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Friedrich Arnold Brockhaus - Erster Theil

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Ich bin seit meinem vorigen Briefe ein paar mal in Leipzig gewesen, wo ich auch jetzt mich schon wieder seit acht Tagen befinde, um mehrere Expeditionen zu beschleunigen und vieles Andere zu reguliren, da die Niederlage muß geräumt werden und hundert andere Dinge zu thun sind.

Seit jenem Briefe hat sich in den dort geschilderten Verhältnissen viel geändert und zum Guten, sodaß ich hoffen darf, es werde sich Alles schön und edel lösen. Ludwigs kamen den 4. September zurück. Ich war in Leipzig und kam erst den 8. wieder nach Altenburg. Meine Freundin hatte sich ihnen gleich erklärt und mit der entschiedensten Energie sich ausgesprochen, daß nichts sie zurückhalten würde, ihr Leben mit dem meinigen zu vereinigen, wenn meine bürgerlichen Verhältnisse sich ordnen ließen. Ludwigs hatten es gut aufgenommen und ihr allen Beistand zugesagt.

Zu den »Widersachern«, von denen er mehrfach spricht, gehörte besonders der mit dem Ludwig'schen Hause eng befreundete Bankier August Reichenbach. Indessen gelang es Brockhaus und Frau Ludwig, auch ihn zu gewinnen, ja er wurde ihm bald ein treuer Freund, der ihn auch materiell durch Credit bei seinen Verlagsunternehmungen unterstützte.

Wie sehr Brockhaus seine künftige Schwägerin Frau Ludwig verehrte, zeigt folgendes Gratulationsschreiben, das er zu ihrem Geburtstage, 27. December 1811, an sie richtete:

Als ich vor einem Jahre der »Schönen und Guten« am heutigen Tage ein Zeichen meiner Verehrung brachte, wie wenig kannte ich da noch den Umfang Ihres herrlichen Geistes, den Adel Ihrer Seele, die Tiefe Ihres Gemüths, die Wärme Ihres Herzens, die, zusammen vereint, Sie zum Stolze und zur Ersten Ihres Geschlechtes machen, und Allen, die Ihnen nahen und die Ihnen angehören, der sicherste Leitstern sind fürs eigene Streben. Sie werden heute vielfach begrüßt werden, liebe Ludwig, und gewiß von Vielen in Liebe und Treue und Wahrheit. Ich geselle mich zu den Vielen, und in kunstloser Rede sage ich Ihnen denn auch, Keinem wenigstens an Wahrheit, Treue und Freundschaft nachstehend, wie sehr ich Sie verehre und wie meine heißesten Wünsche für Ihr Glück, für Ihren Seelenfrieden, für Ihr Wohlsein sich mit denen Ihrer ältern und besten Freunde vereinigen! Seien Sie so glücklich, als Sie verdienen es zu sein!

Wie fern stand ich Ihnen vor einem Jahre! Wie unglücklich war ich damals! Vieles, wie Vieles hat sich in den schnell verflossenen Monden geändert! Ich sehe für mich die Morgenröthe eines neuen Glücks aufgehen, das um so größern Reiz für mich haben wird, je näher ich Ihnen, Verehrte, dadurch zu stehen komme!

Möge ich Sie zur nächsten Feier des heutigen Tags mit einem Namen begrüßen dürfen, der für mich, außer dem Herrlichen, was er an sich in sich faßt, die schönste Lebensmusik sein wird.

Im Laufe dieses und des folgenden Jahres hatten sich Brockhaus' geschäftliche Verhältnisse immer mehr befestigt. Die Verlobung wurde jetzt veröffentlicht und den Verwandten und Freunden mitgetheilt. Von allen Seiten kamen herzliche Glückwünsche; der kurze, aber treffende Glückwunsch eines dortmunder Jugendfreundes, Johannes Rappe, an Brockhaus lautete:

Dein Genie hat Dich durch so mancherlei Labyrinthe des bürgerlichen Lebens gejagt und geführt, daß Du meinen Glückwunsch zu Deinem frohen Lebensgenuß in ruhiger Wirksamkeit für aufrichtig anerkennen und Deiner praktischen Vernunft zur Ausführung anvertrauen wirst.

Auch sein Bruder Gottlieb schrieb sehr herzlich, und die in Dortmund noch weilenden drei Kinder feierten dort die Hochzeit ihres Vaters wol deshalb besonders freudig, weil sie ihnen die Aussicht bot, wieder eine Mutter zu bekommen und nunmehr bald in das älterliche Haus zurückkehren zu können.

Die Hochzeit fand in Altenburg am 26. November 1812 statt, unter regster Theilnahme der neuen und alten Freunde des Bräutigams, die sich in zahlreichen ernsten und humoristischen Gedichten kundgab.

Mit Bedauern vermißte Brockhaus unter seinen anwesenden Freunden den Professor Ersch aus Halle. Derselbe war im September bei ihm zu Besuch gewesen und hatte ihm dann geschrieben:

Immer wird die Erinnerung meines Aufenthalts in Altenburg an die erfreulichsten meines Lebens sich anreihen; immer werde ich mit frohem Gefühle der Stunden denken, in welchen ich Bekanntschaften mit guten Menschen erneuerte und stiftete.

Jetzt durch Krankheit abgehalten, an der Hochzeit theilzunehmen, schrieb er an Brockhaus aus Halle vom 21. December:

Wahrlich, Sie hätten nicht nöthig gehabt, durch Ihre Nachrichten von Ihrer frohen Hochzeit und den Feierlichkeiten, mit welchen Ihre Freunde sie ausstatteten, meine Trauer über die Entbehrung dieser Freuden zu schärfen, und doch waren sie mir ungemein lieb und interessant, vorzüglich erfreuend aber die Bemerkung, daß Sie und Ihre gute Jeannette in Altenburg so viele Freunde haben. Wer, wie ich, den höchsten Lebensgenuß in dem Besitz von Freunden findet, weiß dies Gut zu würdigen.

Die nächsten vier Jahre, 1813-1816, verbrachte Brockhaus meist in Altenburg, im ruhigen Genusse seiner neuen Häuslichkeit, aber auch in angestrengter Thätigkeit für den Wiederaufbau seines Geschäfts und unter lebhafter Theilnahme an den großen Ereignissen dieser Zeit. Außer häufigen Fahrten nach Leipzig machte er nur im Sommer 1814 in Erbschaftsangelegenheiten seiner Frau eine dreimonatliche Reise nach Stuttgart, Augsburg und München, von wo er über Strasburg, Frankfurt a. M. und Braunschweig zurückkehrte, und kleinere Ausflüge nach Dresden, Weimar, Dessau, Wittenberg, Berlin.

Von seinen Kindern hatte er Auguste und Hermann im April 1814 von Dortmund nach Altenburg kommen lassen, während Heinrich erst im Mai 1816 folgte und die jüngste Tochter, Sophie, endlich im August 1817 von ihrem ältesten Bruder Friedrich aus Amsterdam abgeholt und nach Altenburg gebracht wurde. Friedrich war im Herbst 1813 zu dem Pastor Schlosser in Großzschocher bei Leipzig gekommen, wo er mit andern Knaben zusammen erzogen und unterrichtet wurde; zu Neujahr 1816 nahm ihn auf Wunsch seines Vaters der mit diesem befreundete und schon seit der amsterdamer Zeit einen großen Theil seiner Verlagswerke druckende Buchhändler und Buchdrucker Hans Friedrich Vieweg in Braunschweig zu sich in die Lehre; er sollte hier gleichzeitig mit Vieweg's fast gleichaltrigem Sohne Eduard die Buchdruckerkunst erlernen, weil sein Vater die Absicht hatte, mit dem immer größere Ausdehnung erlangenden Verlagsgeschäfte eine Druckerei zu errichten. Der jüngste Sohn Hermann erhielt mit den Ludwig'schen Kindern zusammen Privatunterricht und kam später gleich seinem ältern Bruder Heinrich, der an diesem Unterrichte auch mit theilnahm, in die Erziehungsanstalt zu Wackerbarthsruhe bei Dresden Die älteste Tochter Auguste wurde im Januar 1815 in eine Pension nach Dresden gebracht und war dort bis zur Uebersiedelung ihres Vaters nach Leipzig; die zweite Tochter, Karoline, blieb in Altenburg.

Von seiner Frau wurden ihm in dieser Zeit zwei Kinder geboren, Alexander und Luise, die aber bald wieder starben, ersterer am 20. August 1814, letztere am 4. August 1818. Später wurden ihm noch zwei Töchter geboren: Johanne Wilhelmine am 29. December 1817 noch in Altenburg und Marie Ottilie am 18. Mai 1821 in Leipzig.

Brockhaus' langjähriger vertrauter Gehülfe und treuer Freund Bornträger war nach dem Verkaufe des amsterdamer Geschäfts noch bis zum Frühjahre 1812 in Amsterdam geblieben, um die von dem Käufer, Johannes Müller, nicht mit übernommenen Außenstände einzuziehen und alle sonstigen Verhältnisse daselbst zu regeln. Als ihm dies gelungen war und er am 4. März 1812 den schon früher erwähnten Vertrag mit dem amsterdamer Buchhändler Sülpke abgeschlossen, schrieb ihm Brockhaus offen: er könne ihm augenblicklich keine feste Stellung in Altenburg anbieten, da seine Verhältnisse noch zu wenig consolidirt seien, und rathe ihm seiner selbst wegen eine andere Condition anzunehmen, zu deren Erlangung er ihm gern behülflich sein werde; für alle Fälle sei ihm in seinem Hause ein Asyl gesichert. Durch diese Mittheilung und wol auch durch manche Vorwürfe verletzt, die ihm während der allerdings sehr schwierigen Zeit seiner Geschäftsführung gemacht worden waren, kündigte Bornträger und nahm eine untergeordnete Stellung bei dem Buchhändler Tasché in Gießen an. Er schrieb aber bald darauf selbst an Brockhaus, daß er seinen Entschluß bereue, und in spätern Jahren, bei Bornträger's regelmäßigem Besuche der leipziger Messe, glichen sich alle Differenzen zwischen ihnen vollständig aus. Bornträger rühmt selbst in einem spätern Briefe, er habe sich der Freundschaft seines frühern Principals bis zu dessen Tode zu erfreuen gehabt.

In Gießen blieb Bornträger bis Anfang 1815, ging dann nach Berlin zu Amelang und errichtete 1818 in Gemeinschaft mit seinem jüngern Bruder Ludwig in Königsberg unter der Firma Gebrüder Bornträger eine Sortimentsbuchhandlung, mit der bald auch Verlagsbuchhandel vereinigt wurde. Diese Buchhandlung leitete er erst mit seinem Bruder, dann nach dessen Tode (1843) allein bis zu seinem am 6. März 1866 in hohem Alter (er war am 17. September 1787 zu Osterode am Harz geboren) erfolgten Tode und wußte seiner (noch jetzt unter einem andern Besitzer in Berlin fortblühenden) Verlagsbuchhandlung Ansehen zu verschaffen; sein Sortimentsgeschäft war schon 1842 an Tag & Koch verkauft worden. Auch persönlich genoß er hohe Achtung bei seinen Mitbürgern, die ihn 1843 zum Stadtrath wählten.

Die Verdienste, die sich Bornträger um Brockhaus als treuer Freund und Berather in schwieriger Zeit erworben, werden auch von dessen Nachkommen vollkommen gewürdigt und sein Andenken wird bei ihnen stets in Ehren gehalten werden.

 

Bornträger's Nachfolger als Brockhaus' vertrauter Gehülfe und bald in noch höherm Grade wie dieser als Freund des Hauses wurde Karl Ferdinand Bochmann, der am 10. Juli 1813 in das Geschäft eintrat. Am 11. Februar 1788 zu Thurm bei Glauchau geboren, hatte er in der Buchhandlung des Magister Sommer in Leipzig sechs Jahre lang den Buchhandel erlernt und dann, von Wanderlust getrieben, im August 1808 eine Gehülfenstelle in Amsterdam bei dem Buchhändler Hesse angenommen. Bezeichnend für die damaligen Verhältnisse ist es, daß Hesse mit seinem neuen Gehülfen einen förmlichen Vertrag abschloß, in dem sich dieser verpflichten mußte, sich niemals in Amsterdam zu etabliren, ja selbst »nie mit den Principalen der andern zwei dortigen deutschen Buchhandlungen und mit deren Leuten sich einzulassen und allen Umgang mit denselben zu vermeiden, ansonsten Er augenblickliche Entlassung seiner Condition zu erwarten hat«. Trotzdem war er in Amsterdam mit Brockhaus bekannt geworden. Als Hesse im Sommer 1813 seine amsterdamer Buchhandlung aufgab und nach Paris zog, nahm Bochmann die ihm jetzt durch Vermittelung seiner an Dr. Bernhardi in Altenburg verheiratheten Schwester angebotene Stelle bei Brockhaus um so lieber an, als es ihm bei den aufgeregten politischen Verhältnissen Hollands in Amsterdam nicht mehr gefiel und er sich nach der Heimat sehnte. War er doch 1809 sogar gezwungen worden, in die amsterdamer Bürgerwehr (Schutterij) einzutreten. So ergriff er am 11. Juni 1813 den Wanderstab und legte die Reise nach Altenburg, wo er am 26. Juni eintraf, zu Fuße zurück. Ueber seine Wanderung wie über die nächste so ereignißreiche kriegerische Periode führte er ein Tagebuch, das manches Interessante enthält. Er gewann bald Brockhaus' vollständiges Vertrauen und war schon während der altenburger Zeit dessen Hauptstütze im Geschäft.

Außer Bochmann hatte Brockhaus noch zwei Männer an sich gezogen, die ihn bei seiner literarischen und redactionellen Thätigkeit unterstützten, während Bochmann das rein Buchhändlerische besorgte: Dr. Ludwig Hain, der im August 1812 eintrat, um ihn zunächst bei der Redaction des »Conversations-Lexikon«, später auch bei der Herausgabe der »Deutschen Blätter« zu unterstützen, und bis 1820 bei ihm blieb, und Dr. Sievers, der im Herbst 1813 zu Hain's Unterstützung kam, seine Stellung aber schon 1815 wieder aufgab.

Während dieser Zeit vollzog sich auch die Umänderung der bisherigen Firma des Geschäfts »Kunst- und Industrie-Comptoir« in die seitdem beibehaltene Firma: »F. A. Brockhaus.« Und zwar erfolgte diese Umänderung in ganz formloser Weise, da man überhaupt auf alle solche Dinge damals wenig Gewicht legte.

Wie schon früher erwähnt, gebrauchte Brockhaus seit Aufgabe des amsterdamer Geschäfts die Firma desselben auch in Altenburg noch fort, nur mit einem Zusatz, indem er »Kunst- und Industrie-Comptoir von Amsterdam« firmirte und auf den Büchertiteln bald Altenburg, bald Leipzig, bald beide Städte als Verlagsort nannte. In einem vom 15. Januar 1814, und noch dazu nicht aus Altenburg, sondern aus Leipzig (wo sich Brockhaus damals zufällig befand), datirten Circulare über Rechnungsverhältnisse finden sich am Schluß ganz beiläufig folgende Zeilen:

Noch bemerken wir Ihnen, daß wir von jetzt an blos nach dem Eigenthümer unserer Handlung mit F. A. Brockhaus firmiren werden.

Diese Firmenzeichnung findet sich seitdem auf allen seinen Verlagsartikeln, im Anfang noch abwechselnd mit »Altenburg« oder »Leipzig« oder beiden Städten als Verlagsorten, seit 1817 meist und seit 1819 ausschließlich mit dem Verlagsort »Leipzig«.

2.
Neue Verlagsthätigkeit

In Altenburg entfaltete Brockhaus, sobald er die Verwickelungen aus der amsterdamer Periode zum Abschluß gebracht, gleich eine überaus rege und umfassende Thätigkeit. Mit neuer Kraft und mit gewohnter Energie gelang es ihm, von dem rasch wiederkehrenden Vertrauen der Buchhändlerwelt gehoben und von seinen neugewonnenen Freunden in Altenburg moralisch und materiell unterstützt, sein Verlagsgeschäft bald zu größerer Bedeutung zu bringen, als es in Amsterdam gehabt, und dadurch auch seine äußere Lage wieder zu einer günstigen zu gestalten.

Seine Verlagsthätigkeit in dieser altenburger Periode erstreckte sich besonders nach drei Richtungen hin. Die eine umfaßt seine Thätigkeit auf politisch-publicistischem Gebiete während der ereignißreichen und für Deutschland so hochbedeutsamen Jahre 1813-1815. Die zweite Hauptthätigkeit betrifft das »Conversations-Lexikon«, das er wesentlich in diesen Jahren zu dem gestaltete, was es für ihn und für die deutsche Literatur geworden ist. Die dritte Seite endlich ist die seiner allgemeinen Verlagsthätigkeit auf fast allen Gebieten der Literatur.

Die beiden ersten Gruppen einer schon durch ihre Wichtigkeit geforderten eingehendem Schilderung vorbehaltend, beginnen wir mit der dritten, auch der Zeit nach den andern beiden meist vorangehenden Gruppe.

Zunächst hatte Brockhaus noch Unannehmlichkeiten wegen zweier früher von ihm übernommener und von uns bereits erwähnter Verlagswerke, die im Herbste 1811 mit der Jahreszahl 1812 und unter der bekannten fingirten Verlegerfirma »Peter Hammer in Köln« erschienen waren: »Handzeichnungen aus dem Kreise des höhern politischen und gesellschaftlichen Lebens« und »Briefe eines reisenden Nordländers«.

Der ungenannte Verfasser des erstern Buchs ist auch unbekannt geblieben. Aus einer von Brockhaus selbst herrührenden Notiz geht nur hervor, daß die Hofräthin Spazier es vor dem Druck redigirt hatte und dafür 50 Thlr. »Redactionsgebühren« erhielt; verfaßt ist es von ihr schwerlich, vielleicht von dem Kriegsrath von Cölln. Das kleine Buch enthält eine Reihe meist hochgestellte Persönlichkeiten betreffender Anekdoten und Erzählungen, die, ihre Wahrheit vorausgesetzt, allerdings »zur Charakteristik der letzten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts« (wie noch auf dem Titel steht) dienen, aber zum Theil Skandale und Verbrechen unter voller Namensnennung der Betreffenden enthüllen und deshalb bei diesen wie im Publikum großes Aufsehen erregten. Der daraus entstandene Conflict mit dem Staatskanzler Fürsten Hardenberg, aus dessen früherm Leben eine pikante Anekdote erzählt wird, wurde bereits früher berichtet. Jetzt verursachte Fürst Hatzfeld in Berlin, von dessen verstorbenem Bruder in dem Buche ebenfalls eine schlimme Gerichte erzählt wird, dem Verleger ernstere Unannehmlichkeiten, indem auf seine Veranlassung dasselbe gleich den »Briefen eines reisenden Nordländers« in Leipzig mit Beschlag belegt wurde, nachdem er außerdem eine Klage gegen ihn anhängig gemacht hatte.

Die »Briefe eines reisenden Nordländers« sind von Reichardt, dem bekannten Musiker und Reiseschriftsteller, verfaßt, von dem Brockhaus bereits 1810 »Vertraute Briefe« über Wien und Oesterreich verlegt hatte, und waren, wie früher erwähnt, von Brockhaus selbst hervorgerufen worden. Das Buch erschien zuerst ebenfalls anonym, dagegen ist der Verfasser auf der (1816 veranstalteten) neuen Auflage genannt, wenn auch eigenthümlicherweise mit einem Druckfehler: Reichhardt statt Reichardt.

Ueber die Conflicte wegen dieser beiden Bücher schreibt Brockhaus am 5. December 1811 aus Altenburg an Bornträger:

Ich befinde mich hier seit wenigen Tagen in einer besondern Krisis. Von unserm Verlage haben die »Handzeichnungen« und die »Briefe des Nordländers« große Sensation gemacht. Von den ersten sind in Leipzig 73 Exemplare confiscirt und sind solche in vielen Orten verboten worden. Auch die »Briefe des Nordländers« sind in Leipzig vor der Hand verboten, doch nur erst dort, weil sie erst seit kurzem versandt sind. In Leipzig soll ich von der Büchercommission gar, wie Mitzky mir meldet, zu sechswöchentlichem prison verdammt worden sein, weil ich die Firma Peter Hammer gebraucht habe.

Auch bin ich direct vom Fürsten von Hatzfeld in Berlin wegen einer seinen verstorbenen Bruder betreffenden Anekdote in den »Handzeichnungen« auf rechtlichem Wege in Anspruch genommen worden, und habe ich deshalb heute eine Vernehmung zu erdulden gehabt.

Dies ist es indessen weniger, was mich afficirt gerade, ob ich gleich glaube, daß noch von vielen Seiten Reclamen wegen der »Handzeichnungen« erfolgen werden. Es schützt mich hier so ziemlich die passirte Censur und die Erlaubniß der Nennung des Verfassers, den ich aber bisjetzt noch nicht genannt habe.

Mehr bin ich besorgt wegen des »Nordländers« in Rücksicht des darin wehenden Geistes, ob ich gleich alle marquanten Stellen gestrichen habe. Die Gefahren scheinen aber demohnerachtet nicht unbedeutend zu sein, da besonders heute sehr schreckbare Nachrichten eingelaufen sind. So ist Hofrath Becker in Gotha vor drei Tagen durch 250, ich sage 250 Mann französische Dragoner aus der Residenz ohne Vorwissen des Herzogs und der Landesregierung aufgehoben und in Zeit von 10 Minuten aus der Stadt mit allen seinen Papieren fortgefahren worden, ohne daß man weiß wohin. So ist Hofrath Voigt in Jena wegen leichtsinniger Censur des dritten Bandes von Seume's »Reise nach Syrakus« ebenfalls beim Kopf genommen. In Leipzig ist, wie ebenfalls heute die Nachricht eintrifft, die alte Büchercommission cassirt und ein Einziger statt derselben angestellt worden mit den größten Vollmachten. Dieser Einzige heißt Brückner, das Alles ist, was ich bis zur Minute von ihm weiß.

Von Gotha war ich von unbekannter Hand von der Hatzfeld'schen Requisition vorab unterrichtet worden, und ich werde hier so leicht nichts zu fürchten haben, wenn Alles im gewohnten rechtlichen Wege ginge. Bei diesen außerordentlichen Begebenheiten ist aber für nichts zu stehen, und die Freunde und die Freundinnen beschwören mich, mich zu entfernen. Dies ist auch beschlossen, und werde ich eine längst vorgehabte Reise unternehmen.

Einige Tage darauf, am 11. December, schrieb Brockhaus:

Ich habe die Idee, die ich Ihnen neulich mittheilte, wieder aufgegeben, da mir die Gefahr bei näherer Ueberlegung minder dringlich scheint. Adressiren Sie indessen Ihre Briefe nur immerhin an Scholber48, da doch ein Fall eintreten könnte. Wegen Becker weiß man noch nichts Näheres. Man sagt, er sei nach Hamburg gebracht.

Rudolf Zacharias Becker, der bekannte Volksschriftsteller und Buchhändler, war auf Davoust's Befehl in Gotha verhaftet und nach Magdeburg gebracht worden, wo er bis zum April 1813 gefangen gehalten wurde; er hat dies selbst in der interessanten Schrift: »Becker's Leiden und Freuden in siebzehnmonatlicher französischer Gefangenschaft« (Gotha 1814), geschildert.

Wie die Angelegenheit mit jenen beiden Verlagswerken und speciell die Klage des Fürsten Hatzfeld schließlich für Brockhaus verlief, wissen wir nicht. Unter unsern Papieren findet sich darüber nur noch ein eigenhändiges Concept folgender am 5. März 1812 von Brockhaus der altenburger Regierung abgegebenen loyalen Erklärung:

Ich wiederhole vollkommen, was ich in der ersten Vernehmung vom 5. December v. J. hierüber bereits gesagt habe, und trage daher jetzt auf ein rechtliches Erkenntniß über diesen Gegenstand an, indem ich nur noch wünsche, daß mir gestattet werden möge, die Grundsätze, welche hier in Anwendung kommen könnten, meinerseits in einem mir zu bestimmenden Termine in einer nähern Deduction genauer zu entwickeln. Sollte dieses rechtliche Erkenntniß dahin lauten, daß seitens des Herrn Fürsten von mir, nach rechtlichen dabei eintretenden Grundsätzen, der oder die quästionirten Namen können verlangt und müßten mitgetheilt werden, so erkläre ich hierdurch ausdrücklich und bestimmt, daß ich mich demselben ebenso unweigerlich unterwerfen werde, als es mir jetzt unrechtlich und meine Pflicht als Verleger verletzend erscheinen würde, schon gegenwärtig darin dem Herrn Fürsten zu willfahren. Ich würde mir selbst, dem Verfasser oder den Personen, von welchen ich das quästionirte historische Factum in Manuscript erhalten habe, als feig und unedel erscheinen, wenn ich auf die bloße Instanz eines Individuums, das ich auch bei gleicher Namenslautung bisjetzt doch nur als dritte dabei nicht concernirte Person betrachten muß, gleich pliirte und den Verfasser dadurch vielleicht unmittelbar persönlichen oder Privatverfolgungen oder Ahndungen aussetzte, die ich von ihm oder ihnen so lange abzuwehren für meine Pflicht halte, als anerkannte rechtliche Grundsätze mich nicht dazu moralisch und bürgerlich verbinden. Der Herr Fürst kann sich übrigens ja auch vollkommen mit dieser Erklärung zufriedengeben. Entweder ist seine Frage rechtlich begründet, oder sie ist es nicht. Im erstern Falle wird das von mir provocirte rechtliche Erkenntniß ihm beistimmen, und ich, da alsdann meine Ehre als Verleger gegen den Verfasser gerettet ist, unterwerfe mich unbedingt dem Erkenntniß, soweit dasselbe die mir jetzt vorgelegte Frage betrifft. Im letztern Falle darf der Herr Fürst ja überhaupt keine Bewilligung seiner Instanz erwarten.

 

Ein wichtigeres Verlagsunternehmen, dem sich Brockhaus seit seiner Uebersiedelung nach Altenburg wieder mit Eifer widmete, und das er neben dem »Conversations-Lexikon« mit besonderer Vorliebe pflegte, war das von ihm begründete Taschenbuch »Urania«.

Der erste Jahrgang war unter dem Titel: »Urania. Taschenbuch für das Jahr 1810«, im Herbst 1809 erschienen und hatte viele Theilnahme gefunden. Das vom 1. September 1809 datirte Vorwort ist ohne Zweifel von der Hofräthin Spazier geschrieben und der Jahrgang auch von ihr zusammengestellt. Er wird durch einen Aufsatz von Jean Paul: »Erden-Kreis-Relazion« eröffnet, worauf andere abwechselnd prosaische und poetische Beiträge folgen: von Friedrich Kind, Charlotte von Ahlefeld, Theodor Körner, Luise Brachmann, Varnhagen, De la Motte Fouqué, Mahlmann, Apel u. a.. Die Ausstattung ist elegant: Miniaturformat, gutes Papier, scharfer Druck (wahrscheinlich von Vieweg in Braunschweig), hübsche Kupferstiche; das zierliche Bändchen wurde cartonnirt mit Goldschnitt ausgegeben.

Der zweite Jahrgang, in etwas größerm aber auch noch Miniaturformat, erschien erst zwei Jahre nach dem ersten, im Herbste 1811, unter dem Titel: »Urania. Taschenbuch für Damen auf das Jahr 1812«; er war gleichfalls noch von der Hofräthin Spazier zusammengestellt worden, doch übernahm Brockhaus selbst die schließliche Redaction und behielt diese für die Folge der Hauptsache nach in seinen Händen.

Im December 1811 erließ er eine Aufforderung an zahlreiche hervorragende deutsche Schriftsteller mit der Bitte um Beiträge für die »Urania«. Der nächste Jahrgang erschien aber erst 1814 (für das Jahr 1815), während inzwischen (1812) der zweite Jahrgang nochmals mit einem neuen Titel für 1813 und im Kriegsjahre 1813 überhaupt keiner ausgegeben wurde. Jene Einladung erging an Zschokke, Oehlenschläger, Kotzebue, August Wilhelm und Friedrich von Schlegel, Weißer, Haug, Therese Huber, Henriette Schubart, Amalie von Helvig u. a..

Auch an Baggesen schickte Brockhaus die in Circularform gehaltene Aufforderung und fügte selbst noch folgende Worte hinzu, die nach ihren frühern Zerwürfnissen ihm gewiß Ehre machen:

Es würde mich sehr freuen, mein guter Baggesen, wenn wir auf diesem Wege wieder zusammen in Berührung kämen. Wie Vieles hätte ich von Ihnen zu erfragen, wie Vieles Ihnen zu erzählen! Ich bin Ihnen mit alter Liebe und Freundschaft ergeben.

Ein Versuch, auch Goethe »für die 'Urania' zu erobern«, wie Brockhaus sich ausdrückt, schlug zwar in der Hauptsache fehl, verschaffte ihm aber doch die Gelegenheit, Goethe's persönliche Bekanntschaft zu machen. Wol hauptsächlich zu diesem Zwecke reiste er Anfang Januar 1812 nach Jena, Weimar und Gotha. In dem Jahrgange für 1812 hatte die »Urania« Scenen aus Goethe's »Wahlverwandtschaften« in acht Kupfern nach Zeichnungen von Dähling gebracht. Für den nächsten Jahrgang waren Darstellungen aus »Faust«, »Egmont« und »Tasso« gewählt, meist nach Zeichnungen von Heinrich Naeke in Dresden, und diese legte er jetzt dem Dichter vor. Nach seiner Rückkehr schrieb er an Naeke:

Goethe war mit Ihren ersten beiden Zeichnungen (zum »Faust«) sehr zufrieden, und er hat mir aufgetragen, Ihnen seinen Dank zu bezeugen. Ihr erstes Bild, das Puttrich gekauft, war auch in Weimar, und Schwerdgeburth hatte den Vorsatz, solches in großem Format in Kupfer zu stechen. Er wird aber wahrscheinlich diese Idee aufgeben, da ich auf eine andere gekommen bin: eine Goethe-Galerie in 12 oder 24 Blättern in der Größe Ihrer Zeichnungen herauszugeben, sobald die Zeitläufte eine solche Unternehmung nur einigermaßen begünstigen und das Publikum Ruhe findet, sich dafür interessiren zu können. Mündlich, da ich Sie bald persönlich zu sehen hoffe, hierüber mehr.

Der Plan einer »Goethe-Galerie« in größern Kupferstichen kam nicht zur Ausführung, zunächst wol der bald folgenden Kriegsjahre wegen. Er ist, wie so manche von Brockhaus gefaßte Idee, von seiner Firma in späterer Zeit ohne specielle Kenntniß dieser Absicht wieder aufgenommen und ins Leben gerufen worden (in der 1863 von Friedrich Pecht herausgegebenen »Goethe-Galerie«), ebenso ein im September 1817 von Brockhaus angekündigter Plan einer »Shakspeare-Galerie«. In der »Urania« erschienen übrigens zahlreiche kleine Abbildungen zu Goethe's und Shakspeare's Dramen.

Goethe interessirte sich fortgesetzt für die seine Dramen betreffenden Zeichnungen und erhielt auf seinen Wunsch auch die übrigen zur Begutachtung vorgelegt. Den Verkehr darüber vermittelte der seit 1793 in Weimar lebende und 1806 vom Großherzog zum Legationsrath ernannte Schriftsteller Johannes Daniel Falk (geb. 1768, gest. 1826), über dessen Beziehungen zu Goethe das auf seinen Wunsch erst nach dessen Tode aus seinem Nachlasse veröffentlichte Werk: »Goethe aus näherm persönlichen Umgange dargestellt« (Leipzig 1832, 3. Aufl. 1856), berichtet. Falk stand mit Brockhaus in geschäftlichen wie in freundschaftlichen Beziehungen und schrieb auch die Erläuterungen zu den in der »Urania« gegebenen Abbildungen zu Goethe's Werken.

Ueber Goethe's Antheilnahme an diesen Zeichnungen schreibt Falk am 24. April 1812 an Brockhaus:

Die Zeichnung zum »Egmont« von Naeke ist allerliebst: Goethe, dem ich sie zeigte und der das Bemühen Naeke's aufs dankbarste anerkennt, äußerte blos den Wunsch, daß es dem jungen genievollen und gemüthlichen Künstler gefallen möge, ihm die Sachen ehe sie fertig und im Umriß zuzuschicken, wo liebevolle Erinnerungen eines freundlichen Mannes kleinen Irrthümern zuvorkommen und oft mit ein paar Strichen abhelfen können. So z. B. an der Lage der Hand des Klärchen im »Egmont« hat der junge Künstler in der Unschuld seines Herzens kein Aergerniß genommen: Goethen fiel dies sogleich auf, und der hiesige französische Gesandte, der die Zeichnung von ungefähr sah und ungemein damit zufrieden war, bemerkte unverabredet: que c'était hors de la convenance.

Eine jede Kritik muß einem so liebenden zarten Gemüth wie das von Naeke nicht besser vorkommen als den Blumen ein Nachtfrost. Suchen Sie es ihm nur beizubringen, daß diese Bemerkungen von Männern herrühren, die sein schönes Bestreben mit Liebe zu umfassen aufs allerbeste geneigt sind und die sich nie ein öffentliches liebloses Wort gegen ihn erlauben würden.

In demselben Briefe kommen noch zwei andere Goethe betreffende Stellen vor. In der ersten schreibt Falk:

Den Brief von Kestner, das Gedicht von Goethe, kann ich Ihnen nur unter dem Siegel der strengsten Verschwiegenheit in die Hände geben.

Und an einer andern Stelle, in der Falk die Bitte ausspricht, Brockhaus möge ein Werk von ihm ja nicht auswärts, sondern unter seinen Augen in Weimar drucken lassen, sagt er:

Es liegt etwas in dieser Bedingung für einen lebendigen Menschen, und seien Sie versichert, daß Goethe z. B. mit Cotta, wie ich Goethe kenne, nothwendig zerfallen müßte, wenn Cotta zur unerlaßlichen Bedingung machte, die Sachen statt in Jena in Tübingen gedruckt zu sehen. Nicht aus Eigensinn oder Bizarrerie von seiten Goethe's, sondern aus einer Art von genialem Instinct, den Jeder begreift, der selbst etwas zu produciren im Stande ist.

Außer daß Goethe jene Zeichnungen begutachtete, scheint er sich an der »Urania« nicht betheiligt zu haben. Einmal noch wird sein Name darin genannt; bei Mittheilung eines Preisausschreibens im Juli 1816 sagt Brockhaus: die von ihm um das Richteramt dabei gebetenen Schriftsteller hätten gewünscht, »ihr Urtheil, bevor es bekannt gemacht würde, dem Herrn Geheimen Rath von Goethe zur Genehmigung vorzulegen und sich auf diese Weise unter die Auspicien unsers größten Meisters zu stellen«; es sei deshalb an diesen ein solches Ansuchen ergangen. Indeß findet sich weder ein solcher Brief an Goethe noch dessen Antwort oder irgendeine andere Notiz darüber.

4848 Hofadvocat Anton Scholber in Altenburg, den Brockhaus in einem andern Briefe seinen »intimsten Freund und einen ganz vortrefflichen Menschen« nennt.