Die rastlosen Reisen des frommen Chaoten

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Dienstag, 8. Februar

Den ganzen Tag über bester Laune.

Heute Abend ein Anruf von Pastor Spool, dem Pfarrer der St.-Dermot’s-Kirche am anderen Ende der Stadt.

Er sagte: »Ah, Mr. Plass, darf ich Ihnen sagen …«

»Nennen Sie mich Adrian.«

So sind wir internationalen Redner nun einmal.

»Nun, das ist sehr freundlich, bitte fühlen Sie sich frei, mich mit Vladimir anzureden.«

»Vladimir?«

»Vladimir, ja, richtig. Nun, Adrian, ich rufe an, um zu fragen, ob Sie vielleicht freundlicherweise die Möglichkeit in Betracht ziehen könnten, uns hier in St. Dermot’s am Sonntag, dem dreizehnten März, mit einem Besuch zu beehren. Mir ist natürlich klar, dass jemand, der so bekannt ist wie Sie, ohnehin schon einen ziemlich vollen Terminkalender hat, aber ich dachte mir …«

Tat so, als blätterte ich durch einen Kalender voller Auslandsreisen, und erwiderte: »Schauen wir mal. Ja, die Australienreise ist erst später in dem Monat, das wäre also kein Problem …«

»Australien – meine Güte, was für eine Anhängerschaft Sie haben müssen, Adrian. Ich nehme an, Sie reisen durch die ganze Welt, was?«

»Nun …«, lachte leichthin, als wollte ich es nicht zu sehr aufbauschen, »so würde ich das nicht ausdrücken.«

»Sie würden es nicht so ausdrücken! Aber ich bin ganz sicher, dass es wahr ist!«

»Oh nein …«

»Sie meinen also, Sie könnten uns am dreizehnten noch hineinquetschen? Unsere Gemeinde wäre sehr begeistert, wenn das möglich wäre.«

»Ja, ich glaube, da kann ich Ihnen helfen, äh, Vladimir. Ich trage es mir gleich in den Kalender ein. Es handelt sich vermutlich um den Vormittagsgottesdienst, nicht wahr?«

»Genau!«, sagte Pastor Spool, der alles, was ich sagte, erstaunlich intelligent zu finden schien. »Der Vormittagsgottesdienst, völlig richtig – ganz genau! Ich bin Ihnen wirklich äußerst dankbar, und Sie müssen uns Ihr normales Honorar für einen solchen Anlass wissen lassen. Darauf muss ich bestehen.«

»Oh, das ist überhaupt kein Problem. Übrigens, Vladimir, ich frage mich – Ihr Vorname klingt irgendwie, äh …«

»Tja nun, ja, nein, wissen Sie, ja, Sie haben völlig recht, das ist wirklich ein ungewöhnlicher Vorname für einen britischen, anglikanischen Geistlichen, aber die schlichte Wahrheit ist die, dass meine arme, liebe Mutter als junges, leicht zu beeindruckendes Mädchen mit einem Wodkalieferanten durchging, und das Ergebnis, ob Sie es glauben oder nicht, war ich.«

»Oh.«

»Nun, nochmals herzlichen Dank.«

»Keine Ursache. Dann sehen wir uns also am dreizehnten März um – zehn Uhr?«

»Zehn Uhr, Volltreffer! Bis dann, und nochmals vielen Dank, dass Sie bereit sind, unsere Kinderandacht zu übernehmen. Auf Wiedersehen.«

Hatte schon aufgelegt, als Spools letzte Worte bei mir einrasteten.

Eine Kinderandacht?

Ach was, wenn ich durch die ganze Welt reisen und Vorträge halten kann, dann werde ich doch mit ein paar Kindern keine Schwierigkeiten haben, oder?

Mittwoch, 9. Februar

(VOR DEM ABENDESSEN)

Verbrachte heute auf der Arbeit viel Zeit damit, über meinen Dienst im Allgemeinen und unsere Auslandsreise im Besonderen nachzudenken. Würde gern den Leuten mit der Gabe der Heilung dienen. Es muss wunderbar sein, einen echten Heilungsdienst zu tun. Natürlich will ich mich nicht beklagen über das, was ich tue. Nur – nun ja, es muss einfach wunderbar sein.

Verstrickte mich völlig in eine meiner besonders angenehmen Lieblingsfantasien. Es ist ein wunderbarer Tagtraum.

In einen eleganten Anzug gekleidet, gehe ich langsam durch den Mittelgang eines riesigen, brechend vollen Saales, während hinter mir auf der Bühne eine Band leise spielt. Sehnsüchtige, flehende Augen versuchen meinen Blick aufzufangen, während ich vorbeigehe. Arme strecken sich mir beschwörend entgegen, in der verzweifelten Hoffnung, dass vielleicht schon die Berührung meines Jacketts an den Fingern des Leidenden Heilung bringen könnte. Schließlich stehe ich vor einem kleinen Mädchen im Rollstuhl. Sie zwingt ein Lächeln auf ihr gebrochenes, hübsches kleines Gesicht, als sie die Aura geistlicher Vollmacht spürt, die mich umgibt. Meine Augen füllen sich mit Tränen des Mitgefühls, als ich meine Hand auf die dünne, verkümmerte Schulter dieses kleinen Opfers des Sündenfalls legte. »Was möchtest du von mir?«, frage ich mit tiefer, kosmisch widerhallender Stimme (etwa wie die in der Bierreklame). »Ich möchte laufen können«, flüstert sie.

»Und das sollst du auch«, antworte ich. »Und das sollst du auch. Im Namen Jesu – sei geheilt!« Langsam, dramatisch stemmt sie sich empor auf die Beine; in ihren schmerzerfüllten Augen leuchtet eine neue, strahlende Hoffnung auf, und dann plötzlich rennt sie los, rennt und rennt den ganzen Mittelgang entlang und hinauf auf die Bühne. Auf die ersten erstaunten Ausrufe folgt lauter, anhaltender Applaus, als ich ihr ins Scheinwerferlicht folge, nur um mich mit einem Gesichtsausdruck, in dem sich Erschöpfung, Freude und Schmerz mischen, bescheiden abzuwenden, der Dunkelheit der Seitenkulissen entgegen. Denn niemand errät die ungeheure persönliche Anstrengung –

»Hast du mal ein Taschentuch?«

Manchmal hasse ich das wirkliche Leben. Stellen Sie sich vor, aus einem riesigen Saal voller anhimmelnder, mit tragischen Nöten beladener Menschen und einem kranken Kind in einem Rollstuhl zurückkehren zu müssen – zu Everett Glander mit seiner Erkältung. Besonders, zumal ich nur noch ein Taschentuch hatte und mir damit gerade die Tränen abtrocknen wollte, nachdem mich der Gedanke an meinen großartigen Heilungsdienst zutiefst bewegt hatte. War wirklich ärgerlich, mein letztes Papiertaschentuch an jemanden abgeben zu müssen, der sich so hartnäckig weigert, sich zu bekehren. Glander ist zwar zu ein paar Gemeindeveranstaltungen mitgekommen, seit er vor ein paar Jahren auf unserer Party Frank Braddock kennen gelernt hat, aber bei ihm scheint nichts so recht zu wirken. Wenn ich nicht wüsste, dass Gott vollkommen ist, würde ich sagen, dass er bei Glander ein paar vorzügliche Gelegenheiten verpasst hat. Frage mich, ob er wohl anders wäre, wenn er erlöst wäre. Hoffentlich. Im Moment beweist er großes Talent darin, genau das zu sagen, was man im Moment partout nicht hören will. Das tat er auch heute, nachdem ich ihm mein letztes Taschentuch gegeben hatte.

»Warum bittest du nicht Gott, meine Erkältung wegzunehmen – oder steht mir das aus irgendeinem Grund nicht zu? Oder hat etwa er auch noch kein Mittel gegen die gewöhnliche Erkältung gefunden? Oder ist es – «

»Everett, wenn Gott deine Erkältung heilen wollte, könnte er es einfach so tun.«

Schnippte mit den Fingern und wandte mich mit einer Geste, die »Ende des Gesprächs« signalisierte, wieder meiner Arbeit zu.

»Nun, warum sollte Gott denn meine Erkältung nicht heilen wollen, alter Junge?«

Sah ihn an. Weil, dachte ich im Stillen, er dich wahrscheinlich ebenso unangenehm und widerlich findet wie ich und ein Wunder dich endlich dazu veranlassen könnte, jeden Sonntag in die Gemeinde zu kommen, und dann müsste ich dich sechs Tage in der Woche ertragen anstatt nur fünf. Falls es uns nicht gelingt, natürlich, eine kleine Denomination extra für Leute wie dich zu gründen, genannt die Siebenten-Tags-Everett-Glanderiten, bei denen die Gemeindeglieder während des Gottesdienstes ihre Klagen erheben anstatt ihre Arme.

Laut sagte ich: »Weil sein Wille souverän ist und er allwissend ist. Wahrscheinlich ist es für dich besser, eine Erkältung zu haben, als keine Erkältung zu haben, auch wenn es für uns schwer zu verstehen ist.«

Glander sagte: »Warum ist deine Stimme auf einmal so hoch, Adrian? Stimmt etwas nicht mit deinem Hals?«

Murmelte tonlos: »Gleich wird etwas mit deinem nicht stimmen, wenn ich ihn zu fassen kriege.«

»Also, was du meinst«, nervte Glander mich weiter, »ist das gute alte ›Leben-im-Mysterium‹-Syndrom, richtig?«

»Nun, ganz so würde ich es nicht ausdrücken, aber …«

»Also schön, mein Alter, dann nenne mir doch mal ein Beispiel für einen möglichen Grund, warum es für mich besser sein könnte, weiterhin eine Erkältung zu haben, als geheilt zu werden. Einer reicht schon.«

Er lehnte sich zurück, kaute auf seinem Bleistift und grinste, dass es mich zum Schäumen brachte. Zermarterte mir das Gehirn nach irgendeiner überzeugenden Antwort. Versuchte so auszusehen, als ob ich in aller Ruhe eine von vielen möglichen Antworten auswählte, die mir vor Augen standen.

Ich sagte: »Nun, äh, zum Beispiel könntest du vielleicht heute abend auf dem Heimweg die Straße entlanggehen …«

»Ich steige immer direkt vor der Tür in den Bus, alter Junge.«

»Na gut, dann steigst du eben heute Abend in den Bus und setzt dich zufällig neben einen internationalen Experten in der medizinischen Forschung, der …«

»Davon dürfte es auf dem Oberdeck der Linie 39 Richtung Grey Prospect Road nicht allzu viele geben, meiner bescheidenen Ansicht nach.«

Knirschte mit den Zähnen. »Nun, dieser hier ist ein mittelloser, aber sehr intelligenter Forscher, der kurz davor steht, ein – du weißt schon, was du vorhin sagtest – ein Mittel gegen die gewöhnliche Erkältung zu finden, und er sieht dich an, wie du neben ihm vor dich hin schniefst, und plötzlich kommt ihm die Erleuchtung. Plötzlich ist das Puzzle vollständig, und er kommt nach Hause und schreibt alles auf, und binnen Kurzem werden Millionen Menschen von ihrer Erkältung geheilt, und alles nur, weil Gott dich nicht in dem Moment geheilt hat, als du dachtest, es wäre jetzt an der Zeit.«

War recht zufrieden mit mir.

»Schon, aber wenn er wollte«, beharrte Glander, wobei er mich an einen jener Presslufthämmer erinnerte, die mit ihrem wahnwitzigen Knattern ausgerechnet den Schluss einer Fernsehsendung übertönen, die man unbedingt hören will, »könnte er diese Millionen Menschen auch so heilen. Oder habe ich alles falsch verstanden?«

 

»Nein – ich meine, ja, könnte er.«

»Und warum tut er es nicht?«

»Nun, weil, äh … Er heilt sie nicht, weil …« Schrie im Stillen zu Gott:

JA, WARUM HEILST DU SIE DENN NICHT, LIEBE GÜTE? WENN GLANDER ES AUF DIE REIHE KRIEGT, WARUM DANN NICHT DU?

Glander sagte: »Pass auf, nur für den Fall, dass sich herausstellt, dass heute Abend kein Experte in der medizinischen Forschung im Bus neben mir sitzen und meine Inspiration brauchen sollte, wie wäre es, wenn du jetzt dafür beten würdest, dass meine Erkältung verschwindet?«

»Jetzt?«

»Jetzt.«

Irgendwie brachte ich ein elendiglich genuscheltes Gebet zustande, aber ich hatte nicht den leisesten Glauben, dass es erhört werden würde. Außerdem hatte ich, wenn ich ehrlich bin, nicht das leiseste Interesse daran, dass es Everetts nasalen Atemwegen besser ging. Ein Teil von mir hoffte sogar, dass sich bei ihm irgendwelche Komplikationen einstellten und er sterben würde. Bei mir scheint das Christentum überhaupt nicht zu funktionieren, wenn ich in seiner Nähe bin. Den Rest des Vormittags über schniefte er laut und demonstrativ vor sich hin, und in der Mittagspause ging er hinüber zur Drogerie und kam mit einer Packung Taschentücher zurück. Erstattete mir mein eines Taschentuch demonstrativ zurück.

Vielen Dank, Gott – für nichts!

Er hätte mich ja auch mal unterstützen können, oder? Hege die leise Hoffnung, dass es ausgeht wie in einem dieser christlichen Taschenbücher, indem Everett mich später anruft, um mir zu sagen, dass er geheilt ist, und wir uns schluchzend in die Arme fallen …

SPÄTER

20 UHR (NACH DEM ABENDESSEN)

Gerade rief Anne nach mir und sagte, Everett sei am Telefon. Raste ziemlich aufgeregt hinaus in die Diele.

»Ich rufe nur an, um dir zu sagen«, sagte Everett, »dass ein gewaltiges Wunder geschehen ist.«

»Du meinst, deine Erkältung …?«

»Richtig. Meine Erkältung hat sich nicht im Geringsten gebessert. Also wird es vermutlich nicht lange dauern, bis die Zeitungen voll von diesem wunderbaren neuen Heilmittel sind, von dem du gesprochen hast.«

»Everett, du weißt doch, dass das nur ein Bei…«

»Allerdings muss ich sagen, Adrian, dass sich in der medizinischen Forschung heutzutage wirklich seltsame Typen als Experten tummeln. Die neben mir heute Abend im Bus war eine Karikatur einer unglaublich dicken Frau mit Charlie-Chaplin-Schnurrbart, die zufällig nur ein paar Häuser weit entfernt von mir wohnt, und ich muss ehrlicherweise sagen, dass sie für jemanden, der gerade dabei ist, das medizinische Problem des Jahrhunderts zu knacken, nicht sehr begeistert von meiner Erkältung zu sein schien, alter Junge. Sogar ganz im Gegenteil. Aber wie auch immer. Bis morgen – das heißt, falls ich mich nicht krankmelde.«

Ging völlig deprimiert zu Bett.

Donnerstag, 10. Februar

Erzählte heute Morgen beim Frühstück Anne und Gerald von Glander. Ich sagte: »Warum konnte Gott ihm nicht einfach das Maul stopfen und seine dämliche Erkältung heilen? Jetzt muss ich mir den ganzen Tag seine blöden Sprüche anhören.« Anne erwiderte: »Es ist wirklich schade, dass du so viel Mitgefühl an ihn verschwendest, Schatz. Man sollte erwarten, dass all die Wärme und Liebe und echte Anteilnahme und das Wohlwollen, die du ihm entgegenbringst, ihm gar keine andere Wahl lassen würden, als geheilt zu sein. In Zukunft solltest du dir nicht die Mühe machen, all diese positive Energie an Leute zu verschwenden, die du jeden Tag siehst. Spar sie dir lieber für die Leute auf deinen Versammlungen auf. Meinst du nicht auch, Gerald?«

Konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass Anne ziemlich übertrieb.

Gerald reichte mir einen Briefumschlag, auf dessen Rückseite etwas geschrieben stand. Er sagte: »Du hast völlig recht, Mama, und ich habe hier ein kleines Gedicht für Mr. E. Bass geschrieben, den beliebten Laienprediger und Verfasser des

›Frohen Choristen‹. Er kann es bei seiner nächsten Versammlung vorlesen.«

Las das Gedicht laut vor.

»Hilf mir, denn dies ist mein Entschluss, o Herr,

dass ich zu denen, die sich täglich mit mir quälen,

dereinstmals durch ein Wunder deiner Gnade

genauso freundlich bin wie vor den vollen Sälen.«

Jaja, schon gut, schon gut …

Fuhr zur Arbeit mit dem Wissen, dass ich Glander, falls ich seinen Sarkasmus noch einen weiteren Tag lang ertragen musste, wie falsch meine Einstellung auch gewesen sein mochte, wirklich etwas verpassen würde, wovon er sich heilen lassen könnte. Glücklicherweise hatte er sich heute krankgemeldet, sodass es nicht dazu kam.

Preis dem Herrn!

Musste trotzdem den ganzen Tag über Heilung nachdenken. Als ich nach Hause kam, bat ich Gerald, mir ernsthaft zu sagen, wie er über die ganze Sache dachte.

»Papa«, sagte er, »ich habe eine Weile darüber nachgedacht, und mir scheint, dass viele Leute, wenn es um Dinge wie Heilung geht, die Bibel gerne umschreiben, damit sie in ihr Konzept passt. Besonders die Dinge, die Jesus gesagt und getan hat. Mir ist schleierhaft, wie manche Leute das, was sie tun, mit dem vereinbaren können, was sie in den Evangelien lesen. Es gibt so eine Art religiöser Sturheit, die nicht zulassen will, dass die Direktheit im Handeln Jesu zu einem Faktor in der Gleichung des täglichen Lebens wird. Ich denke, dahinter steckt wohl die Angst vor dem kosmischen Schock, den man erleidet, wenn man die Augen aufmacht und sich voll der Tatsache stellt, dass Gott wirklich Mensch geworden ist.«

Völlig verdattert von dieser Rede. Erstaunlich! Ist das wirklich derselbe Gerald, der sich vor nicht allzu langer Zeit in der Diele von hinten an mich heranschlich, mir ein rohes Ei in die Anorakkapuze legte, als ich gerade bei Regen hinausgehen wollte, und sich dann kaputtlachte, als ich zurückkam und sagte, irgendein Riesenvogel müsse das Ei aus großer Höhe auf meinen Kopf fallengelassen haben, als ich gerade die Kapuze aufsetzte? Ich hoffe, er wird nicht zu ernsthaft.

Später gab mir Gerald noch einen dieser Texte, die er am Computer zusammenbastelt. Er sagte: »Sieh dir mal diesen Abschnitt aus dem Pseudo-Lukas an, Paps. So etwas habe ich gemeint, als ich sagte, dass manche Leute die Bibel umschreiben. So muss es gewesen sein, wenn manche Christen, die ich kenne, recht haben sollten.«

Folgendes hatte Gerald geschrieben:

»Ein Mann mit Aussatz kommt zu ihm und spricht: ›Herr, wenn du willst, kannst du mich rein machen.‹ Und Jesus streckt seine Hand aus und berührt den Mann. ›Ich will‹, spricht er. ›Sei rein!‹

Und siehe, Jesus schlendert voll Freude von dannen, doch der Aussätzige ruft ihm mit lauter Stimme nach und spricht:

›Äh, Entschuldigung, vielleicht ist es dir entgangen, aber ich bin immer noch aussätzig. Ein kleines Detail, aber für mich nicht ganz unwesentlich.‹

Und Jesus zischt voll Verärgerung durch die Zähne und erwidert: ›Weißt du nicht, dass ich ganzheitliche Heilung bevorzuge? Wahrlich, wahrlich, du musst ganz schön naiv sein, wenn du wähnst, die Heilung betreffe allein den Leib. Wandelst du etwa nicht auf dem neuesten Stand der einschlägigen Literatur?‹

Der Mann spricht: ›Ich weiß nur, dass ich vor fünf Minuten noch aussätzig war, und siehe, ich bin immer noch aussätzig.‹

›Nun‹, entgegnet Jesus, ›trotz deiner Klagen bist du in einem sehr realen Sinne nicht mehr aussätzig.‹

›Na fantastisch‹, beharrt der Mann, und Sarkasmus bemächtigt sich seiner, ›aber ich bin immer noch aussätzig in dem trivialen, doch ebenso realen Sinne, dass Teile von mir herabgefallen sind und du offenbar nicht in der Lage bist, sie zu ersetzen.‹

Da schnaubt Jesus und spricht: ›Einer muss sich doch immer beschweren! Also schön, mein Junge, es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, von denen, wie ich hinzufügen möchte, keine ein Versagen aufseiten meiner Person oder irgendeines anderen Mitgliedes des Managements darstellt. Mögest du sie an deinen Fingern abzählen.‹

›Dann sollten es aber nicht mehr als drei sein‹, spricht der Aussätzige.

Jesus ignoriert ihn. ›Erstens, dir mangelt es an Glauben – ziemlich wahrscheinlich. Zweitens, du hast es versäumt, deine Heilung in Anspruch zu nehmen – den Fehler machen viele. Drittens, du bist eigens dazu auserwählt worden, dass andere durch dein Leiden gesegnet werden – herzlichen Glückwunsch. Viertens, deine Heilung wird in Gestalt des Todes kommen. Und tschüss! Fünftens, du bist berufen, aber nicht auserwählt – Pech. Wie auch immer, ich muss von hinnen. Ich habe eine große Speisung vorzunehmen, und der Umfang des Budgets stellt mich vor eine große Herausforderung.‹

Er geht, und der Aussätzige rafft sich auf und spricht abermals und abermals zu sich selbst: ›Ich bin nicht aussätzig! Ich bin nicht aussätzig! Ich bin nicht aussätzig …‹ Und siehe, von diesem Tag an war er im ganzen Land als der verrückte Aussätzige bekannt.«

Muss mir wohl doch keine Sorgen machen, dass Gerald übermäßig ernst wird!

Anne sagte heute Abend: »Ich weiß gar nicht, warum du auf einmal diese fixe Idee mit der Heilung körperlicher Krankheiten hast. Sicher, diese Reginald-und-Dingsbums-Veranstaltung war eine Katastrophe, aber du weißt doch von deinen anderen Veranstaltungen und Büchern her, dass Gott dich auserwählt hat, ihm zu helfen, die Gefühle und inneren Spannungen und Sorgen der Leute zu heilen, indem du sie dazu bringst, zu lachen, ein bißchen zu weinen und sich zu entspannen. Eine Menge Leute würden ihre Großmutter dafür verkaufen, dazu fähig zu sein.«

Sagte heute Abend zu Gott: »Anne hat wohl recht, wie immer. Ich sollte dankbar sein, ich weiß. Es ist nur, dass – nun, man kann nun einmal keine geheilten Gefühle aus Rollstühlen aufspringen sehen. Ich will mich nicht beklagen …«

»Tust du aber«, sagte Gott.

Freitag, 11. Februar

Ziemlich beunruhigt über diese Kinderandacht, zu der ich mich törichterweise bereit erklärt habe. Etwas sagt mir, dass ich Spool sofort hätte zurückrufen und ihm sagen sollen, dass nur eine Einheit wildgewordener Söldner mit Maschinenpistolen mich dazu bringen könnte, zu einer jener das Ego niederknüppelnden Gruppen kleiner Kinder zu sprechen, von denen hin und wieder Redner in Fetzen gerissen werden, die keine Ahnung haben, was sie tun.

Fragte Anne, ob sie meint, dass ich klarkommen werde.

Sie sagte: »Nein, aber du hast es versprochen. Warum hast du gesagt, dass du es machen willst?«

Ich werde Vladimir anrufen und ihm sagen, dass ich das nicht machen kann. Wahrscheinlich rufe ich ihn gleich morgen an.

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