Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 4

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Sari: gelbe Buchreihe #142
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Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 4
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Rudolf Cronau

Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 4

Band 142 in der gelben Buchreihe

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

Der Autor Rudolf Cronau

Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika

Vorwort des Autors

Deutschamerikanische Schriftsteller

Die deutschamerikanische Dichtung des 19. und 20. Jahrhunderts

Deutsches Lied und deutscher Sang in Amerika

Deutsche Einflüsse im Musikleben Amerikas

Die deutsche Oper in Amerika

Ehrendenkmäler des Deutschamerikanertums

Die neueste Zeit

Der deutschamerikanische Nationalbund

Die Qellen zur Geschichte des deutschen Elements in den Vereinigten Staaten

Die gelbe Buchreihe

Weitere Informationen

Impressum neobooks

Vorwort des Herausgebers

Vorwort des Herausgebers


Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche.


Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den See­leuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzu­tragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leser-Reaktio­nen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere.

Rudolf Cronau weist auf den enormen Einfluss deutscher Kultur in den USA hin. Der Anteil der aus Deutschland Eingewanderten an Bevölkerung der Vereinigten Staaten betrug im Jahre 1800 ein Fünftel um 1900 ein Drittel. Dies alles verschwand mit den beiden Weltkriegen leider völlig. Die deutschstämmigen Amerikaner waren gezwungen, ihre deutsche Herkunft möglichst zu verbergen. Hamburg, 2021 Jürgen Ruszkowski


Ruhestands-Arbeitsplatz

Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers

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Der Autor Rudolf Cronau

Der Autor Rudolf Cronau


Rudolf Daniel Ludwig Cronau wurde am 21. Januar 1855 in Solingen geboren und starb am 27. Oktober 1939 in North Tarrytown, New York. Er war ein deutsch-amerikanischer Journalist, Reiseschriftsteller und Maler. Er gilt als einer der besten Indianer- und Westernmaler sowie als Streiter für die Bewahrung und Entwicklung einer deutschamerikanischen Identität in den USA.

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Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika

Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika

https://www.projekt-gutenberg.org/cronau/amerika/amerika.html

Eine Geschichte der Deutschen in den Vereinigten Staaten

1909 in Berlin bei Dietrich Reimer (Ernst Vohsen) erschienen.

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Vorwort des Autors

Vorwort des Autors

Seit drei Jahrhunderten wälzt sich aus Deutschlands Gauen ein Strom von Auswanderern nach der Neuen Welt, je nach den im alten Vaterland obwaltenden politischen oder wirtschaftlichen Verhältnissen bald gleichmäßig fließend, bald nachlassend, um dann plötzlich wieder mächtig anzuschwellen und den Charakter einer wahren Völkerwanderung anzunehmen.

Fragte man die in der Heimat Zurückgebliebenen, was aus ihren nach Millionen zählenden ausgewanderten Landsleuten in der Fremde geworden, so vermöchten gewiss nur sehr wenige eine befriedigende Auskunft zu geben. Man verhielt sich in Deutschland gegenüber dem Schicksal seiner ausgewanderten Söhne bisher recht gleichgültig, indem man sich an die durchaus falsche Vorstellung gewöhnte, dass dieselben für ihr Vaterland wie für das deutsche Volkstum verloren seien. Man betrachtete sie als Faktoren, mit welchen man nicht länger rechnen dürfe. Man weiß nicht, was sie da draußen erlebten und verrichteten, ob sie im Elend verkamen oder es verstanden, eine achtunggebietende Stellung zu erringen.

Und die Ausgewanderten selbst? – Obwohl sie die Erfolge vieler ihrer Brüder vor Augen sehen, so sind auch sie über das, was die Gesamtmasse der Deutschen in Amerika leistete, doch nur oberflächlich unterrichtet. Weder sie, noch die neben ihnen wirkenden Amerikaner anderer Abstammung wissen, wie ungeheuer viel die großartig entwickelten Vereinigten Staaten von Amerika der rastlosen Arbeit, dem unermüdlichen Fleiß und der Intelligenz der Deutschen verdanken. –

An Geschichtswerken, welche die Vergangenheit Amerikas, den Ursprung und die Entwicklung der Vereinigten Staaten behandeln, ist zwar kein Mangel. Aber gegen diese Werke ist von vielen klarblickenden, nach historischer Wahrheit strebenden Forschern mit vollem Recht der Einwand erhoben worden, dass sie die Geschichte nur eines Teiles des amerikanischen Volkes, und zwar des aus England eingewanderten berücksichtigen, während auf die Vergangenheit und Leistungen der anderen Völkerelemente, die zum Aufbau der amerikanischen Nation beitrugen, entweder gar nicht oder nur sehr oberflächlich eingegangen sei. –

Beim Prüfen dieser Angelegenheit kann der mit der Entwicklungsgeschichte Amerikas Vertraute sich der Erkenntnis nicht entziehen, dass jener Einwand durchaus zutrifft. Fast alle in den vorhandenen Geschichtswerken geschilderten Ereignisse sind vom Gesichtswinkel des Anglo-Amerikaners, speziell des Neu-Engländers aus gesehen und beschrieben. Was andere Völkerelemente zur amerikanischen Kultur, zum Aufbau der Nation beitrugen, welche hervorragenden Männer sie lieferten, welche Taten dieselben verrichteten, was sie an Großem, Bleibendem schufen, blieb entweder unberücksichtigt oder wurde nur mit flüchtigen Strichen angedeutet, oft sogar absichtlich entstellt. Infolgedessen bildet sich bei den Lesern solcher Werke die irrige Anschauung, als ob die Anwesenheit der zahlreichen, nicht angelsächsischen Stämme auf amerikanischem Boden für die dort entstandene Kultur gar nichts bedeutet habe, und den Angelsachsen allein das Verdienst gebühre, das Material zum Aufbau der amerikanischen Nation geliefert und die Kultur derselben geschaffen zu haben.

So wenig aber eine Schilderung des Mississippi Anspruch auf Vollständigkeit erheben dürfte, die es unterließe, auch seine Hauptarme, den Missouri und Ohio zu beschreiben und ihre Bedeutung für die Größe und den Charakter des ganzen Stromsystems darzulegen, ebenso wenig können so einseitig aufgefasste Geschichtswerke wie die bezeichneten Anspruch auf den Titel einer „Geschichte des amerikanischen Volkes“ erheben.

Diese muss noch geschrieben werden. Und zwar unter gerechter Berücksichtigung aller verschiedenen Rassen- und Völkerelemente, aus denen sich das Volk der Vereinigten Staaten zusammensetzt und die in irgendeiner besonderen Weise zur amerikanischen Kultur beitrugen.

Das kann erst geschehen, wenn das erforderliche historische Material in Spezialwerken niedergelegt ist, die den Anteil der Deutschen, Iren, Schotten, Holländer und Skandinavier, der romanischen und slawischen Völker, der Israeliten, der indianischen, afrikanischen und mongolischen Rassen feststellen. Durch ausgedehnten Gebrauch solcher Spezialwerke kann die zu schreibende Geschichte der amerikanischen Nation an Interesse, Mannigfaltigkeit und Farbenreiz nur ungemein gewinnen. –

Wie zu dem in der Bundeshauptstadt Washington gen Himmel ragenden Monument zu Ehren des Begründers der Union, George Washington, fast alle Nationen des Erdballs Bausteine beitrugen, so mögen die in den Vereinigten Staaten ansässig gewordenen Vertreter solcher Nationen dies auch tun zu dem erhabenen Ruhmestempel der amerikanischen Geschichte. –

 

Der Verfasser dieses Buches bietet einen solchen Baustein, in der Überzeugung, dass die nach Millionen zählenden Abkömmlinge des deutschen Volkes, welche seit frühen Tagen in das Gebiet der heutigen Vereinigten Staaten von Amerika einströmten, in jeder Beziehung ein gewaltiger Faktor waren, der nicht übersehen werden sollte.

Berlin, im Sommer 1909.

Rudolf Cronau.

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Teil eins dieses Bandes beginnt: – Die Deutschen während der Kolonialzeit

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Die ersten deutschen Flugblätter über Amerika und die Vorläufer der deutschen Auswanderung dorthin

Die glückliche Heimkehr des Genuesen Christoph Columbus von seiner ersten großen Entdeckungsreise war ein Ereignis, dessen Bedeutung von allen Kulturvölkern der damaligen Zeit sofort empfunden wurde. Man erkannte instinktiv, dass die gelungene Fahrt für die ganze Menschheit von höchster Wichtigkeit sei und gewaltige Umwälzungen zur Folge haben müsse. Welch tiefen Eindruck die Kunde in der Gelehrtenwelt erregte, kann man am besten aus folgendem Brief des spanischen Geschichtsschreibers Peter Martyr an seinen Freund Pomponius Laetus ermessen: „Du schreibst, mein lieber Pomponius, dass du beim Eintreffen meiner die Entdeckung der entgegengesetzten Welt betreffenden Nachricht vor Entzücken aufgesprungen seiest und dich der Freudentränen nicht hättest erwehren können. Das zeigt, dass du als Gelehrter die Größe und Tragweite der neuen Entdeckung wohl zu würdigen weißt. In der Tat, auch ich kenne keine Speise, die erhabenen und genialen Geistern willkommener sein könnte, als diese. Ich fühle eine wunderbare geistige Erregung in mir, wenn ich mit den aus jenen Gegenden zurückgekehrten Männern rede. Es ist, als ob ein Armer plötzlich zu Reichtum gelange. Unsere durch die kleinen täglichen Sorgen und gesellschaftlichen Pflichten herabgezogenen Gedanken werden erhoben und geläutert durch das Nachsinnen über so herrliche Ereignisse.“

Selbst in dem nüchternen England wurde die Tat des Columbus als etwas Unerhörtes, Göttliches gepriesen. Schrieb doch Giovanni Caboto (Johann Cabot), der von England aus im Jahre 1497 eine Fahrt nach dem Westen unternahm und dabei das Festland von Nordamerika entdeckte: „Als die Nachricht eintraf, dass Christoph Columbus, der Genuese, die Küsten Indiens entdeckt habe – wovon im ganzen Reich des damals regierenden Königs Heinrich VII. gesprochen wurde, indem alle voll größter Bewunderung erklärten, es sei mehr ein göttliches als menschliches Wagnis, auf nie zuvor befahrenen Wegen vom Westen aus nach den im Osten gelegenen Gewürzländern zu segeln, – da entbrannte in meinem Herzen ein heißes Verlangen, gleichfalls eine große Tat zu verrichten.“

Auch in Frankreich und Deutschland erkannte man die Bedeutung des Ereignisses. Deutschland war schon damals das Land der Denker und Gelehrten. Martin Behaim, Schöner, Reisch, Münster, Pirckheimer u. a. verfolgten mit scharfen Blicken die in Afrika und Asien gemachten geographischen Entdeckungen und trugen dieselben auf ihre Weltkarten und Erdkugeln ein.

Der Brief, den Columbus am 3. März 1493 nach seiner Ankunft in Lissabon an Raphael Sanchez, den Schatzmeister des spanischen Königspaares, gesandt hatte, fand in lateinischen und italienischen Ausgaben Verbreitung und wurde auch in deutscher Übersetzung in Straßburg, wahrscheinlich auch an andern Orten gedruckt. Man kennt bis jetzt siebzehn verschiedene Ausgaben dieses Columbusbriefes in spanischer, lateinischer, italienischer und deutscher Sprache. Es ist nicht ausgeschlossen, dass außerdem manche andere gedruckt wurden, von denen wir keine Kunde mehr besitzen.

Noch größeres Aufsehen erregten die Reisebeschreibungen des Amerigo Vespucci. Sie versetzten ganz Europa in Erregung, da sie im Gegensatz zu dem Brief des Columbus, der nur die Entdeckung einiger Inseln gemeldet hatte, die Entdeckung einer „neu gefunden Region“ verkündigten, „die wohl eine Welt genannt mag werden“. Dazu war in Vespuccis Schilderungen das Interessante hervorgehoben und in pikanter Weise ausgemalt; die Beschreibungen des Völker-, Tier- und Pflanzenlebens waren neu und fesselten umso mehr, als man außer dem mageren Brief des Columbus noch nichts über die Neue Welt erfahren hatte. Columbus, um das Geheimnis des neuen Seeweges nach Indien zu bewahren, vermied absichtlich jede weitere Mitteilung über seine Entdeckungen. Dadurch, wie auch durch den Umstand, dass Vespuccius fälschlich angab, die erste seiner angeblich vier Reisen im Jahre 1497 vollführt zu haben, wobei er konsequent die Namen der Befehlshaber verschwieg, an deren Forschungsreisen er sich beteiligte, gelangten die den Unternehmungen fernstehenden italienischen, deutschen und französischen Geschichtsschreiber jener Zeit zu der irrtümlichen Anschauung, Vespuccius sei der Leiter jener Expeditionen gewesen und habe das Festland der neuen Welt entdeckt. Unter diesem Eindruck stand auch der um das Jahr 1481 in Freiburg in Baden geborene Gelehrte Martin Waldseemüller, der in der lothringischen Stadt St. Dié lebte und an dem vom Herzog René II. errichteten „Vogesischen Gymnasium“ Geographie und Naturwissenschaft lehrte.

Waldseemüller war zugleich mit einer Neuausgabe des Atlas von Ptolemäus beschäftigt, in welcher alle in der Neuen Welt gemachten Entdeckungen berücksichtigt werden sollten. Ferner schrieb Waldseemüller einen Leitfaden für den Unterricht in der Erd- und Himmelskunde.

Während er mit diesen Arbeiten beschäftigt war, erhielt der Herzog ein Exemplar der Vespuccischen Reisebeschreibungen. Dieselben erfüllten Waldseemüller mit solcher Begeisterung, dass er die Reisen Vespuccis in seinem am 25. April 1507 gedruckten Lehrbuch „Cosmographiae introductio“ ausführlich besprach und im neunten Abschnitt den Vorschlag ausbrachte, die bis dahin noch namenlose Welt zu Ehren ihres Entdeckers, Amerigo Vespucci, „Amerika“ zu nennen. Der betreffende Satz lautet verdeutscht: „Nun wahrlich, da diese Regionen weiter durchforscht sind und da ein anderer Erdteil von Americus Vespuccius entdeckt wurde, wie aus den nachstehenden Briefen ersehen werden mag, so kenne ich keinen Grund, warum er nicht gerechterweise Amerigen genannt werden sollte, das ist das Land des Amerigus, oder America, nach seinem Entdecker Americus, einem Manne von scharfem Verstande; haben doch Europa und Asien beide ihre Namen nach Weibern erhalten.“

Waldseemüllers Vorschlag fand bei vielen Geographen der damaligen Zeit Anklang. Da Columbus bereits im Jahre 1506 gestorben war, und niemand auftrat, um den wissenschaftlichen Irrtum zu berichtigen, so fand der von dem deutschen Gelehrten vorgeschlagene Name rasch Annahme. Schon 1510 konnte der dem „Vogesischen Gymnasium“ angehörende Walter Lud in seiner „Grammatica Figurata“ mit Stolz erklären, „dass St. Dié jetzt eine in der ganzen Welt bekannte Stadt sei, weil sie America den Namen gegeben habe“.

Es war die einzige Großtat, durch die das Gymnasium bekannt wurde, denn als Herzog René starb, löste sich die kleine Gelehrtengemeinde auf. Waldseemüller zog nach Straßburg, wo er bei Jean Grüninger die fünfte Ausgabe seiner „Cosmographiae introductio“ drucken ließ. Nachdem der Straßburger Jean Schott die Druckerpresse und den Typenvorrat des „Vogesischen Gymnasiums“ erworben hatte, gab Waldseemüller hier auch im Jahre 1513 die von jenem Gymnasium geplante Neuausgabe des Atlas des Ptolemäus heraus. Inzwischen hatte er seinen Irrtum bezüglich des Entdeckers der Neuen Welt erkannt, denn er trug auf die schöne, dem Atlas beigegebene Karte von Amerika an der Stelle, wo Columbus zuerst seinen Fuß auf das Festland der Neuen Welt gesetzt hatte, folgenden Satz ein: „Hec terra adjacentibus insulis inventa est per Columbu ianuensem ex mandato Regis Castelle“, „Dies Land und die benachbarten Inseln wurden durch Columbus unter der Regierung des Königs von Kastilien entdeckt“. Über die Reisen des Vespucci findet sich im ganzen Atlas kein Wort. Aber der frühere Irrtum konnte nicht wieder gutgemacht werden. Der Name Amerika hatte sich bereits so eingebürgert, dass er trotz aller Bemühungen, ihn durch die passendere Bezeichnung „Columbia“ zu ersetzen, der Neuen Welt bis heute verblieb.

Den Reisebeschreibungen Vespuccis folgten zahlreiche „Newe Zeitungen“, welche die Entdeckungen der Portugiesen in Südamerika, die kühnen Eroberungszüge der Spanier in Yucatan, Mexiko und Peru schilderten. Sie umfassten meist nur wenige Seiten.

Von solchen, aus leicht erklärlichen Gründen, der Verzettelung unterworfenen Flugblättern haben sich leider nur wenige erhalten. Von diesen nenne ich die wahrscheinlich im Jahre 1520 gedruckte „Copia der Newen Zeytung auß Presillg Landt“ (Brasilien); die „Newe Zeittung von dem Lande, das die Spanier funden haben im 1521 jare, genannt Yucatan“. Von den mexikanischen Eroberungszügen erzählen Flugschriften, die im Jahre 1520 bei „Friyderichen Peypus in Nürmberg“, 1522 in Augsburg, 1534 bei Georg Ulricher in Straßburg und 1550 bei Philipp Ulhart in Augsburg erschienen. Über den Raubzug Pizarros berichtet ein 1535 gedruckter Brief, der mit den Worten anhebt: „Item es ist vor etlichen Jaren durch Kay. May. beuelch (auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers) außgefaren auß Hispania ein hispanischer Her Francisco de Pysaria ...“ usw.

Im Verein mit den von den Geographen und Geschichtsschreibern in umfangreichen Erdbeschreibungen niedergelegten Nachrichten übten diese neuen Zeitungen einen ungeheuren Eindruck auf das deutsche Volk. Man verschlang die Beschreibungen der mit goldenen Schätzen und seltsamen Götzenbildern gefüllten Tempel und Paläste der Inkas und Montezumas; staunend las man von den volkreichen Städten Tenochtitlan, Cholula, Tlaskala und Cuzko, von ihren großen Märkten und Festen. Man hörte von der Fahrt des Ritters Ponce de Leon nach Bimini, wo eine Quelle existiere, deren Wasser ewige Jugend verleihe. Man vernahm vom Eldorado, einem indianischen König, dessen Körper tagtäglich derart mit Goldstaub bedeckt werde, dass er einer Goldfigur gleiche.

Es bedurfte nicht mehr, um das Wunderfieber und die Lust zu Abenteuern bei den Deutschen zu erregen. Diese beiden Neigungen steckten ihnen von jeher im Blute. Seit den frühesten Tagen des Mittelalters zogen fahrende Ritter, Reisige und Minnesänger von Burg zu Burg, von Hof zu Hof, um Speere zu verstechen oder beim Klang der Saiten die Gunst hoher Herren und schöner Frauen zu gewinnen. Neben ihnen gab es viel anderes ruheloses Volk: fahrende Gaukler, Spielleute, Schüler und Fräulein, fahrende Ärzte und Quacksalber, und nicht zuletzt der unabsehbare Tross der Landsknechte, die ihre Dienste bald diesem, bald jenem Herrn verkauften. Deutsche Landsknechte fochten in fast allen europäischen Kriegen. Wenn einer dieser rauen Söldlinge, Nikolaus Schmid von Regensburg, der für Philipp II. von Spanien in Marokko focht, in seiner poetischen Beschreibung der Kriege in selbstbewusstem Tone singt:

Uns Deutsche braucht man zu dem Spiel

wann man einen Krieg will fangen an.

ohn‘ uns wird nichts gerichtet aus,

wo wir nicht sein dabei im Strauß ...

so bezeichnete er die damalige Zeit in der zutreffendsten Weise.

Es konnte nicht ausbleiben, dass diese allzeit abenteuerlustigen Landsknechte durch die Nachrichten über die neu entdeckte Welt und deren Schätze mächtig angezogen wurden. Besonders diejenigen, welche unter den Fahnen des zum Erben des spanischen Thrones, und im Jahre 1519 auch zum deutschen Kaiser ausgerufenen Karls V. gen Spanien zogen. Dort kamen sie in Berührung mit jenen Abenteurern, die für diesen Herrscher die Länder der Neuen Welt eroberten. Mit Sicherheit dürfen wir annehmen, dass viele dieser deutschen Landsknechte sich für die Eroberungszüge in Amerika anwerben ließen. Leider wissen wir nur wenig über die Beteiligung solcher Deutschen. Dass sie aber keineswegs gering veranschlagt werden darf, geht daraus hervor, dass unter den 3.000 Soldaten des Pedro de Mendoza, der im Jahre 1534 nach dem südamerikanischen „Silberstrom“, dem La Plata, zog, sich 150 Deutsche befanden. Einer derselben war Ulrich Schmidel aus Straubing. Er verweilte 19 Jahre lang am La Plata und nahm an fast allen von Mendoza unternommenen Eroberungszügen teil. Als er nach zahllosen Abenteuern endlich wieder in die Heimat zurückkehrte, schrieb er seine: „Warhafftige Historien Einer Wunderbaren Schiffart, welche Ulrich Schmidel von Straubing von Anno 1534 biß Anno 1554 in Americam oder Neuwewelt, bey Brasilia und Rio della Plata getan. Was er in diesen neuntzehn Jahren außgestanden, und was für seltzame Wunderbare Länder und Leut er gesehen“ usw.

Noch absonderlichere Erlebnisse bestand der aus Homburg in Hessen stammende Hans Stade. In Brasilien geriet er in die Gefangenschaft „der wilden, nacketen, grimmigen Menschenfresser Leuthen“, deren Sitten er in einem 1556 zu Frankfurt a. M. gedruckten Büchlein höchst anschaulich beschrieb.

 

Sicher befanden sich auch viele deutsche Landsknechte bei jenen Expeditionen, die in den Jahren 1528 bis 1546 von den Augsburger Kaufherren Welser ausgesandt wurden, um Venezuela zu erobern. Diese Expeditionen, von denen die erste 50 Bergleute aus dem Erzgebirge mit sich führte, wurden sämtlich von deutschen Rittern befehligt. Von der am Karabischen Meere gelegenen Ortschaft Coro aus drangen sie in überaus waghalsigen Entdeckerzügen durch die tropischen Niederungen des Zuliagebietes bis auf die kalten Hochebenen Kolumbiens, in südlicher Richtung bis zu den oberen Nebenflüssen des Orinoco. Nikolaus Federmann schrieb über diese oft mehrere Jahre währenden Fahrten seine berühmte „Indianische Historia“. Der Junker Philipp von Hutten sandte gleichfalls hochinteressante Reisebriefe an seine in der Heimat zurückgebliebenen Angehörigen.

Alle diese Flugblätter, Zeitungen und Reiseschilderungen, zu denen sich noch viele in Erdbeschreibungen enthaltene umfangreiche Mitteilungen gesellten, erregten im deutschen Volke das lebhafteste Interesse für die Neue Welt. Die Folge war, dass im 17. und 18. Jahrhundert die auswanderungslustigen Deutschen sich nicht mehr ausschließlich nach Ungarn, Siebenbürgen, Polen und Russland wendeten, sondern sich auch an der Besiedelung der Neuen Welt beteiligten.

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Teil drei dieses Bandes von Rudolf Cronau endet mit diesen Texten:

Der Einfluss des deutschen Erziehungswesens auf die Lehranstalten der Vereinigten Staaten

Seit langer Zeit genießt Deutschland den Ruhm, das Land der großen Denker, Philosophen und Wissenschaftler zu sein. Seine Bildungsanstalten sind die Resultate unermüdlicher, über ein ganzes Jahrtausend sich erstreckenden Arbeit, hingebender Studien und der dabei gewonnenen Erkenntnisse. Infolgedessen sind Gründlichkeit und gediegene Lehrmethoden die Lichtseiten des deutschen Erziehungswesens.

Die dem ganzen Volke innewohnende Liebe zur Wissenschaft zeichnete, wie wir in einem früheren Abschnitt dartun konnten, auch die während der Kolonialzeit nach Amerika gekommenen Deutschen aus, von denen manche, wie z. B. der edle Pastorius, die Prediger Mühlenberg und Schlatter, die Lehrer Schley, Dock und andere die im alten Vaterland genossenen Unterrichtsmethoden auch in den von ihnen gegründeten Schulen anwendeten. Mit welchem Erfolg, ersahen wir aus der Geschichte des Lehrers Dock, des „deutschamerikanischen Pestalozzi“.

Niemand erkannte den Wert dieser Methoden mehr als Benjamin Franklin, der große Philosoph und Staatsmann, in dessen Druckerei die Deutschen viele ihrer Schulbücher herstellen ließen. Franklin war es auch, der, nachdem er im Jahre 1766 auf einer Reise durch Deutschland die vortrefflichen Einrichtungen der Universität zu Göttingen kennen gelernt hatte, den Anstoß dazu gab, die in Philadelphia bestehende Public Academy in eine nach dem Muster der Göttinger Universität geleitete Hochschule, die heutige Universität von Pennsylvanien umzuwandeln. Das geschah noch vor Beendigung des Unabhängigkeitskrieges, im Jahre 1779. Dass seine frühere Abneigung gegen die Deutschen sich in das direkte Gegenteil verwandelt hatte, beweist die Tatsache, dass er dem von ihm entworfenen Lehrplan eine von dem Professor Wilhelm Craemer geleitete deutsche Abteilung einfügte und so der deutschen Sprache Eingang unter den gebildeten Amerikanern verschaffte.

Franklin unterstützte auch lebhaft die Gründung der von den Deutschen Pennsylvaniens geplanten „Franklin-Hochschule“ zu Lancaster. Er steuerte nicht bloß 1.000 Dollar zum Bau derselben bei, sondern unternahm noch als 81jähriger Greis die sehr beschwerliche Reise dorthin, um der Grundsteinlegung beizuwohnen.

Außer jener Hochschule unterhielten die in Pennsylvanien lebenden Deutschen, namentlich die rasch zu Wohlstand gelangten Mennoniten und Herrnhuter, vortrefflich geleitete Schulen. Diejenigen zu Bethlehem und Nazareth bezeichnet Payne in seiner „Universal Geography vom Jahre 1798“ als die besten ganz Amerikas.

In Bethlehem bestand seit 1749 auch bereits ein Lehrerinnen-Seminar. Wie weit voraus die Herrnhuter damit den Puritanern Neu-Englands waren, beweist die Tatsache, dass, als im Jahre 1793 der Vorschlag gemacht wurde, eine ähnliche Anstalt in Plymouth, Massachusetts, zu gründen, man dort das Projekt bekämpfte, „weil in einer solchen Schule Frauen gelehrter als ihre zukünftigen Ehemänner werden könnten!“

Ein freierer Geist griff erst Platz, als in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche geistig hochstehende Amerikaner „Entdeckungsreisen“ nach dem Lande der großen Denker unternahmen, um dort ihre Studien fortzusetzen oder zu vollenden. Sie lernten dabei die Einrichtungen der deutschen Schulen und Universitäten so schätzen und lieben, dass sie gleich Franklin für die Umgestaltung des amerikanischen Erziehungswesens nach deutschem Muster eintraten.

Am nachdrücklichsten taten dies die Professoren John Griscom von New York, Alexander D. Bache von Philadelphia und Calwin E. Stowe von Ohio. Diese hervorragenden Pädagogen bereisten Europa zu dem speziellen Zweck, um die dort angewandten Erziehungsmethoden kennen zu lernen. Griscom traf während der Jahre 1818 und 1819 mit Pestalozzi zusammen und hatte Gelegenheit, die nach dessen System geleitete Anstalt in Hofwyl bei Bern zu studieren. Ihre Einrichtungen entzückten ihn dermaßen, dass er schrieb: „Ich kann nur meine Hoffnung aussprechen, dass diese Art der Erziehung, wo landwirtschaftliche und mechanische Fertigkeiten mit literarischem und wissenschaftlichem Unterricht verbunden sind, rasch und in ausgedehntem Maß in den Vereinigten Staaten angenommen werde.“

Seine Beobachtungen veröffentlichte Griscom später in dem zweibändigen Werk „Two years in Europe“, von welchem der berühmte amerikanische Pädagoge Barnard sagt, dass kein Buch einen so mächtigen Einfluss auf das amerikanische Erziehungswesen ausgeübt habe, als dieses. Thomas Jefferson benutzte die darin gegebenen Winke beim Einrichten der Universität von Virginien.

Alexander Bache, erster Präsident des von Stephen Girard in Philadelphia gestifteten „Girard College“ verwertete seine während der Jahre 1837 und 1838 in Preußen gemachten Erfahrungen beim Entwurf der Regeln der von ihm geleiteten hochberühmten Anstalt.

Calwin Stowe besuchte Deutschland während des Jahres 1836, und zwar im Auftrag der Regierung des Staates Ohio. In dem Bericht, welchen er nach seiner Rückkehr erstattete, sagt er über das preußische Schulsystem: „In der Tat, ich halte dieses System in seinen großen Zügen für nahezu so vollkommen, als menschlicher Scharfsinn und menschliche Geschicklichkeit es zu machen imstande sind. Manche Einrichtungen und Einzelheiten mögen noch verbessert werden. Natürlich sind auch Änderungen nötig, um es den Verhältnissen anderer Länder anzupassen.“

Seinem, die kleinsten Details berücksichtigenden Bericht fügte Stowe eine Übersetzung der preußischen Schulverordnungen bei, welche bei der Neugestaltung der Schulgesetze Ohios als Grundlage dienten.

Es geschah dies zur selben Zeit, wo auch in anderen Staaten aus Deutschland eingewanderte Schulmänner, wie Franz Lieber, Karl Follen, Karl Beck, Franz Joseph Grund und andere deutsche Lehrmethoden an amerikanischen Hochschulen praktisch anwendeten. Sie wurden darin später durch zahlreiche in Amerika geborene Gelehrte unterstützt, die in Deutschland studierten und nach ihrer Heimkehr als Lehrer in amerikanische Schulen und Universitäten eintraten, um die gesammelten Erfahrungen den amerikanischen Studenten zu übermitteln.

Professor Ira Remsen, Präsident der berühmten, ganz nach deutschem Muster eingerichteten John Hopkins-Universität zu Baltimore, schildert diesen Vorgang in folgenden Worten:

„Seit einem Jahrhundert besuchen Amerikaner deutsche Universitäten, von wo sie jenen Geist mitbrachten, der für diese Hauptsitze der Gelehrsamkeit so bezeichnend ist. Viele der bedeutendsten Professoren an amerikanischen Universitäten und Hochschulen erhielten ihre Schulung in Deutschland und die Hörer solcher Männer nehmen viel von dem Geist, den sie dort empfingen, auf, um ihn weiter über alle Welt zu verbreiten. Gerade hier wünschte ich statistische Angaben einschalten zu können. Es würde nicht nur interessant, sondern auch nützlich sein, festzustellen, wie viele Professoren an etwa einem Dutzend der leitenden Universitäten Amerikas in Deutschland studierten. Und ferner zu wissen, wie viele jener, die nicht dort studierten, unter solchen Personen arbeiten, die dieses Vorzugs teilhaftig wurden. Soweit ich die Lehrkörper mehrerer der wichtigsten Universitäten persönlich kenne, weiß ich, dass die meisten ihrer Mitglieder entweder in die eine oder die andere Kategorie gehören. Dabei brauchen wir uns nicht auf die größeren Hochschulen zu beschränken. Die gleichen Zustände bestehen auch an vielen kleineren und wenig bekannten. Sie beziehen ihre Professoren größtenteils von Universitäten der ersten Klasse, und auf diese Weise wird deutsche Gelehrsamkeit über das ganze Land verbreitet.

Aber es genügt nicht, den Einfluss Deutschlands auf unser akademisches Leben nur auf diese Weise festzustellen, da der Prozess zu unbestimmt wäre. Wir kommen weiter, wenn wir zeigen, wie der Einfluss Deutschlands sich in bezug auf die Organisierung unsrer Universitäten kundgibt. – Bis zum Jahr 1876 bildete das „College“ (Gymnasium) die höchste Stufe der Erziehungsanstalten unsres Landes. In manchen dieser Colleges befanden sich einige vorgeschrittene Studenten, sogenannte „post graduates“, für welche keine besonderen Vorkehrungen getroffen waren. Sie standen außerhalb des Systems und ihre Anwesenheit hatte auf das Lehrpensum der Anstalten geringe Wirkung. Falls ein solcher Student höhere als die vom Lehrplan vorgesehenen Arbeiten zu verrichten wünschte, so riet man ihm stets, nach Deutschland zu gehen. Und viele wandten sich dorthin.