The S-Files: Die Succubus Akten

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The S-Files: Die Succubus Akten
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Herausgeber Sascha Eichelberg

The S-Files

Die Succubus Akten

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erschienen im Talawah Verlag

1. Auflage 2021

© Talawah Verlag

Herausgeber: Sascha Eichelberg

Umschlaggestaltung: Marie Graßhoff,

www.marie-grasshoff.de

Lektorat: Sascha Eichelberg

Satz: Julia Antonia Reimann

unter Verwendung von: © Pixabay

Julia Antonia Reimann - Buchsatz | Facebook

ISBN: 978 394 7550 685

Aktenverzeichnis

VORWORT

EINE SCHNAPSIDEE

THE SINGLE GIRL

SUCCUBUSSMILE

INTERVIEW MIT EINEM SUKKUBUS

DIE RACHE DER VERSCHMÄHTEN

LOVE HURTS

ROWENA

HEUMSIMILIBUMFLUM

FELDSTUDIEN

NOLAS HÖLLE

SUCCUBYTE

SCHLAFLOSE NÄCHTE

IMMER WIEDER HOUSTEN

PRINZ DER DÄMONEN

VON HÜHNERN UND ANDEREN DÄMONEN

HELL’S NEXT TOP-SUKKUBUS

SCHWESTER UND NOVIZIN

LILITHS VERLORENES BORDOLL PARADISE

SUCCUBÉ

FÜR IMMER VEREINT

BELLATRIX DE MIEZEKATZ

IHR KUSS SCHMECKTE NACH KIRSCHEN

SCHUTZUBUS

SUCC. INC.

FLUCHT AUS DEM PARADIES

TRÄNEN LÜGEN NICHT

HAUER, HÜFTGOLD UND EIN AUFTRAG AUS DER HÖLLE

LILLY – EIN SUCCUBUS AUF ABWEGEN

GEZWITSCHER

MEIN FLUCH

EIN DÄMON TISCHT AUF!

TOCHTER DER HÖLLE

ILLUSTRATIONEN

DER HERAUSGEBER



Vorwort

D

iese Kurzgeschichtensammlung, die Succubus Akten, ist inzwischen schon das fünfte Buch in der Reihe unserer Anthologien. Die ersten Einhorn Akten sind damals als fixe Idee während einer Autofahrt nach einer Messe entstanden und keiner hätte damals wohl daran gedacht, was daraus einmal werden würde. Mehr als 150 Kurzgeschichten von über 70 Autoren in 5 Büchern, ausgezeichnet mit 2 deutschen Phantastik Preisen und einem Skoutz-Award.

Deswegen dachte ich, dass ich dieses Vorwort diesmal nicht nur diesem Buch widme, sondern einfach mal nutze, um mich bei all den Menschen zu bedanken, die uns in den vergangenen Jahren begleitet haben. Allen voran natürlich all den tollen Autoren, die es immer wieder schaffen, unsere verrückten Vorgaben in so wundervolle Geschichten zu verwandeln. Viele von ihnen begleiten euch und mich jetzt schon sehr viele Jahre und vollbringen immer wieder Höchstleistungen. Da wird bei Nacht und Nebel durch die halbe Republik gefahren, eine spontane Innenstadtlesung wegen ausgefallener Messe organisiert und wenn ich dann doch mal meinen Stand irgendwo aufbaue, dann kann ich mich immer darauf

verlassen, dass ich einige Kurzgeschichtenautorinnen und -autoren

an meiner Seite stehen habe. Neben den Autoren gibt es aber noch

viele weitere, die an der Entstehung der Bücher mitgewirkt haben

und meistens gar nicht so sehr im Mittelpunkt stehen. Deswegen

ein Danke an Norman Doderer, ohne den es weder Talawah noch mich als Verleger geben würde. Danke an Sandra Florean und Tom

Finn, die sich die Mühe gemacht haben, sich als Herausgeberin und Herausgeber für uns durch den Geschichtendschungel zu wühlen. Danke an Jessie Weber, Melina Coniglio und Annette Brauer für die vielen Lektorate und Korrektorate. Danke an unsere Buchsetzerinnen Grit von Grittany Design und Julia Reimann. Ein

großes Danke auch an Marie Graßhoff, die sich immer morgens um

ein Uhr noch Zeit nimmt, um Änderungen am Cover zu diskutieren. Und selbstverständlich auch danke an euch Leser, die unsere Bücher mit Begeisterung lesen. Ohne all diese Menschen zusammen wäre unsere Anthologie nicht das, was sie ist.

Jetzt noch einige wichtige Worte zu diesem Buch. Wie euch vielleicht am Cover und Buchtitel aufgefallen ist, geht es diesmal um die dämonische Sukkubus (oder Succubus, beide Schreibweisen sind richtig) und den teuflischen Incubus. Aufgrund der eher bösartigen Natur von Dämonen gibt es diesmal eine kleine Triggerwarnung. Unsere Kurzgeschichten richten sich von jeher an Erwachsene und sind nicht für Kinder geeignet. Außerdem geht es in diesem Buch an unterschiedlichsten Stellen um Sex, Mord, Suizid, Depressionen, Mobbing und Sucht. Keines dieser Themen sollte auf die leichte Schulter genommen werden. Außerdem gibt es wie in jeder unserer Kurzgeschichtensammlungen einige homosexuelle, queere oder sonstig orientierte Dämoninnen und Dämonen. Ich finde es fast schon traurig, das heutzutage noch sagen zu müssen, aber: Das ist alles ganz normal! Unsere Welt ist bunt und alle Menschen sind gleich viel wert. Unabhängig von Geschlecht, Alter, Hautfarbe oder

sexueller Orientierung. Solltet ihr damit ein Problem haben, würde

ich empfehlen, das Buch zurück ins Regal zu stellen.

Und jetzt genug der Warnungen und viel Spaß beim Lesen.


Eine Schnapsidee

A.M. Winter

H

i, der Talawah-Verlag hat noch bis Ende Januar eine Geschichtenausschreibung laufen – Thema Succubus und Incubus.«, so der Inhalt der SMS, die ich kürzlich von meiner Zwillingsschwester Heidrun erhalten habe.

Da mich ihre Nachricht während der Arbeit erreichte und ich gerade absolut keine Zeit hatte mich näher damit zu beschäftigen, habe ich die SMS erst einmal wieder mit fragendem Blick geschlossen. Was wollte mir mein Schwesterherz denn damit bloß sagen? Und was sollen überhaupt diese Begriffe, Succubus und Incubus, bedeuten?

Recht schnell schwante mir dann aber, dass Heidrun von mir erwartete, ich solle eine Geschichte schreiben. Oh nein! Das war wegen der verlorenen Wette im vergangenen Sommer. Ich hatte das eigentlich schon vergessen gehabt, naja, vielleicht auch eher verdrängt gebe ich zu.

Und ausgerechnet ich soll nun die Wettschuld einlösen, indem ich diese Geschichte schreibe. Aber dabei kann ich so etwas doch gar nicht! Ich war schon immer ein rein analytisch denkender Mensch, der sich von jeher mehr für Zahlen interessierte. Schon während der Schulzeit waren Fächer wie Mathematik, Physik und dergleichen meine Welt. Deutsch und Aufsätze? Fehlanzeige!

Ganz anders allerdings meine Schwester Heidrun. Obwohl wir Zwillinge sind, hat sie für die Logik rein gar nichts übrig. Ihre Spezialität sind eher die kreativen Sachen, eben so etwas wie phantasievolle Geschichten erfinden und diese dann auch noch fein säuberlich zu Papier bringen. Da geht sie voll drin auf, was ich ja überhaupt nicht verstehen kann.

 

Na jedenfalls ging mir ihre SMS seither nicht mehr aus dem Kopf. Ich wollte mich bei Heidrun deswegen mal melden, sobald ich die Zeit für ein nettes längeres Gespräch finden würde. Aber dafür war es heute nun definitiv schon wieder zu spät, nachdem ich erst zu fortgeschrittener Stunde von der Arbeit heimgekehrt bin.

Und doch will ich nun noch schnell meine Neugier befriedigen, welche sich den ganzen Tag mehr und mehr gesteigert hat, indem ich mich zumindest mal informiere was diese Begriffe »Succubus und Incubus« eigentlich zu bedeuten haben, um nicht ganz wie der erste Mensch da zu stehen, falls mich jemand irgendwann mal danach fragen sollte. Man kann ja schließlich nie wissen wofür man das mal brauchen kann.

Ich gebe die Begriffe in der Suchmaschine des Browsers ein und werde auch recht schnell fündig. Eigentlich reicht es mir aber auch schon, dass ich die Suchergebnisse rasch überfliege, die mir auf der ersten Seite angezeigt werden. Demnach handelt es sich um männliche oder weibliche Dämonen, die etwas nymphomanisch veranlagt zu sein scheinen und wohl hauptsächlich Sex im Kopf haben.

Auch nicht gerade ein Thema, zu dem mir viel einfallen würde zu schreiben. Wie war Heidrun nur auf diese Schnapsidee gekommen mir ausgerechnet so ein abstraktes Thema vorzuschlagen? Stattdessen könnte ich mir wunderbar vorstellen die Bedienungsanleitung für irgendein technisches Gerät zu schreiben, oder von mir aus auch ein Kochrezept. Na jedenfalls irgendwas mit Struktur drin.

Mit einem etwas verständnislosen Kopfschütteln schließe ich das Browserfenster, ohne mich weiter über besagtes Thema zu informieren, und fahre anschließend den PC wieder runter.

Der Tag ist nun ohnehin schon fast gelaufen und ich habe noch einiges an Hausarbeit zu erledigen, bevor ich zu Bett gehe. Doch die ganze Zeit, während ich mich meinem Haushalt widme, verfolgt mich das Thema Succubus und Incubus. Es will mir einfach unter keinen Umständen gelingen, diese nagenden Gedanken zu vertreiben. Vielleicht sollte ich die Sache doch weiter verfolgen wie Heidrun sich das offensichtlich von mir wünscht?

Als es schon auf Mitternacht zugeht und es demzufolge bereits stockdunkle Nacht ist, stelle ich fest, dass ich längst noch nicht müde genug bin, um schlafen zu gehen. Ganz im Gegenteil sogar. Mein Inneres fühlt sich irgendwie aufgewühlt an. Noch dazu geht mir der Hinweis von Heidrun diese Geschichte zu schreiben nun gar nicht mehr aus dem Kopf.

Anstatt mich ins Bett zu begeben, setze ich mich also erneut an meinen PC und informiere mich darüber was denn dieser Verlag eigentlich für Vorgaben macht. Gleichzeitig keimt in mir die Frage auf warum ich das Schreiben nicht einfach mal versuchen soll, zumal ich nun ja wirklich überhaupt nicht mehr müde bin. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass ich vielleicht sogar Lust darauf haben könnte auch mal etwas Kreativität an den Tag zu legen.

Aber dazu sollte ich mich zuvor vielleicht doch noch etwas genauer mit diesen lüsternen Dämonen auseinander setzen und gehe zunächst mal auf Wikipedia, um mich ausführlicher zu informieren. Demnach scheinen diese Wesen Gegenstand der Mythologie zu sein. Aha. Filme und weiterführende Literatur gibt es anscheinend auch darüber. Soso. Einerseits gibt es weibliche Wesen, die Männer verführen, um diesem in der Nacht seinen Samen zu stehlen und den Gegenpart dazu, der männliche Dämon, der schlafende Frauen quasi vergewaltigt. Klingt weder realistisch noch nach einer tollen Liebeserfahrung für mich, aber sei‘s drum.

Da könnte jemand, dem das Schreiben in die Wiege gelegt ist, jetzt natürlich eine richtig phantasievolle Geschichte daraus basteln, die auch garantiert nicht jugendfrei wäre.

Aber wie schon gesagt, die Phantasie ist doch eher Heidruns Gebiet. Vielleicht sollte ich nun doch lieber zu Bett gehen und morgen mit meiner Schwester reden. Das kann sie doch unmögliche ernst meinen, dass gerade ich ausgerechnet zu diesem Thema was zu Papier bringen soll.

Plötzlich höre ich wie die Wohnungstür geöffnet wird. Ach ja, Peter kommt ja heute. Peter ist mein fester Freund, der ebenso unmögliche Arbeitszeiten hat wie ich. Wir haben es bisher allerdings noch nicht geschafft, dass wir zusammen in eine Wohnung ziehen. Aus diesem Grund treffen wir uns mal hier, mal da bei einem von uns zu Hause. Und heute scheint er wohl zu mir zu kommen. Das hatte ich angesichts meiner saukomischen Aufgabe, die Heidrun mir eingebrockt hat, doch glatt vergessen. Na immerhin ein Grund, diese Sache auf morgen zu vertagen. Um mich vor unliebsamen Aufgaben zu drücken, war ich um Ausreden noch nie verlegen.

Noch während ich so darüber nachdenke, ist Peter schon zu mir in mein Arbeitszimmer gekommen, ohne ein Wort zu sagen. Ich möchte mir meine Überraschung wegen seines Erscheinens nicht anmerken lassen und begrüße ihn lediglich mit einem einfachen »Hallo«, ohne mich zur Tür umzudrehen. Er steht jetzt hinter meinem Bürostuhl und ich hoffe, dass er nicht unbedingt wahrgenommen hat, was vor kurzem noch im Browserfenster zu sehen gewesen ist. Schnell habe ich das Ding nämlich minimiert, als er eintrat. Wie sollte ich ihm das denn erklären, so etwas wäre mir unsäglich peinlich, in jeder Hinsicht. Erstens schreibe ich nie irgendetwas, aber schon gar keine Geschichte, die ich dann auch noch einem Verlag präsentieren möchte. Und dazu auch noch dieses aufreizende Thema, das mir in meinem ganzen bisherigen Leben noch nicht untergekommen ist.

Dankbar bemerke ich, dass sich Peter überhaupt nicht für das zu interessieren scheint was mein Monitor anzeigt. Seine warmen Hände, die nun auf meinen Schultern liegen, beginnen mich langsam, sanft und rhythmisch zu streicheln. Dabei wandern sie zunächst auf meinen Oberarmen entlang, über meinen Rücken und einige Zeit später auch über meine Brust. Ich spüre wie meine Brustwarzen hart werden. Peter scheint das ebenfalls aufgefallen zu sein, da er sich diesen Stellen nun etwas intensiver widmet. Dass wir beide schweigen, scheint dieses Erlebnis noch intensiver werden zu lassen.

Ich atme tief durch, genieße jeden Moment und schließe die Augen, während die warmen Hände jetzt immer tiefer meinen Bauch entlang wandern. Die liebkosenden Berührungen meines nach wie vor hinter mir stehenden Besuchers entlocken mir unwillkürlich ein leises und lustvolles Stöhnen, während ich mich mit geschlossenen Augen weiter auf meinem Bürostuhl zurücklehne. Meine Begierde ist nun fast schon ins Unermessliche gewachsen und als sich das Streicheln der Hände schließlich der Innenseite meiner Oberschenkel widmet, würde ich die Sache am liebsten beschleunigen. Doch immerhin ist es eine sehr lustvolle Qual, die ich zu ertragen habe und somit beschließe ich, mich weiter mit geschlossenen Augen den sinnlichen Freuden hinzugeben und meinem Besucher das Timing zu überlassen.

Knopf für Knopf wird nun langsam meine Bluse geöffnet, so dass meine Brüste frei liegen und sich der weiteren zärtlichen Massage entgegen recken. Ich kann es nun kaum mehr ertragen und habe das Gefühl gleich zu verbrennen. Nun öffnet er meine Hose, langsam und genussvoll. Ich helfe mit einer einladenden Beckenbewegung nach, sie nach unten zu streifen.

Gemeinsam gleiten wir nun endlich langsam und sanft zu Boden, ich spüre den warmen, muskulösen Männerkörper über dem meinen…

Du meine Güte, warum ist es plötzlich so hell? Erschreckt schlage ich die Augen auf, als ich mich aufrichte. Die gleißende Morgensonne, die direkt durchs Fenster auf meinen Schreibtisch scheint, blendet mich und ich frage mich wie spät es eigentlich sein mag.

Da muss ich letzte Nacht doch tatsächlich an meinem Schreibtisch sitzend eingeschlafen sein! Warum bin ich nicht im Bett? Und wo ist eigentlich Peter abgeblieben? War er nicht gestern Abend noch zu mir gekommen?

Ja und überhaupt: Gestern Abend, da war doch noch was. So langsam kehrt die Erinnerung an das unsagbar sinnliche Erlebnis zurück. War das eigentlich wirklich alles geschehen, oder hatte ich es gar geträumt, nachdem ich mich intensiver mit diesem Dämonen-Thema befasst habe?

Die blinkende LED an der Frontseite meines PC verrät mir, dass der Rechner zwar noch an ist, sich aber im Ruhemodus befindet, ebenso wie mein Bildschirm, der nur eine gähnende schwarze Leere anzeigt.

Meine Gedanken an das lustvolle Abenteuer, das ich erlebt oder geträumt habe, beschäftigen mich weiterhin. Ein Blick an mir herunter verrät mir, dass ich angekleidet bin wie ich es war, als ich mich gestern spät abends an meinen Schreibtisch gesetzt habe. Das ist so weit doch schon mal recht beruhigend, finde ich. Es scheint also nichts passiert zu sein. Und doch fühle ich mich seltsam erregt und kann mich nicht entsinnen, wann ich jemals zuvor schon so intensiv geträumt habe, dass es mir wie die Realität erschien.

Durch ein Drücken des Schalters versetze ich meinen PC wieder in den aktiven Zustand. Es dauert auch gar nicht lange bis mein Monitor ebenfalls zum Leben erwacht. Von meinem Bildschirm grinsen mich die Abbildungen von Succubus und Incubus vielsagend an.



The Single Girl

Günter Gerstbrein

I

Regie

D

ie Anwesenden in der Regiezentrale verfolgten in gebannter Erwartung den letzten Spot des aktuellen Werbeblocks. Darin erzählte ein Mann in einem seriös wirkenden Anzug von seinen außerordentlich positiven Erfahrungen mit einem großen Finanzdienstleister.

»In Ordnung Leute«, sagte der Regisseur, »wir sind gleich wieder drauf. Das Intro in - fünf, vier, drei, ...«

Der Werbespot endete und wich dem Logo der beliebtesten Kuppelshow der letzten Jahre. Der markante Jingle erklang und aus sanft geschwungenen Buchstaben bildeten sich die Worte The Single Girl. Eine tiefe Männerstimme verkündete: »Eine Frau und zwölf Männer. Wer wird der Glückliche?«

Der Schriftzug verschwand und eine attraktive junge Frau lächelte in die Kamera. Ihre regelmäßigen Gesichtszüge ließen sie fast unwirklich erscheinen. Dunkle Augen verhießen Feuer und Leidenschaft, gleichzeitig lag auch etwas Geheimnisvolles darin. Das lange Haar trug sie zu einer außergewöhnlichen Frisur hochgesteckt. Es war eine Art breiter Haarkranz, der nicht am Hinterkopf, sondern weit vorne über der glatten Stirn thronte.

»Für wen wird Samara sich entscheiden?«, fuhr die Männerstimme fort. Bei diesen Worten kräuselten sich die Lippen der jungen Frau zu einem verführerischen Lächeln und sie zwinkerte in die Kamera. »Wer bekommt die Rose?«

Nun erschienen die Gesichter von zwölf jungen Männern im Bild. Untermalt vom Geräusch eines Bleistifts, der über Papier kratzt, wurden die meisten durchgestrichen. »Neun Kandidaten mussten die Show bereits verlassen«, sagte die Männerstimme. »Drei Finalisten sind noch im Rennen. Wer wird es sein? Wer erobert das Herz von unserem Single Girl Samara?«

Die Lautstärke der Musik steigerte sich, ehe sie in einem dramatischen Akkord ausklang.

»Okay, Kamera Sechs in drei, zwo, eins.«

Per Knopfdruck bekamen die Fernsehzuseher zuhause eine Totale vom Studio zu sehen. Ein Leuchtschild mit dem Schriftzug The Single Girl schmückte die Rückwand. Davor versprach ein breites Sofa Gemütlichkeit. Im Gegensatz dazu wirkten die drei Barhocker daneben alles andere als bequem.

Neben dem Schriftzug schwang eine Tür auf, und Samara betrat die Bühne.

»Auf die Zwei.«

Samara in Großaufnahme. Sie trug ein atemberaubendes Abendkleid in Rot, das Outfit einer Verführerin, die wusste, was sie wollte. Man hatte sie perfekt gecoacht. Erst ein Lächeln für die Kamera, dann ging sie - nein, sie schwebte - mit schwingenden Hüften zum Sofa. Mit tänzerischer Grazie ließ sie sich dort nieder, ohne ihr Kleid zu verknittern.

»Und jetzt die Acht.«

Das Live-Publikum. Tosender Applaus. Offenstehende Münder.

»Wieder die Sechs.«

Das Bild wechselte zur Bühne. Die drei Finalisten traten durch die Tür. Jeder von ihnen nahm auf einem der Hocker Platz.

»Nacheinander auf die Drei, Vier und Fünf, dabei die Namen einblenden. Kommentar abspielen.«

Der erste Mann. Ein kräftig gebauter Fitnesstrainer, der in mehreren Folgen wie zufällig sein T-Shirt ausgezogen hatte, um einen Oberkörper wie den einer griechischen Statue zu präsentieren. Heute Abend trug er ein weißes Hemd, dazu ein blaues Jackett. Die pechschwarze Mähne war mit Gel perfekt in Form gebracht worden. Seine ganze Erscheinung versprach viele schweißtreibende Stunden, nicht nur im Fitness-Studio.

 

Am unteren Rand des Bildes erschien der Schriftzug mit seinem Namen: Alex.

Die Männerstimme aus dem Off ergriff wieder das Wort. »Für wen wird Samara sich entscheiden? Für Alex, der sie in jeder Lebenslage zum Schwitzen bringen will?«

Schnitt zum nächsten Kandidaten. Ein unscheinbarer, glatt rasierter junger Mann, der in einer Bank arbeitete. Zu Beginn hatte ihm niemand große Chancen eingeräumt, doch dann war er aus jeder Folge mit einer Rose hinausgegangen. Unter dem blonden Haarschopf, den die Maskenbildner zu einem perfekten strubbeligen Chaos geföhnt hatten, glitzerten blaue Augen. Ständig in Bewegung, nahm ihr Blick alles in sich auf, nichts schien ihnen zu entgehen.

Der Name des Kandidaten wurde eingeblendet, gleichzeitig verkündete die Männerstimme: »Oder für Lars, der mit ihr die Geheimnisse des Lebens enthüllen will?«

Es folgte der letzte Finalist. Er war der Archetyp eines Latin Lovers. Gebräuntes Gesicht, Augen wie Kohlestücke, krauses Brusthaar, das sich hinter den geöffneten obersten Hemdknöpfen erahnen ließ. Auf dem Kopf trug er stets ein verwegen in die Stirn geschobenes Barett. Mit einem Lächeln, hinter dem strahlend weiße Zähne aufblitzten, zwinkerte er in die Kamera.

Sein Name erschien im Bild. »Oder Miguel«, sagte die Männerstimme, »der ihr Tage und Nächte voller Leidenschaft und Abenteuer verspricht?«

Von den Fernsehzusehern ungehört, meinte eine Frauenstimme in der Regiekabine: »Ich hoffe, sie nimmt Miguel. Alex und Lars sind ja so Nullachtfuffzehn.«

»Ruhe! Konzentration bitte. Auf die Sechs und Monitor ausfahren. Dann Wechsel zum Rückblick.«

Hinter dem Sofa schob sich ein Teil der Wand beiseite und gab den Blick auf einen überdimensional großen Bildschirm frei. Samara änderte ihre Haltung, um ihn besser sehen zu können. Auch die Finalisten richteten ihre Aufmerksamkeit darauf.

Begleitet von der Männerstimme, begann der Rückblick auf die Highlights der Show. »Zehn Wochen, zwölf Kandidaten. Viel ist passiert, viele mussten gehen.« Während Kamera Sechs den großen Monitor heranzoomte, huschten die Gesichter der Ausgeschiedenen in rascher Abfolge darüber hinweg.

»Und Übergang.« Für die Zuseher zuhause wechselte das Bild, sodass sie nun direkt die Einspielung verfolgen konnten.

Die Männerstimme berichtete von den Kandidaten, welche die Show verlassen hatten. Manche freiwillig, andere, weil Samara ihnen keine Rose gegeben hatte.

Nachdem die ersten vier Folgen nicht besonders aufregend gewesen waren, verkündete die Männerstimme schließlich: »Und dann die fünfte Folge, das Date zu dritt.«

Samara erschien in einem traumhaften Kleid in Blau, das Haar wie üblich zu ihrer komplizierten Frisur über der Stirn hochgesteckt. Gemeinsam mit dem Autoverkäufer Georg und dem Masseur Andreas besuchte sie ein Nobelrestaurant, in dem die Regel galt: Je höher der Preis, desto kleiner die Portion.

Eine rasche Abfolge von verschiedenen Szenen des Abends folgte. In jeder davon buhlten die beiden Kandidaten um die Gunst vom Single Girl Samara.

»Aber Georg sorgte für ein abruptes Ende«, verkündete die Männerstimme. Geschickt zusammengeschnitten wurde gezeigt, wie der Genannte seinen Stuhl immer näher an Samara heranrückte. Die ließ es lächelnd geschehen, warf jedoch mehrere herausfordernde Blicke auf Andreas. Es war, als wolle sie den Masseur herausfordern, sein Glück ebenfalls zu versuchen.

Georg war nun direkt neben ihr. Während er ihr etwas zuflüsterte, das die Mikrofone nicht erfassten, streckte er eine Hand aus, um ihr über die Wange zu streichen. Samara ließ es zu und schloss in einem genießerischen Ausdruck die Augen. Dann berührte er ihr Haar und die kunstvolle Frisur.

Blitzschnell schoss Samaras Arm nach oben und packte ihn am Handgelenk. Er stieß einen Schrei aus, bei dem nicht klar war, ob aus Schrecken oder Schmerz. »Nicht die Haare«, zischte sie, das ebenmäßige Gesicht kurz zu einer Grimasse verzerrt.

»Tja, Georg«, verkündete die Männerstimme freundlich, »Samaras Haar ist ihr Heiligtum. Das wusstest du aber.«

Das Bild wechselte und zeigte einen kurzen Clip aus dem Interview vom Ende dieser Folge, nachdem Georg keine Rose erhalten hatte. »Es war merkwürdig«, meinte er. »Unter dem Haar konnte ich eine Beule fühlen.« Mit nachdenklichem Gesicht sah er in die Kamera. »Vielleicht gibt es ja einen Grund dafür, dass sie immer diese komischen Frisuren trägt.«

»Und offensichtlich wird Georg diesen Grund nicht mehr erfahren«, fügte die Männerstimme fröhlich hinzu. »Ebenso wenig wie Andreas.«

Das Bild wechselte und zeigte den Angesprochenen, der mit einigen kurzen Worten erklärte, die Show ebenfalls verlassen zu wollen. »Sie hat mir Angst gemacht«, sagte er. »Ich dachte schon, sie will ihm die Hand brechen.«

»Schade um Andreas«, kommentierte die Männerstimme. »Seine Chancen wären nicht schlecht gewesen. Aber die anderen Kandidaten durften sich freuen. Denn wenn jemand freiwillig geht, bleibt der Rest automatisch im Rennen. Und da sich sogar zwei der Jungs verabschiedet haben, musste auch in der nächsten Folge keiner gehen.«

Der Rückblick ging weiter.

»Die siebte Folge: das Übernachtungsdate.«

Zwei Kandidaten, Niclas und Benny, klopften an eine Haustür. Samara, gekleidet in einen Bademantel, öffnete ihnen. Auch diesmal trug sie das Haar zu der üblichen Frisur aufgetürmt. »Was dann wohl passiert ist?«, fragte die Männerstimme in verschwörerischem Tonfall.

Die beiden Männer traten ein, und Samara schloss die Tür. Die Kamera blieb draußen. Es folgte ein Schnitt zu einer Verandatür. Hinter zugezogenen Vorhängen waren Schemen zu erkennen, die sich bewegten. »Wir werden es wohl nie erfahren.«

Wieder wechselte das Bild und zeigte das Interview von Benny, als dieser nach dem Übernachtungsdate die Show freiwillig verließ. Er wirkte übermüdet mit roten Ringen unter den Augen. Durch sein dunkles Haar zogen sich graue Strähnen. »Ich kann mich an kaum etwas erinnern«, sagte er matt. »Wir haben ein Glas Wein getrunken, dann bin ich wohl eingeschlafen.«

Natürlich ließ die Männerstimme das nicht unkommentiert. »Wer bei einer Frau wie Samara einschläft, hat in dieser Show nichts verloren. Also tschüß, Benny.«

Es folgten Szenen aus weiteren Episoden, die man in der Regie gebannt verfolgte.

»In Ordnung, Leute. Bereitmachen, gleich sind wir wieder da. Auf die Sechs in drei, zwo, eins.«

Die Bühne kam ins Bild. Hinter dem Sofa schloss sich die Klappe und verbarg den Monitor. Samara wandte sich mit einem Lächeln um und strahlte erst das Publikum, dann die Kandidaten an.

»Die Zwei.«

Samaras Lächeln in Großaufnahme.

»Und die Sieben.«

Die drei Kandidaten auf ihren Hockern. Alex und Miguel lächelten zurück. Lars wirkte nachdenklich. Dann schien er zu merken, dass die Kamera ihn im Bild hatte, und seine Mundwinkel wanderten nach oben.

Abermals erklang die Männerstimme. »Und jetzt wird Samara uns verraten, wer von den Dreien die letzte Rose erhält. Mit wem will sie die nächsten Wochen und vielleicht sogar den Rest ihres Lebens verbringen? Und wen wird sie nach Hause schicken?«

»Wieder auf die Nummer Zwei.«

Samaras lächelndes Gesicht füllte das Bild, dann zoomte die Kamera langsam hinaus, bis sie und das Sofa ganz zu sehen waren. Auf einem Kissen neben ihr lag eine langstielige Rose. Sie griff danach, drehte sie in den Händen und legte sie schließlich wieder zurück, ehe sie aufstand.

»Auf die Sieben.«

Die Hüften schwingend trat Samara vor die Kandidaten, die sich beeilten, von ihren Hockern zu springen.

»Alex«, sagte sie in einem Tonfall, der aufrichtiges Bedauern ausdrückte. »Wir hatten viel Spaß, aber es hat nicht gefunkt.«

»Jetzt auf die Drei und rauszoomen.«

Der Fitnesstrainer kniff die Lippen zusammen, dann nickte er. Samara, die vor ihm stand, breitete die Arme aus. Er tat es ihr gleich, und sie umarmten einander. Als sie sich wieder lösten, wechselten sie einige Worte, jedoch zu leise, als dass die Mikrofone sie hätten aufnehmen können.

»Auf die Acht.«

Das Publikum applaudierte.

»Einer ist raus, bleiben noch zwei«, verkündete die Männerstimme.

»Auf die Sechs.«

Samara glitt zum Sofa zurück und nahm die Rose. Dann wandte sie sich wieder den Kandidaten zu.

»Für wen wird sie sich entscheiden?«, fragte die Männerstimme.

II

Kandidat

D

ie Tür schloss sich, als Samara hindurchgetreten war. Mit einer Handbewegung gab der Assistent Lars und den beiden anderen Finalisten zu verstehen, dass sie sich bereithalten mussten.

Das Publikum im Studio applaudierte pflichtbewusst, dann wurde es wieder ruhig. »Also gut, raus mit euch«, sagte der Assistent und zog die Tür auf.

Alex ging als Erster, gefolgt von Lars. Den Abschluss bildete Miguel.

Mit dem Fitnesstrainer war Lars nie wirklich warm geworden. Der Kerl schien ihm immer - zu viel zu sein. Zu viel Training, zu viel Proteinshakes, zu viel ›Ich bin der Beste‹. Nur Gesprächsthemen waren dünn gesät.

Ganz anders Miguel. Der war ein netter Kerl. In Wahrheit hieß er Michael und hatte erzählt, dass er ein kleines Szene-Lokal betrieb. Sie hatten vereinbart, in Kontakt zu bleiben, ganz egal, wie die Show endete.

Natürlich konnte Miguel nicht ahnen, was für ein Ende er im Sinn hatte. Denn er wusste nicht, was Samara wirklich war.

Ganz anders als Lars.

Sie gingen zu den Hockern und nahmen Platz. Samara beobachtete sie mit dem üblichen Lächeln. Ahnte sie, dass er sie erkannt hatte? Dass er wusste, was sie war? Warum sie diese ungewöhnliche Frisur trug?

Die nervende Moderationsstimme vom Band stellte jeden von ihnen kurz vor. Als ob die Fans der Serie das nicht ohnehin schon längst wussten.

Lars fühlte den Stoffbeutel in seiner Hosentasche. Wenn es stimmte, was er recherchiert hatte, würde er Samara damit enttarnen und besiegen können. Damit und mit dem Anhänger um seinen Hals.

Endlich hatte die Nerv-Stimme die Vorstellung beendet. Es folgte eine Einspielung der Highlights der Show. Lars erinnerte sich an alle Kandidaten, doch zwei davon waren besonders hervorgestochen. Denn sie hatten untermauert, was er ohnehin schon wusste.

Hinter dem Sofa, auf dem Samara wie eine dunkle Königin thronte, öffnete sich die Wand und ein Bildschirm erschien. Als die Einspielung begann, eilte ein junger Mann zu ihnen. Die Zuseher zuhause merkten davon nichts, denn über deren Bildschirme flimmerte nun der Rückblick.

»Ein paar Schweißperlen«, sagte der Junge und tupfte mit einem Wattebausch über Alex’ Stirn. Der rümpfte die Nase, ließ es aber geschehen.

»Jetzt wird’s ernst, Kumpel«, raunte Miguel.

Du hast ja keine Ahnung, wie ernst, dachte Lars. Laut sagte er: »Genau. Aber wir trinken auf jeden Fall mal was miteinander, ja?«