Margeriten im Wind

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Margeriten im Wind
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Sebastian Görlitzer

Margeriten im Wind

Die Geschichte einer besonderen Begegnung

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

~ 1 ~

~ 2 ~

~ 3 ~

~ 4 ~

~ 5 ~

~ 6 ~

~7 ~

~ 8 ~

~ 9 ~

~ 10 ~

~11 ~

Impressum neobooks

Vorwort

Wenn ich an das Haus mit den grünen Fensterläden und der ebenso grünen Balkonbrüstung denke, erinnere ich mich gern daran, wie es war ein Kind zu sein. Du hast mir auf liebevolle Art und Weise gezeigt, dass man im Leben nicht immer alles geschenkt bekommt und man für manches auch arbeiten muss. Aber genauso hast du mir unbewusst gezeigt, dass es sich oft lohnt, hat man die Geduld zu warten. Darum ist dieses Buch Dir gewidmet, wo auch immer Du jetzt bist.

Für Tante M.

~ 1 ~

Vorsichtig stellte sie die Porzellantassen auf das Tablett und musterte ihren Sohn bedächtig, als wollte sie ihn etwas fragen, traute sich aber nicht. Alexander schien den Blick seiner Mutter zu bemerken, er stellte seine Kaffeetasse ebenfalls ab und bestätigte seine Worte von vor ein paar Minuten noch einmal. Nur diesmal mit eindringlichem Ton in seiner Stimme, um zu verdeutlichen, dass er keine Widerrede duldete: „Bitte, es ist völlig in Ordnung, wenn du wieder arbeiten gehen möchtest. Genieße deinen ersten Arbeitstag und denk dabei bitte nicht immer an mich. Ich bin blind, doch längst nicht unbeholfen und wenn etwas sein sollte, dann weiß ich, wo das Telefon steht. Alles kein Problem.“ Vera stellte den Kaffeebecher, der ihr gerade von Alexander herüber gereicht wurde, auf das Tablett und wollte gerade widersprechen, als Alexander hinzufügte: „Du warst so viele Jahre für mich da, hast dich um mich gekümmert und jetzt ist es an der Zeit, dass du wieder an dich denkst. Also, ich wünsche Dir einen schönen ersten Arbeitstag und eine schöne Schicht.“ Mit einem liebevollen Lächeln sah sie ihren Sohn an und verkniff es noch etwas zu erwidern. Es war ohnehin zwecklos ihrem Sohn zu widersprechen. Dafür kannte sie ihn zu gut. In weniger als einer halben Stunde würde sie zu ihrer Arbeitsstelle aufbrechen. Und wenn sie ehrlich war, freute sie sich darauf. Sie ging die Treppen zu ihrem Schlafzimmer hinauf, um sich fertig zu machen. Alexander blieb sitzen, lauschte dem Nachrichtensprecher im Radio, welcher die Neuigkeiten des Tages durchgab und wartete bis seine Mutter zurückkam, um sich von ihm zu verabschieden. Für Alexander fühlte es sich richtig an, zu wissen, dass seine Mutter ab sofort wieder in ihrem Beruf als Krankenschwester arbeitete. Viele Jahre blieb sie für ihren Sohn und dessen kranken Vater Zuhause und kümmerte sich um die beiden. Alexander spürte schon lange, dass seine Mutter etwas bedrückte, doch sie äußerte es nicht. Eines Abends als Mutter und Sohn zusammen saßen, nutzte Alexander die Gelegenheit und sprach seine Mutter darauf an. Zunächst winkte sie ab und meinte, es sei nichts. Nach einer Weile des Schweigens, gab sie dann doch zu, dass sie wieder unter Menschen musste. Jetzt, wo Alexander trotz seiner Blindheit, so gut allein zurecht kam und es ihr nach dem frühen Tod des Ehemanns und Vater besser ging, fühlte sie sich überflüssig und wollte ihren Sohn auch nicht übertrieben bemuttern. Das konnte er überhaupt nicht leiden und Vera fing deshalb auch gar nicht erst damit an. Sie erzählte ihrem Sohn, dass sie sich telefonisch erkundigt hätte und es möglich wäre, ihre ehemalige Stelle im Krankenhaus jederzeit wieder aufzunehmen. Die Kollegen vermissten sie und auch die Oberschwester hätte sich bei der Verwaltung für sie stark gemacht, wurde ihr gesagt. Trotzdem hatte sie Bedenken, ob Alexander wirklich allein zurecht kam, ob sie ihn allein lassen konnte und in ihm nicht das Gefühl aufkam, von ihr im Stich gelassen zu werden. Das war immerhin das Letzte, was sie wollte. Ihre Zweifel waren aus der Sicht ihres Jungen jedoch völlig unbegründet. Ihn in fremde Hände geben, wollte sie nicht, denn sich selbst um ihren Sohn zu kümmern, ließ sie sich nicht nehmen. Für sie war es einfach eine Frage der Organisation. So kochte sie bereits am Abend des vorherigen Tages das Mittagessen für Alexander und füllte auch sich eine Portion in ein Plastikgefäß, damit sie es auf der Arbeit nur noch warm machen brauchte. Das hielt sie schon so, als Alexander noch zur Schule ging. Die gute alte Zeit konnte manchmal sehr fehlen. Manchmal, wenn sie längst vergangen ist, schaut man ihr noch immer wehmütig hinterher und sehnt sich gelegentlich nach der alten Routine. Dabei war es das Familienleben, welches fehlte. Ohne ihren Mann und Alexanders Vater, der immer gute Laune hatte, fehlte etwas im Haus. Aber heute war es Zeit für einen Neuanfang und der würde sicher nicht nur ihr helfen, zurück ins Leben zu finden. Ein Versuch war es immerhin wert und wenn Alexander ihre Hilfe wirklich brauchte, dann würde er es ihr sagen, darauf konnte sie sich verlassen. Alexander war von Geburt an blind, konnte sich, wie er selbst sagte, in diese Situation einleben und nur gelegentlich brauchte er etwas Hilfe. Die er dann von seiner Mutter bekam und wenn sie nicht da war, war er sich sicher, auch mal allein zurecht zu kommen. Für ihn war es kein Problem. Es war auch nur für vier Stunden am Tag, die er allein sein würde. Er fragte sich dann schon eher, wie es seine Mutter überhaupt so lange ohne eine Tätigkeit, ihre Kolleginnen auf Arbeit und ihre Aufgaben im Krankenhaus ausgehalten hatte. Gut, sie hatte ihre Aufgabe hier, die sie aber nicht auf Dauer erfüllte, das war von Anfang an klar und verständlich. Sie brauchte Zeit für ihre Trauer, um ihren verstorbenen Mann, doch es war abzusehen, dass sie irgendwann wieder zurück in ihr gewohntes Arbeitsleben wollte. Da stand Alexander ihr auf keinen Fall im Wege. Stattdessen freute er sich für seine Mutter, weil dies ein Zeichen war, dass es ihr besser ging und sie bereit für neue Herausforderungen war. Immerhin wusste Alexander, wie wichtig eine Aufgabe im Leben war. Er sah das Schreiben von Gedichten und Geschichten als seine Aufgabe, was ihn erfüllte und was ihm Spaß bereitete. Darin ging er auf. Und mit seinem Braille Sense, einem speziellen Eingabegerät für blinde Menschen, war ihm dies auch problemlos möglich.

~ 2 ~

Lilly trank gerade ihren Kaffee aus und anschließend brachte sie ihre leere Tasse zurück in die Küche. Dieser Morgen begann für sie wie gewöhnlich sehr zeitig, da sie mit ihrem Verlobten David aufstand, den Frühstückstisch deckte und mit ihm frühstückte, bevor er zur Arbeit fuhr. Nach einer zweiten Tasse Kaffee machte sie sich meist ebenfalls auf den Weg. Heute jedoch nicht. Sie hatte einen freien Tag und konnte sich mit allem Zeit lassen. Sie drängte nichts. „Ich komme heute nicht so spät nach Hause“, versprach David und biss genüsslich in sein Brötchen. „Das wäre toll, dann könnten wir den Abend gemeinsam ausklingen lassen“, sagte sie mit einem verliebten Blick. Es entging nicht, dass er sie nicht einmal ansah und weiter in die Tageszeitung stierte. „Und was hast Du heute geplant?“, fragte er Lilly desinteressiert, während er die zweite Hälfte seines Brötchens schmierte. „Ich werde mich zunächst um den Haushalt kümmern und mal sehen, was sich noch so ergibt. Vielleicht werde ich mein neues Buch anfangen zu lesen, was ich mir letzte Woche in meiner Lieblingsbuchhandlung gekauft habe.“ Von David kam keine Reaktion. Sie las gern. Besonders Liebesromane. Sie mochte es, beim Lesen in andere Welten einzutauchen. Ihr Freund, David, konnte natürlich überhaupt nicht verstehen, wie man an solchem Kitsch, wie er diese Art von Literatur nannte, Gefallen finden konnte. Er hatte bisher immer einen großen Bogen um dieses Genre gemacht und zog seine Thriller und Krimis vor, wenn er denn mal las. In gewisser Weise war er das komplette Gegenteil seiner Verlobten. Nur in manchem waren sie sich sehr ähnlich. Er war der Mann, mit dem Lilly alt werden wollte, dem sie vertraute, der sie auf Händen trug und was ihr am wichtigsten war, mit dem sie über alles reden konnte. Er hörte ihr zu und verstand sie, zumindest glaubte Lilly daran. Sie ahnte nicht, wie sehr sie sich eigentlich irrte. Dann war es an der Zeit und David machte sich auf den Weg ins Büro. Flüchtig verabschiedete er sich bei Lilly und gab ihr noch einen Kuss. Danach ging Lilly gleich ins Bad, um die dreckige Wäsche zu sortieren und kam im Wohnzimmer an ihrem gemeinsamen Bild vorbei, blieb stehen und warf einen Blick darauf. David sah noch genauso aus, wie sie ihn kennengelernt hatte. Einzig fiel ihr auf, wie sehr sie sich selbst in ihren Zügen verändert hatte. Doch wenn sie ehrlich zu sich gewesen wäre, hätte sie gesehen, dass die vergangenen Jahre sie beide verändert hatten. Sie ließen es zu, dass sie sich in entgegengesetzte Richtungen entwickelten. Sie waren dabei sich zu entfremden und sich auseinander zu leben. Nicht optisch sondern charakterlich, hatte sich David am meisten verändert. Sie waren längst nicht mehr die Menschen, die sich vor sieben Jahren kennen und lieben lernten. Lilly war der Familienmensch, die sich irgendwann eine eigene Familie mit Kindern wünschte. Doch David war der Karrieretyp, er war eigentlich nur auf seinen Beruf bedacht und lebte nur für das Geld, was ihnen immerhin ein einigermaßen luxuriöses Leben ermöglichte. An eigene Kinder verschwendete David überhaupt keinen Gedanken. Wenn sie, Lilly, mit ihren gemeinsamen Freunden über Kinder sprach, merkte sie oft nicht, wie David geschickt auf ein anderes Thema umlenkte. Wenn sie es doch einmal merkte, dann dachte sie, dass er vielleicht noch nicht soweit war eine Familie zu gründen. Auf die Idee, dass er gar keine Kinder haben wollte, kam sie nicht. Das verschwieg er ihr bewusst, weil er keine Lust auf endlose Diskussionen hatte, die ohnehin zu nichts führten, als möglicherweise zu einem Streit. In den letzten Jahren wurde David sehr oberflächlich und egoistisch, was der Großteil seiner Freunde und Bekannten mitbekam und so wendeten sie sich von ihm ab. Einer nach dem Anderen beendete die Freundschaft. Der ein oder andere Kontakt schlief ein. Die Zeit darüber nachzudenken nahm sich David nicht. Es war ihm vollkommen egal, weil er genug Freunde hatte, die sich mit ihm messen konnten. Karriere und Aussehen waren alles, was für ihn zählte. Werte und Menschlichkeit waren etwas für Schwächlinge. Als Lilly die Wäsche sortierte und jedes Kleidungsstück in zwei unterschiedliche Körbe warf, die unmittelbar neben ihr standen, nahm sie plötzlich Davids hellblaues Freizeithemd vom Stapel der dreckigen Wäsche und war entsetzt. Sie fand einen Lippenstiftfleck am Rand des Kragens. Ohne darüber nachzudenken, griff sie in die linke Brusttasche des Kleidungsstücks und fand einen kleinen, zerknitterten Zettel worauf eine persönliche Notiz stand: „Ruf mich an, wann immer dir danach ist. Ich freu mich. Kuss. Lizzy.“ LIZZY. Wer war diese Frau? Sie überlegte kurz. Den Namen hatte sie schon einmal gehört. David sprach bereits von ihr, kurz nachdem er befördert worden war und dann hieß es, dass er ab sofort eine eigene Sekretärin bekommen sollte, die ihn unterstützte. Das musste diese Frau sein, ganz sicher. Und dann war dieses Firmenjubiläum vor nicht allzu langer Zeit, bei der er eingeladen war. Zwar war Lilly ebenfalls als Verlobte von David eingeladen, sie wollte allerdings nicht mit, weil sie einen anstrengenden Tag hatte und sich auf einen gemütlichen Abend freute. Ihr stand der Sinn keinesfalls nach einer Feier und David akzeptierte es, ohne zu nörgeln und ohne jegliche Versuche sie davon zu überzeugen mitzukommen. Damals war sie ihm dafür dankbar. Feiern mit Champagner und eleganten Anzügen war sowieso nichts für sie. Nun stand sie im Badezimmer, mit einem Zettel in der Hand, auf der die Nummer einer Frau stand, die Lilly nicht kannte. David wohl umso mehr. Eifersucht kam in ihr hoch. Gleichzeitig war sie gekränkt und fühlte sich betrogen. Diese Info, die sie nun in Fetzen zerriss und zerknüllte, war eindeutig genug. Ihre Gedanken überschlugen sich. Es gab nur eine Möglichkeit die Wahrheit zu erfahren. Sie musste mit ihm reden. Sie eilte ins Wohnzimmer, griff zum Telefon und wählte die Nummer von Davids Arbeit. Er hatte ein eigenes Büro mit einem eigenen Apparat, da sollte es wohl möglich sein, ein privates Telefonat zu führen. Selbst wenn er sie auf abends vertrösten würde, sie war gerade so sauer, dass sie ihm dazu keine Gelegenheit geben würde. Sie wollte von ihm wissen, wie lange diese Affäre mit der fremden Frau schon lief. Alles andere wollte sie gar nicht so genau wissen. Es klingelte fünf mal bis jemand das Telefonat annahm. Aber es verging noch mal etwas Zeit, bis sich jemand meldete. Das erschien Lilly merkwürdig. “Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?“ Das war zumindest seine, Davids, Stimme. „Hallo David, bitte entschuldige, dass ich dich während der Arbeit störe, aber ich hab gerade etwas in einem deiner Hemden gefunden, wo ich gerne mit dir drüber gesprochen hätte. Sofort.“ Eine gefühlte Minute verging, als David sich wieder meldete: „Können wir das bitte heute Abend besprechen?“, versuchte er Lilly zu vertrösten. Damit hatte sie gerechnet. Nun wurde sie noch zorniger auf ihn. Immer schien alles wichtiger zu sein als sie oder ihre Beziehung. „Nein, das können wir nicht. Ich möchte jetzt mit Dir sprechen.“ „ … “ Das Gespräch wurde unterbrochen. Aber Lilly befand sich noch in der Leitung. „Hallo ..., David?“ Man konnte nichts weiter hören, außer ein Geraschel, was an einen Stapel Papiere erinnerte und ein leises Stöhnen. Wenn das ein Scherz sein sollte, fand ihn Lilly nicht witzig. Sie spürte, wie sie allmählich blass wurde. Dieser Alptraum sollte ein Ende finden. Es war ein furchtbares Gefühl. Dann meldete sich doch noch jemand auf der anderen Seite des Telefonats. Es machte es aber nicht besser. „Sie haben doch gehört, er ist beschäftigt. Auf Wiederhören!“ Diese Worte kamen von einer weiblichen Person, nicht von David. „Unverschämtheit“, schimpfte Lilly wütend in den Hörer. Sie ahnte, dass das diese Lizzy gewesen sein musste. Am liebsten hätte sie das Telefon in die nächste Ecke geworfen, hielt aber inne und stellte es zurück in die Station. Lilly war übel. Es kam ihr vor wie ein böser Traum, aus dem sie nicht aufwachte. Sie wollte vergessen, hatte gleichzeitig den dringenden Wunsch auf Abstand zu gehen. Also verließ sie eilig die gemeinsame Wohnung. Der gefundene Zettel in der Hemdtasche, das Telefonat und diese fremde Frau hatten mit ihrem realen Leben nichts mehr zu tun. Es passte nicht in ihre schöne heile Welt. David, den sie so sehr liebte, war ein ehrlicher Mensch. Sie konnte sich doch nicht so in ihm getäuscht haben, oder etwa doch? Es war völlig egal! Sie konnte die Augen vor der Wahrheit nicht verschließen, wollte es auch nicht, weil es am Ende noch viel mehr schmerzte. Es war vorbei, endgültig aus. Eine gemeinsame Zukunft mit David gab es nicht mehr. Wenn Lilly nicht noch ihre Würde und ihren Stolz verlieren wollte, war es an der Zeit eine Entscheidung zu treffen. Auf seine Beteuerungen wie leid es ihm täte, sollte es überhaupt so weit kommen, würde sie nicht hereinfallen.

 
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