Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten in Österreich

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Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten in Österreich
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Peter Scherrer







Die 50 bekanntesten  archäologischen Stätten in







Österreich














168 Seiten mit 105 Abbildungen, einer Tabelle und einer Karte



Titelabbildung: © oben und Mitte: Peter Scherrer; Kultwagen: Universalmuseum



Joanneum, Graz, unten: © Wolfram Letzner.



Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de

 abrufbar.



© 2016 by Nünnerich-Asmus Verlag & Media, Mainz am Rhein



ISBN 978-3-945751-61-9



Lektorat: Natalia Thoben, Danilo Blaeser



Gestaltung des Titelbildes: Sebastian Ristow



Gestaltung: Bild1Druck GmbH, Berlin



1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016



Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.



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Inhalt





Cover







Titel







Impressum







Vorwort







Vorarlberg





01

Bregenz – Brigantium: Roms erste und letzte Bastion in der Provinz Raetia



02

Rankweil-Brederis, römische Villa – zwei Bäder für ein Bauernhaus?



03

Göfis, die Heidenburg – ein fester Ort von der Bronzezeit bis in das Mittelalter





Tirol





04

Fliess und der Piller Sattel – Heiliger Rauch und verborgene Opfergaben



05

Birgitz – Die Raetersiedlung auf der hohen Birga



06

Volders–Wattens – Das Himmelreich



07

Dölsach – Aguntum: Ein Hauch Italien in den Alpen



08

Lavant, der Kirchbichl – Kupferbergbau vom Neolithikum bis in die Spätantike





Kärnten





09

St. Peter in Holz – Teurnia: Die Stiftung eines gotischen Statthalters



10

Spittal an der Drau-Molzbichl – Das Kloster und der heilige Nonnosus



11

Dellach – Gurina: Etrusker, Veneter, Kelten und Römer auf der Alm



12

Keutschacher See: Die Pfahlbauinsel



13

Maria Saal – Virunum: Die Römerstadt auf dem Zollfeld



14

Maria Saal – Die Karnburg und der Herzogstuhl im Fokus der Geschichte Kärntens



15

Magdalensberg – Republikanischer Handelsplatz und kaiserliche Goldschmelze



16

Globasnitz-Hemmaberg – Wallfahrtsort für Katholiken und Arrianer?





Salzburg





17

Der Dürrnberg bei Hallein – Der Reichtum der Salzherren



18

Salzburg – Erzabtei auf römischen Häusern



19

Obertauern – Vom Radstädter Tauern zum Leissnitzgraben: Entschleunigen auf römischen Alpenstrassen



20

Uttendorf – Alpine Handwerkstradition im Keltendorf





Oberösterreich





21

See – Steinzeitbauten im Mondsee



22

Weyregg am Attersee – Römische Villa mit Fischzucht



23

Altheim-Weirading – Das römische Badegebäude



24

Wels – Vom Municipium Ovilavis zur Burg Oueles



25

Linz: Die Martinskirche – Graf Gerolds Vermächtnis



26

Enns-Lorch – Legionen und Heilige



27

Wurzeralm (Spital am Pyhrn) – (prä)historische Zeichen im Fels



28

Hallstatt – Der Salzberg und seine Herren





Steiermark





29

Sölkpass – Reisende opfern den Göttern



30

Strettweg-Judenburg – Ein Kultwagen der Hallstattzeit auf großer Fahrt



31

Mixnitz-Röthelstein – Die Drachenhöhle: immer ein sicherer Ort



32

Grossklein – Die Maske des toten Fürsten: die Hallstattsiedlung und ihre Nekropole



33

Frauenberg-Seggauberg bei Leibnitz – Götterberg und Bischofssitz



34

Semriach – Das römische Hügelgrab



35

Hartberg-Ringkogel – Keltischer Wall und römisches Heiligtum?



36

Hartberg-Löffelbach – Die spätantike Villa





Burgenland





37

Bruckneudorf – Vom keltischen Fürstensitz zur spätantiken Kaiserresidenz?



38

Unterrrabnitz – Das Frühmittelalterdorf: leben in einer Umbruchzeit



39

St. Martin an der Raab – Keltische Tradition oder römischer Einfluss? Spuren einer Gräberstrasse





Niederösterreich





40

Asparn an der Zaya – Das Mamuz: Urgeschichte im Experiment



41

Oberleis – Ein germanischer Fürst baut ein römisches Haus



42

Wachau – Die ältesten Österreicherinnen



43

Heldenberg – Die neolithische Kreisgrabenanlage: Ein Kalenderbau?



44

Petronell-Carnuntum – Pompeji vor den Toren Wiens



45

Zeiselmauer – Spaziergang durch das Römerlager



46

Tulln – Das Kastell syrischer Reiter



47

Traismauer – Ein karolingischer Graf befehligt ein ehemaliges Römerlager



48

Mautern – Die Stadt des heiligen Severin



49

Schwarzenbach – Vom Keltenwall zum Keltendorf





Wien





50

Wien, Innere Stadt – Vom Legionslager Vindobona zur Babenbergerresidenz





Zeittafel







Abbildungsnachweis









VORWORT





Archäologische Stätten, seien es Ausgrabungen und daraus resultierende Freilichtmuseen bzw. Archäologische Parks, seien es die wenigen ober Tag erhalten gebliebenen und in späteren Zeiten weiter verwendeten Baudenkmäler der Römerzeit, seien es als Geländemerkmale bis heute sichtbare Grabhügel oder Befestigungswerke, spielen im sog. sanften Tourismus eine zunehmende Rolle. Aber auch für Schulausflüge und Gruppenreisen gehören Bodendenkmäler zum festen Zielrepertoire. Dabei stimmt die gefühlte Bedeutung, resultierend aus der Bekanntheit aus Schulunterricht, Heimatliteratur und Kulturführern sowie der Zugänglichkeit, häufig nicht mit dem tatsächlichen Erhaltungszustand überein.

 



Das Buch bietet natürlich eine letztlich subjektive Auswahl des Autors. Mir schien es wichtig die gesamte Bandbreite der Epochen von der Altsteinzeit bis in das frühe Mittelalter, von den Anfängen des mitteleuropäischen Menschen bis zum Ende des 1. Jts. n. Chr., einzuarbeiten. Andererseits sollte die Reichhaltigkeit der österreichischen Landschaft mit ihren Klimazonen mit dem relativ offenen Alpenvorland samt dem Donautal und der böhmischen Masse, mit den von Seen und Flusstälern durchzogenen Hoch- und Mittelgebirgen der Ostalpen, mit der fruchtbaren pannonischen Ebene, auch in ihrer archäologischen Vielfalt zur Geltung gebracht werden. Nicht zuletzt galt es, einigermaßen Ausgewogenheit zwischen den Bundesländern herzustellen. Vor allem aber mussten die unterschiedlichen Typen der Siedlungen, Fluchtpunkte in Steinzeithöhlen, in Seen versunkene Pfahlbauten, metallzeitliche Höhensiedlungen, römische Städte, spätantike Wallfahrtsorte und mittelalterliche Pfalzen und Klöster sowie die damit verbundenen Kult- und Wehranlagen, Gräber, Villen, Wirtschafts- und Technikbauten, Bergwerke, Straßen und Herrschaftsplätze dargestellt werden.



Darum möge man verzeihen, wenn irgendjemandes Lieblingsplatz fehlt, dafür mag so manch Neues zu entdecken sein. Und ebenso möge man mir nachsehen, wenn ich mir in manchen Fällen aus dem Erfahrungsschatz meiner Berufslaufbahn als Archäologe erlaubte, die in der Fachliteratur gegebenen Interpretationen und im Lokalbewusstsein verankerten Deutungen zu hinterfragen und Alternativen anzubieten.








Abb. 1

 Nachbau eines neolithischen Langhauses im Urgeschichtepark MAMUZ in Asparn/​Zaya.










Westösterreich









Vorarlberg





01


Bregenz



02


Rankweil-Brederis



03


Göfis







Tirol





04


Fliess und Piller Sattel



05


Birgitz



06


Volders – Wattens



07


Dölsach – Aguntum



08


Lavant







Kärnten





09


St. Peter in Holz – Teurnia



10


Spittal an der Drau



11


Dellach – Gurina



12


Keutschacher See



13


Maria Saal – Virunum



14


Maria Saal



15


Magdalensberg



16


Globasnitz-Hemmaberg







Salzburg





17


Dürrnberg bei Hallein



18


Salzburg



19


Obertauern



20


Uttendorf





Ostösterreich









Oberösterreich





21


See



22


Weyregg am Attersee



23


Altheim-Weirading



24


Wels



25


Linz



26


Enns-Lorch



27


Wurzeralm



28


Hallstatt







Steiermark





29


Sölkpass



30


Strettweg-Judenburg



31


Mixnitz-Röthelstein



32


Grossklein



33


Frauenberg-Seggauberg



34


Semriach



35


Hartberg-Ringkogel



36


Hartberg-Löffelbach







Burgenland





37


Bruckneudorf



38


Unterrabnitz



39


St. Martin an der Raab







Niederösterreich





40


Asparn an der Zaya



41


Oberleis



42


Wachau



43


Heldenberg



44


Petronell-Carnuntum



45


Zeiselmauer



46


Tulln



47


Traismauer



48


Mautern



49


Schwarzenbach







Wien





50


Wien, Innere Stadt













Schon von Drusus, dem Stiefsohn des Augustus, beim Alpenfeldzug 15 v. Chr. als Etappenort gegründet, erlangte der Ort in der Spätantike erneut als Militärplatz Bedeutung. Jetzt mussten die Römer schrittweise vor den Alamannen zurückweichen.








01

BREGENZ – BRIGANTIUM: ROMS ERSTE UND LETZTE BASTION IN DER PROVINZ RAETIA





Vorarlberg





Erste Ausgrabungen in der Bregenzer Innenstadt fanden schon seit der Mitte des 19. Jhs. durch den reichen Stofffabrikanten Samuel Jenny statt. Die Siedlungsschwerpunkte des römischen

Brigantium

 lagen am sog. Ölrainplateau und in der sog. Oberstadt sowie am Bodenseehafen. Die Ergebnisse der intensiven Grabungstätigkeit sind teilweise in ihrer Interpretation sehr umstritten, die Befunde sind großteils durch moderne Bautätigkeit verschwunden oder mussten wieder zugeschüttet werden.



Um 15 v. Chr. wurde das Gebiet infolge des Alpenfeldzugs unter Drusus, dem jüngeren Stiefsohn des Kaisers Augustus, von den Römern erobert. Zunächst entstand ein Militärlager auf dem Ölrain, etwa im Bereich der ehemaligen Krankenhausgründe südwestlich der Josef-Huter-Straße. Es diente einer 500 Mann starken Truppe (Ausmaße ca. 196 × 140 m) und war in Holz-Erde-Technik mit zwei umgebenden Spitzgräben errichtet. Hier fanden bis 2012 erneut großflächige, noch nicht umfangreich publizierte Ausgrabungen statt. Eventuell gab es bereits auch ein frühes Hafenkastell. Mit dem Vorschieben der rätischen Provinzgrenze an die Donau entstand im 2. Jh. n. Chr. eine reine Zivilsiedlung, die sich aus dem Lagerdorf am Ölrain entlang einer Durchzugsstraße entwickelte. Ungefähr beim heutigen Grundstück Ölrain 13 lag ein ausgedehntes, heute wieder verschüttetes Forum (96,5 × 54,6 m). Die öffentlichen Thermen befanden sich südwestlich des Forums, direkt an der Hauptstraße, auf dem Areal des heutigen evangelischen Friedhofs. Die evangelische Kirche wurde nach den Ausgrabungen Samuel Jennys über einem besonders großen Saal der Thermen (Raum mit dem Kaltwasserbecken oder Eingangshalle?) errichtet. Abgesehen vom Grundriss ist nur wenig von dieser Anlage bekannt. Auch die Datierung des Bauwerks ist unklar. Das Hauptgebäude (20 × 20 m) bestand aus neun teilweise beheizbaren Räumen.



Der einzige sichtbare und zugängliche Befund der römischen Zeit in Bregenz ist die sog. Villa am Steinbühel, die in ihrem erhaltenen Grundriss um 80 n. Chr. errichtet worden sein dürfte und bis in das 2. Jh. n. Chr. genutzt wurde. Die Mauerreste wurden erstmals 1884 von Samuel Jenny untersucht und zwischen 1980 und 1990 beim Bau des City-Tunnels erneut freigelegt und konserviert. Die älteren Deutungen reichen von einer Funktion als Hafenkaserne oder einem Lagerhospital bis zu einem Zentrallager für importiertes Olivenöl und andere Waren. Der äußerst luxuriös ausgestattete, 2.600 m

2

 große Komplex ist typologisch als

Villa suburbana

 zu bezeichnen und bestand aus 24 Zimmern, die sich um einen 10 × 20,8 m großen Hof gruppierten. Vermutlich war das Hauptgebäude einstöckig und mit einem Satteldach abgedeckt. In einem der Räume fanden sich Reste einer Toilettenanlage. Der Innenhof selbst war zusätzlich an allen Seiten von pfeilergestützten Wandelhallen (

porticus

) umgeben, die von einem Pultdach abgedeckt waren. Zum Seeufer hin erstreckte sich noch eine Gartenanlage, die ebenfalls von einer

porticus

 mit 2,8 m hohen Säulen umgeben war. Die Eingangshalle im Osten zur Stadt hin wies hingegen 18 Säulen mit wahrscheinlich 5,6 m Höhe auf. Die Wirtschaftsräume befanden sich im Nordflügel des Gebäudes. Knapp nordwestlich stand eine Thermenanlage, die mit ziemlicher Sicherheit ebenfalls zum Gebäudekomplex der Stadtvilla gehörte. Die Größe und Lage deuten darauf hin, dass der Baukomplex als regionaler Sitz der Provinzialverwaltung diente und hier die zentralen Warentransporte für das Militär ebenso wie die Steuerleistungen der Provinzialbevölkerung gelagert worden sein dürften.








Abb. 2

 Bregenz, Steinbühel (Cityknoten), konservierte Grundmauern eines ausgedehnten römischen Baukomplexes mit zentralem Säulenhof.



Vom Hafenkastell am Leutbühel, im Bereich der Fußgängerzone im Zentrum von Bregenz, wurden zwar mehrere, bis zu 31 m lange Mauerstücke ausgegraben, doch heute ist davon im Stadtbild nichts direkt sichtbar. Im Straßenpflaster markieren aber farbige Bereiche die bekannten Mauerabschnitte. Dieses Hafenkastell,

Brecantia

, das zur Kastellkette des Donau-Iller-Rhein-Limes gehörte und den Abschnitt der Reichsgrenze an Oberrhein und Bodensee sichern sollte, wurde unter Valentinian I. (364–375 n. Chr.) errichtet. Das Fälldatum der Bäume, die für den Fundamentrost als Piloten in den Boden geschlagen wurden, liegt nach Jahresringuntersuchungen im Bereich um die Jahre 362–382 n. Chr. Die Ausmaße des Kastells dürften etwa 70 × 50 m betragen haben, die Stärke der Wehrmauern betrug nach Ausgrabungsergebnissen bis zu 4 m. Vermutlich wurde die Anlage an den Ecken noch durch vier große, vorkragende Türme verstärkt. Die Tore lagen im Nordwesten und Südosten der Mauer. Die meisten Kasernen und Zweckbauten im Inneren dürften mit ihrer Rückwand an die Kastellmauer angebaut gewesen sein. Die hier stationierte Truppe wird in der

notitia dignitatum

 (occ 35. 32) als

numerus barcariorum

 bezeichnet; der zu dem damals

Brecantia

 genannten Kastell gehörende primitive Hafen bot etwa 10 Schnellbooten (

naves lusoriae

) Platz.

 



Die zugehörige spätantike Zivilsiedlung lag in der Oberstadt von Bregenz, wo von vielen Archäologen auch ein Kastell vermutet wurde. Da im 3. Jh. n. Chr. die Einfälle der Alamannen zu unruhigen Zeiten für Raetien führten, wurde die Siedlung am Ölrainplateau aufgegeben. Die Bevölkerung zog sich in die Oberstadt zurück, die aufgrund ihrer Lage viel besser zu verteidigen war. Aufgrund der späteren mittelalterlichen Überbauung sind archäologische Befunde jedoch rar. Immerhin wurde an drei Stellen eine 1,5 m dicke Mauer (eines Kastells?) angeschnitten. In der Nähe des späteren Martinsturms wurde eine kleine Badeanlage festgestellt.



Ein Modell des antiken Ortsbildes, die Funde aus der Siedlung und dem gut erforschten Gräberfeld am Ölrain, einige wichtige Inschriften wie eine Ehrung des jüngeren Drusus, Sohns des Tiberius, oder der Nachweis eines Vereins der italischen Händler, sind im Vorarlberg Museum ausgestellt.





Adresse





voralberg museum -

 Kornmarktplatz 1



6900 Bregenz





http://www.vorarlbergmuseum.at/







Literatur





S. Deschler-Erb – Ch. Ertel – V. Hasenbach, Kaiserkultbezirk und Hafenkastell in Brigantium. Ein Gebäudekomplex der frühen und mittleren Kaiserzeit, Konstanz 2011; J. Kopf, Indizien für Militärpräsenz im frühkaiserzeitlichen Fundmaterial Brigantiums, in: U. Lohner-Urban – P. Scherrer (Hg.), Der obere Donauraum 50 v. bis 50 n. Chr, Berlin 2015, S. 199–216.











Ein römisches landwirtschaftliches Anwesen mit zahlreichen Gebäuden, die in der Spätantike und im Mittelalter phasenweise als Schmiede fungierten. Wozu aber dienten die einzelnen Gebäude ursprünglich? – Antworten auf eine archäologische Spurensuche.







02

RANKWEIL-BREDERIS, RÖMISCHE VILLA – ZWEI BÄDER FÜR EIN BAUERNHAUS?





Vorarlberg





Inmitten einer immer noch vor allem der Landwirtschaft dienenden Ebene im Westen von Rankweil, im Ortsteil Brederis, wurde bereits 1954 ein römisches Gebäude ausgegraben und seine Grundmauern konserviert. Es handelt sich im erhaltenen spätantiken Bauzustand um ein für die römische Kaiserzeit typisches Mittelflurhaus mit zwei Zweiraumgruppen, von denen die südliche beheizt werden konnte und mit einer nach Süden vorspringenden Apsis ausgestattet war. Mitsamt einer heute im konservierten Befund nicht nachvollziehbaren Vorhalle an der Ostseite wies das Gebäude eine Grundfläche von etwa 18 × 20 m auf. Lange Zeit dachte man, das Wohngebäude eines antiken Bauernhofs gefunden zu haben. Im 8./​9. Jh. wurde in den Ruinen ein einzelner erwachsener Mann bestattet, im ausgehenden Spätmittelalter diente das immer noch nutzbare Gemäuer einem Grobschmied; das Haus stand also etwa 1.400 Jahre irgendwie und mit Unterbrechungen in Verwendung.



Erst von 1997 an wurde über zehn Jahre lang ein direkt nördlich benachbartes Gebäude erforscht, das sich bald als der eigentliche Bauernhof vom weit verbreiteten Typ der Porticus-Eckrisalit-Villa herausstellte. Im Vollausbau des 2./​3. Jhs. n. Chr. lag eine repräsentative, nach außen offene Säulenhalle (

porticus

) zwischen zwei annähernd quadratischen Wohntürmen (Risaliten) mit jeweils ca. 25 m

2

 Innenraum. Diese dürften nach Parallelen mindestens ein, eher zwei Obergeschosse besessen haben, der südliche war außerdem im Erdgeschoss beheizt. Zur Vergrößerung des Wohnraums wurde in der Südostecke des Hofes ein weiterer beheizbarer Raum eingebaut. Wie bei vielen solcher Villen gab es auch hier im älteren Bestand des 1./​2. Jhs. n. Chr. nur einen unbeheizten Risalit. Der Einbau von Fußbodenheizungen in Wohnräume ab dem späten 2. Jh. n. Chr. hängt mit einer deutlichen Klimaverschlechterung zusammen, die von der Forschung mit Vulkanausbrüchen ungeheurer Ausmaße bald nach 180 n. Chr. in Neuseeland und Südamerika in Zusammenhang gebracht werden.








Abb. 3

 Rankweil-Brederis, römische Villa: Im Vordergrund das Nebengebäude mit Apsis, in der Bildmitte der auch als Blickfang dienende turmartige Schutzbau über dem Haupthaus.



Den größten Teil des Gebäudes nahm der ummauerte Hof ein, der in der Spätantike gepflastert und mit einer großen Feuerstelle ausgestattet worden war, und in dessen Umgebung Eisenschlacken auf Schmiedetätigkeiten hinweisen. In früheren Phasen wies der Hof einen Lehmboden auf, was etwa mit einer Funktion als Tenne, zum Trennen von Spreu und Getreidekörnern, in Einklang stünde. Entlang der Hofwände deuten Pfostenstellungen eine innen umlaufende Hallenstruktur an, wohl um Gerätschaften, Vorräte und Brennholz trocken und windgeschützt zu lagern bzw. Kleintierhaltung zu betreiben.



Im 4. Jh. n. Chr. scheint das südliche Bauwerk die Funktion als Wohnhaus von den Risaliten im Haupthaus übernommen zu haben, es könnte aber auch schon vorher als Wohnraum gedient haben, etwa für das Verwalterehepaar. Dieses bewirtschaftete den Hof, da vornehme Römer dies nicht selbst taten. Dafür liegt es aber unüblich nahe am Haupthaus, von der Lage her würde man hier eher ein Bad erwarten. Tatsächlich ähnelt das Gebäude im Grundriss auch einer solchen Anlage mit zwei beheizten Räumen, insbesondere die nach Süden vorspringende Apsis wäre ein typischer Ort für ein Warmwasserbecken. Vielleicht gab es aber auch Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung oder Probleme mit dem verfügbaren Wohnraum.



Tatsächlich wurde im Jahre 2006 in einer Entfernung von etwa 200 m im Osten vom Haupthaus bei der Anlage des Golfplatzes ein Badegebäude entdeckt. Der unüblich große Abstand vom Haupthaus wird von den Ausgräbern damit erklärt, dass dies die wasserreichste Stelle des Grundstücks gewesen sei. Das Bad weist die üblichen fünf Räume in zwei parallelen Raumreihen (Blocktypus) auf, drei davon mit Fußbodenheizungen. Der Umkleideraum (

apodyterium

) und der Raum mit dem Kaltwasserbecken (

frigidarium

) lagen im Westen, dann ging man weiter zu einem beheizten Aufenthaltsraum (

tepidarium

), darauf zum Raum mit der wegen der Temperaturausnutzung nach Süden ausgerichteten Warmwasserwanne und gelangte schließlich in einen kleinen Heißluftraum ähnlich einer modernen Sauna (

laconicum

).



Der Bauernhof liegt im Einzugsbereich auf der sog. Tabula Peutingeriana, einer auf die Antike zurückgehenden Landkarte, in dieser Gegend verzeichneten Ortschaft

Clunia

. Diese ist wahrscheinlich im heutigen Feldkirch, 1,5 km weiter im Süden anzusiedeln, wie etwa der ausgedehnte römerzeitliche Baukomplex „Uf der Studa“ in Feldkirch-Altenstadt nahelegt.



Ein kleiner Teil im Südost-Eckbereich des Hofgebäudes wurde mit einem turmartig in die Landschaft ragenden Schutzbau (implantierte, begehbare Skulptur aus COR-TEN-Stahl von Marte. Marte Architekten ZT GmbH) versehen, um Originalbausubstanz zeigen zu können. In einer „Vitrine“ daneben werden Nachbildungen von Funden aus der Villa gezeigt. Alle übrigen Mauern der drei römischen Bauten wurden winterfest neu aufgemauert und solcherart sichtbar konserviert.








Abb. 4

 Blick auf die implantierte, begehbare Skulptur aus COR-TEN-Stahl von „Marte. Marte Architekten ZT Gmbh“ über der Villa in Rankweil-Brederis.





Adresse





6830 Rankweil

 Kirchstraße,

 beim Sportplatz Brederis und auf dem Gelände des Golfplatzes



http://www.rankweil.at/​nexus4/​Web Objects/​xCMS4.woa/​wa/​article?id=45944 &rubricid=68&menu id=1326

.





Literatur





J. Pöll (Hg.), Archäologische Forschungen bei der Römervilla in R