Schuldrecht Allgemeiner Teil II

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III. Vertragliche Haftungsmilderungen

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Wie sich aus § 276 Abs. 3 ergibt, kann die Haftung für schuldhaftes Handeln vertraglich grundsätzlich – ohne Beachtung einer besonderen Form – ausgeschlossen werden. Eine solche Vereinbarung ist im Zweifel zum Nachteil desjenigen auszulegen, zu dessen Gunsten der Ausschluss wirken soll.[9] Schließlich entspricht es der Lebenserfahrung, dass man seinen Schutz durch Ersatzansprüche nicht ohne Weiteres aufgeben möchte. Bei AGB folgt dies bereits aus der allgemeinen Regel des § 305c Abs. 2.

Beispiel

Die Beschränkung der Haftung für Sachmängel in einem Kaufvertrag erfasst im Zweifel nicht konkurrierende deliktische Ansprüche und Ansprüche wegen mangelhafter Nacherfüllung.[10]

1. Wirksamkeitsvoraussetzungen

a) Allgemeine Wirksamkeitserfordernisse

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Zunächst gelten wie für jeden Vertragsschluss die allgemeinen Wirksamkeitserfordernisse der §§ 107, 108, 164, 177.

b) Wirksamkeitshindernisse

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Das Gesetz kennt speziell für Haftungsbeschränkungen besondere Wirksamkeitshindernisse. Der Schuldner kann sich auf diese Weise keinen „Freibrief“ für vorsätzliches Handeln geben lassen, weshalb die Haftung nach § 276 Abs. 3 wegen Vorsatzes im Voraus nicht ausgeschlossen werden kann. Bei juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften folgt aus § 276 Abs. 3, dass ein Haftungsausschluss wegen vorsätzlichen Verhaltens ihrer Organe, Organmitglieder und gesetzlichen Vertreter im Voraus nicht möglich ist.[11]

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Diese Regelung kann auch nicht dadurch umgangen werden, indem die Ergebnisse eines nach § 276 Abs. 3 unzulässigen Haftungsausschlusses annäherungsweise durch andere Gestaltungen erreicht werden und dadurch die Haftung im Ergebnis zumindest beschränkt wird. Auch dies soll nach dem Sinn und Zweck des § 276 Abs. 3 nicht wirksam erreicht werden können.

Beispiel 1

Eine Vereinbarung, nach der Schadensersatzansprüche der Höhe nach auf einen bestimmten Betrag (z.B. Versicherungssumme oder Wert der Gegenleistung) beschränkt sind, verstößt gegen § 276 Abs. 3, soweit sie Schadensersatzansprüche aus vorsätzlichem Verhalten betrifft.[12]

Beispiel 2

Eine vertragliche Abkürzung der Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche aus vorsätzlicher Pflichtverletzung würde die Haftung zwar nicht ganz ausschließen, aber immerhin eine Haftungsbeschränkung in zeitlicher Hinsicht erreichen, da dem Schuldner vorzeitig eine Einrede aus § 214 Abs. 1 zusteht.

Hier hilft bereits § 202 Abs. 1, der eine solche Verjährungsregelung für unwirksam erklärt. Die Vorschrift wird analog auf Ausschlussfristen angewendet, nach deren Ablauf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ausgeschlossen sein soll.[13]

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Neben § 276 Abs. 3 existieren zahlreiche besondere Wirksamkeitshindernisse für Haftungsbeschränkungen.

Beispiele

§ 202 Abs. 1 im Hinblick auf Verjährungserleichterungen (siehe oben); § 619 im Hinblick auf Pflichten aus §§ 617, 618; § 8a StVG bei entgeltlicher Personenbeförderung für Haftung aus § 7 StVG; § 14 ProdHG für Ersatzpflicht des Herstellers nach ProdHG.

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Im Übrigen gilt die allgemeine Grenze des § 138.

Eine Unwirksamkeit nach § 125 S. 1 wegen Formnichtigkeit scheidet in der Regel aus, da Haftungsbeschränkungen grundsätzlich[14] formlos abgeschlossen werden können.

2. Besonderheiten bei Haftungsbeschränkung in AGB

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Bei Vereinbarung eines Haftungsausschlusses durch eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 sind die vorstehenden Wirksamkeitsvoraussetzungen selbstverständlich ebenfalls zu beachten. Das Gesetz geht hier aber noch weiter und verschärft die Grenzen.

Nach § 309 Nr. 7b ist in AGB auch ein Ausschluss der Haftung für grobe Fahrlässigkeit unzulässig. Nach § 309 Nr. 7a kann der Haftungsmaßstab in Bezug auf die Verletzung der Rechtsgüter Leben, Körper und Gesundheit gar nicht abgemildert werden.

§ 309 Nr. 7 erfasst auch solche Klauseln, die – wie in den vorigen Beispielen – die Haftung zeitlich oder der Höhe nach begrenzen.[15]

JURIQ-Klausurtipp

Nach § 310 Abs. 1 S. 1 findet § 309 nur bei Verwendung gegenüber einem Verbraucher Anwendung. Aus § 310 Abs. 1 S. 2 folgt aber, dass die nach § 309 verbotenen Klauseln auch bei Verwendung gegenüber Unternehmern unwirksam sein können (aber eben nicht müssen!), wobei die Unwirksamkeit dann gesetzestechnisch aus § 307 Abs. 1 und Abs. 2 folgt.

Verstößt eine Klausel gegen § 309 Nr. 7 ist sie auch im Verkehr gegenüber Unternehmern stets als unwirksam anzusehen.[16]

Sie zitieren dann § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1, da die Klausel von den Grundsätzen einer Schadensersatzhaftung nach dem Verschuldensmaßstab des § 276 unangemessen abweicht.

Achtung: Geht es in Ihrem Fall um die Haftung wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung, kommt es auf § 309 Nr. 7 gar nicht an, da die Klausel – ob AGB oder nicht – ohnehin nach § 276 Abs. 3 unwirksam ist.

3. Auswirkungen unzulässiger Haftungsklauseln

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Was aber passiert, wenn die Vertragsparteien sich darüber hinwegsetzen und im Vertrag eine Bestimmung aufgenommen wurde, die gegen § 276 Abs. 3, § 309 Nr. 7 oder ein sonstiges Verbot verstößt?

Beispiel

Im Kaufvertrag wird unter Verstoß gegen § 309 Nr. 9a, aa vereinbart: „Der Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeglicher Haftung.“

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Bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen gibt uns § 306 die Antwort.

Die Folgen der Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung richten sich nach § 306, der nicht nur dann gilt, wenn sich die Unwirksamkeit einer Klausel aus den §§ 305c, 307 ff. ergibt.[17]

Grundsätzlich bleibt der Vertrag gem. § 306 Abs. 1 im Übrigen wirksam, nur die betroffene Klausel wird durch die gesetzlichen Vorschriften ersetzt, § 306 Abs. 2. § 306 ist lex specialis zu § 139 und dreht das Regel-Ausnahme-Verhältnis um, indem er den Vertrag grundsätzlich (Ausnahme: § 306 Abs. 3) wirksam bleiben lässt.

 

Allerdings ist anerkannt, dass ein Teil einer unwirksamen Klausel unter der Voraussetzung aufrechterhalten bleiben kann, dass sich die Klausel nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt (sog. „blue-pencil-Test“).[18] Wenn die Klausel – wie im Beispiel – die Haftung pauschal ausschließt, ist dies aber nicht der Fall.[19] Um zu einem inhaltlich zulässigen Klauselinhalt zu gelangen, müsste die Klausel um eine Ausnahmeregelung für eine Vorsatzhaftung ergänzt werden. Das wäre der Sache nach aber eine geltungserhaltende Reduktion durch inhaltliche und sprachliche Neufassung einer unzulässigen Klausel, die allgemein nicht für zulässig gehalten wird.

Hinweis

Im Ergebnis ist damit jede Klausel unwirksam, die die Schadensersatzhaftung ausschließt oder begrenzt und dabei nicht exakt die Ausnahmetatbestände der §§ 276 Abs. 3, 309 Nr. 7a und b abbildet.

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Bei Individualvereinbarungen könnte man die Lösung in § 139 suchen, der bei Teilnichtigkeit im Zweifel für die Unwirksamkeit des gesamten Rechtsgeschäfts entscheidet. Dann würde man aber den Schuldner über Gebühr begünstigen, dem die Haftungsbegrenzung zugutekommen sollte. Schließlich bestünden gegen ihn dann mangels vertraglichen Schuldverhältnisses gar keine vertraglichen Primär- und Sekundäransprüche mehr. Das wird allgemein für unbillig gehalten, so dass ein Verstoß gegen ein gesetzliches Vereinbarungsverbot keine Gesamtnichtigkeit des Vertrages nach § 139 auslöst, sondern lediglich zur Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses führt, soweit der Verbotstatbestand verletzt ist.[20]

Hinweis

Der Gesetzgeber berücksichtigt diesen Ansatz in neueren Regelungen, indem er z.B. im (reformierten) § 444 formuliert, der Verkäufer könne sich auf den Haftungsausschluss „nicht berufen“.[21]


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Anmerkungen

[1]

BGH NJW 1992, 2474, 2475 unter Ziff. II 2d; Palandt-Grüneberg § 277 Rn. 2.

[2]

BGH NJW 1992, 2474, 2475 unter Ziff. II 2d; Palandt-Grüneberg § 277 Rn. 2.

[3]

Palandt-Grüneberg § 277 Rn. 2.

[4]

Palandt-Grüneberg § 278 Rn. 27.

[5]

Palandt-Grüneberg § 277 Rn. 5.

[6]

BGH Urteil vom 13. Dezember 2004 (Az. II ZR 17/03) unter Ziff. II 2 = NJW 2005, 981.

[7]

Palandt-Grüneberg § 300 Rn. 2.

[8]

Palandt-Grüneberg § 277 Rn. 3.

[9]

Palandt-Grüneberg § 276 Rn. 36.

[10]

Palandt-Grüneberg § 276 Rn. 36.

[11]

Palandt-Ellenberger § 31 Rn. 4.

[12]

Palandt-Grüneberg § 276 Rn. 35.

[13]

Palandt-Ellenberger § 202 Rn. 8.

[14]

Eine Ausnahme gilt bspw. für die Vereinbarung, mit der die Haftung des Rechtsanwalts beschränkt werden soll: Hier ist eine formlose Vereinbarung durch § 52 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ausgeschlossen.

[15]

BGH Urteil vom 15. November 2006 (Az. VIII ZR 3/06) unter Ziff. II 1b, Tz. 18 ff. = BGHZ 170, 31 ff. = NJW 2007, 674 ff. m.w.N.

[16]

BGH Urteil vom 19. September 2007 (Az. VIII ZR 141/06) unter Ziff. II 2b, Tz. 11 ff. = NJW 2007, 3774.

[17]

Palandt-Grüneberg § 306 Rn. 3.

[18]

St. Rspr., z.B. BGHZ 145, 203, 212 unter Ziff. II 4 = NJW 2001, 292, 294; Palandt-Grüneberg § 306 Rn. 7.

[19]

BGH Urteil vom 19. September 2007 (Az. VIII ZR 141/06) unter Ziff. II 2, Tz. 8 ff. = NJW 2007, 3774.

[20]

Palandt-Ellenberger § 139 Rn. 18.

[21]

BT-Drucks. 14/6040 S. 240.

3. Teil Leistungsverzögerung

Inhaltsverzeichnis

A. Tatbestand der Leistungsverzögerung

B. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286

C. Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281

D. Aufwendungsersatzanspruch nach § 284

E. Zinsanspruch aus § 288

F. Rücktritt vom gegenseitigen Vertrag gem. § 323

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3. Teil Leistungsverzögerung › A. Tatbestand der Leistungsverzögerung

A. Tatbestand der Leistungsverzögerung

3. Teil Leistungsverzögerung › A. Tatbestand der Leistungsverzögerung › I. Unterscheidung zwischen Leistungsverzögerung und Verzug

I. Unterscheidung zwischen Leistungsverzögerung und Verzug

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Den Begriff „Leistungsverzögerung“ verwendet das Gesetz in § 280 Abs. 2, wo es heißt, dass Schadensersatz „wegen Verzögerung der Leistung“ nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 verlangt werden kann. § 286 Abs. 1 S. 1 beschreibt die objektiven (Regel-)Voraussetzungen für den Eintritt von Verzug. Danach tritt Verzug ein, wenn der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, nicht leistet. Das gilt nach § 286 Abs. 4 allerdings nicht, solange die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den der Schuldner nicht zu vertreten hat.

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An dem Verweis des § 280 Abs. 2 auf § 286 erkennen wir zunächst einmal, dass das Gesetz zwischen Leistungsverzögerung und Verzug unterscheidet.

Die Leistungsverzögerung beschreibt das Gesetz in den §§ 281 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1 in der Weise, dass der Schuldner „eine fällige Leistung nicht erbringt“. Wie wir bereits festgestellt haben, kommt es für das Vorliegen der Nichtleistung als Pflichtverletzung nicht darauf an, worauf die Nichtleistung beruht und ob der Schuldner sie zu vertreten hat.

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Für die Abgrenzung der Pflichtverletzungskategorien „Leistungsverzögerung“ und „Verzug“ folgt daraus:

Beiden Tatbeständen ist gemeinsam, dass der Schuldner eine fällige Leistung nicht erbringt.

Der Eintritt des Verzuges verlangt aber zusätzlich noch, dass über die Fälligkeit der Leistung hinaus die weiteren objektiven Voraussetzungen des § 286 Abs. 1 bzw. Abs. 2 und 3 vorliegen müssen und der Schuldner die Nichtleistung nach Eintritt dieser besonderen objektiven Voraussetzungen auch zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4). Der Verzug ist damit eine besondere Form der Leistungsverzögerung, die zusätzliche objektive Haftungsvoraussetzungen kennt und vom Vertretenmüssen abhängt.

87

Die Pflichtverletzung der „Leistungsverzögerung“ und des Verzuges unterscheiden sich vom Ausbleiben der Leistung wegen Leistungsbefreiung nach § 275 dadurch, dass die Leistung ausbleibt, obwohl der Schuldner zur Leistung noch verpflichtet ist.

3. Teil Leistungsverzögerung › A. Tatbestand der Leistungsverzögerung › II. Nichtleistung trotz Fälligkeit

II. Nichtleistung trotz Fälligkeit

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Leistungsverzögerung = Nichtleistung trotz Fälligkeit

I.Fälligkeit des Anspruchs

1.Vertragliche Vereinbarung

2.Besondere gesetzliche Bestimmung

3.Festlegung durch „sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses“

4.Grundregel des § 271 Abs. 1: sofort

 

II.Durchsetzbarkeit des Anspruchs zum Fälligkeitstermin

1.Bestand des Anspruchs

2.Einredefreiheit

Beachtlichkeit der objektiven EinredelageRn. 97 ff.

III.Nichtleistung, nicht erfüllt wenn:

1.Annahmeverzug des Gläubigers (§§ 293 ff.)

2.Vornahme der Leistungshandlung bei Schickschulden

GeldschuldenRn. 118 f.

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Da die Leistungsverzögerung und ihre besondere Ausprägung als Verzug eine Nichtleistung trotz Fälligkeit voraussetzen, sollen diese beiden Merkmale zunächst behandelt werden. Das erleichtert uns die Erörterung der einzelnen Sekundäransprüche, die an eine Leistungsverzögerung oder sogar die gesteigerte Form des Verzuges anknüpfen. Da die Merkmale „Nichtleistung trotz Fälligkeit“ dort zwangsläufig immer wieder auftauchen werden, können wir sie an dieser Stelle für alle kommenden Anspruchsgrundlagen abhandeln.

1. Fälligkeit der Leistung

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Unter „Fälligkeit der Leistung“ ist allgemein der Zeitpunkt zu verstehen, von dem an der Gläubiger die Leistung verlangen kann.[1] Kurz gesagt bedeutet Fälligkeit somit „Leisten müssen“.

Hinweis

„Erfüllbarkeit“ meint demgegenüber den Zeitpunkt, ab dem der Schuldner leisten darf und der Gläubiger bei Nichtannahme in Annahmeverzug gem. §§ 293 ff. gerät.[2] Erfüllbarkeit bedeutet daher „Leisten dürfen“.

a) Vertraglich vereinbarte Fälligkeit

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Dieser Zeitpunkt richtet sich in erster Linie nach den Vereinbarungen der Parteien des Schuldverhältnisses.

Haben sich die Parteien bei Vertragsschluss auf einen Termin verständigt, ist nach der Auslegungsregel des § 271 Abs. 2 im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner sie vor dieser Zeit aber bewirken kann.

Hinweis

Davon ist die „Stundung“ zu unterscheiden. Die „Stundung“ ist eine Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner, die nicht die Fälligkeit erstmalig festlegt, sondern eine bereits eingetretene Fälligkeit nach hinten verschiebt.[3]

Die Auslegungsregel des § 271 Abs. 2 schafft in zweierlei Hinsicht Klarheit:

Die Vereinbarung eines Leistungstermins muss nicht zwingend einen Fälligkeitstermin bedeuten. Sie kann beispielsweise auch so gemeint sein, dass der Anspruch bereits früher fällig sein und nur der Verzug später eintreten soll.[4] § 271 Abs. 2 entscheidet bei Zweifeln für die spätere Fälligkeit und damit für die dem Schuldner günstigste Auslegung. Vor Erreichen des vertraglich vereinbarten Zeitpunkts kann der Anspruch mangels Fälligkeit beispielsweise kein Zurückbehaltungsrecht des Gläubigers aus § 273 begründen, steht noch nicht zur Aufrechnung zur Verfügung (vgl. § 387), und eine Nichtleistung vor diesem Zeitpunkt kann keine Pflichtverletzung sein.

Beispiel

V und K vereinbaren in einem Rahmenvertrag, dass V dem K seine Warenlieferungen monatlich in Rechnung stellt und der jeweilige Rechnungsbetrag spätestens am 30. Tag nach Zugang der Rechnung auf das in der Rechnung angegebene Konto zu zahlen ist.

Das vereinbarte „Zahlungsziel“ von 30 Tagen ist im Zweifel als Fälligkeitsbestimmung zu verstehen, so dass Fälligkeit nicht bereits mit Leistungserbringung oder Zugang der Rechnung, sondern erst 30 Tage später eintritt.[5]

Hinweis

Haben die Parteien „Zahlungsziele“ mit Fristen vereinbart („zahlbar 30 Tage nach Rechnungserhalt“), finden die §§ 186–193 zur Bestimmung von Fristbeginn und -ende Anwendung.[6] Fällt also beispielsweise der letzte Tag der Frist auf einen Samstag oder Sonntag, tritt Fälligkeit nach § 193 erst am nächsten Werktag ein.

92

Außerdem erhält die Auslegungsregel des § 271 Abs. 2 dem Schuldner im Zweifel die Möglichkeit, den Anspruch freiwillig vorher zu erfüllen, indem der Anspruch im Zweifel sofort und vor dem vereinbarten Termin erfüllbar ist.

b) Gesetzlich besonders bestimmte Fälligkeit

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Das Gesetz sieht für verschiedene Schuldverhältnisse besondere Fälligkeitstermine vor.

Beispiel 1

Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers: § 488 Abs. 3 S. 1;

Beispiel 2

Fälligkeit des Miet- oder Pachtzinses: §§ 556b Abs. 1, 579 587;

Beispiel 3

Rückgabeanspruch des Verleihers: § 604;

Beispiel 4

Vergütung beim Werk- oder Dienstvertrag: §§ 614, 641.

c) Allgemeine Grundregel

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Wenn ein Fälligkeitstermin weder vertraglich vereinbart noch gesetzlich besonders bestimmt ist, treten Fälligkeit einerseits und Erfüllbarkeit andererseits nach § 271 Abs. 1 grundsätzlich sofort mit Entstehung des Anspruchs ein.

Etwas anderes gilt nach § 271 Abs. 1 nur dann, wenn sich ein späterer Fälligkeitstermin „aus den Umständen“ ergibt.

Beispiel 1

Der Vermieter von Wohnräumen muss eine Kaution des Mieters im Zweifel noch nicht bei Beendigung des Mietverhältnisses zurückzahlen, sondern erst dann, wenn feststeht, ob ihm noch Ansprüche gegen den Mieter zustehen. Zur Feststellung seiner Ansprüche stehen dem Vermieter regelmäßig 3–6 Monate zur Verfügung.[7]

Beispiel 2

Der Werkunternehmer hat das Werk nach der dafür objektiv nach üblichen Maßstäben erforderlichen Zeit abzuliefern;[8]

Beispiel 3

Ein im Zusammenhang mit einer Kündigung begründeter Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers wird nicht schon mit Zugang der Kündigungserklärung, sondern erst im Zeitpunkt seines Ausscheidens zur Zahlung fällig.[9]

2. Durchsetzbarkeit

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Wenn der Schuldner (noch) nicht leisten muss, kann es keine Pflichtverletzung darstellen, wenn er nicht leistet. Aus diesem Grunde werden alle Tatbestände, die an eine Leistungsverzögerung anknüpfen (§§ 281 Abs. 1 S. 1, 286 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1), um ein ungeschriebenes, aber als selbstverständlich anerkanntes Tatbestandsmerkmal ergänzt: die volle Durchsetzbarkeit des Anspruchs.[10]

Diese „Durchsetzbarkeit“ ist unter folgenden Voraussetzungen gegeben: