Neue Kunden für den Reisemarkt - die Generation Z

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Neue Kunden für den Reisemarkt - die Generation Z
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa


Sara Blum M.A. arbeitet an der Hochschule Bremen. Sie studierte dort im Master-Programm International Studies of Leisure and Tourism.

Sara Blum

Neue Kunden für den Reisemarkt – die Generation Z

Tourismus kompakt


Umschlagabbildung: © vgajic · iStock

Foto der Autorin: © Daniel Brandt Photography

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.dnb.de abrufbar.

1. Auflage 2021

© UVK Verlag 2021

– ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

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Internet: www.narr.de

eMail: info@narr.de

CPI books GmbH, Leck

ISSN 2701-2212

ISBN 978-3-7398-3121-3 (Print)

ISBN 978-3-7398-8121-8 (ePDF)

ISBN 978-3-7398-0153-7 (ePub)

»Zukunftsorientiert, trendbasiert und empirisch fundiert – so geht Sara Blum in ihrem Buch der spannenden Frage nach, wie die Generation Z reisen wird. Die Autorin nimmt Lesende durch bildhafte Beschreibungen mit in mögliche Zukünfte und entwickelt dabei originelle, innovative Reiseangebote.«

Prof. Dr. Felix Bernhard Herle

Was Sie vorher wissen sollten

»Die Jugend hat Heimweh nach der Zukunft.«

Jean-Paul Sartre

Welches Reiseverhalten, welche Bedürfnisse und welche Motive weisen die zukünftigen Kunden des Reisemarktes auf? Wie können touristische Anbieter sich auf diese neuen Kunden einstellen? Touristische Anbieter müssen ihre Kunden kennen und neue Trends analysieren, um zielgruppenorientiertes und zukunftsgerichtetes Marketing betreiben zu können. Der vorliegende Band aus der Reihe „Tourismus kompakt“ definiert die Generation Z als neue Kunden für den Reisemarkt und setzt sich zum Ziel, mögliche Szenarien für das Reiseverhalten der Generation Z in der Zukunft zu erstellen und damit Handlungsempfehlungen für touristische Anbieter aufzustellen. Zur Erreichung dieser Zielsetzung wird auf das Forschungsmodell der Szenario-Technik zurückgegriffen. Diese wird durch eine Methode der Trendforschung, die Trendanalyse, in Form einer detaillierten und systematischen Sekundärrecherche erweitert. Als Schlüsselfaktoren für das Reiseverhalten der Generation Z werden die Einflussfaktoren Always online, Identitätsmarketing und Selbstinszenierung und Weltenbummler identifiziert. Daraus werden drei Szenarien für das Reiseverhalten der Generation Z erstellt, die jeweils eine Gesellschaftsbeschreibung, die Erstellung einer Persona und eines Marketing-Mix mit dem Fokus auf der Produktentwicklung und der Kommunikation beinhalten. Zu den sich daraus ergebenden zentralen Handlungsempfehlungen gehören die Integration von technologischen Entwicklungen wie Augmented und Virtual Reality und Künstlicher Intelligenz in die Kommunikation und die Angebotserstellung von touristischen Dienstleistungen. Außerdem wird empfohlen, flexible und personalisierte Reiseangebote zu schaffen, die auf individuelle Bedürfnisse der Kunden eingehen. Die direkte Kommunikation mit dem Kunden sowie die Einbindung der Kunden durch Feedback und Bewertungen stellen ebenfalls eine Empfehlung dar.

Schlussendlich werden touristische Anbieter dazu aufgefordert, ihr Angebot stetig auf ihre Kundengruppe anzupassen, sich mit neuen Trends und Entwicklungen zu beschäftigen und so auf veränderte Kundenmerkmale zu reagieren.

Bremen, Sommer 2021

Sara Blum

Gender-Hinweis

Zur besseren Lesbarkeit werden personenbezogene Bezeichnungen, die sich zugleich auf Frauen und Männer beziehen, generell nur in der im Deutschen üblichen männlichen Form angeführt, also z.B. „Kunden“ statt „Kund*innen“ oder „Kundinnen und Kunden“. Dies soll jedoch keinesfalls eine Geschlechterdiskriminierung oder eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zum Ausdruck bringen.

Inhalt

Was Sie vorher wissen sollten

1 Einführung

1.1 Ausgangslage

1.2 Zielsetzung

1.3 Methodik

2 Theorie und Methodik zur Entwicklung von Szenarien

2.1 Theoretische Einführung in die Szenario-Technik

Definition, Grundlagen und Einsatz der Szenario-Technik

Das Modell der Szenario-Technik

2.2 Theoretische Einführung in die Trendforschung

Definition, Grundlagen und Einsatz der Trendforschung

Trendanalyse als zentrale Methode der Trendforschung

Weitere Methoden der Trendforschung

2.3 Methodisches Vorgehen

3 Vorstellung der Generation Z

3.1 Einteilung von Menschen in Generationen

3.2 Von der Silent Generation bis zu Generation Alpha

3.3 Die Generation Z

4 Anwendung der Szenario-Technik: Reiseverhalten der Generation Z

4.1 Ermittlung der Einflussfaktoren

Einflussbereiche und Einflussfaktoren der Generation Z

Trends mit Einfluss auf die Generation Z

Idea-Generating zu den Einflussfaktoren

Auswahl der zentralen Einflussfaktoren

4.2 Identifikation der Schlüsselfaktoren

Relevanz- und Einflussanalyse

Methodisches Vorgehen und Auswahl der Experten

Ergebnisse der Bewertung durch Experten

Auswahl der relevanten Schlüsselfaktoren für die Szenario-Bildung

4.3 Entwicklung von Zukunftsprojektionen

Projektionen „Always online“

Projektionen „Identitätsmarketing und Selbstinszenierung“

Projektionen „Weltenbummler“

4.4 Szenario-Bildung

Konsistenzbewertung der Projektionen

Bildung von Projektionsbündeln

5 Szenarien für das Reiseverhalten der Generation Z

5.1 Das Trendszenario

Beschreibung der Gesellschaft im Trendszenario

Portrait einer Persona im Trendszenario

Marketing-Mix für das Trendszenario

5.2 Das Extremszenario 1

Beschreibung der Gesellschaft im Extremszenario 1

 

Portrait einer Persona im Extremszenario 1

Marketing-Mix für das Extremszenario 1

5.3 Das Extremszenario 2

Beschreibung der Gesellschaft im Extremszenario 2

Portrait einer Persona im Extremszenario 2

Marketing-Mix für das Extremszenario 2

6 Konsequenzen für den Reisemarkt

6.1 Reisespezifische Merkmale der Generation Z

6.2 Marketing-Mix für die Generation Z

6.3 Chancen und Gefahren Matrix für touristische Anbieter

6.4 Handlungsempfehlungen für touristische Anbieter

7 Kritische Reflexion

8 Fazit und Ausblick

Literatur

Quellenverzeichnis der Trendforschung

Hinweise zum Anhang

Stichwörter

1 Einführung

Reisen beschreibt laut der Definition der World Tourism Organization (UNWTO) den Ortswechsel an einen Ort, der sich außerhalb des alltäglichen (beruflichen und privaten) Umfelds befindet. Dabei müssen Kunden einige Entscheidungen treffen: Mit wie vielen Leuten verreise ich? Wann und für wie lange soll die Reise stattfinden? Wohin soll es gehen? Mit welchem Verkehrsmittel möchte ich anreisen? Wie hoch darf der Preis sein? Welche Art von Reise möchte ich unternehmen etc. Das sind Fragen, die sich nicht nur die Reisenden, sondern auch touristische Anbieter stellen. Um erfolgreich zu sein, müssen Anbieter ihre Kunden, deren Bedürfnisse, Motive und Verhalten kennen und attraktive Reiseangebote für sie erstellen.

1.1 Ausgangslage

Auf dem touristischen Markt gibt es heutzutage mehr Angebot als Nachfrage, es handelt sich demnach um einen Käufermarkt. Auf einem solchen Markt müssen Anbieter ihre Produkte möglichst attraktiv für Kunden gestalten, damit sie diese erreichen. Zudem unterliegt der touristische Markt permanenten Entwicklungen der Gesellschaft. Sichtbar werden diese Veränderungen unter anderem an der Zuordnung von Menschen zu verschiedenen Generationen und den damit einhergehenden Zuschreibungen von verschiedenen Eigenschaften.

Herausforderungen erkennen

Die Generation Z stellt die jüngste bereits geschlossene Gruppierung dar und umfasst alle, die zwischen 1995(–98) und 2010(–12) geboren wurden (Klaffke 2014a, 69; OC&C Strategy 2019, 4–5). Sie ist die Generation mit den neuen jungen Erwachsenen. Mit der Selbständigkeit kommt es dazu, dass die Generation Z-ler eigenständig und eben nicht mehr mit den Eltern verreisen. Die Generation Z wird in den nächsten Jahren zu einer wichtigen Kundengruppe für den deutschen Reisemarkt, wie eine Erhebung von Statista (2019) ermittelt. In der Studie wird deutlich, dass die Altersgruppe 30–49 Jahre in Deutschland besonders reisestark und zahlungsbereiter als jüngere Altersgruppen in Bezug auf Reisen ist.

Es wird demnach zu einer Aufgabe für die Reisebranche, sich auf die Generation Z als neue Kundengruppe einzustellen.

Das Erkennen von Trends und eine zukunftsgerichtete und zielgruppenorientierte Angebotsentwicklung stellen auf dem touristischen wie auch auf dem gesamten wirtschaftlichen Markt einen Vorteil für Anbieter dar. Dafür müssen die Kunden der Zukunft ermittelt und deren Verhalten, Motive und Bedürfnisse aufgedeckt werden. Wie können aber die Kunden der Zukunft bestimmt werden?

Existierende Forschungsarbeiten untersuchen bereits die Generation Z und deren Eigenschaften und Werte und stellen Besonderheiten dieser Generation dar. Zudem existieren Trendanalysen, die einflussreiche Trends und deren Facetten sowie mögliche generelle Entwicklungen der Gesellschaft und des Tourismus darstellen. Die Untersuchung und Prognose der Generation Z als Kundengruppe für den Reisemarkt in der Zukunft fehlen bisher und stellen deshalb den Gegenstand dieses Buches dar.

1.2 Zielsetzung

Der Generation Z werden durch die Einteilung in eine Gruppierung pauschal Merkmale zugeordnet; es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass diese für die gesamte Generation gleichermaßen zutreffen. Bei der Betrachtung der Generation Z als zukünftige Kundengruppe für den Reisemarkt kann angenommen werden, dass sich innerhalb der Generation Z unterschiedliche Reisetypen mit verschiedenen Merkmalen befinden. Der Reisemarkt muss sich auf diese potenziellen Kunden einstellen und sich auf deren psychografischen und verhaltensbezogenen Merkmale vorbereiten, um zielgruppenorientiertes Marketing betreiben zu können (Meffert 2000, 199–211).

Dieses Buch hat sich zum Ziel gesetzt, Szenarien für das Reiseverhalten der Generation Z in der Zukunft zu erstellen und somit Handlungsempfehlungen für touristische Anbieter aufzustellen. Dabei sollen potenzielle tourismusspezifische Merkmale der Generation Z ermittelt und beispielhaft der klassische Marketing-Mix mit einem Fokus auf der Produktentwicklung und Kommunikation angewandt werden. Unter Bezugnahme auf die Trendforschung werden Trends gesammelt und analysiert, die die Generation Z beeinflussen und die durch sie vermehrt vorangetrieben werden. Für die Entwicklung der Szenarien werden Schlüsseltrends ermittelt, die einen starken Einfluss auf das Reiseverhalten der Generation Z haben. In den Szenarien werden mögliche Reiseabläufe für die Generation ermittelt und dabei auch Reisemotive, Kundenbedürfnisse und das Reiseverhalten bestimmt. Zur stärkeren Personalisierung werden Portraits für Charaktere in den einzelnen Szenarien erstellt. Bei der Anwendung des Marketing-Mix liegt ein Fokus auf der Entwicklung eines innovativen Reiseangebots und der Kommunikation. Zudem werden auch Möglichkeiten für die Preisgestaltung und die Distribution des zuvor entwickelten Produktes vorgestellt. Aus den Szenarien lassen sich Ergebnisse zu Merkmalen und einem erfolgversprechenden Marketing-Mix ablesen, sowie Chancen und Gefahren aufdecken und somit Handlungsempfehlungen für den Reisemarkt aufstellen.

Zentrale Fragen

» Welche Szenarien lassen sich für das Reiseverhalten der Generation Z erstellen?

» Welche Handlungsempfehlungen ergeben sich daraus für touristische Anbieter?

Leitfragen sind: Wer ist die Generation Z? Welche Eigenschaften werden ihr zugeschrieben und unter welchen Einflussfaktoren steht sie? Welche Trends beeinflussen das Reiseverhalten der Generation Z? Welche Trends bilden Schlüsselfaktoren bei der Entwicklung von Zukunftsszenarien für das Reiseverhalten der Generation Z? Welche Reisemotive, welche Kundenbedürfnisse und welches Reiseverhalten weisen die Generation Z auf? Wie kann sich die Reisebranche auf diese neue Kundengruppe einstellen? Was bedeutet das für die Produktentwicklung und Kommunikation von touristischen Anbietern? Welche Chancen und Risiken ergeben sich für den Reisemarkt?

1.3 Methodik

Das Erkennen von Trends und Einflussfaktoren beschreibt die Gegenwart, impliziert aber noch keine Aussagen für die Zukunft. Eine Möglichkeit, Zukunftsaussagen zu treffen, stellt die Anwendung der Szenario-Technik dar (Cornish 2005, 93). Verbreitet ist die Erstellung von drei Szenarien mithilfe dieser Technik. Hierbei werden zunächst zentrale Trends für den untersuchten Gegenstand ermittelt. Ausgehend davon wird ein Szenario entwickelt, in dem sich diese Trends in ihrer Weiterentwicklung ähnlich verhalten wie bisher, und zwei Szenarien, die extreme Entwicklungen der Trends in verschiedene Richtungen darstellen. Damit sollen verschiedene Eventualitäten für die Zukunft bedacht werden (Cornish 2005, 97). Diese Methodik wird in diesem Buch angewandt.

Zunächst werden dafür die Szenario-Technik und die Trendforschung als Forschungsmethoden vorgestellt. Es folgt eine Darlegung der Anwendung dieser Methoden. Anschließend wird die Generation Z, präzise vorgestellt und abgegrenzt. Nach der intensiven Beschäftigung mit der Generation Z werden Faktoren bestimmt, die Einfluss auf sie ausüben. Dafür wird eine systematische Sekundärrecherche in Form einer Trendforschung zur Generation Z durchgeführt. Es entsteht hierbei eine Trendsammlung, die am Ende auf zentrale Einflussfaktoren reduziert wird, um die Übersicht und den zeitlichen Rahmen der Arbeit zu gewährleisten.

Mit der Auswahl an zentralen Einflussfaktoren wird im nächsten Schritt weitergearbeitet. In diesem Schritt werden zur Reduktion der Komplexität drei Schlüsselfaktoren für das Reiseverhalten der Generation Z ermittelt. Dafür werden eine Relevanzanalyse und eine direkte Einflussanalyse nach Gausemeier und Plass durchgeführt (Gausemeier und Plass 2014, 51–53). Zur Wahrung der Objektivität, werden die Relevanz- und die direkte Einflussanalyse durch externe Personen aus verschiedenen Disziplinen wie Tourismus, Marketing, Personalwesen, Soziologie, Psychologie und Trendforschung bewertet. Aus den Ergebnissen werden die drei Schlüsselfaktoren für das Reiseverhalten der Generation Z ermittelt.

Im nächsten Schritt geht es darum, zu den ermittelten Schlüsselfaktoren Projektionen zu entwickeln, die zwei extreme und eine Trend-Entwicklung des Schlüsselfaktors darstellen (Gausemeier und Plass 2014, 62). Anhand dieser Projektionen werden im folgenden Schritt Szenarien entwickelt. Hierbei werden Portraits von Charakteren in den einzelnen Szenarien erstellt, sowie Reiseangebote und Kommunikationsmaßnahmen für diese entwickelt. Ergänzt wird das Szenario durch einen narrativen Transfer.

Aus den entwickelten Szenarien lassen sich Schlussfolgerungen für potenzielle Merkmale der Generation Z und einen erfolgsversprechenden Marketing-Mix ziehen. Zudem werden daraus Chancen und Gefahren für den Reisemarkt abgelesen. Die Entwicklung von möglichen Handlungsempfehlungen, die sich aus den erstellten Szenarien für touristische Anbieter ergeben, sowie die Reflexion der Arbeit und ein Rückbezug auf die Problemstellung schließen das Buch ab.

2 Theorie und Methodik zur Entwicklung von Szenarien

Die Szenario-Technik stellt ein gängiges Modell dar, um potenzielle Entwicklungen in der Zukunft zu erkennen und aufzuzeigen. Diese Technik wird in diesem Buch als grundlegende Methodik angewandt. Im Folgenden wird zunächst der Begriff Szenario definiert, in die Grundlagen der Szenario-Technik eingeführt und der Einsatz von Szenarien erläutert. Außerdem wird aufgezeigt, wie die Trendanalyse in der Szenario-Technik angewandt werden kann. Diese bildet ein weiteres methodisches Instrument in diesem Buch und soll genutzt werden, um die Generation Z ausführlich zu analysieren und mögliche Entwicklungen zu ermitteln. Im Anschluss wird das methodische Vorgehen beschrieben, welches sich auf die beiden vorgestellten Techniken stützt.

2.1 Theoretische Einführung in die Szenario-Technik

In diesem Buch sollen mögliche Entwicklungen für das Reiseverhalten der Generation Z prognostiziert werden. Das frühe Erkennen von Kundenbedürfnissen und von möglichen Entwicklungen auf dem Markt stellen einen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen dar. Dafür müssen sich Anbieter mit heutigen und möglichen zukünftigen Entwicklungen beschäftigen (Gausemeier und Plass 2014, 43). Mit der Betrachtung der momentanen Situation und dem Erkennen von aktuellen Trends können allerdings noch keine Vermutungen über die Zukunft aufgestellt werden. Eine Methode, um Aussagen über zukünftige Entwicklungen treffen zu können, stellt die Szenario-Technik dar (Cornish 2005, 93). Mithilfe dieser Technik können aus erkennbaren Einflussfaktoren und Trends Prognosen für die Zukunft getroffen werden. Die Methodik dieser Arbeit folgt den Forschungsschritten der Szenario-Technik. Deshalb sollen im Folgenden dessen Grundlagen und Einsatz in der Forschung und das Forschungsmodell mit den zugehörigen Schritten vorgestellt werden.

 

2.1.1 Definition, Grundlagen und Einsatz der Szenario-Technik

Das Ziel der Szenario-Technik ist es, Szenarien zu erstellen. Die Autoren Gausemeier und Plass definieren ein Szenario als „Zukunftsbild, das auf einer in sich schlüssigen Kombination von denkbaren Entwicklungen (Projektionen) einzelner Einflussfaktoren beruht“ (Gausemeier und Plass 2014, 41).

Demzufolge stellt ein Szenario eine mögliche Situation in der Zukunft dar, die sich aus der Analyse von verschiedenen Einflussfaktoren, deren möglichen Entwicklungen und den verschiedenen Zusammensetzungen dieser Faktoren ergibt. Mit der Anwendung der Szenario-Technik wird nicht nur eine sondern verschiedene mögliche Entwicklungen der Einflussfaktoren berücksichtigt (Gausemeier und Plass 2014, 41). Die Szenario-Technik zielt nicht darauf ab, feste Aussagen über die Zukunft zu treffen. Es geht bei der Anwendung vielmehr darum, mögliche Entwicklungen aufzudecken und dabei Chancen und Gefahren für einen festgelegten Gestaltungsbereich zu erkennen (Cornish 2005, 94).

Gausemeier und Plass (2014, 45) stellen zwei Grundannahmen für die Forschung in der Szenario-Technik auf:

Zum einen basiert die Forschung auf der Annahme, dass die Zukunft nicht nur von einem Einflussfaktor abhängig ist, sondern, dass ein Gegenstand von dem komplexen Netz verschiedener Einflussfaktoren beeinflusst wird. Die daraus resultierende Notwendigkeit in der Szenario-Technik ist das vernetzte Denken. Die Tatsache, dass ein Unternehmen nicht losgelöst von seiner Umwelt betrachtet werden kann, zeigt die Abhängigkeit von äußeren Einflüssen. Ein Unternehmen stellt ein Teilsystem in einem komplexen Gesamtsystem dar. Diese Komplexität entsteht durch vielfältige Angebote, Technologien und Ansprüche sowie durch eine stetig steigende Dynamik bei Veränderungsprozessen. Komplexität kann nur durch vernetztes Denken erfasst werden.

Als zweite Grundannahme stellen die beiden Autoren die multiple Zukunft heraus. Bei der Entwicklung von Szenarien handelt es sich um mögliche Entwicklungen. Diese Annahme impliziert, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, wie sich die Zukunft entwickeln kann. Das Grundprinzip der multiplen Zukunft führt dazu, dass nicht nur erkennbare Entwicklungen fortgeschrieben werden, sondern, dass auch undenkbare Möglichkeiten gefunden und Grenzen überschritten werden (Gausemeier und Plass 2014, 45–46).

Folgende Formulierung in Anlehnung an die Autoren Gausemeier und Plass (2014, 46) soll als Grundlage für das Verständnis eines Szenarios in der vorliegenden Arbeit gelten:

Ein Szenario ist die Darstellung einer möglichen Situation in der Zukunft. Diese basiert auf einem komplexen Netz aus verschiedenen Einflussfaktoren, die von Bedeutung für den Untersuchungsgegenstand sind. Laut dem vorgestellten Prinzip der multiplen Zukunft sind verschiedene Entwicklungen denkbar. Deshalb kann die Szenario-Technik durch einen Trichter symbolisiert werden (Gausemeier und Plass 2014, 46).

Hinter dieser Darstellung steht die Idee, dass die Zukunft sich von dem heutigen Standpunkt aus trichterförmig ausbreitet. Das bedeutet, je weiter ein Ereignis in der Zukunft liegt, desto größer wird die Bandbreite der möglichen Entwicklungen für die Zukunft. „Somit entsteht ein Raum möglicher zukünftiger Entwicklungen und nicht nur eine einzige mögliche Zukunft.“ (Gaßner und Kosow 2008, 11). Abbildung 1 macht deutlich, dass die Szenario-Technik die Annahme verfolgt, dass mehrere alternative Zukünfte nebeneinander existieren und die Technik dazu dient, den Trichter für diese möglichen Entwicklungen aufzuzeigen (Gaßner und Kosow 2008, 11).


Abbildung 1: Szenario-Trichter Quelle: Gausemeier und Plass (2014, 46).

Szenarien werden in unterschiedlichen Bereichen und zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt. Ihnen werden dabei von Gaßner und Kosow (2008, 14–16) unterschiedliche Funktionen zugeschrieben. Zunächst weisen sie Szenarien eine Wissensfunktion zu, da sie das Wissen über gegenwärtige Verhältnisse, Entwicklungen und Zustände sammeln und systematisieren. In ihnen werden Annahmen zu möglichen Entwicklungen gemacht, wofür zunächst Wechselwirkungen und mögliche Auswirkungen analysiert werden. Dadurch decken sie auch Wissensgrenzen, Komplexität und Dilemmata auf. Weiter schreiben die Autoren Szenarien eine Kommunikationsfunktion zu. Szenarien können in diesem Rahmen dazu genutzt werden, Probleme und Handlungsmöglichkeiten zu kommunizieren. Mit der Zielbildungsfunktion stellen die Autoren dar, dass Szenarien dabei unterstützen können, eine Positionierung oder Unternehmensziele deutlich zu machen. Zudem wird ihnen durch die Autoren die Funktion der Entscheidungsfindung und Strategiebildung zugeschrieben (Gaßner und Kosow 2008, 14–16).

In der Praxis vieler Unternehmen sollen Szenarien dabei helfen, Entscheidungen zu treffen oder Handlungsempfehlungen aufzustellen. Dies stellt die zuletzt vorgestellte Funktion zur Entscheidungsfindung durch Szenarien dar. Unternehmen können die Szenario-Technik im Bereich des strategischen Managements nutzen, um Kundenbedürfnisse früh zu erkennen oder sogar vorauszusehen. Diese Fähigkeit ist notwendig für ein erfolgreiches Marketing. Dafür sind eine Auseinandersetzung mit der Zukunft und die Erstellung von Prognosen unabdingbar. Anhand von verschiedenen Szenarien, die dadurch entstehen, können Herausforderungen und Potenziale erkannt werden, die in einen strategischen zukunftsgerichteten Entscheidungsprozess mit einfließen sollten (Schögel und Sulser 2007, 345).

Die Szenario-Technik wird angewandt, um Erfolgspotenziale oder Gefahren zu erkennen und sich auf mögliche zukünftige Entwicklungen einstellen zu können. Sie bezieht sich immer auf einen bestimmten Gegenstand, der von Gausemeier und Plass (2014, 47) als Gestaltungsfeld bezeichnet wird. Das Gestaltungsfeld wird in Hinblick auf mögliche Entwicklungen in einem Betrachtungsbereich untersucht. Dieser Betrachtungsbereich wird als Szenariofeld bezeichnet und stellt den Untersuchungsgegenstand dar (Gausemeier und Plass 2014, 47).

Bei dem Einsatz von Szenarien ist zu beachten, dass sie nicht den Anspruch haben, ein realitätsgetreues Bild der Zukunft zu erstellen. Sie fokussieren sich auf festgelegte Faktoren und Ausschnitte einer Situation. Dabei kann es nicht gelingen, ein ganzheitliches Bild der Zukunft zu projizieren. Szenarien streben an, eine Orientierung hinsichtlich ausgewählter Faktoren und deren möglichen Entwicklungen zu geben. Dabei werden bewusst Faktoren ein- oder ausgeschlossen, um bestimmte Faktoren in dem Untersuchungsfeld in den Mittelpunkt zu stellen (Gaßner und Kosow 2008, 10). So wird auch in diesem Buch kein Wahrheitsanspruch bezüglich der entstehenden Szenarien gehegt. Dem Buch liegt das Wissen zugrunde, dass Szenarien, wie Gaßner und Kosow (2008, 10) betonen, lediglich einen Ausschnitt der Realität widerspiegeln, dass sie abhängig von der subjektiven Konstruktionsarbeit des Forschers sind, und dass ihnen Annahmen zugrunde liegen.