Peter Scherrer
Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten in
Österreich
168 Seiten mit 105 Abbildungen, einer Tabelle und einer Karte
Titelabbildung: © oben und Mitte: Peter Scherrer; Kultwagen: Universalmuseum
Joanneum, Graz, unten: © Wolfram Letzner.
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© 2016 by Nünnerich-Asmus Verlag & Media, Mainz am Rhein
ISBN 978-3-945751-61-9
Lektorat: Natalia Thoben, Danilo Blaeser
Gestaltung des Titelbildes: Sebastian Ristow
Gestaltung: Bild1Druck GmbH, Berlin
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016
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Inhalt
Cover
Titel
Impressum
Vorwort
Vorarlberg
01
Bregenz – Brigantium: Roms erste und letzte Bastion in der Provinz Raetia
02
Rankweil-Brederis, römische Villa – zwei Bäder für ein Bauernhaus?
03
Göfis, die Heidenburg – ein fester Ort von der Bronzezeit bis in das Mittelalter
Tirol
04
Fliess und der Piller Sattel – Heiliger Rauch und verborgene Opfergaben
05
Birgitz – Die Raetersiedlung auf der hohen Birga
06
Volders–Wattens – Das Himmelreich
07
Dölsach – Aguntum: Ein Hauch Italien in den Alpen
08
Lavant, der Kirchbichl – Kupferbergbau vom Neolithikum bis in die Spätantike
Kärnten
09
St. Peter in Holz – Teurnia: Die Stiftung eines gotischen Statthalters
10
Spittal an der Drau-Molzbichl – Das Kloster und der heilige Nonnosus
11
Dellach – Gurina: Etrusker, Veneter, Kelten und Römer auf der Alm
12
Keutschacher See: Die Pfahlbauinsel
13
Maria Saal – Virunum: Die Römerstadt auf dem Zollfeld
14
Maria Saal – Die Karnburg und der Herzogstuhl im Fokus der Geschichte Kärntens
15
Magdalensberg – Republikanischer Handelsplatz und kaiserliche Goldschmelze
16
Globasnitz-Hemmaberg – Wallfahrtsort für Katholiken und Arrianer?
Salzburg
17
Der Dürrnberg bei Hallein – Der Reichtum der Salzherren
18
Salzburg – Erzabtei auf römischen Häusern
19
Obertauern – Vom Radstädter Tauern zum Leissnitzgraben: Entschleunigen auf römischen Alpenstrassen
20
Uttendorf – Alpine Handwerkstradition im Keltendorf
Oberösterreich
21
See – Steinzeitbauten im Mondsee
22
Weyregg am Attersee – Römische Villa mit Fischzucht
23
Altheim-Weirading – Das römische Badegebäude
24
Wels – Vom Municipium Ovilavis zur Burg Oueles
25
Linz: Die Martinskirche – Graf Gerolds Vermächtnis
26
Enns-Lorch – Legionen und Heilige
27
Wurzeralm (Spital am Pyhrn) – (prä)historische Zeichen im Fels
28
Hallstatt – Der Salzberg und seine Herren
Steiermark
29
Sölkpass – Reisende opfern den Göttern
30
Strettweg-Judenburg – Ein Kultwagen der Hallstattzeit auf großer Fahrt
31
Mixnitz-Röthelstein – Die Drachenhöhle: immer ein sicherer Ort
32
Grossklein – Die Maske des toten Fürsten: die Hallstattsiedlung und ihre Nekropole
33
Frauenberg-Seggauberg bei Leibnitz – Götterberg und Bischofssitz
34
Semriach – Das römische Hügelgrab
35
Hartberg-Ringkogel – Keltischer Wall und römisches Heiligtum?
36
Hartberg-Löffelbach – Die spätantike Villa
Burgenland
37
Bruckneudorf – Vom keltischen Fürstensitz zur spätantiken Kaiserresidenz?
38
Unterrrabnitz – Das Frühmittelalterdorf: leben in einer Umbruchzeit
39
St. Martin an der Raab – Keltische Tradition oder römischer Einfluss? Spuren einer Gräberstrasse
Niederösterreich
40
Asparn an der Zaya – Das Mamuz: Urgeschichte im Experiment
41
Oberleis – Ein germanischer Fürst baut ein römisches Haus
42
Wachau – Die ältesten Österreicherinnen
43
Heldenberg – Die neolithische Kreisgrabenanlage: Ein Kalenderbau?
44
Petronell-Carnuntum – Pompeji vor den Toren Wiens
45
Zeiselmauer – Spaziergang durch das Römerlager
46
Tulln – Das Kastell syrischer Reiter
47
Traismauer – Ein karolingischer Graf befehligt ein ehemaliges Römerlager
48
Mautern – Die Stadt des heiligen Severin
49
Schwarzenbach – Vom Keltenwall zum Keltendorf
Wien
50
Wien, Innere Stadt – Vom Legionslager Vindobona zur Babenbergerresidenz
Zeittafel
Abbildungsnachweis
VORWORT
Archäologische Stätten, seien es Ausgrabungen und daraus resultierende Freilichtmuseen bzw. Archäologische Parks, seien es die wenigen ober Tag erhalten gebliebenen und in späteren Zeiten weiter verwendeten Baudenkmäler der Römerzeit, seien es als Geländemerkmale bis heute sichtbare Grabhügel oder Befestigungswerke, spielen im sog. sanften Tourismus eine zunehmende Rolle. Aber auch für Schulausflüge und Gruppenreisen gehören Bodendenkmäler zum festen Zielrepertoire. Dabei stimmt die gefühlte Bedeutung, resultierend aus der Bekanntheit aus Schulunterricht, Heimatliteratur und Kulturführern sowie der Zugänglichkeit, häufig nicht mit dem tatsächlichen Erhaltungszustand überein.
Das Buch bietet natürlich eine letztlich subjektive Auswahl des Autors. Mir schien es wichtig die gesamte Bandbreite der Epochen von der Altsteinzeit bis in das frühe Mittelalter, von den Anfängen des mitteleuropäischen Menschen bis zum Ende des 1. Jts. n. Chr., einzuarbeiten. Andererseits sollte die Reichhaltigkeit der österreichischen Landschaft mit ihren Klimazonen mit dem relativ offenen Alpenvorland samt dem Donautal und der böhmischen Masse, mit den von Seen und Flusstälern durchzogenen Hoch- und Mittelgebirgen der Ostalpen, mit der fruchtbaren pannonischen Ebene, auch in ihrer archäologischen Vielfalt zur Geltung gebracht werden. Nicht zuletzt galt es, einigermaßen Ausgewogenheit zwischen den Bundesländern herzustellen. Vor allem aber mussten die unterschiedlichen Typen der Siedlungen, Fluchtpunkte in Steinzeithöhlen, in Seen versunkene Pfahlbauten, metallzeitliche Höhensiedlungen, römische Städte, spätantike Wallfahrtsorte und mittelalterliche Pfalzen und Klöster sowie die damit verbundenen Kult- und Wehranlagen, Gräber, Villen, Wirtschafts- und Technikbauten, Bergwerke, Straßen und Herrschaftsplätze dargestellt werden.
Darum möge man verzeihen, wenn irgendjemandes Lieblingsplatz fehlt, dafür mag so manch Neues zu entdecken sein. Und ebenso möge man mir nachsehen, wenn ich mir in manchen Fällen aus dem Erfahrungsschatz meiner Berufslaufbahn als Archäologe erlaubte, die in der Fachliteratur gegebenen Interpretationen und im Lokalbewusstsein verankerten Deutungen zu hinterfragen und Alternativen anzubieten.
Abb. 1
Nachbau eines neolithischen Langhauses im Urgeschichtepark MAMUZ in Asparn/Zaya.
Westösterreich
Vorarlberg
01
Bregenz
02
Rankweil-Brederis
03
Göfis
Tirol
04
Fliess und Piller Sattel
05
Birgitz
06
Volders – Wattens
07
Dölsach – Aguntum
08
Lavant
Kärnten
09
St. Peter in Holz – Teurnia
10
Spittal an der Drau
11
Dellach – Gurina
12
Keutschacher See
13
Maria Saal – Virunum
14
Maria Saal
15
Magdalensberg
16
Globasnitz-Hemmaberg
Salzburg
17
Dürrnberg bei Hallein
18
Salzburg
19
Obertauern
20
Uttendorf
Ostösterreich
Oberösterreich
21
See
22
Weyregg am Attersee
23
Altheim-Weirading
24
Wels
25
Linz
26
Enns-Lorch
27
Wurzeralm
28
Hallstatt
Steiermark
29
Sölkpass
30
Strettweg-Judenburg
31
Mixnitz-Röthelstein
32
Grossklein
33
Frauenberg-Seggauberg
34
Semriach
35
Hartberg-Ringkogel
36
Hartberg-Löffelbach
Burgenland
37
Bruckneudorf
38
Unterrabnitz
39
St. Martin an der Raab
Niederösterreich
40
Asparn an der Zaya
41
Oberleis
42
Wachau
43
Heldenberg
44
Petronell-Carnuntum
45
Zeiselmauer
46
Tulln
47
Traismauer
48
Mautern
49
Schwarzenbach
Wien
50
Wien, Innere Stadt
Schon von Drusus, dem Stiefsohn des Augustus, beim Alpenfeldzug 15 v. Chr. als Etappenort gegründet, erlangte der Ort in der Spätantike erneut als Militärplatz Bedeutung. Jetzt mussten die Römer schrittweise vor den Alamannen zurückweichen.
01
BREGENZ – BRIGANTIUM: ROMS ERSTE UND LETZTE BASTION IN DER PROVINZ RAETIA
Vorarlberg
Erste Ausgrabungen in der Bregenzer Innenstadt fanden schon seit der Mitte des 19. Jhs. durch den reichen Stofffabrikanten Samuel Jenny statt. Die Siedlungsschwerpunkte des römischen
Brigantium
lagen am sog. Ölrainplateau und in der sog. Oberstadt sowie am Bodenseehafen. Die Ergebnisse der intensiven Grabungstätigkeit sind teilweise in ihrer Interpretation sehr umstritten, die Befunde sind großteils durch moderne Bautätigkeit verschwunden oder mussten wieder zugeschüttet werden.
Um 15 v. Chr. wurde das Gebiet infolge des Alpenfeldzugs unter Drusus, dem jüngeren Stiefsohn des Kaisers Augustus, von den Römern erobert. Zunächst entstand ein Militärlager auf dem Ölrain, etwa im Bereich der ehemaligen Krankenhausgründe südwestlich der Josef-Huter-Straße. Es diente einer 500 Mann starken Truppe (Ausmaße ca. 196 × 140 m) und war in Holz-Erde-Technik mit zwei umgebenden Spitzgräben errichtet. Hier fanden bis 2012 erneut großflächige, noch nicht umfangreich publizierte Ausgrabungen statt. Eventuell gab es bereits auch ein frühes Hafenkastell. Mit dem Vorschieben der rätischen Provinzgrenze an die Donau entstand im 2. Jh. n. Chr. eine reine Zivilsiedlung, die sich aus dem Lagerdorf am Ölrain entlang einer Durchzugsstraße entwickelte. Ungefähr beim heutigen Grundstück Ölrain 13 lag ein ausgedehntes, heute wieder verschüttetes Forum (96,5 × 54,6 m). Die öffentlichen Thermen befanden sich südwestlich des Forums, direkt an der Hauptstraße, auf dem Areal des heutigen evangelischen Friedhofs. Die evangelische Kirche wurde nach den Ausgrabungen Samuel Jennys über einem besonders großen Saal der Thermen (Raum mit dem Kaltwasserbecken oder Eingangshalle?) errichtet. Abgesehen vom Grundriss ist nur wenig von dieser Anlage bekannt. Auch die Datierung des Bauwerks ist unklar. Das Hauptgebäude (20 × 20 m) bestand aus neun teilweise beheizbaren Räumen.
Der einzige sichtbare und zugängliche Befund der römischen Zeit in Bregenz ist die sog. Villa am Steinbühel, die in ihrem erhaltenen Grundriss um 80 n. Chr. errichtet worden sein dürfte und bis in das 2. Jh. n. Chr. genutzt wurde. Die Mauerreste wurden erstmals 1884 von Samuel Jenny untersucht und zwischen 1980 und 1990 beim Bau des City-Tunnels erneut freigelegt und konserviert. Die älteren Deutungen reichen von einer Funktion als Hafenkaserne oder einem Lagerhospital bis zu einem Zentrallager für importiertes Olivenöl und andere Waren. Der äußerst luxuriös ausgestattete, 2.600 m
2
große Komplex ist typologisch als
Villa suburbana
zu bezeichnen und bestand aus 24 Zimmern, die sich um einen 10 × 20,8 m großen Hof gruppierten. Vermutlich war das Hauptgebäude einstöckig und mit einem Satteldach abgedeckt. In einem der Räume fanden sich Reste einer Toilettenanlage. Der Innenhof selbst war zusätzlich an allen Seiten von pfeilergestützten Wandelhallen (
porticus
) umgeben, die von einem Pultdach abgedeckt waren. Zum Seeufer hin erstreckte sich noch eine Gartenanlage, die ebenfalls von einer
porticus
mit 2,8 m hohen Säulen umgeben war. Die Eingangshalle im Osten zur Stadt hin wies hingegen 18 Säulen mit wahrscheinlich 5,6 m Höhe auf. Die Wirtschaftsräume befanden sich im Nordflügel des Gebäudes. Knapp nordwestlich stand eine Thermenanlage, die mit ziemlicher Sicherheit ebenfalls zum Gebäudekomplex der Stadtvilla gehörte. Die Größe und Lage deuten darauf hin, dass der Baukomplex als regionaler Sitz der Provinzialverwaltung diente und hier die zentralen Warentransporte für das Militär ebenso wie die Steuerleistungen der Provinzialbevölkerung gelagert worden sein dürften.
Abb. 2
Bregenz, Steinbühel (Cityknoten), konservierte Grundmauern eines ausgedehnten römischen Baukomplexes mit zentralem Säulenhof.
Vom Hafenkastell am Leutbühel, im Bereich der Fußgängerzone im Zentrum von Bregenz, wurden zwar mehrere, bis zu 31 m lange Mauerstücke ausgegraben, doch heute ist davon im Stadtbild nichts direkt sichtbar. Im Straßenpflaster markieren aber farbige Bereiche die bekannten Mauerabschnitte. Dieses Hafenkastell,
Brecantia
, das zur Kastellkette des Donau-Iller-Rhein-Limes gehörte und den Abschnitt der Reichsgrenze an Oberrhein und Bodensee sichern sollte, wurde unter Valentinian I. (364–375 n. Chr.) errichtet. Das Fälldatum der Bäume, die für den Fundamentrost als Piloten in den Boden geschlagen wurden, liegt nach Jahresringuntersuchungen im Bereich um die Jahre 362–382 n. Chr. Die Ausmaße des Kastells dürften etwa 70 × 50 m betragen haben, die Stärke der Wehrmauern betrug nach Ausgrabungsergebnissen bis zu 4 m. Vermutlich wurde die Anlage an den Ecken noch durch vier große, vorkragende Türme verstärkt. Die Tore lagen im Nordwesten und Südosten der Mauer. Die meisten Kasernen und Zweckbauten im Inneren dürften mit ihrer Rückwand an die Kastellmauer angebaut gewesen sein. Die hier stationierte Truppe wird in der
notitia dignitatum
(occ 35. 32) als
numerus barcariorum
bezeichnet; der zu dem damals
Brecantia
genannten Kastell gehörende primitive Hafen bot etwa 10 Schnellbooten (
naves lusoriae
) Platz.
Die zugehörige spätantike Zivilsiedlung lag in der Oberstadt von Bregenz, wo von vielen Archäologen auch ein Kastell vermutet wurde. Da im 3. Jh. n. Chr. die Einfälle der Alamannen zu unruhigen Zeiten für Raetien führten, wurde die Siedlung am Ölrainplateau aufgegeben. Die Bevölkerung zog sich in die Oberstadt zurück, die aufgrund ihrer Lage viel besser zu verteidigen war. Aufgrund der späteren mittelalterlichen Überbauung sind archäologische Befunde jedoch rar. Immerhin wurde an drei Stellen eine 1,5 m dicke Mauer (eines Kastells?) angeschnitten. In der Nähe des späteren Martinsturms wurde eine kleine Badeanlage festgestellt.
Ein Modell des antiken Ortsbildes, die Funde aus der Siedlung und dem gut erforschten Gräberfeld am Ölrain, einige wichtige Inschriften wie eine Ehrung des jüngeren Drusus, Sohns des Tiberius, oder der Nachweis eines Vereins der italischen Händler, sind im Vorarlberg Museum ausgestellt.
Adresse
voralberg museum -
Kornmarktplatz 1
6900 Bregenz
http://www.vorarlbergmuseum.at/
Literatur
S. Deschler-Erb – Ch. Ertel – V. Hasenbach, Kaiserkultbezirk und Hafenkastell in Brigantium. Ein Gebäudekomplex der frühen und mittleren Kaiserzeit, Konstanz 2011; J. Kopf, Indizien für Militärpräsenz im frühkaiserzeitlichen Fundmaterial Brigantiums, in: U. Lohner-Urban – P. Scherrer (Hg.), Der obere Donauraum 50 v. bis 50 n. Chr, Berlin 2015, S. 199–216.
Ein römisches landwirtschaftliches Anwesen mit zahlreichen Gebäuden, die in der Spätantike und im Mittelalter phasenweise als Schmiede fungierten. Wozu aber dienten die einzelnen Gebäude ursprünglich? – Antworten auf eine archäologische Spurensuche.
02
RANKWEIL-BREDERIS, RÖMISCHE VILLA – ZWEI BÄDER FÜR EIN BAUERNHAUS?
Vorarlberg
Inmitten einer immer noch vor allem der Landwirtschaft dienenden Ebene im Westen von Rankweil, im Ortsteil Brederis, wurde bereits 1954 ein römisches Gebäude ausgegraben und seine Grundmauern konserviert. Es handelt sich im erhaltenen spätantiken Bauzustand um ein für die römische Kaiserzeit typisches Mittelflurhaus mit zwei Zweiraumgruppen, von denen die südliche beheizt werden konnte und mit einer nach Süden vorspringenden Apsis ausgestattet war. Mitsamt einer heute im konservierten Befund nicht nachvollziehbaren Vorhalle an der Ostseite wies das Gebäude eine Grundfläche von etwa 18 × 20 m auf. Lange Zeit dachte man, das Wohngebäude eines antiken Bauernhofs gefunden zu haben. Im 8./9. Jh. wurde in den Ruinen ein einzelner erwachsener Mann bestattet, im ausgehenden Spätmittelalter diente das immer noch nutzbare Gemäuer einem Grobschmied; das Haus stand also etwa 1.400 Jahre irgendwie und mit Unterbrechungen in Verwendung.
Erst von 1997 an wurde über zehn Jahre lang ein direkt nördlich benachbartes Gebäude erforscht, das sich bald als der eigentliche Bauernhof vom weit verbreiteten Typ der Porticus-Eckrisalit-Villa herausstellte. Im Vollausbau des 2./3. Jhs. n. Chr. lag eine repräsentative, nach außen offene Säulenhalle (
porticus
) zwischen zwei annähernd quadratischen Wohntürmen (Risaliten) mit jeweils ca. 25 m
2
Innenraum. Diese dürften nach Parallelen mindestens ein, eher zwei Obergeschosse besessen haben, der südliche war außerdem im Erdgeschoss beheizt. Zur Vergrößerung des Wohnraums wurde in der Südostecke des Hofes ein weiterer beheizbarer Raum eingebaut. Wie bei vielen solcher Villen gab es auch hier im älteren Bestand des 1./2. Jhs. n. Chr. nur einen unbeheizten Risalit. Der Einbau von Fußbodenheizungen in Wohnräume ab dem späten 2. Jh. n. Chr. hängt mit einer deutlichen Klimaverschlechterung zusammen, die von der Forschung mit Vulkanausbrüchen ungeheurer Ausmaße bald nach 180 n. Chr. in Neuseeland und Südamerika in Zusammenhang gebracht werden.
Abb. 3
Rankweil-Brederis, römische Villa: Im Vordergrund das Nebengebäude mit Apsis, in der Bildmitte der auch als Blickfang dienende turmartige Schutzbau über dem Haupthaus.
Den größten Teil des Gebäudes nahm der ummauerte Hof ein, der in der Spätantike gepflastert und mit einer großen Feuerstelle ausgestattet worden war, und in dessen Umgebung Eisenschlacken auf Schmiedetätigkeiten hinweisen. In früheren Phasen wies der Hof einen Lehmboden auf, was etwa mit einer Funktion als Tenne, zum Trennen von Spreu und Getreidekörnern, in Einklang stünde. Entlang der Hofwände deuten Pfostenstellungen eine innen umlaufende Hallenstruktur an, wohl um Gerätschaften, Vorräte und Brennholz trocken und windgeschützt zu lagern bzw. Kleintierhaltung zu betreiben.
Im 4. Jh. n. Chr. scheint das südliche Bauwerk die Funktion als Wohnhaus von den Risaliten im Haupthaus übernommen zu haben, es könnte aber auch schon vorher als Wohnraum gedient haben, etwa für das Verwalterehepaar. Dieses bewirtschaftete den Hof, da vornehme Römer dies nicht selbst taten. Dafür liegt es aber unüblich nahe am Haupthaus, von der Lage her würde man hier eher ein Bad erwarten. Tatsächlich ähnelt das Gebäude im Grundriss auch einer solchen Anlage mit zwei beheizten Räumen, insbesondere die nach Süden vorspringende Apsis wäre ein typischer Ort für ein Warmwasserbecken. Vielleicht gab es aber auch Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung oder Probleme mit dem verfügbaren Wohnraum.
Tatsächlich wurde im Jahre 2006 in einer Entfernung von etwa 200 m im Osten vom Haupthaus bei der Anlage des Golfplatzes ein Badegebäude entdeckt. Der unüblich große Abstand vom Haupthaus wird von den Ausgräbern damit erklärt, dass dies die wasserreichste Stelle des Grundstücks gewesen sei. Das Bad weist die üblichen fünf Räume in zwei parallelen Raumreihen (Blocktypus) auf, drei davon mit Fußbodenheizungen. Der Umkleideraum (
apodyterium
) und der Raum mit dem Kaltwasserbecken (
frigidarium
) lagen im Westen, dann ging man weiter zu einem beheizten Aufenthaltsraum (
tepidarium
), darauf zum Raum mit der wegen der Temperaturausnutzung nach Süden ausgerichteten Warmwasserwanne und gelangte schließlich in einen kleinen Heißluftraum ähnlich einer modernen Sauna (
laconicum
).
Der Bauernhof liegt im Einzugsbereich auf der sog. Tabula Peutingeriana, einer auf die Antike zurückgehenden Landkarte, in dieser Gegend verzeichneten Ortschaft
Clunia
. Diese ist wahrscheinlich im heutigen Feldkirch, 1,5 km weiter im Süden anzusiedeln, wie etwa der ausgedehnte römerzeitliche Baukomplex „Uf der Studa“ in Feldkirch-Altenstadt nahelegt.
Ein kleiner Teil im Südost-Eckbereich des Hofgebäudes wurde mit einem turmartig in die Landschaft ragenden Schutzbau (implantierte, begehbare Skulptur aus COR-TEN-Stahl von Marte. Marte Architekten ZT GmbH) versehen, um Originalbausubstanz zeigen zu können. In einer „Vitrine“ daneben werden Nachbildungen von Funden aus der Villa gezeigt. Alle übrigen Mauern der drei römischen Bauten wurden winterfest neu aufgemauert und solcherart sichtbar konserviert.
Abb. 4
Blick auf die implantierte, begehbare Skulptur aus COR-TEN-Stahl von „Marte. Marte Architekten ZT Gmbh“ über der Villa in Rankweil-Brederis.
Adresse
6830 Rankweil
Kirchstraße,
beim Sportplatz Brederis und auf dem Gelände des Golfplatzes
http://www.rankweil.at/nexus4/Web Objects/xCMS4.woa/wa/article?id=45944 &rubricid=68&menu id=1326
.
Literatur
J. Pöll (Hg.), Archäologische Forschungen bei der Römervilla in R