Schneewittchen war beim CIA

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Schneewittchen war beim CIA
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Impressum

Schneewittchen war beim CIA

Ted Moré

Published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2012 Ted Moré

ISBN 978-3-8442-3862-4

Inhaltsverzeichnis:

„Liebe Mitbürger!“

„Von der allerfeinsten Kunst!“

„Hans im Glück!“

„Der Bärenhäuter“.

Einmal durchatmen.

1. Episode.

Ein Pressetext

„Futschi-Futschikato und die Prinzessin aus purem Gold!“

Der Gipskopf und die Brillenschlange.

Film! – Film?

Der Dicke König und verflixte 100 Hasen.

Klapperschnabel und Schnattergans.

Der gestiefelte Kater.

2. Episode.

Der Wolf und die sieben Geißlein.

Schneewittchen und die sieben Zwerge.

Rumpelstilzchen.

Das Rotkäppchen.

Dornröschen war ein schönes Kind.

Baremer Stadtmutanten.

Hänsel und Gretel.

Kailoff, Kabaftich und die Spinatwachteln.

„Die Prinzessin auf derer Erbse“.

„Die Reise zu der Schneekönigin“.

Liebe Mitbürger da draußen im Lande!

Ich habe mir, vor vierundvierzig Jahren habe ich begonnen, ein eigenes Reich „gebastelt“! Eine heimliche Welt mit großzügigen Stuben, mit einem Zimmer-Theater, einem Film-Studio, Werkstätten, Atelier und Garagen. Das um meinem Leben eine gewisse Ruhe zu geben. Die ist unbedingt erforderlich, wenn man nach eigener Auffassung leben will!

Bei all meiner Arbeit musste ich viel nachdenken und bedenken. Ich musste meine Gedanken, mich und meine Fantasien in die weite Welt schicken, mein tägliches Brot zu verdienen. Beim Lesen und Suchen nach Anregungen stellte ich fest, dass Einiges, in einigen Aufzeichnungen und Büchern, fraglich ist. Ich spreche von Märchen im Allgemeinen und von den Wiedergaben der Brüder Grimm im Besonderen!

Die Menschen, und das ist paradox, geben sich größtenteils so, als ob sie Märchen liebten. Sie entschuldigen sich auf die Art, dass sie, reden von Märchen, sich immer und ewig auf ihre Kindheit beziehen, und das klingt stets wie eine Entschuldigung. In der Regele kennen oder erinnern sie nur die gängigen Geschichten die immer und immer wieder „auf den Tisch“ kommen. Bisweilen zu „heimeligen“ Festtagen.

So läuft man halt als Theatermacher gerne gehabten Erfolgen hinterher, und versucht wenigstens auf bekannten Titeln gekonnt mit zu reiten!

Denkt man nach, entstehen Fragen: „Ist der gestiefelte Kater ein Hochstapler?“ –„ Was treibt eine Königin vor einem „sprechenden“ Spiegel?“- „Wer heiratet gerne ein einhundertzwanzigjähriges Mädchen?“ – „ In welchem Land zahlt der Arbeitgeber Löhne in Form von Goldklumpen?“ „Was ist eigentlich so mit Herrn Holle?“ – „Versteht der König im Rumpelstilzchen „Bahnhof“?“

„Wo ist der Märchenwald jetzt? Wo war er damals?“

„Sind die Königreiche jetzt Mittelstandsbetriebe?“

„Wieso sind eigentlich immer die dummen „Hänse“ die Sieger und müssen Prinzessinnen heiraten?“

Und wer kommt überhaupt auf so abwegige Gedanken?

Über all diese Gedanken hinaus vergaß ich sogar, dass diese Gedankenwelt mein Leben begleitete, Darüber habe ich total vergessen. wie ich denn nun eigentlich und überhaupt gelebt habe, Darauf kann es nur eine Antwort geben: „Auf der Bühne zu Hause, und zu Hause auf der Bühne!“

Zu mehr habe ich es in meinem Leben nicht gebracht! Deshalb soll dieses Buch zunächst einmal, aber nur zwischen den Zeilen, mein Statement sein.

Dürfte einzig und allein der richtige Weg sein die Geschichten zu begründen.

Fragen über Fragen, im Bezug zu meinem Leben und meiner Existenzberechtigung, die endlich, wenigstens zum Teil, gelöst, - oder-, - oder auch nicht! „Wat nu?“ –Als ich begann Märchen ins Repertoire zu nehmen, stand die Frage im Raum: „Soll ich nur eigene Erfindungen auf die Bühne bringen, oder vielleicht auch andere Geschichten?“ Geschichten sollen es immer sein, weil ich gerne erzähle. Es gibt auch zwei oder drei „Fans“ die sagen: „Du bist der letzte Erzähler!“ Bin ich wirklich der Letzte? Das sind Gedanken zu denen man stehen muss!

Also setzte ich mich in die Nesseln und verdiente damit, dass ich Märchen auf die Bühne brachte, „ wie sie nicht im Buch stehen!“ So bekam ich den Vorwurf von „wichtigen“ Menschen. Doch ich verdiente damit Geld!

Mehr als die meisten meiner „Kollegen“.

Das gab mir nie zu denken! Es brachte Neid! Neid kostet eben nur Geld!

So nahm ich „Märchen“ auseinander. Nicht ohne dass ich mich vorher über diese Welt kundig machte! – In diesem Zusammenhang: Die Schriftsteller und Theatermacher um 1968 gaben sich „links“. Gerne verdammten sie die Märchen der Brüder Grimm, weil sie mit einer „Liebe“ zu Grausamkeiten daher kämen! Zu mir sagten sie „Scheißliberal!“, weil ich mich ihren Gedanken nicht anschließen mochte! – Heute stehen die meisten von „Denen damals“ rechts neben sich selbst!

Ich gebe zu denken: In vielen europäischen Ländern, auch in Deutschland, wird ansonsten in den Märchen gerne von den Gestalten geredet, die das Jucken zwischen den großen Zehen haben! – Menschlich! –

Ich warf alle Gedanken in einen Topf, suchte das Menschliche in den Vordergrund zu bringen und arbeitete danach!

Nun, als Schreiber kann man frisieren und auch galant sein! So dachte ich, für dieses Buch auch an einen Titel „Mord und Totschlag auf den Salmonellen!“ – Das ist eine Inselgruppe bei Castrop-Rauxel. Castrop- Rauxel ist der lateinische Name für Wanne-Eickel! (s. KALAU!) –

„Schneewittchen war beim CIA“ könnte man auf die Bühne bringen mit dem Zusatz: „Ein Trauerspiel zum Totlachen, mit Tanz und Schlägerei! – Aber so ist das Leben?“

Also schrieb ich immer und immer wieder Episoden. Mal aus meinem Leben, mal aus meinen Erfahrungen und je nachdem. Das ohne Inhaltsverzeichnis!

Ted Moré

„Von der allerfeinsten Kunst an zarten Fäden!“

Oder:

„Eine interessant-machende Faselei vom Puppenspiel!“

Es war einmal ein armer Junge. Der kam am 8. Juni 1743 in Palermo auf die Welt. Die Taufe bescherte ihm den Namen Giuseppe Balsamo. Seine Eltern lernte er kaum kennen. Als er etwa sein viertes Lebens- Jahre erreichte, befreite man sie aus ihrem Leben, weil eine privilegierte Gewerkschaft sie zur Beseitigung freigab. Das geschah auf eine traditionelle, sizilianische Art und Weise.

Giuseppe entging dem ähnlichen Schicksal, weil er sich geschickt unter einem riesigen Poschamperl in einem verwunschenen Garten mit umgestürzten Marmor-Pfeilern versteckte. Er bekam dieses unappetitliche Schauspiel nur stückweise mit, in dieser malerischen Umgebung von blühenden Zitronenbäumen und duftenden Rosen.

Als der unappetitliche, fürchterliche Akt in Stille endete, die Schlächter mitsamt ihrem Ergebnis lautlos den Tatort verließen, schlief Giuseppe vorsichtshalber ein. Und so findet ihn die Tochter eines reichen Grande, dem Bäume und Rosen zu Eigen sind.

Sie, die in diesen hochwohlgeborenen Kreisen zu Hause ist, wunderte sich schon sehr, dass bei diesem kleinen Wesen, das sie unter dem Poschamperl, einem landesüblichen großen Pisspott, fand zwischen den Oberschenkeln so ein kleines „Röhrle“ bammelt. Giuseppe trug zur Bekleidung nur ein kurzes, leinenes Hemdchen. Die Prinzessin untersuchte, entdeckungsfreudig, das kleine Wesen sehr genau. Sie fand alles an dem Bübchen putzig. Ausgangspunkt ihres lüsternen Interesses ist eben dieses kleine „Pimmelchen“. Na und dann? Dem kleinen Wesen sind Arme und Beine gewachsen? Augenscheinlich eigene Arme und Beine? Das irritiert sie schon sehr. Sie bekam schon immer die Meinung eingeimpft: Arme und Beine sind ein Privileg des Adels! Man hatte ihr obendrein eingebläut: „Nur Leute von Stand, Adel und anderer hoher Herkunft sind Menschen!“

Sie band das kleine Wesen sorgfältig in ihr goldenes Schultertuch, und schaffte es mit gebotener Heimlichkeit in ihre Gemächer.

Da zog sie ihre eigenen Domestiken dazu, ließ das kleine Wesen baden, Pudern, parfümieren und für den höfischen Gebrauch herrichten. Fortan wuchs Guiseppe fürstlich weiter. Die Dame umsorgte das kleine Wesen auf mit königlichen, feinsten und köstlichsten Speisen. Kleidete es kostspielig, verwöhnte es nach Strich und Faden, küsste und liebkoste es wie eine Puppe.

Es musste ihr großes Geheimnis bleiben. Sie vergatterte Amme, Butler, Kammerdiener, Kammerzofe, Erzieherin, Kindermädchen, Köchin, Kutscher und Putzmädchen und alles was man so braucht, wenn man es nicht gelernt hat sich die eigene Unterhose anzuziehen, zu strengstem Stillschweigen. Immerhin galt noch die Leibeigenschaft! Sie drohte im Falle eines Verrats mit drastischen Strafen. Sie ließ sich herab zu einem drastischen Beispiel und befahl, ihren Prügelknaben, der gerade in Mode kam und sich langsam zu einer bleibenden Einrichtung entwickelte, öffentlich zu malträtieren, zu enthaupten und zu verbrennen. Das gehört sich so und ist üblich in diesen ausgewählten Kreisen.

Das kleine Wesen wuchs demnach fantastisch auf, entwickelte sich zu einem hübschen Knaben und lernte leicht englisch, französisch, polnisch, spanisch, rumänisch und zusätzlich sizilianisch sprechen.

Als Spielzeug der Prinzessin lebte Giuseppe einfach in den Tag und in angenehme Entdeckungen hinein.

Da spielte eines Tages die Vorsehung nicht mehr mit.

Spielend bescherte das harte Schicksal dem kleinen Wesen und der adeligen Dame, seiner Ziehmutter und Gespielin, segnend Lust und Liebe, ein Kind. So was kann tödlich ausgehen. Auf der Stelle musste dieser Giuseppe Balsamo verschwinden, denn das Leben kann hart sein, zumal wenn zärtliche Spielereien von Erfolg gekrönt sind! Er packte ein Bündel mit Kleidern, nahm sich einen Beutel Goldstücke und ergriff das bekannte Hasenpanier.

 

Schnell brachte er mit Extrakutschen und seinem Gold eine Sicherheit zwischen sich und dieser Dame. Dann veränderte er seine Legitimation, legte er sich ein Pseudonym zu und nannte sich fortan Giuseppe Comte Cagliostro und Großkophta, weil diese Titel nach dem Gotha, der Domain des Adels, gerade nicht im Gebrauch und deshalb frei sind für den bedürftigen Hausgebrauch.

Die Dame musste aus ähnlichen Gründen wie Guiseppe flüchten, denn es stand das Damoklesschwert mit den Buchstaben „Das tut man nicht!“ im Raum und sehr konsequent über sie. Von einer Heirat, da spielte die Jungfräulichkeit noch eine Rolle, musste auch abgesehen werden!

Sie flüchtete bei Nacht und Nebel nach Oberitalien zu einer Engelmacherin. Die befand sich bedauerlicherweise gerade auf Dienstreisen. Da wurde ihre Not noch größer, denn ihre Niederkunft meldete sich drastisch. So legte sich die Dame in eine Scheune am Wegesrand, nahe dem großen Fluss Po, und gebar einen gesunden Knaben. Dann verstarb sie ohne jegliche medizinische Hilfe.

Ihre einzige Begleitung, der Kutscher, nahm sich das Kind, packte es in eine Reisedecke, verfrachtete den Schmuck der Dame und ihre diversen Geldstücke in seinen Hosensack und entfernte sich Pferde, Kutsche, Kleider und übriges Gepäck der Dame zu versilbern. Er ließ die Prinzessin einfach und spärlich bekleidet liegen. Tot ist sie ohnehin zu nichts mehr zu gebrauchen.

Den Knaben legte er unauffällig und geschickt einer Schauspielerbande, die zufällig seinen Weg kreuzte, in den Thespiskarren. Die lustigen Akteure bemerkten ihr Glück erst am nächsten Auftrittsort, und so konnten sie, nach der Entdeckung ihres „Himmelsgeschenks“, nichts mehr zurückverfolgen.

Nun stellte sich die Frage: „Wer war das?“

Die komische Alte der Schauspielerbande, die auch junge Heldinnen spielte, schob das Kind der Naiven zu. Die verdächtigte daraufhin den Prinzipal als Vater. Er bewies ihr auf der Stelle, dass er überhaupt nicht zeugungsfähig sei. „Außerdem bin ich schwul! Das solltest du nicht übersehen haben!“ brüllte und töhlte er sie an!

Der jugendliche Held wollte sich hervortun und warf seine Worte in die Runde: „Das Wesen habe ich mit der Frau Prinzipalin gezeugt! Seht die römische Nase!“

Da entstand eine mächtige Prügelei, und die Leute eilten herbei, um zu gaffen. Der Hanswurst der Truppe begriff geistesgegenwärtig die Situation, griff sich schnell ein geleertes Poschamperl, hier ein Mehrzweckgerät, und sammelte von den zahlreich herbeieilenden „Gaffern“ kleine Geldmünzen ein. Marktschreierisch und lautstark verkündete er die neue Form des realistischen Straßentheaters.

Die Büttel eilten auch diensteifrig herbei und sahen sich die neue Form des Theaters genau und fachmännisch interessiert an. Sie zahlten gerne für den Anblick dieser Art moderne Darstellung menschlicher Tragödien. Sie fanden alles verständlich, volkstümlich und lehrreich. Zumal im Detail durchaus gekonnt. So stellten sie fest: „Umsatz steigernd für handwerkliche Industrien, weil die spärlichen Requisiten und Kulissen der Truppe zu Bruch gingen!“

Das änderte für die Schauspieler den stereotypischen, dramaturgischen Ablauf der praktischen anschaulichen Sexualkunde auf ihren erhöhten Bühnenpodesten, „coram Publikum“, mit den Damen des Theaters zu produzieren. Zu Deutsch: „Begüterte Kavaliere konnten nun nicht mehr, gegen Obolus, Schauspielerinnen öffentlich berammeln oder begatten!“ Sie mussten zurück ins stille Kämmerlein, weil und nicht zuletzt wegen der angeborenen, mädchenhaften Schamhaftigkeit die von da an zunehmend in Mode kam.

Prüderie? Die ist noch nicht in Mode. Noch herrscht die barocke Zeit! Gehemmte Teile des Publikums bedauerten die Änderung des Spielplans sehr, denn zu den öffentlichen Begattungen lud man Urahne, Großmutter, Mutter und Kind und sparte so an peinlichen Worten bei der kindlichen und kindgemäßen, anschaulichen Aufklärung zum geschlechtlichen Verhalten nach dem Vorbild des Viehzeugs, dass es auch immer auf der Straße trieb.

Auf der Bühne geschah lustiges Hauen, mit Treten und an den Haaren zausen und zerren. Daraus machten geschickte Leute später die bekannte Überschrift: „Ein Trauerspiel zum Totlachen, mit Tanz und Schlägerei!“ Ja, Kavaliere schlossen Wetten ab „Wer denn als Sieger bei den Hauereien hervorgehen sollte!“

Eine gute Zeit mit Essen und Trinken bis zum Übermut verging für diese Schauspieltruppe. Doch Das Besondere verwässerte bald wie bei allem was neu ist. Abkupferer sorgten dafür. Die Schauspieler alterten schnell infolge der harten Bühnenarbeit. Da boten die Schlägereien bald den Anblick der wortlosen Zeitlupe und Pantomime und erstarrten zu lebenden Bildern. Auch starben bald die Mitglieder der Truppe dahin.

Da ersetzte der Schauspieldirektor die Schauspieler durch leichte, hohle Holzköpfe, die er sich auf die Finger setzte. Seine alten Hände verdeckte er durch bunte, geflickte Handschuhe aus dem Fundus. Das gab einen lustigen Anblick, wenn sich die Handpuppen hauten. Sonst konnten sie ja nichts! Gut, er unterlegte ihnen lustige Redensarten.

Doch es tauchten in den Köpfen der Zuschauer wieder und wieder die Gedanken der umstrittenen Neuberin auf. Die sammelte nämlich auch keine Reichtümer und strampelte sich was zusammen mit ihren Theaterstücken von ernsten, tiefschürfenden Geschichten für ausgesuchte Schöngeister.

Manche Ergebnisse sind frappierend, denn obgleich sie den Hanswurst mit seinen unflätigen Redensarten von der Bühne des Schauspiels verbannte, machte der, trotz seiner Verbannung aus der Stadt Wien, prächtige Geschäfte vor der Stadt. Thalia, die Muse des Theaters, lächelte dazu.

Es gibt gar nicht so viele neue Ideen für das Theater. Es gibt nämlich gar keine! Es gibt nur Wiederholungen der Dramaturgie mit den festgelegten Möglichkeiten.

Bald kam der Prinzipal auch nicht mehr mit seinen Witzen und seinem Wurschtltheater, wie er das nannte, beim Publikum an.

Das alles lernte und erfuhr das Findelkind und machte damit seine Erfahrungen. Es blieb eigentlich für immer bei der Schauspieltruppe und irgendwie namenlos, aber geduldet wegen seines Schauspieltalents in der Rolle des „Jugendlich-Naiven“. Kaum gelernt hatte er Geld zu sammeln, denn meist spielte die Truppe „Public“, das meint: Theater auf Straßen und Plätzen. Eine hartnäckige Kunst, auch dem Betteln verwandt. Betteln kostet immer Überwindung. Eine Überwindung gepaart mit gespielter Unterwürfigkeit. Doch Unterwürfigkeit? Das lag dem aristokratisch geborenen Knaben, der ansonsten ein schönes, gepflegtes Aussehen bot, überhaupt nicht.

Nun starb ihm auch noch der Prinzipal dieser Schauspielerbande der ihm, witzlos ob vermögend oder unvermögend, jahrelang, liebevoll mit all seiner angeborenen Wärme den Vater spielte und ihn immer Cherie nannte. Weiter nichts. Cherie konnte an sich feststellen, dass er die Vaterliebe nicht missen musste. Das blieb auch alles was es zu erben gab.

Eigentlich ein dürftiges, weil nicht materielles, Erbe. Cheries Hosentaschen blieben leer und darinnen konnte er gut seine Hände unterbringen. Mit diesem leichten Gepäck machte er sich auf den Weg in die nächste, größere Stadt. Nach Triest.

Unversehens holte ihn unterwegs das Schicksal ein.

Eine prächtige Kutsche von vier Pferden gezogen, mit Kutscher, Diener, Lakai und Koch kreuzte seinen Weg und hielt an. Der Lakai sprang herab und lud ihn ein die Kutsche zu besteigen, wobei er ihm den Schlag offen hielt und den Einstieg herabklappte. Cherie folgte gerne dem Vorschlag und saß dann vor einem Herrn in prachtvoller Garderobe mit sorgfältig gepuderter Perücke, silbernen Schnallen an den Schuhen und in einen Radmantel mit üppigem Pelzkragen gehüllt. Ein Dreispitz mit silberner Borte bedeckte seine Perücke und die dunklen Augenbrauen gaben diesem Gesicht ein imposantes Aussehen. Cherie`s Erstaunen wuchs grenzenlos, denn der elegante Herr stellte sich im Laufe der Fahrt als sein Vater vor.

Cagliostro.

Cherie konnte nicht wissen, dass dieser Comte Cagliostro ein Abenteurer, ein Schwindler, Magier, Hochstapler, Goldmacher, Hellseher ist. Mit einem Wort Taschenspieler! Berühmt, berüchtigt und weit herumgekommen! Mit Talenten die nur der Metaphysik zu ordnen sind und deshalb gefährlich für Leib und Leben sein können.

Wie Cagliostro seinen Sohn erkannte? Leicht, denn Cagliostro verfügte eben über geheime, magische und telepathische Kräfte die ihn in ganz Europa bekannt und umstritten machten. Und irgendwie und dank dieses Umstands befand er sich auch und gerade jetzt wieder einmal auf der Flucht.

Vorsichtig tasteten sie sich im Gespräch einander ab, denn dumm ist Cherie ja nicht. Nach einigen Überlegungen entschloss sich Cagliostro im Österreichischen Triest Station zu machen. Ursprünglich und eigentlich wollte Cagliostro nach Wien und dann weiter nach Russland, ins Zarenreich. Doch die Situation und die Erkenntnis um seinen Sohn zwangen ihn seine Pläne zeitweilig zu ändern. Das nicht einmal ungern.

Er löste zwei Wechsel ein, mietete in Triest eine Wohnung, selbstverständlich im besseren Quartier, und nahm, mit Lust und Liebe, seinen Sohn sorgfältig in seine Schule und begann mit der gehobenen Erziehung. Kann ja immer sein, dass Cagliostro viele Kinder hinterließ, doch die blieben wegen seines häufigen Wohnwechsels zumeist unbekannt. Auch galt in Frankreich, seinem Lieblingsland, das Gesetz „La Recherche du Paternität est interdite!“

In der Folge brachte Cagliostro seinem Sohn zunächst einmal Manieren bei. Er lehrte ihm die höfische Form der französischen Sprache, kleidete ihn unauffällig ein, und bereitete ihn sehr vorsichtig und weitblickend auf sein weiteres abenteuerliches Leben vor. Als eine Art Rückversicherung? So versprach er sich das halt. Väter haben nun mal gewisse Pflichten, und eigentlich entpuppte sich Cherie als dankbar und sehr gelehrig. Einiges brachte der auch durch seine Theater-Erfahrung mit. Fechten konnte er bravourös! Das macht auch einen Vater wie Cagliostro stolz.

Cagliostro stattete seinen Sohn sorgfältig mit einem Namen aus. Cherie, so fand er, ist nicht das Richtige für einen Buben und er fand Armand und Sascha klingen besser.

Armand erwies sich als ein sehr gelehriger Schüler. Er lernte die Sprachen Englisch, Rumänisch, Spanisch schnell und gut. Vor allen Dingen interessierten ihn die Möglichkeiten der Ausdrucksformen. Die kannte er zwar vom Theater und von der italienischen Sprache her, doch Cagliostro beherrschte die Feinheiten. Latein fiel ihm dabei leicht, denn er empfand sein Italienisch als schlechtes Küchenlatein. Auch kannte Cagliostro eine Art zu lehren die fast wie ein Spiel schien. Kunststück, denn seine Kunst grenzte an Telepathie.

Diese Zeit der Kavaliere mit den gepuderten Perücken und den Damen mit den Reifröcken erlaubte es dem Adel nicht zu arbeiten. Arbeiten gehört sich in einigen Kreisen nicht! Um Langeweile zu überbrücken gab man sich gerne dem Glücksspiel hin. Armands feingliedrige Hände erwiesen sich als sehr geschickt. Karten mischen und geben ist eine Kunst an und für sich. Das muss nicht unbedingt zu geschickten Gaunereien führen, kann aber von Nutzen sein, wenn versehentlich unlauteres Spiel von irgendwelchen Gaunern oder bösen Buben betrieben wird. Das entdeckte der Comte Cagliostro und förderte Armands Geschicklichkeit. Er führte ihn ein in seine Kunst, sein spezielles Wissen und seine internationalen Erfahrungen von Volten schlagen, Karten nachhalten und anderen Finten und Finessen.

Einige Monate verbrachten sie so in Triest. Dann reisten sie weiter nach Belgrad, verbrachten den Sommer am Schwarzen Meer und auch auf der Krim. Mit Beginn des Herbstes taten sie die große Reise über Bulgarien und Rumänien nach Ungarn. Weihnachten verbrachten sie in Budapest.

Da passierte dem Comte Cagliostro mal wieder ein Missgeschick, und er musste Hals über Kopf und bei Nacht und Nebel seine Umgebung wechseln. Er vertraute sich seinem verständigen Sohn an, versorgte ihn mit etwas Geld und gab ihm den Rat nach Wien zu gehen, auf dass er da sein Glück machen solle.

Armand verstand und zeigte Einfühlungsvermögen. Er verbrachte mit Cagliostro eine gute Zeit, lernte eine Menge und Gewissen? Wozu? Er reiste mit der nächsten Postkutsche nach Wien. Die ungarische Sprache lag ihm eigentlich auch nicht so sehr, obgleich der Wein und die Damen, die Stadt Budapest überhaupt? Schließlich, kurz entschlossen, nach einigen Überlegungen, betrachtete er dieses Kapitel als abgeschlossen. Letzten Endes verfügte er nicht über die Einnahmen eines Cagliostros und deshalb machte er sich bereit ein anderes, eigenes Leben zu führen.

 

In Wien fand die fünfte Jahreszeit statt. Die Faschingszeit. Wichtig, denn die Obrigkeit erlaubte das öffentliche Glücks-Spiel in den Theatern auf den Fluren. Mit Karten, Würfeln und Glücksrad. Diese Art Geld zu machen, von verdienen kann beim Glücksspiel keine Rede sein, lernte Armand bestimmt und perfekt von seinem Vater, und er spielte geschickt mit und füllte seine Reisekasse.

Armand nahm das Glück beim Schopf, zupfte an diesem Schopf und gewann. Großes Glück. Zuviel Glück? Es sagten die anderen Mitspieler von ihm: „Armand? Il corigé la Fortune!“ Darinnen verstanden die Wiener keinen Spaß! – Sie sagten: „Hahahaha! Wir spielen, damit wir zu Geld kommen! Das ist unser Privilegium! Da könnte ein Jeder daher kommen und uns abzocken! Haha hahaha!“

Ängstlich? Armand und ängstlich? Der konnte sehr gut, fintenreich fechten mit dem Degen, und schnell laufen lernte er schon auf dem Theater, wenn es galt einen Ort schnell, unter Zurücklassung von Schulden, zu verlassen.

Er lief davon, wechselte die Grenze und landete im Salzburger Land. Schon kam er den Österreichern aus und davon.

In einem Wirtshaus am Wegesrand hörte er eine Geschichte mit. Da soll doch ein alter Puppenspieler krank darniederliegen und Schulden haben, so dass man ihn vor die Tür setzen wolle und seine Habe? Wie man halt so mit fahrendem Volk ohne Federlesen verfahren solle!

Das brachte ihn auf einen Gedanken. Armand sprang kurzentschlossen ein und kaufte dem Puppenspieler diese Habe ab. Ein Pferd im Geschirr mit Wagen und Kisten voller Marionetten und Kulissen. Er zahlte ordentlich und angepasst, dass der kranke Mann versorgt zurück blieb. Der Gastwirt ist es zufrieden und versprach feierlich sich um den Mann zu kümmern. Armand verpflichtete noch sicherheitshalber den ortsansässigen Pfarrer sich um den Mann zu kümmern. Er verwies dabei dezent auf seinen imponierenden Namen Armand Chevalier.

Den Namen gab er sich. Er passte besser zu Armand. Aber nur Chevalier. Nicht Chevalier de…! Das ist gewiss Hochstapelei, und davor nahm er sich in Acht!

Armand machte darnach aus sich, zunächst einmal nur äußerlich, einen anderen Menschen. Er wechselte seine Kleider von der Eleganz ins Sachliche. Von nun an verzichtete er auf die zeitgemäße Perücke und den Zierdegen. Er gab sich bieder und trat bescheiden, aber bestimmt auf.

Schauspiel beherrschte er. Schließlich hatte er es gelernt und eingesogen wie Muttermilch. Das Glücksspiel in Wien machte ihn wohlhabend. Sogar so wohlhabend, dass er sich einen zweiten Gaul dazu kaufte und einen Wachhund von imponierender Größe.

Gemächlich und gedankenvoll zog er seines Weges und nannte sich zunächst einmal Dichter. Als Zeichen seiner dichterischen Würde hängte er sich zwei gefüllte, zugepfropfte Tintenfässer um den Hals und steckte sich zwei Bündel Gänsefedern in die Taschen. Mit dem fürstlichen Dolch in der Falte seiner Hose, einem Geschenk seines Vaters, konnte er nun seine Kiele spitzen und mit Fantasie und blumenreichen Worten von seinem und anderen Leben schreiben und berichten.

Da kam ihm der Gedanke seines Lebens! Drei Kisten voller hölzerner Gestalten an sinnreichen Maschinen mit Fäden gebunden erweckte er im hellen Bühnenlicht zum Leben und lies sie seine Gedanken spielen, bevor er sie aufschrieb. Die Stücke schüttelte er sich nicht aus dem Ärmel. Er erschloss für sich zunächst den Charakter einer bestimmten Figur, erspähte deren Physiognomie und studierte die Möglichkeiten ihrer Bühnenbewegungen an Fäden. So kam er zu der Ausdrucksstärke, die er brauchte, um seine Gedanken ins Spiel und auf die Bühne zu bringen. Dabei musste er sich genau seine Zuschauer ansehen. Also legte er seine Bühnentexte nur in groben Zügen fest und verließ sich auf seine angeborene Kunst des Extemporierens.

Armand sah immer sehr lustig aus, wenn er daherkam mit seinen hohen Gustav-Adolf-Reiterstiefeln, einen passenden Radmantel schwingend, den Tintenfässern an Lederriemen und den Federkielen die aus seinen Rocktaschen schauten. Ein gewaltiger Hut schützte seinen Kopf vor Sonne und Regen.

Fortan hieß er Armand Chevalier und ein gütiges Amt bestätigte ihm Armand Chevalier, der Marionettenmechanikus.

Er spielte genau die Geschichten, die er erfand oder erlebte, aber auch die alten Marionettenstücke vom Don Juan, von der heiligen Genovefa, vom Doctor Faustus und auch vom Leben und Sterben des Jedermann. Er berichtete in bunten Bildern von Kriegen, Katastrophen, Feuers-Brünsten und Schiffsuntergängen. Es diente sein Marionettentheater nicht einzig und allein nur der Erbauung und Unterhaltung, sondern auch der Berichterstattung. Das brachte Zuschauer und volle Kassen.

Kam Armand Chevalier mit seinem Planwagen, außen behangen mit zwei oder drei lustigen Marionetten, die Pferde mit blitzendem, aufwendigen Geschirr, mit Kolumbine und Harlekin, denn er reiste nicht mehr allein, dann lief das Volk zusammen. Ein Wunderdoktor hatte sich ihm sogar angeschlossen, denn wer sollte in kleinen

Städten und Dörfern Zähne reißen und „Plattbeine“ heilen? Auch kaufen die Leute gerne Pülverchen und Wässerchen gegen Dummheit, Faulheit und Fresslust.

Darüber alterte Armand Chevalier.

Doch genau die Berichterstattung ist es die ihm eines Tages fast den Garaus machte. Nachrichten verbreiteten sich schneller und schneller. Marconi entdeckte den Funk. Da lernten die Nachrichten das größere Tempo zur schnellen Verbreitung. Hatte man sich vormals mit Fahnenschwenken und Lichtsignalen auf Sichtweite verständigt, so konnten jetzt kurze und lange Schallwellen ungesehen und lautlos durch die Atmosphäre sausen.

Das Chemische Bild, die Fotografie, verbreitete sich schnell und bald schon lernten die Bilder das Laufen. Geschickt voreinander gesetzt erzählten sie Geschichten und von Ereignissen wie Mord- und Totschlag. Schauspieler kamen dazu und die Geschichten kolportierten leicht Verständliches. Die Aufführungen konnte ein jeder gegen einen Nickel besuchen, denn es fielen keine Kosten für Ensemble an.

Da verschwand der gealterte Armand Chevalier plötzlich von dieser Welt und löste sich auf in einen Gedanken. Seine Seele suchte sich auf die Art einen Platz und nistete sich irgendwo in Irgendwem ein.

Derweilen schmachtete sein leiblicher Vater Cagliostro schon lange in einem römischen Kerker. Der trug auch seinen Teil zu der französischen Revolution bei, durch die Halsbandgeschichte mit Marie-Antoinette, der französischen Königin. Cagliostro, mit seiner Vorliebe für junge Frauen, entschleierte in Italien gerne junge Nonnen. Das brach ihm, gleich Casanova, das Genick, denn die Kirche versteht es kaum als einen Spaß, wenn es sich um Frauen handelt!

Man sperrte ihn aufwendig und gewaltig gesichert ein.

Die Bande aus Eisen und Steinen allerdings konnten seinen metaphysischen Geist nicht sprengen oder halten. Seine Telepathie sorgte für die geistigen Überlebensmöglichkeiten in seinem Sohn. Seine Ideen und Gedanken übertrug er Einstens diesem, seinem gelehrigen Sohn der, in bevölkerungspolitischer Hinsicht, kein Blindgänger sein wollte. Doch dessen Erben gaben sich mit der angeborenen Intelligenz zufrieden und wandten sich weise ab vom anstrengenden Puppenspiel. Sie nannten es leichtsinnig Firlefanz und Kinderkram.

Die Marionetten fielen zusammen. Die Textilien lösten sich auf in Staub. Holzwürmer besorgten den Rest. Die starken Gedanken des faustischen Cagliostro gingen nicht verloren. Sie schwirrten herum und suchten einen Landeplatz.

Ein herumschwirrender Gedanke aber fand Eingang in einen bereitwilligen Kopf.