ich solle wegrennen. Ich schlug wild um mich und schrie nach meinen schlafenden Freunden, doch sie waren einfach zu weit weg. Langsam machte sich Erschöpfung breit, ich schluckte Wasser und mir schoss durch den Kopf: »Das war’s dann wohl … und ich bin auch noch splitternackt!«

Während ich ein letztes Mal vergeblich versuchte, Richtung Küste zu schwimmen, tauchten plötzlich eine schwache Erinnerung und eine leise Stimme in meinem panischen Hirn auf: »Niemals gegen die Strömung, sondern mit ihr schwimmen.« Also drehte ich mich auf den Rücken, blickte in den Morgenhimmel, beruhigte meinen Atem und ließ mich treiben. Ich wurde ein gutes Stück aufs Meer hinausgezogen, bevor die Strömung einen Bogen zurück zum südlichen Teil des Strands machte. Irgendwann schaffte ich es heraus und an Land, wo ich eine Zeit lang wie ein Sandschnitzel dalag und völlig erschöpft darüber nachdachte, was gerade passiert war. Seither ist mir klar, dass in einer stressigen Situation zu stecken, sich ganz ähnlich anfühlt, wie von einer Strömung erfasst zu sein.

Auch der Stress beraubt uns sämtlicher Energie, Klarheit, Kreativität und Rationalität. Er bringt uns um unsere Problemlösungskraft und ist eine echte Gefahr für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden.

»Akzeptanz« ist es, was wir in die Gleichung mit einbringen müssen. »Ja, ich stehe ganz schön unter Druck. Im Moment passt alles nicht so richtig. Ich probiere jetzt mal etwas Neues, damit mein Geist zur Ruhe kommt und mein Stress nachlässt.«

Diese Akzeptanz und die bewusste Kursänderung berauben den Stress seiner Macht und bringen uns in ruhigere Gewässer.

DIE MORAL VON DER GESCHICHTE

Wogegen du dich wehrst, das bleibt bestehen.



2 GEHIRN UND GEIST

GLANZLEISTUNGEN, FALLGRUBEN UND FAKTEN


In diesem Kapitel zeigen wir Ihnen:

Wie die Physiologie des Gehirns Ihren Geist und Ihre Handlungen beeinflusst

Wie Sie Ihren Geist beruhigen und den Stresspegel senken

Wie Sie komplizierte Gedanken, die Sie blockieren, stressen und sich mies fühlen lassen, in den Griff kriegen


DEM VERSTAND KANN MAN NICHT TRAUEN

In diesem Kapitel bringen wir Ihnen die Neurobiologie Ihres Gehirns nahe und erklären, wie es auf Stress reagiert und ihn bewältigt, und welche Verhaltensweisen daraus resultieren. Dadurch wird besser verständlich, wieso wir oft zu Verhaltensweisen getrieben werden, die unseren Stress nur noch vergrößern. Anschließend beschäftigen wir uns mit einigen Methoden, die mithilfe von Achtsamkeit unseren Stressometer abkühlen.

Ich behandele unseren Verstand dabei als eine Art separate Entität, die mit unserem wahren Selbst, unserem Bewusstsein, unserer Seele – oder wie auch immer Sie unser innerstes Wesen auch nennen mögen – nichts zu tun hat. Und ich werde Ihnen zeigen, dass der Verstand nicht der vertrauenswürdige Verbündete ist, für den wir ihn vielleicht halten. Um zu verstehen, wieso uns der Verstand derartigen Stress macht, obwohl er weiß, wie schlecht das für uns ist, müssen wir zunächst seine Funktion unter die Lupe nehmen.

Aber der Verstand hält uns doch am Leben …

In grauer Vorzeit waren wir weder so wild wie ein Säbelzahntiger noch so schnell wie ein Gepard oder so stark wie ein Nilpferd. Deshalb mussten wir besser aufpassen und unsere irdischen Rivalen im Denken übertreffen, wenn wir nicht als irdische Mahlzeit enden wollten. Der Psychologe Dr. Russ Harris beschreibt unser Gehirn als eine »Nicht-getötet-werden-Maschine«, dieses Ziel hat oberste Priorität. Da es damit auch sehr erfolgreich war (schließlich sind wir noch nicht ausgestorben), übertrugen wir ihm mehr und mehr Verantwortung für unser Leben. Bald wurde das Gehirn zu einem übergroßen Diktator, der auch dort Probleme macht, wo gar keine Probleme sind – es versetzt uns in Angst und Schrecken, wenn wir vor einer Gruppe Kollegen sprechen sollen, oder lässt uns in kalten Schweiß ausbrechen, wenn die Chefin an unserem Schreibtisch vorbeispaziert.

Je mehr Angst der Verstand in uns auslöst, desto mehr Macht besitzt er über uns, wir hören nämlich tendenziell eher auf ihn, wenn er so etwas wie »Geh da bloß nicht hin« oder »Lass das besser sein« sagt. Je mehr Angst wir haben, desto gestresster fühlen wir uns. Und bald schon richten wir uns ausschließlich nach unserem Verstand, machen keinen Gebrauch von unserer Gabe der Einsicht (der Fähigkeit, in uns hineinzuhorchen), und es geht nur noch um das Überleben statt um das Leben.

Wieso entmachten wir unseren Verstand nicht einfach – schließlich wissen wir, dass es uns nicht guttut, ständig unter Stress und Angstgefühlen zu leiden. Vermutlich weil er ein äußerst charmanter und überzeugender Diktator ist: Er kann uns alles Mögliche einreden und möchte Veränderungen um jeden Preis verhindern. Stellen Sie sich diesen kleinen Diktator vor, wie er am Kopf eines Konferenztischs hockt und sagt: »Unter meiner Führung geht es uns doch gut, oder? Lass uns bloß nichts daran ändern!«

Der Verstand mag sich Änderungen oft verweigern, doch es gibt genügend Gründe, sozusagen über seinen Kopf hinweg zu handeln. Dies ist eine der Schlüssellektionen, die Sie aus diesem Buch mitnehmen können: dahinterzukommen, wie der Verstand funktioniert und mit welchen Tricks er es schafft, uns in einer unglücklichen Situation verharren zu lassen.

DAS MENSCHLICHE GEHIRN

Unser Gehirn hat sich von unten nach oben entwickelt, und es weist viele Gemeinsamkeiten mit dem unserer tierischen Verwandtschaft auf. Ganz unten sitzt das Reptiliengehirn (oder der Hirnstamm), an der Stelle, wo die Schädelbasis in das Rückenmark übergeht. Es ist von Geburt an aktiv und steuert das, was wir bereits als Säuglinge können: Hunger, Schmerz und Temperaturempfinden. Es sorgt dafür, dass wir weinen, essen, schlafen, Pipi und Kacka machen können – also sämtliche lebensnotwendigen Funktionen beherrschen, die automatisch ablaufen müssen. Hirnstamm und Hypothalamus kontrollieren Herz und Lunge, sie sorgen von Geburt an für das Gleichgewicht unserer Körperfunktionen, die sogenannte Homöostase.


Die Hauptaufgabe des Körpers besteht darin, das Gehirn spazierenzutragen.

THOMAS A. EDISON

Darüber liegt das Säugergehirn (oder limbisches System), das Zentrum für Lernen und Emotionen.

Zu seinen Aufgaben gehört es, Gefahren aufzuspüren, zu bewerten, was uns Angst oder Glück bereitet, und festzustellen, was wichtig für uns ist oder was wir außer Acht lassen können. Diese Hirnregion wird von unseren Erfahrungen und Handlungen überformt. Während der ersten sechs Lebensjahre ist diese Fähigkeit des Lernens aus Erfahrungen – genannt Neuroplastizität – besonders wichtig, weil wir da eine Menge neuer Erfahrungen sammeln und in unserem Gehirn die meisten Verknüpfungen und Pfade ausbilden. Der Nachteil: Wird ein bestimmter Pfad wiederholt aktiviert – zum Beispiel in schwierigen Situationen aufgeben und dicht machen (also hilflos reagieren) –, kann er zu unserem Standard-Betriebsmodus werden und uns dauerhaft Probleme machen.

Diese beiden Gehirne bilden das sogenannte emotionale Gehirn, den Schlüsselteil des zentralen Nervensystems, das nahezu alle unserer Gefühle, Verhaltensweisen und Reaktionen auf die Umwelt steuert. Das emotionale Gehirn soll hauptsächlich für unsere Sicherheit sorgen und wird alles dafür tun, dass wir es bis ins reproduktive Alter schaffen und unser Erbgut weitergeben. Es sendet sogar ein chemisches Signal, wenn ein potenzieller Partner in unserer Nähe ist – diese überwältigende Verlegenheit, Sie wissen schon.

Ganz oben sitzt das rationale Gehirn (der Neocortex). Andere Säugetiere besitzen zwar ebenfalls einen Neocortex, doch der des Menschen ist deutlich weiter entwickelt. Unser rationales Gehirn ist komplexer als unser emotionales. Während das emotionale Gehirn die automatisch ablaufenden, vorprogrammierten muskulären und physiologischen Reaktionen steuert, ist der Neocortex das Zentrum unserer außergewöhnlichen exekutiven Funktionen. Sie machen uns einzigartig, indem sie uns ermöglichen, zu denken und zu handeln, statt nur zu reagieren, unsere Emotionen zu kontrollieren, logisch zu denken, uns Dinge vorzustellen und vorauszusehen, zu planen und zu reflektieren.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Sie befinden sich gerade in der Stadt und hören einen Knall, der klingt wie ein Schuss. Ihr emotionales Gehirn reagiert als Erstes, scheucht Sie auf und zündet das Angst-Feuerwerk. Mit kurzer Verzögerung kommt Ihr rationales Gehirn ins Spiel, verarbeitet die Tatsachen – Stadt, tagsüber, keine gefährliche Gegend, keine sichtbar bewaffneten Menschen zu sehen – und kommt zu dem Schluss, dass es sich wohl eher um einen Auspuffknall handelt. Sie fahren also wieder herunter. So sind also beide Gehirne lebensnotwendig.

EMOTIONEN VERSUS GEFÜHLE

Die meisten verwenden die Begriffe »Emotionen« und »Gefühle« als seien sie Synonyme; doch obwohl sie eng miteinander verknüpft sind, bedeuten sie etwas Grundverschiedenes.

Emotionen können wir uns als eine in Bewegung befindliche Energie vorstellen – sie sind instinktiv und körperlich und gehen Gefühlen voraus. Es handelt sich dabei um biologische Signale wie schwitzende Hände oder Herzrasen; sie lassen sich also objektiv feststellen, indem wir Durchblutung, Hirnaktivität und Hautleitfähigkeit messen.

Gefühle setzen ein, nachdem wir eine Emotion hatten – sie sind die mentale Interpretation der physischen Reaktionen. Sie resultieren daraus, dass unser Gehirn eine Emotion wahrnimmt und ihr Bedeutung verleiht. Obwohl Gefühle gedanklichen Input benötigen, laufen sie häufig unterbewusst ab und lassen sich deshalb kaum exakt messen.

Um es auf das vorherige Beispiel mit dem Knall zu übertragen: Die körperliche Angsterfahrung entstammte hier unserem emotionalen Gehirn und das Gefühl von Furcht unserem rationalen Gehirn.

Emotionen haben wir zwar jeden Augenblick unseres Lebens, doch meist ist unser Geist derart beschäftigt, dass wir sie gar nicht wahrnehmen und ihnen deshalb ausgeliefert sind – und genau das bereitet uns Stress! Wenn wir also wirklich etwas ändern wollen, müssen wir die enormen Auswirkungen unserer Emotionen auf Gesundheit, Wohlbefinden, Selbstvertrauen, Erfolg, Versagen, Motivation und wichtige Lebensentscheidungen im Blick haben. Wenn wir nichts über die Funktionsweise unserer Emotionen wissen, können wir kaum zum Kapitän unseres Lebens werden.