Edgar P. Srb versucht sich zu erinnern

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Edgar P. Srb versucht sich zu erinnern
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Serge Berger

Edgar P. Srb versucht sich zu erinnern

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Impressum neobooks

Vorwort

Guten Abend. Oder wenn gerade Mittag ist, Mahlzeit. Oder wenn gerade Morgen ist, Guten Morgen. Das ist ein Buch und das hat den Nachteil, dass ich jetzt nicht live bin, sondern diesen Text schon geschrieben habe, als das Buch noch gar nicht gedruckt war. Das heißt, ich weiß jetzt gar nicht, wo Sie gerade sind, und Sie nicht, wo ich bin. Das geht Sie im übrigen auch gar nichts an! Ich kenne Sie auch gar nicht, vielleicht sind Sie ein übler Geselle, der kleine Kinder mit Gitarren quält, dann schämen Sie sich. Aber ich bin ja nicht hier, um über Ihren möglicherweise reichlich zweifelhaften Charakter zu rätseln, sondern um ein Vorwort zu schreiben.

Wenn Sie diese Worte also in der Buchhandlung lesen, dann zögern Sie nicht, sondern laufen Sie zur Kasse und kaufen das Buch. Wenn Sie diese Worte beim Fleischhacker lesen, sollte jemand den Fleischhacker darüber aufklären, dass Fleischhacker keine Bücher verkaufen und das Finanzamt wegen Schwarzhandels informieren. Sollten Sie diese Worte im Bett neben Christy Canyon lesen, dann sind Sie sicherlich ein warmer Bruder, denn neben Christy Canyon liegt man nicht einfach! Da macht man Dinge, die ich, um jugendfrei zu bleiben, mal munkeln nennen möchte. Tatsächlich aber meine ich damit natürlich pudern.

Aber genug von Ihnen, schließlich kaufen Sie sich ja das Buch nicht, weil Sie an sich selbst interessiert sind. Wäre das der Fall , könnten Sie ja eine Psychotherapie machen. Das ist in jeden Fall eine gute Sache, und Sie können mich über den Verlag kontaktieren. Aber Obacht, auf Krankenschein gibts bei mir nix!!

Edgar P. Srb also. Er hat viele, viele Bücher geschrieben. Um genau zu sein, zwei. Einen mäßig erfolgreichen Roman und diesen Band mit seinen Erinnerungen. Nicht gerade eine große Ausbeute, aber Edgar P. Srb war ja noch jung als er damals im Menschenfresserstamm verschollen ist.

Überhaupt Dichter: einst war ich in einem Buchgeschäft, um Material zum Heizen zu besorgen und platzte mitten in eine Dichterlesung. Vor einem kleinen Tisch saß ein junger Dichter mit Brillen und zersaustem Haar und studentischem Gewande. Und der junge Dichter las einen Text über einen jungen Dichter, der sich fragt, ob sein Leben nicht eine Lüge ist. Und dabei große Sehnsucht verspürt. Das Publikum, das größtenteils aus Frauen jenseits der Vierzig mit bunten Seidentüchern um den Hals bestand, die gerne Rotwein auf italienisch bestellen, applaudierte heftig.

Edgar P. Srb verachtet solch abscheuliche Darbietungen samt so einem abscheulichen Publikum genauso wie ich, und darum habe ich mich auch sofort bereit erklärt, ein Vorwort zu schreiben. Das aber ist jetzt zu Ende.

Dr. Blasius Feuerstein (behandelter Arzt)

Kapitel 1

Ich kam als Kind zur Welt, was, seien wir uns mal ehrlich, besser ist, als als Erwachsener auf die Welt zu kommen. Man stelle sich nur mal vor, wie die Schwangeren aussähen, wenn sich in ihren Bäuchen Erwachsene einrichten! Frauen mit Wampen groß wie Walfische würden auf den Straßen marschieren, ständig wo dagegen laufen und Verkehrsschilder und Hydranten entwurzeln. Die Straßenbahnsitze für Schwangere müssten verbreitert werden, nur um dann von unfreundlichen Gruppen von Besoffenen, die keinerlei Gedanken an Schwangere mit Bäuchen groß wie Walfische verschwenden, in Beschlag genommen zu werden.

Andererseits würden auch neue Industrien entstehen. So stelle ich mir zum Beispiel ein probates Vehikel vor, das die riesigen Bäuche der Frauen elegant vor sich her schiebt. So ein Gerät hätte auch den Vorteil, dass es von den ganzen fetten Weibern in der Vorstadt für ihre Hintern benutzt werden könnte. Das sind jene Hintern, die so groß sind, dass man glaubt, sie haben die Titanic verschluckt.

Und wenn man dann als Erwachsener auf die Welt kommt, fangen die Probleme erst richtig an! Zum Essen gibts nur Brei, obwohl schon ein stattlich aussehendes Gebiss im Munde prangt. Zudem ist man erwachsen, aber laut Geburtsurkunde ein Kind. Was beim Autofahren oder beim Sex rechtliche Folgen haben könnte. Vom Sex beim Autofahren ganz zu schweigen.

Es ist also von der Natur schon gut eingerichtet, dass man nicht als Erwachsener auf die Welt kommt, sondern als Kind.

Nicht allerdings erschien ich auf der Erde mit goldenen Löffeln im Po. Das wäre ein Grund gewesen, den Küchenmeister sofort zu feuern weil dort steckt man goldene Löffel nun wirklich nicht hinein, aber wir hatten gar keinen Küchenmeister. Wir waren nicht vermögend, aber wir lebten auch nicht im feuchten Elendsquartier, sondern in einem bequemen Mietshaus in der Vorstadt.

Meine Mutter Yolanda war eine komplexe Frau, mein Vater Alf im Amt. Ich kann mich dunkel an einen Mann erinnern, der einen angeklebten Bart und eine Melone trug. An mehr nicht, denn er starb im Ehebett, als ich noch klein war. Es muss was gewesen sein, mit den Nieren oder der Lunge oder der Milz oder der Leber oder dem Hirn oder dem Darm. Alarm im Darm vielleicht. Ich weiß es nicht, denn Mutter Yolanda hat es mir nie gesagt. Was ich aber weiß, ist, dass Mutter Yolanda ihren verstorbenen Mann im Hof vergrub, als Mahnmal.

An den Mutterleib habe ich kaum Erinnerung, obwohl ich sicher bin, dass ich damals kein Alzheimer hatte. Vermutlich war er von Feuchtigkeit und Wärme geprägt was eigentlich zu Schimmel führt. In solchen Fällen immer gut lüften und am besten einen Energieberater zu Rate ziehen!

Als ich auf die Welt kam, war mein Vater auf Fortbildung, meine Mutter nicht und so gebar sie mich.

Und zwar im Taxi auf dem Weg zum Krankenhaus. Mutter Yolanda hat mir nachher oft Wermut trinkend erzählt, wie sie den Taxifahrer angeschrien hatte: "Holen Sie das verdammte Ding da raus!!"

Ja, meine Mutter Yolanda ist eine komplexe Frau. Manchmal kalt und gefühllos, andere Male wieder ohne jede Liebe. Nun möchte ich aber nicht den Eindruck erwecken, sie hätte für andere Wesen nicht viel übrig.

Ganz im Gegenteil, sie liebt Kühe über alles. Die Dinger mit dem Euter und den Hörnern. Die liebt sie. Überall in der Wohnung standen kleine Holzkühe auf Kredenzen, auf dem Sofa lagen zwei aus Stoff und zahlreiche Bücher im Buchregal beschäftigten sich mit den Tieren.

An meine Kindheit habe ich nur gute Erinnerungen. Mutter Yolanda ließ mir viel Freiheit - sie musste sich schließlich mit Kühen beschäftigen - und Vater ruhte im Hof. Ich konnte tun und lassen was ich wollte und entwickelte so schnell eine blühende Phantasie.

Einzige Wermutstropfen waren jene, die sich Mutter Yolanda öfters einflößte, weil sie statt einem Sohn lieber eine Kuh gehabt hätte.

*****

Als Kind schon ging ich gerne in die Bibliothek und ärgerte die Bibliothekarin, indem ich "Frau, ich will Kohlrabi!" verlautbarte, ich konnte die Bibliothekarin nämlich nicht leiden, denn sie war fett und roch nach verschwitztem Schweinsbraten.

Was ich aber gerne mochte, war die andere Bibliothek, die es auch noch in der Stadt gab, und dort holte ich mir immer meine Kinderbücher, denn ich konnte schon bevor ich in die Schule kam lesen. Hatte die Bibliothek mal kein interessantes Buch für mich, dachte ich mir einfach selber Geschichten aus und erzählte sie mir nachher selbst.

Das hatte zur Folge, dass ich in der Volksschule meine Aufsätze immer vor der Klasse vorlesen durfte, weil sie so gelungen waren, was bei Schulkollegen, die gerne gute Aufsätze hörten, gut ankam, bei Schulschlägern hingegen ein angemessener Grund war, mich verprügeln zu wollen. Glücklicherweise war ich nicht nur ein guter Schreiber sondern auch ein schneller Läufer.

Mit zehn Jahren gings schwupps ins Gymnasium. Auch hier mochte ich am liebsten das Aufsatzschreiben. Englisch, Geografie und Geschichte und das ganze andere Zeug fiel mir nicht besonders schwer, was nun wahrlich nicht der Stoff für Biografien ist. Interessant war lediglich das Lehrpersonal.

Biologielehrer Hans Hansinger hatte güldenes Haar, das sein Haupt bedeckte wie der frisch gefallene Schnee. Die Mädchen schwärmten von ihm, was ihn zwar nicht störte, aber auch nicht sonderlich begeisterte.

 

Hansinger war sehr angetan von Disziplin. Wer seine Stunde störte, der musste nachsitzen. Das Nachsitzen gestaltete sich bei ihm folgendermaßen: er hielt einen Vortrag darüber, wie wichtig Sauberkeit ist, denn Schmutz verbreite Krankheiten, das wisse er als Biologe.

"Sie sind doch nur Lehrer", sagte ich, als er drauf aus war, mich zu bestrafen, weil ihm das Schlürfen meiner Schulmilch im Unterricht zu laut war.

Hansinger ignorierte meine Worte und predigte weiter, dass Schmutz sich in unsere Gehirne einfräße wie ein Pilz und dass es in unser aller Interesse sei, sauber zu sein.

Dann reichte er mit einen Besen und eine Schaufel.

"Und jetzt mach die Klasse sauber", sagte er. Es war schon gegen fünf Uhr nachmittags, kaum ein Lehrer war noch im Haus.

"Und damit du dich nicht...schmutzig machst, zieh die an", ergänzte er lächelnd und reichte mir eine Schürze mit Blümchen drauf.

Da ich keine Lust auf weitere Streitereien hatte, zuckte ich mit den Achseln, legte die Schürze an und begann die leere Klasse aufzuwischen. Hansinger sah mir zu und kommentierte.

"Ja, schön gleichmäßig nach vor und zurück, immer hin und her, zeig dem versauten Boden, wer hier der Herr ist, der Herr und Meister, mach ihn voll mit deinem weißen Zeug, also dem Putzmittel, und jetzt schön einreiben, vor und zurück, vor und zurück, und lass dir nix gefallen von dem blöden Boden, denn du bist hier der Chef, wenn der Drecksboden nicht sauber wird, dann muss du eben härter rangehen, und tiefer, dass die Ritzen auch sauber werden, ja, stärker, stärker, härter, tiefer, gib's ihm, tiefer, schneller, stärker.......AAAAH!"

Als ich mit Putzen fertig war, gab ich Hansinger Besen, Schaufel und Schürze zurück. Er wirkte aufgewühlt und erleichtert zugleich.

"Ich geh mir jetzt mal die Hose wechseln", stammelte er. Diese Aktion wiederholte er jahrelang. Darum kann ich gut putzen.

Deutschlehrer Lang hatte einen prächtigen Backenbart, in einer Zeit, in der man seit mindestens zwanzig Jahren keinen prächtigen Backenbart mehr trug. Zwar lehrte er Deutsch und Literatur war aber mehr darauf bedacht über die verschiedensten Folter- und Mordapparate zu räsonieren. So hielt er zum Beispiel die Guillotine für eine besonders perfide Erfindung: "Der Tod auf der Guillotine ist kurz und schmerzlos, aber die Vorbereitung, wenn man zum Gaudium des Publikums aufs Schafott geführt wird, ist demütigend und erniedrigend." Dieses, Langs Steckenpferd, hatte durchaus auch Auswirkungen auf die Notengebung.

Lang: Edgar, erzähl mir was über Hamlet!

Ich: Hamlet war ein dänischer Prinz. Sein Onkel Claudius erstach Hamlets Vater, den König. Dessen Blut spritzte in meterhohen Fontänen und färbte die Wände des Königspalast mit einem lebendigen Rot.

Lang: Ja, ja, sehr gut.

Ich: Hamlet ist daraufhin natürlich im Blutrausch und will Claudius ermorden, killt aber ungeschickterweise den Kämmerer Polonius, indem er ihn durch den Fleischwolf dreht.

Lang: Weiter weiter mein Junge!

Ich: Polonius Tochter Ophelia ist darob schwer bestürzt und isst soviel, dass sie explodiert und alle im Schloss in Blut, Haut und schleimigen Eingeweiden geduscht werden.

Lang: Eine wunderbare Beschreibung. Und wie geht das Stück aus?

Ich: Hamlet duelliert sich mit Polonius' Sohn Laertes, hackt ihm den Kopf ab und serviert ihm Claudius, der freudig zubeißt und daran erstickt. Hamlets Mutter läuft ihn eine rotierende Kettensäge, am Schluss sind alle tot und der Verwesungsgestank der verrottenden Leichen erfüllt das Schloss mit Fäulnis.

Lang: Fantastisch! Noch nie habe ich eine bessere Zusammenfassung gehört! Eins plus!

Und dann war da noch der Philosophieprofessor Lucke. Auch er hatte eine große Leidenschaft, nämlich uns den Stellenwert der Philosophie im Alltag näher zubringen. Nie werde ich die abschließenden Worte seiner ersten Unterrichtsstunde in meiner Klasse vergessen.

"Wir haben heute eine grobe Einführung in die Bereiche theoretische und praktische Philosophie gehört. Wir werden in den nächsten Wochen noch viel darüber lernen, aber ich bitte, eines dabei zu bedenken: sämtliche Thesen, Theorien und Ideen aller Philosophen über die Jahrhunderte hinweg haben mit dem menschlichen Alltag nicht immer etwas zu tun. Anders ausgedrückt: sie sind komplett zweitrangig, wenn man es stattdessen mit einer dicken Neger-mamma treiben kann. Also Hand aufs Herz: wer von euch will es nicht mit einer dicken Negermamma treiben? Hm? So eine geile dicke Negermamma mit einem Knochen im Haar und wulstigen roten Lippen, na, wer hat Lust?"

Lucke blieb sich im übrigen treu, der Teil mit der dicken Negermamma war sein immer wiederkehrender Abschlussmonolog, so wie der größte Hit eines Lounge Singers.

Ich war ein mittelprächtiger Schüler und kam mit den anderen Schülern gut zurecht, obwohl ich nicht unbedingt den Kontakt zu ihnen suchte. Eine Ausnahme war Terrenz, mein bester Freund in der ganzen weiten Welt.

Terrenz, ein zum Dicklichen neigender Junge mit einem sogenannten Triefauge, hatte rosa Kreise auf den Wangen und war von einem durchaus umgänglichen Wesen. Des öfteren saßen wir zwei beiden im Caféhaus und besprachen die Dinge, die Teenanger halt so beschäftigen - Fußball, Mädchen, Bier, Apokalypse mit Millionen von Toten.

Mein bester Freund in der ganzen weiten Welt wusste damals schon, was er werden wollte: Mediziner nämlich, aber nicht so einer wie beim Indianerstamm, der eine Maske aufsetzt und im Kreis tanzt, damit es regnet oder schneit oder anderwertig die meteorologischen Zustände verändert, sondern so einer im Krankenhaus, der den Leuten im Bauch herumschnippelt und danach Golf spielen geht. Besonders wichtig ist hierbei, die Instrumente nicht zu vertauschen, denn ein Skalpell bringt einem im Sandgraben wenig.

Kapitel 2

Aber auch Ihr getreuer Erzähler hatte sich damals schon einen Beruf herausgepickt, denn als Kind war er ein großer Fan des Zirkus und des Rummels und wollte unbedingt eines jener Mädchen werden, die in der Manege auf laufenden Pferden rumturnen. Da Mutter Yolanda keinerlei Pferde zum Üben leasen wollten, probierte ich es auf einem befreundeten Gärtner, der danach viele Jahre zum Gärtnerpsychiater musste. So wurde nichts aus meinem Wunsch aber immerhin ersparte ich mir so auch die Geschlechtsumwandlung.

Danach versuchte ich es mit dem Jonglieren. Schnell waren alle Teller und Tassen von Mutter Yolanda verbraucht, worauf sie seufzte, sich ein paar Gläschen Wermut genehmigte und ich beschloss, Bauchredner zu werden.

Das Wichtigste beim Bauchreden war, so fand ich bald heraus, der passende Dummy.

Also bastelte ich aus allerlei Hausrat drei verschiedene Puppen, mit keiner aber war ich so recht zufrieden. Am Nachmittag stopfte ich alle drei Dummys in den großen Abfallbehälter hinter dem Haus und brach zu einem Spaziergang auf, um auf andere Gedanken zu kommen.

*****

Tote Augen blickten in den Himmel. Es war ein blauer Himmel mit seltenen Wolken, gelegentlichen Krähen und vereinzelten nicht abstürzenden Passagierflugzeugen. Dann schob sich das Gesicht eines orangehaarigen Jungen vor den blauen Himmel. Der Junge - also ich - machte ein Geräusch, das sich ungefähr wie "hmmmm" anhörte, dann begann er zu lächeln. Ich packte die tote Leiche an den Beinen und zog sie mit nach Hause. Das Ganze war durchaus eine persönliche Angelegenheit, denn ich wusste, um wen es sich bei dem Toten handelte. Um Taglöhner Lazi, der drei Häuser weiter bei Bauarbeiten geholfen und danach seinen ganzen Lohn im Wirtshaus versoffen hatte. Als er nichts mehr zu trinken bekam, taumelte er im Mondesschein davon.

Eine Begegnung mit einem Hamster verlief insofern ungünstig für Lazi, da er das Tierchen streicheln wollte, der Hamster dies aber als Angriff wertete und Lazi in die Nase biss. Ungünstigerweise war der Hamster schwer drogenabhängig, aber nicht vermögend. Daher konnte er sich nur versetzten Stoff leisten und sein Biss war voller Gift. Lazi verstarb noch am Unfallort. Der Hamster trottete davon, um als Strichhamster den nächsten Schuss zu verdienen. So oder ähnlich wird es den armen Lazi, der noch keine Ahnung von seiner künftigen Karriere im Showgeschäft hatte, wohl erwischt haben.

*****

Der liebe Verblichene wurde von mir in mein Zimmer geschleppt und gleich auf den Fauteuil gesetzt.

"Puh!" war ich dann erschöpft, denn der alte Lazi war ein ganz schön schwerer Dummy. Es klopfte an der Türe.

"Herein", sagte ich und Mutter Yolanda kam ins Zimmer.

"Sohn, wo ist die Suppe?"

"Welche denn? Wir haben Käsesuppe, Rauchfangkehrersuppe und Kokssuppe."

"Die Kokssuppe hätte ich gern", erklärte Mutter Yolanda, "hast du sie gesehen?"

"Nein, ist wohl ausgegangen", mutmaßte ich und deutete auf Lazi, "darf ich vorstellen, mein neuer Partner. Er heißt Mr. Puffy!"

"Angenehm", sagte Mutter Yolanda und schüttelte Lazi die Hand.

*****

Das Bauchreden mit Mr. Puffy begann vielversprechend. Der gerade mal einsfünfzig große Lazi konnte bequem auf meinem Schoß sitzen, zudem hatte ich geschickte Finger und konnte Lazi von hinten so bedienen, dass es aussah, als würde sich sein Mund bewegen.

Ich studierte ein halbstündiges Programm ein, das ich Mutter Yolanda vorführen wollte.

Der großen Karriere als Bauchredner stand also nichts mehr im Wege, wären da nicht diese kleinen - nunja - Veränderungen mit Mr. Puffy geschehen.

Ein paar Tage, nachdem ich Lazi heim gebracht hatte, verlor dieser während einer Generalprobe seine Nase. Mit viel Geduld und einem Hefter gelang es mir, die Nase wieder zu befestigen. Dann bemerkte ich, dass Lazis linker Arm nur noch an einer Stück Haut von seiner Schulter herunterhing. Mit einer Rolle Klebeband war auch dieses Problem gelöst. Als der Nachbarhund in mein Zimmer kam und Mr. Puffy anknabberte, wusste ich, dass ich ein Problem hatte.

*****

Ziellos lief ich durch die Straßen und grübelte. Zwar hatte ich die ideale Bauchrednerpuppe gefunden, jedoch schien diese von der Idee der Haltbarkeit nicht überzeugt zu sein. Ich aber wollte unbedingt am Bauchreden festhalten, zumindest eine Woche noch. Dann würde ich mit dem Zersägen von Jungfrauen beginnen.

Der Himmel verdüsterte sich und ich schaute hinauf. Eine riesige Wolke stand am Firmament, es erklang ein Singen wie von Engeln und ich fiel auf die Knie.

Die Wolke teilte sich, in der Mitten saß auf einem majestätischen Thron eine edle Gestalt.

"Um Himmels Willen!" rief ich, "es ist Fitz Batoshik, der Gott der Dummys!"

"Hallo Edgar", begrüßte mich Fitz, der aussah wie eine Bauchrednerpuppe, aber mindestens 1,80 m groß war. Seine hölzernen Augen waren pechschwarz, er trug einen gelblichen Pullover mit orangen Punkten und eine Latzhose. Der Unterkiefer bewegte sich quietschend, während er sprach.

"Ein Bauchredner hält eine Show vor einer Gruppe Blondinen und erzählt ein paar Blondinenwitze. Irgendwann springt eine der Blondinen auf und brüllt zur Bühne: 'Hey, Du Mistkerl da vorne, was erzählst Du da die ganze Zeit für schwachsinnige Geschichten über Blonde. Wir sind überhaupt nicht so blöde wie Du tust!'

'Entspannen Sie sich, das sind doch alles nur Witze', meint der Bauchredner.

Darauf wieder die Blondine: 'Ich rede nicht mit Ihnen, ich rede mit dem kleinen Drecksack, der auf Ihrem Knie sitzt!' Wahahaha!!"

Beim Wahahaha streckte sich Fitz Kopf ein Stück aus seinem Kragen heraus, er schloss seine Holzaugen und schüttelte seinen Kopf in Extase über den schlechten Witz.

"Das ist sehr schön", war ich kleiner Mann beeindruckt, "großer Fitz, was verschafft mir die Ehre deines Erscheinens? Ich meine, so ein Gott der Bauchrednerpuppen, der muss doch massenhaft zu tun haben!"

Fitz' Gesicht wurde ernst - obwohl es genauso aussah wie vorher, seine Augenbrauen aber senkten sich ein wenig.

"Das hast du recht, mein Kind. Wo man hinschaut in der Welt werden Dummys missbraucht. Als Türstopper. Als Minigolfschläger. Als Pizzaschaufel. Es gibt sogar Politiker die Wahlen gewinnen mit Slogans wie Dummys raus! Die nehmen uns die Frauen weg! Dabei ist es deren eigene Schuld wenn sie ihre Frau Gattinnen nicht mehr befriedigen können! Verständlich dass die Frauen sich dann in die starken Arme einer Bauchrednerpuppe flüchten!"

"Ich hatte keine Ahnung von diesem verdammten Missbrauch!" rief ich erzürnt und Fitz und ich weinten ein bisschen.

 

"Und jetzt schau genau her!" forderte Fitz mich dann auf, nahm ein Glas Wasser, trank davon und redete gleichzeitig.

"Dergluckglundwaglumichgluckmichgladegluckanglichwende-", das Glas war ausgetrunken.

"Na wie war ich?" fragte Fitz.

"Großartig", meinte ich und zeigte mein schönstes Lächeln.

"Danke. Also du hast doch dieses Problem mit deinem Dummy, stimmts?"

Ich nickte.

"Und du fragst dich, was du tun musst, damit er nicht mehr alles hängen lasst."

"Mir würde schon reichen, dass er nicht permanent seine Körperteile verliert", erklärte ich.

"Kind, dein Dummy ist schlicht und einfach einsam. Auch Dummys haben Gefühle. Vermutlich sehnt er sich nach einer Partnerin", erklärte der Gott der Bauch-rednerpuppen.

"Potzblitz!" rief ich, "dass ich da nicht selbst draufgekommen bin!"

Fitz nahm eine Karotte und begann sie zu essen.

"Mmampfeinrpartcruncherinkaunirschwürdeschmatz!" sprach er dabei.

"Ich werde mich daran halten!" rief ich glücklich.

"Sehr fein! Halleluja!" sagte Fitz und segnete mich, die Wolke schloss sich wieder, der Gesang der Engel verstummte und schon war es wieder so hell wie zuvor.

Und ich, in meinen kurzen Hosen für kurze Buben und dem T-Shirt mit Zitronenmuster wusste, was zu tun war. Ich holte mir von zuhause eine Schaufel und machte mich auf den Weg zum Friedhof.

*****

"Komm rein, komm rein!" rief ich fröhlich und die Türe meines Zimmers öffnete sich. Herein kam Mutter Yolanda mit besorgtem Gesichte.

"Sohn, aus deinem Zimmer kommt ein wenig ein strenger Geruch", bemerkte sie mit trüben Augen, "hast du dir schon wieder die Altweibersuppe unter den Nagel gerissen?"

Dann schaute sie sich im Zimmer um, bis ihr Blick auf meine zwei beiden Puppen fiel.

"Was ist das?!?!" rief Mutter Yolanda.

"Das ist Mr. Puffy Mutter, ich hab ihn dir doch vorgestellt", erklärte ich.

Mr. Puffy war nun schon ein wenig feucht und tropfte auf den Fußboden. Sein Gesicht hatte eine ungesunde bläuliche Färbung angenommen. Zwei oder acht Fliegen summten um ihn herum und in seinem Schoß lagen schon einige Zähne, die ihm aus dem labbrigen Mund gefallen waren.

"Und das...Ding neben ihm?" fragte Mutter Yolanda nach einem hörbaren Schlucken.

Das Ding neben Mr. Puffy war ein mumifizierte Leichnam. Eine Wurmfamile hatte es sich in einer der leeren Augenhöhlen bequem gemacht. Auf dem Kopf trug die Mumie eine blonde Perücke mit Schleifchen.

"Das ist die Verlobte von Mr. Puffy", erklärte ich und wischte mir Reste der Friedhofserde von der Kleidung, "ihr Name ist Fräulein Glock! Ich habe sie extra für Mr. Puffy ausgesucht, damit er nicht so einsam ist. Der Gott der Bauchrednerpuppen hat mich auf die Idee gebracht!"

Mutter Yolanda seufzte und meinte dann: "Ich rufe jetzt die Totengräber und dann werden wir uns mal über deine Zukunft unterhalten!"

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