Die Hanf-Medizin

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Die Hanf-Medizin
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Dr. Tanja Bagar

Die
HANF
MEDIZIN

Wie Hanf bei Schmerzen,

Rheuma, Krebs und Stress hilft



Inhalt

Vorwort

Wohlbefinden mit Hanf-Medizin

Wie der Mensch auf den Hanf kam

Ein Blick in die Vergangenheit

Die verbotene Frucht

Die Erforschung einer Unbekannten

Der Pionier der Cannabisforschung

Warum unser Körper Cannabinoide selbst herstellt

Die Bausteine des Lebens

Die Erforschung der Cannabinoide

Die Cannabinoid-Rezeptoren

Das Endocannabinoid-System (ECS)

Was Sie schon immer über Hanf wissen wollten

So viele Namen und nur eine Pflanze

Der Entourage-Effekt

Mildernde Umstände

Hanf und Stress

Interview mit Dr. Thomas Gefaell

Fallbeispiel (Stress, Insomnie, Tinnitus)

Hanf und das Immunsystem

Interview mit Dr. Franjo Grotenhermen

Fallbeispiel (Rheumatoide Arthritis)

Hanf und Schmerz

Interview mit Dr. Martin Pinsger

Fallbeispiel (chronischer Schmerz)

Hanf und Darm

Interview mit Dr. Željko Perdija

Fallbeispiel (Morbus Crohn)

Hanf und neurologische Erkrankungen

Interview mit Prof. Dr. David Neubauer

Fallbeispiel (Autismus)

Hanf gegen Krebs

Interview mit Dr. Johann Zoidl

Fallbeispiel (Brustkrebs)

Vorbeugen statt heilen

Hanf als gesunde Prävention

Was ich mir für die Zukunft wünsche

Blick in die Zukunft

Die richtigen Ansprechpartner

Literaturverzeichnis


Wohlbefinden mit Hanf-Medizin

Hanf gehört zu den ältesten Kulturpflanzen, die uns zur Verfügung stehen. Dank moderner Forschung kann nun tradiertes Wissen, das beinahe in Vergessenheit geraten ist, überprüft und die gezielte Anwendung von Cannabis sativa L. noch leichter gemacht werden – für ein gesünderes Leben.


Rafael Dulon ist geschäftsführender Gesellschafter der »Hanf Farm GmbH« und Mitglied des Internationalen Instituts für Cannabinoide ICANNA

Als ich Dr. Tanja Bagar vor einigen Jahren das erste Mal traf, war ich sofort begeistert von ihrer Fähigkeit, komplizierte Vorgänge in verständliche Worte zu fassen. Bei ihrem damaligen Vortrag auf einer internationalen Konferenz ist es ihr eindrucksvoll gelungen, die Funktionsweise des Endocannabinoid-Systems (ECS) und die Bedeutung für unser Wohlbefinden verständlich zu erklären. Einerseits kann sie durch ihr Studium der Mikrobiologie die biochemischen Prozesse des Endocannabinoid-Systems sehr fundiert darstellen, andererseits besitzt sie die Gabe, komplexe Vorgänge in unserem Körper nachvollziehbar und unterhaltsam zu präsentieren.

Erfahren Sie mehr über die Bedeutung von Hanf für unser gesundheitliches Gleichgewicht und nutzen Sie dieses Buch als Kompendium zu diesem Thema.

Seit dieser Zeit verfolge ich die Tätigkeiten von Dr. Bagar mit großem Interesse und freue mich ganz besonders, dass ihre Anerkennung in der internationalen Fachwelt zunehmend steigt und dass sie als Direktorin des Instituts ICANNA ihr Netzwerk aus angesehenen Wissenschaftlern nachhaltig erweitern konnte.

Durch die Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen, Medizinern und Ärzten hat sie mittlerweile einen ausgesprochen großen Erfahrungsschatz, den sie in diesem Buch mit Ihnen teilt. Anhand von Krankheitsbildern schildert die Autorin exemplarisch die Wirkung der Inhaltsstoffe des Hanfes und belegt ihre Aussagen mit Fallbeispielen aus der ärztlichen Praxis von Medizinern, die Hanf zur Heilung von Krankheiten einsetzen. In weiteren Teilen des Buches wird das Thema Vorbeugung von Krankheiten behandelt und ein Ausblick auf die Zukunft der Hanf-Medizin gegeben. Hier kommt auch der Vater der Hanf-Medizin, Prof. Dr. Raphael Mechoulam, zu Wort, der durch sein Lebenswerk zu Recht als der wichtigste Wissenschaftler auf diesem Gebiet gilt.

Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Buch viele Ihrer Fragen beantworten wird. Das Wissen um das Endocannabinoid-System und die Bedeutung für unser gesundheitliches Gleichgewicht wird Ihnen mit Sicherheit von großem Nutzen sein. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen viel Spaß beim Lesen dieses Buches.


1.
Wie der Mensch auf den Hanf kam

Es kann nicht oft genug betont werden: Der Hanf gehört zu den wichtigsten Heilpflanzen der Menschheit. Erfahren Sie mehr über seinen kulturgeschichtlichen Stellenwert.

Ein Blick in die Vergangenheit

Die Anwendung von Hanf als Nutz- und Heilpflanze hat eine weit zurückliegende Geschichte als eine der ersten Kulturpflanzen der Menschheit. Vermutlich ist Hanf im Oligozän entstanden, vor etwa 34 Millionen Jahren, was aber wegen fehlender Fossilien nur Spekulation bleiben kann. Von dem, was wir über diese Pflanze wissen, kann aber angenommen werden, dass ihre Heimat in Zentralasien liegt. Als der Homo sapiens seine Wanderungen durch Asien und Europa begann, also vor zirka 195.000 Jahren, nahm er Saatgut, darunter auch Hanfsamen, mit auf seinen Weg.

Gegenüber der etwa 6000 Jahre währenden Hanfnutzung, die weitgehend archäologisch nachgewiesen ist, bleibt die Periode des Anbauverbots im 20. Jahrhundert eigentlich nur ein kurzer Moment in der Geschichte. Ich glaube fest daran, dass wir in etwa hundert Jahren diese Zeit des Verbots bloß als eine »Panne« in der Gesetzgebung betrachten werden.

 

Das Hanf-Anbauverbot des 20. Jahrhunderts kann nur als »Panne« gesehen werden.

Der US-Journalist Michael Pollan schrieb in Die Botanik der Begierde (englischer Originaltitel: The Botany of Desire: A Plant’s-Eye View of the World), einem Sachbuch über Ethnobotanik und Pflanzenzucht, dass Hanf das menschliche Interesse so intensiv gefangen hält wie nur noch drei weitere Pflanzenarten: Äpfel, Kartoffeln und Tulpen. Dabei hat Hanf aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung die Fähigkeit, unser Bewusstsein zu verändern. Ein Wunsch, der allen Menschen angeboren ist, von kleinen Kindern, die im Kreis wirbeln, über Sufi-Tänzer bis hin zu gesellschaftlich akzeptierten Rauschmitteln. Jede Kultur und jedes Zeitalter hat viel Aufmerksamkeit und Energie dem Wissen, der Anzucht und dem Konsum von psychoaktiven Pflanzen gewidmet. Und in jeder Gesellschaft, außer jener der Inuits, deren Klima für den Anbau zu rau ist, haben die Menschen versucht, die Wahrnehmung der Welt zu verändern, indem sie eine Vielzahl von Pflanzen verwenden. Einige von ihnen – wie Koka, Alkohol, Mohn und Hanf – gelten als berauschend, weil sie tiefgreifende Veränderungen in unserem Bewusstsein bewirken können. Andere Pflanzen – wie Kaffee, Tabak und Schwarztee – beeinflussen unsere Gedanken und Wahrnehmungen auf subtilere Weise. Nun: Die individuelle Einstellung zur Pflanze hat sich im Lauf der Zeit und Kultur entwickelt und beeinflusst und reflektiert die Werte der Gesellschaften. So wird in unserer europäischen Gesellschaft sowohl Alkohol- als auch Tabakkonsum nicht nur akzeptiert, sondern deren Konsum gehört zum guten Ton.

Das war aber nicht immer so, denn wenn wir in die alten Hochkulturen blicken, so erfahren wir, wie vielfältig Hanf bereits damals eingesetzt wurde. Hier möchte ich nur einige Beispiele nennen, um mich schließlich auf den medizinischen Einsatz von Hanf zu konzentrieren.

Der älteste Hinweis auf die Nutzung von Hanf findet sich in China als Faserabdruck auf Keramiken der Yangshao-Kultur aus dem fünften Jahrtausend vor Christus. Hanf wurde aber auch für Seile und Tauwerk in Russland, Griechenland, Spanien und bis zu den Britischen Inseln verwendet. Als 1492 Columbus die spanische Küste verließ, um einen direkten Seeweg nach Asien zu suchen, waren die Seile und Segel seiner drei Schiffe vollständig aus Hanffasern gefertigt.

Stoff aus Hanf wurde in Mesopotamien und in Ägypten hergestellt, und bis 1820 wurden 80 Prozent aller Textilien aus Hanf gemacht. Die ersten Levi-Strauss-Jeans für die Goldgräber waren aus Hanfsegeltuch genäht. Alte chinesische Handwerker waren die ersten, die Papier daraus herstellten, später wurde Hanf für Bücher und Banknoten benutzt. Selbst die amerikanische Unabhängigkeitserklärung wurde auf Hanfpapier gedruckt.

Viele Farben und Lacke hatten Hanfsamenöl als Basis. Die meisten frühen Bilder wurden fast ausschließlich auf Hanfleinen gemalt. Und auch Leonardo da Vinci verwendete für die Mona Lisa eine Leinwand aus Hanf und Farben aus Hanfsamenöl.

Eines der ersten industriell hergestellten Fahrzeuge Henry Fords aus der Serie Modell-T wurde aus Hanf gebaut. Zusätzlich zum Auto selbst war auch der Kraftstoff aus Hanf. Die Fasern des Hanfs können also als Werkstoff für Karosserien dienen, und das Öl aus seinen Samen kann als Biodiesel Verwendung finden.


Shennong Bencaojing – Darstellung auf einem chinesischen Holzschnitt

Auch die Verwendung für medizinische Zwecke hat eine eindrucksvolle Geschichte:

4000 v. Chr.: Hanf gilt in China als einer der »fünf Körner« und wird als wichtige Nahrungspflanze angebaut. Er konnte im neolithischen Dorf Pan-p'o nachgewiesen werden.

2800 v. Chr.: Im Shennong Bencaojing, einem chinesischen Buch über Ackerbau und Heilpflanzen, das dem mythischen chinesischen Urkaiser Shennong zugeschrieben wird, werden die Behandlungseigenschaften von Hanf bei über 100 Krankheiten, darunter Gicht, Rheuma und Malaria beschrieben.

2000–1000 v. Chr.: Der Atharvaveda ist eine der heiligen Textsammlungen des Hinduismus, in der Hanf als »Quelle des Glücks«, »Freudenspender« und »Bringer der Freiheit« beschrieben wird. Zu dieser Zeit wird Hanf bei täglichen Andachten und religiösen Ritualen geraucht.

2000–1000 v. Chr.: In der ayurvedischen Medizin wird durch den offenen religiösen Gebrauch von Hanf die Erforschung medizinischer Vorteile entwickelt und zur Behandlung einer Vielzahl von Krankheiten, darunter Epilepsie, Tollwut, Angst und Bronchitis eingesetzt.

1550 v. Chr.: Der Papyrus Ebers, benannt nach seinem Entdecker Georg Ebers, ist eine der ältesten medizinischen Aufzeichnungen des alten Ägypten, in dem festgestellt wird, dass Hanf Entzündungen heilen kann.

1213 v. Chr: Der Mumie des ägyptischen Pharaos Ramses II. wird auch Hanf beigegeben, dessen Pollen in den Binden nachgewiesen werden konnten.

1000 v. Chr.: Die Skythen, Kriegervölker, die bis zur Zeit von Christi Geburt etwa tausend Jahre lang die Steppen Eurasiens von der Mongolei bis zum Schwarzen Meer beherrschen, benutzen Hanf in Dampfbädern und verbrennen auch Hanfsamen in Bestattungsritualen.

900 v. Chr.: Die Assyrer nutzen die psychotropen Effekte von Hanf für medizinische Zwecke.

40–90 n. Chr.: Der griechische Arzt und Pionier der Pharmakologie, Pedanios Dioskurides aus Anazarbos bei Tarsos, der in der römischen Provinz Kilikien tätig ist, verschreibt Hanf bei Zahn- und Ohrenschmerzen. Auch Galenos von Pergamon, einer der bedeutendsten, vorwiegend in Rom tätigen griechischen Ärzte, stellt fest, dass Hanf-Anwendungen im gesamten Römischen Reich weit verbreitet sind. Frauen der römischen Elite verwenden auch Hanf, um Wehen zu lindern.


Die »Galenosgruppe«, zweites Ärztebild aus dem Kodex Wiener Dioskurides (Konstantinopel um 512), benannt nach dem oben in der Mitte dargestellten Arzt Galenos

207 n. Chr.: Hua Tuo, erster niedergelassener chinesischer Arzt zur Zeit der Östlichen Han-Dynastie, bezeichnet Hanf als Analgetikum. Er benutzt eine Mischung aus Hanf und Wein, um seine Patienten vor Operationen zu betäuben.

1000 n. Chr.: Die arabischen Wissenschaftler al-Majusi und al-Badri betrachten Hanf als eine wirksame Behandlung der Epilepsie.

1025 n. Chr.: Ibn Sina, latinisiert Avicenna, einer der wichtigsten Universalgelehrten seiner Zeit, veröffentlicht den Kanon der Medizin und erklärt, dass eine wirksame Behandlung von Gicht, Ödemen, infektiösen Wunden und starken Kopfschmerzen mit Hanf möglich ist. Sein Werk wurde vom 13. bis zum 19. Jahrhundert umfassend untersucht und hatte einen nachhaltigen Einfluss auf die westliche Medizin.

1300: Arabische Händler bringen Hanf von Indien nach Ostafrika, wo die Pflanze ihre Verbreitung findet und zur Behandlung von Malaria, Asthma, Fieber und Ruhr dient.

1500: Die Spanier bringen zur Zeit der Eroberungen Hanf nach Amerika, wo er für praktische Zwecke wie die Herstellung von Seilen oder Kleidung Verwendung findet. Einige Jahre später wird die Pflanze auch für psychoaktive und medizinische Zwecke eingesetzt.

1798: Napoleon Bonaparte bringt Hanf aus Ägypten nach Frankreich zurück, wo er auf seine schmerzlindernden und beruhigenden Eigenschaften hin untersucht wird. Zu diesem Zeitpunkt wird Hanf zur Behandlung von Tumoren, Husten und Gelbsucht genützt.

1839: Der irische Arzt William Brook O'Shaughnessy (1809–1889) führt die therapeutische Anwendung von Hanf in die westliche Medizin ein. Als Mitglied der Medical and Physical Society of Calcutta publiziert er eine der ersten Arbeiten über die medizinische Verwendung von Cannabis, in Indien als Volksheilmittel bereits lange bekannt, und benutzt es unter anderem, um Krämpfe bei Tetanus und Tollwut zu lindern. Er propagiert dessen Anwendung in England und ist damit so erfolgreich, dass sogar der Leibarzt von Queen Victoria, J. Russell Reynolds, der Königin die Verwendung gegen ihre häufigen Menstruationsschmerzen empfiehlt.

1851: In der dritten Auflage des US-amerikanischen Arzneibuches ist Hanf unter dem Namen »Extractum Cannabis« oder »Extract of Hemp« enthalten.

1900: Hanf wird in der medizinischen Praxis der USA für eine Vielzahl von Krankheiten eingesetzt. Mehr als 20 verschreibungspflichtige Medikamente sind neben dem rezeptfreien Verkauf von Arzneien wie zum Beispiel einer »One day cough cure« erhältlich.

1914: Mit dem Harrison Narcotics Tax Act wird der Drogenkonsum in den USA als Verbrechen eingestuft.

1937: Der Marihuana Tax Act verbietet Konsum und Verkauf von Hanf in den Vereinigten Staaten und markiert damit den Beginn von dessen Verbot.


Die extrem hohe Steuer auf Cannabis machte es US-Farmern finanziell praktisch unmöglich, Hanf anzubauen: Stempelmarke aus dem Jahr 1937

Dämonisierung und Verbot

Coautor: Dr. Mag. Dušan Nolimal, Sozialmediziner

»Die meisten Marihuana-Raucher sind farbige Menschen, Jazzmusiker und Entertainer. Ihre satanische Musik wird von Marihuana angetrieben, und Marihuana, das von weißen Frauen geraucht wird, lässt sie nach sexuellen Beziehungen mit Negern, Animateuren und anderen suchen. Es ist eine Droge, die Wahnsinn, Kriminalität und Tod verursacht – die gewalttätigste Droge in der Geschichte der Menschheit.« Dieses Zitat von Harry Jacob Anslinger (1892–1975), der ab 1930 Vorsitzender des Federal Bureau of Narcotics (FBN) und einer der treibenden Befürworter einer Cannabis-Prohibition war, zeugt von den Vorurteilen zu Anzucht und Konsum der Hanfpflanze. Anslinger lehnte die Nutzung von Opium und Hanf auch zu medizinischen Zwecken ab und setzte sich als Mitglied der Drogenkommission der Vereinten Nationen in den 1960er-Jahren für ein weltweites Verbot des Cannabisanbaus ein.


Drogenkommissar Harry J. Anslinger verlautbart am 4. Jänner 1958 eine Reihe von Maßnahmen zur Einschränkung des Drogenhandels

Prohibition kommt vom lateinischen prohibere, verhindern. Im Bezug auf Hanf bezeichnet das Wort das gesetzliche Verbot von Anbau, Herstellung, Lagerung, Transport, Verkauf, Besitz und Konsum von Cannabis sativa L. In den USA begann das Verbot bereits mit dem Harrison Act von 1914 – dem Grundstein für ein Verbot einiger psychoaktiver Pflanzen und Substanzen. Erstmals hatte damals die US-Regierung eine rechtliche Unterscheidung zwischen medizinischem und Freizeit-Drogenkonsum vorgenommen. Aufgrund der starken Lobbyarbeit der Pharmaindustrie wurde Hanf damals noch nicht in diesem Gesetz vorgesehen. Die Dinge änderten sich, als Harry Jacob Anslinger Direktor des FBN wurde, das er für mehr als drei Jahrzehnte leiten sollte. Sein Einfluss auf die globale Drogenpolitik war lange nach seinem Tod im Jahr 1975 noch spürbar. Er glaubte, dass harte Strafen die einzige Möglichkeit wären, die Einhaltung des Drogenverbots zu erzwingen. Er war entschlossen, die Pflanze zu kriminalisieren, um seine politische Karriere aufzubauen, und organisierte eine breite Kampagne gegen Cannabis, die mit einem neuen Namen begann: »Marihuana«. Das Wort stammt aus dem mexikanischen Spanisch, wobei die weitere Herleitung ungewiss ist und möglicherweise aus einer aztekischen Sprachfamilie stammt. Die häufig kolportierte Deduktion vom spanischen Vornamen María Juana – im amerikanischen Englisch daher auch als »Mary Jane« bezeichnet – ist eine irrige Volksetymologie. Doch durch diese Bezeichnung ging die Stigmatisierung ethnischer Minderheiten einher, die mit Cannabis in Bezug gesetzt wurden. Damit verschärfte Anslinger die Fremdenfeindlichkeit während der Weltwirtschaftskrise, als viele Amerikaner das Gefühl hatten, mit Migranten um knappe Jobs konkurrieren zu müssen. Der amerikanische Geschäftsmann, Politiker und Eigentümer einer Zeitungskette William Randolph Hearst nutzte seine Boulevardblätter, um die Hanfpflanze weiter zu dämonisieren und die öffentliche Meinung dahingehend zu beeinflussen, dass es Zusammenhänge zwischen Cannabis, Migration und Gewaltverbrechen gäbe. Um öffentliche Unterstützung für ihren Kreuzzug zu erhalten, stellten die Prohibitionisten Hanf als eine Substanz dar, die »weiße Frauen veranlasst, sexuelle Beziehungen zu Negern zu suchen« und »mexikanisch-amerikanische Männer nach weißen Frauen gierig machte«.

 

Kinoplakat zum Anti-Marihuana-Film »Reefer Madness«

Hanf wurde in mehreren Filmen dämonisiert, von denen einige von großen Destillerien finanziert wurden, die erhebliche Gewinne verlieren würden, wenn Hanf legal würde. Mit dem 1936 produzierten Streifen »Reefer Madness« (Wahnsinnskraut) wurde den Zuschauern vermittelt, Cannabis sei eine Droge, die zu gewalttätigem Verhalten und schließlich in den Wahnsinn führte.

Im Jahr 1937 stimmte der US-Kongress einem Gesetz zu, das alle Formen von Hanf mit hohen Steuern belegte. Doch das FBN versperrte letztendlich den Zugang zu Hanf auch für medizinische Zwecke, sodass keine Medikamente auf Grundlage von Cannabinoiden mehr ausgegeben werden konnten. Stattdessen wurden Opioide empfohlen, und 1942 wurde die Pflanze Cannabis sativa L. aus dem Arzneibuch der USA entfernt, obwohl damals führende Ärzte und Wissenschaftler praktisch jede Behauptung widerlegen konnten, die Anslinger und das FBN über Cannabis gestellt hatten.

Als Cannabis ab den 1968ern zu einem Symbol für die jugendliche Rebellion wurde, drängten viele Regierungen auf Repressionsmaßnahmen, die 1971 in der Amtszeit von Richard Nixon im »Krieg gegen Drogen« mündeten. Politische und xenophobische Faktoren und die Art und Weise, wie Cannabiskonsumenten in den Medien dargestellt wurden, führten schließlich zum weltweiten Verbot von Cannabis. Schließlich kam es in den 1980er Jahren zu einer regelrechten Anti-Drogen-Hysterie in vielen Ländern und in der Folge zur Einführung drakonischer Strafen, die auch für den Handel mit Cannabis galten. In den 1980er und 1990er Jahren war »Just Say No« eine beliebte Werbekampagne, die Kinder vom illegalen Drogenkonsum abhalten und eine »drogenfreie Gesellschaft« herbeiführen sollte. Deshalb waren die meisten Bemühungen in den letzten Jahrzehnten, den Konsum von Cannabis zu verringern, weitgehend von Verhaftungen, Geldstrafen oder Inhaftierungen und der Beschlagnahme von Privateigentum geprägt. Dennoch stieg die Verfügbarkeit von Cannabis und auch die Zahl der Konsumenten stieg. Die verstärkte Durchsetzung des Verbotes hatte nicht die beabsichtigte Wirkung, sondern hat viele Menschenleben ruiniert, Gefängnisse gefüllt und Regierungen ein Vermögen gekostet. Außerdem hat das Verbot nicht verhindert, dass Menschen an anderen Drogen starben.


Plakat der US-Gesundheitsbehörde aus den 1990er Jahren

Fazit: Cannabis ist heute mit Abstand die am häufigsten verwendete verbotene Droge. Das Scheitern des Verbots wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, wie leicht in den letzten 30 Jahren des Verbots Jugendliche an Cannabis herankommen: Die meisten von ihnen berichten, dass sie Cannabis kostenlos erhalten oder mit jemandem geteilt haben. Zur Ironie der Geschichte trägt bei, dass kürzlich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu dem Schluss kam, dass die USA trotz der meisten Sanktionen die höchsten Raten illegalen Drogenkonsums haben. Vergleiche zwischen den USA und den Niederlanden, wo der Cannabisverkauf traditionell toleriert wird und der Konsum de facto legalisiert ist, zeigen, dass der Cannabiskonsum in den USA mehr als doppelt so hoch ist wie in den Niederlanden. Auch aus diesem Grund beginnen viele andere Länder, eine Entkriminalisierung oder Legalisierung von Cannabis in Betracht zu ziehen, weil vor allem die Kosten des Verbots beträchtlich sind.

Die öffentliche Meinung zu Cannabis hat sich über die Jahre dramatisch verändert, und die hitzigen Diskussionen über die mögliche Legalisierung haben Experten, Politiker und Steuerzahler gespalten. Es gibt in diesen Debatten immer noch zahllose Mythen, Fehlinformationen und Grabenkämpfe – oftmals ausgetragen mit starken Emotionen und mangelnder Objektivität. Wir sehen heute, dass die Kriminalisierung von Hanf nicht gerechtfertigt ist und ein Hindernis für Forschung, medizinischen Gebrauch und eine angemessene Regulierung darstellt.