Tagebuch eines frommen Chaoten

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Freitag, 27. Dezember

Die beiden sind weg! Endlich wieder Friede.

Ging am Abend zur Unity Hall, um Bad News for the Devil bei der Probenarbeit zu belauschen. Als ich ankam, verharrte ich einen Augenblick vor der Tür und vernahm ein Geräusch, das sich anhörte, als ob ein Klavier durch einen Fahrstuhlschacht fallt, während jemand unter dem Klavierdeckel eingeklemmt ist.

Erfuhr später, dass es sich um eine Nummer handelte, die den Titel trägt »Friede ist nah«.

Dachte bei mir, ein besserer Name für die Gruppe wäre »Ziemlich ermutigende Nachricht für den Teufel«.

Behielt das aber für mich.

Sie sind ja alle so unheimlich motiviert.

Gerald spielt Lead-Gitarre, Vernon Rawlings Bass und Elsie Burlesford Flöte. William Farmer ist zuständig für Schlagzeug (sehr laut) und Sologesang (absolut unverständlich).

Im Gespräch erfuhr ich, dass keiner von ihnen im Traum an Ruhm oder Reichtum interessiert ist. Sie wollen mit ihrer Musik ausschließlich dem Herrn dienen.

Habe Gerald noch nie so bei der Sache erlebt.

Edwin hat sie eingeladen, in drei Wochen im Gottesdienst zu spielen, falls sie bis dann »soweit sind«.

Hmmmm …

Samstag, 28. Dezember

Zahnschmerzen zwar erträglich, aber pausenlos. Anne braucht es nicht zu wissen.

Sonntag, 29. Dezember

Aufgestanden.

Zahnschmerzen.

Wieder ins Bett.

Montag, 30. Dezember

Über meinem Haupte verlöschen alle Lichter.

Dienstag, 31. Dezember

Wachte um fünf wegen diesen vermaledeiten Zahnschmerzen auf. Trübsal! Intensives Gebet auf dem Klo. Vielleicht gehen sie ja einfach weg. Werde immer reizbarer. Muss aufpassen, dass Anne nichts merkt.

Um 21 Uhr zur Silvesterparty der Kirche bei den Cooks. Zuvor hatte ich gesagt: »Wir bringen Tsatsiki mit, oder?«

Anne hatte gemeint: »Kuchen wäre wahrscheinlich besser.«

Erinnerte Anne sanft, aber bestimmt daran, dass uns die Schrift lehrt, dass der Mann das Haupt des Weibes ist. Wir nahmen Tsatsiki mit.

Alle brachten Tsatsiki mit! Kein Brot, kein Kuchen, kein Pudding, nichts als Tonnen von – Tsatsiki.

Anne sagte: »Was nun, mein Herr und Gebieter?«

Gerald meinte, das Gebet des Herrn sollte künftig geändert werden in »Unser tägliches Tsatsiki gib uns heute. Denn das ist das Einzige, was Christen essen.«

Richard Cook stand in der Nähe und hatte alles mitgehört. Er sagte, das sei eine Verhöhnung des Wortes und ob Gerald wirklich ein reines Gewissen habe?

Gerald erwiderte blödsinnigerweise: »Na klar, wir geben doch immer Lenor in den letzten Spülgang!«

Richard floh in Richtung Himbeerbrause. Ich wünsche mir manchmal, Gerald würde nicht dauernd so was machen.

Gingen nach ein oder zwei Stunden voller lauter und peinlicher Spiele, die George Farmer organisiert hatte.

Beim Verlassen des Gartens stießen wir auf Leonard Thynn, der gerade eine theologische Debatte mit einem großen Gartenzwerg hatte und dabei fortwährend an einer eindeutig geformten und riechenden Flasche nuckelte. Brachten ihn heim. Gerald bestand darauf, ihn ins Haus und ins Bett zu schaffen. Typisch Gerald. Nicht fromm, aber lieb.

Mittwoch, 1. Januar

1.30 Uhr. Anne schläft längst. Ich nicht. Mein Gebiss steht in Flammen!

Da kann ich auch gleich meine Vorsätze fürs neue Jahr schriftlich niederlegen:

(1) Jeden Morgen werde ich Anne eine Tasse Tee ans Bett bringen. Sie verdient es.

(2) Jeden Morgen werde ich Stille Zeit halten, nachdem ich Tee gemacht habe. Werde Gott mehr von meiner Zeit schenken. Er verdient es.

10 Uhr (bei der Arbeit): Entsetzlich! Bin hundemüde, nachdem ich noch so lange auf war und über meinen Vorsätzen gebrütet habe. Vergaß, den Wecker zu stellen, sodass wir alle verschlafen haben. Anne war auf 100. Gerald grinste auf seine unnachahmliche Weise, die einen auf die Palme treiben kann. Zu spät im Geschäft. Keine Stille Zeit.

Zahnschmerzen entsetzlich, aber ich spüre, dass der Herr zu mir sagt: »Ich will dich heilen. Geh nicht zum Zahnarzt!« Gebet ist dran! (Nehme Schmerztabletten, bis Gebet erhört.)

Donnerstag, 2. Januar

Zahnschmerzen SCHLIMM!!! Frau hässlich. Sohn lächerlich. Gott nicht-existent. Stille Zeit? Tee am Bett? Ha! Warum heilt Gott meinen Zahn nicht, wenn er doch angeblich so wunderbar ist? Hosentaschen voller zerknüllter Aspirin-Schachteln. Fürchte, Anne schöpft Verdacht.

Freitag, 3. Januar

SCHMERZ! SCHMERZ! SCHMERZ!

Richard kam abends vorbei, um sich bei Gerald zu entschuldigen, dass ihm Dienstag der Kragen geplatzt ist. Dann entschuldigte sich Gerald dafür, dass er Richard dazu gereizt hat, sich zu vergessen; dann entschuldigte sich Richard dafür, dass er nicht schon früher gekommen ist; dann sagte Gerald … usw. usw. So was Absurdes! Die haben keine Zahnschmerzen!

Später sagte Gerald, eine Entschuldigung von Richard gleicht noch am ehesten dem juristischen Tatbestand grob fahrlässiger Körperverletzung. Fühlte plötzlich einen stechenden Schmerz in der Backe und nannte Gerald einen »arroganten Heiden«.

Anne sah mich zuerst pickelhart und durchdringend an, dann nickte sie bedächtig. »Ich wusste es«, sagte sie, »du hast Zahnschmerzen.«

Sie besorgt mir für morgen einen Nottermin.

MORGEN, Herr! Bitte heile mich vor morgen! Sie arbeiten doch samstags sowieso nicht, oder? Doch?

Samstag, 4. Januar

War beim Zahnarzt!!! Er hat meinen Zahn repariert!! Wie wundervoll, liebenswert und schön ist die Welt!

Schwebte nach Hause zu meinem betörenden Eheweib, meinem charmanten Sohn. Plauderte dabei mit meinem Gott und Herrn, der mich so lieb hat.

Warum in aller Welt machen die Leute so ein Theater, wenn sie zum Zahnarzt sollen? Alles, was man braucht, ist ein bisschen Courage, das ist alles.

Sonntag, 5. Januar

Brachte Anne ohne Hadern und Murren den Tee ans Bett.

Lange Stille Zeit.

Lud Richard Cook, Leonard Thynn und Edwin Burlesford, unseren Gemeindeältesten, zum Sonntagstee ein. Gerald benahm sich bis kurz vor Schluss mustergültig.

Plötzlich beugte er sich geheimnisschwanger vor und sagte mit todernster Miene: »Richard, darf ich dir mal unter dem Siegel der Verschwiegenheit eine wirklich erstaunliche Tatsache verraten?«

Richard lernt es nie.

»Nur zu«, sagte er – gespannt wie ein Regenschirm.

»Wusstest du«, sagte Gerald feierlich, »dass die Buchstaben von Michael Jackson so umgestellt werden können, dass sie Na ja, Milchsocke! ergeben?«

Anne runzelte die Stirn.

Ich erstickte am Tee.

Edwin prustete.

Leonard gackerte.

Richard fragte: »Wer ist Michael Jackson?«

Montag, 6. Januar

Machte auf dem Heimweg von der Arbeit einen Abstecher in den christlichen Buchladen.

All diese Bücher!

Gerald sagt, erbauliche Taschenbücher sind wie chinesisches Essen. Zunächst sehr sättigend, aber es dauert nicht lang, bis man wieder was braucht.

Erwischte aber diesmal ein wirklich gutes Buch über den Glauben. Es heißt: »Du liebe Güte – was in aller Welt tun wir in Gottes Namen um Himmels willen?«

Finde den Titel sehr originell.

Es geht darum, wie Christen durch den Glauben Berge versetzen können, wenn sie wirklich im Einklang mit Gott sind. Sehr inspirierend.

Wartete, bis keiner in der Nähe war und begann, mit einer Büroklammer zu üben. Legte sie auf den Schreibtisch, blickte sie gebieterisch an und wollte, dass sie sich bewegt. Nichts! Versuchte, es ihr mit lauter Stimme zu befehlen.

In diesem Moment kam Gerald herein und fragte: »Warum schreist du so rum, Papa?«

Konnte ihm schlecht erklären, dass ich einer Büroklammer Kommandos gab!

Sagte, ich übe Stimm-Projektion.

Er fragte: »Was ist denn das?«

Ich sagte: »Weiß ich selber nicht.« Fühlte mich wirklich belämmert.

Anne erzählt, dass bald wieder jemand ins leer stehende Haus nebenan einzieht. Wäre schön, wenn es Christen wären oder wenigstens Leichtbekehrbare.

Dienstag, 7. Januar

Gerald hat es geschafft, einen Samstagsjob bei Woolworth zu kriegen. Sagt, das würde dazu beitragen, das musikalische Equipment für die Band zu finanzieren.

Anne fragte: »Bist du sicher, dass du nach einer langen Woche im College nicht zu erschöpft bist?«

Gerald lachte, als hätte sie etwas besonders Albernes von sich gegeben!

Am Abend ein weiteres Rendezvous mit der Büroklammer. Nahm diesmal wirklich Vollmacht über sie in Anspruch. Rührte sich keinen Millimeter vom Fleck.

Sagte Gott, ich würde alles aufgeben, was er von mir verlangt, wenn er sie dazu bringen würde, sich wenigstens drei Zentimeter zu bewegen.

Nichts!

Alles ziemlich besorgniserregend. Wenn man bloß den Glauben von der Größe eines Senfkorns braucht, um einen ganzen Berg zu versetzen, wie viel Hoffnung gibt’s dann für mich, wo ich nicht mal eine Büroklammer motivieren kann, zu machen, was man ihr sagt!

Mittwoch, 8. Januar

Richard und Edwin haben am Abend auf eine Tasse Kaffee reingeschaut. Wir plauderten ein Weilchen, als plötzlich Gerald mit einer Ladung Leitungen und Steckern und ähnlichem Zeug unterm Arm reinkam.

 

Richard sagte: »Ich höre, du wirst am Sonnabend dem Herrn bei Woolworth dienen, Gerald.«

»Hängt davon ab, ob er reinkommt oder nicht«, sagte Gerald.

Komische Sache – Richard, bei dem die Religion aus allen Knopflöchern trieft, machte eine unheimlich finstere und sauertöpfische Miene, als er das hörte. Edwin dagegen, der Kirchenältester ist und bei uns mehr oder weniger die Gemeinde managt, fiel in seinen Sessel, strampelte mit den Beinen und lachte sich halb tot. Seltsam!

Hoffte, Richard würde vor Edwin aufbrechen, damit ich ein bisschen Seelsorge in Sachen Glaube kriegen könnte, aber die beiden gingen zusammen.

Erzählte Anne später, ich hätte von einem Mann gehört, der versucht hat, durch den Glauben eine Büroklammer zu bewegen, es aber nicht geschafft hat. Sie gähnte und meinte: »Na ja, ein paar abartige Spinner muss es wohl geben.«

Donnerstag, 9. Januar

Am Abend Hauskreis. Wir hörten eine evangelistische Kassette von Billy Graham. Die alte Mrs. Thynn, die fast taub und etwas schwer von Begriff ist, sagte: »Seit Billy Graham im Fernsehen übers Brot des Lebens geredet hat, kauf ich nur noch Graham-Brötchen. Was meint ihr, wie meine Verdauung seitdem funktioniert!«

Danach trotzdem noch gute Gebets- und Anbetungszeit. Vergaß fast eine Stunde lang die Geschichte mit der Büroklammer, weil ich an Jesus dachte und dadurch ganz abgelenkt wurde. Bat Gerald am Ende der Anbetungszeit, die Anzahl der gewünschten Getränke festzustellen.

Er sagte: »Also, ihr goldigen Charismatiker – Hände runter, wer Kaffee will!«

Ich weiß nicht, warum man ihm das alles durchgehen lässt.

Ein ziemlich merkwürdiges Paar war heute zum ersten Mal da, Mr. und Mrs. Flushpool. Sagten den ganzen Abend kein Wort, saßen bloß da und hörten zu. Edwin nahm mich später beiseite und fragte, ob ich die beiden nicht demnächst mal zum Abendessen einladen könnte, weil sie doch gerade erst Gemeindemitglieder geworden sind und noch keinen kennen. Sagte, ich müsste erst mal Anne fragen. Edwin war draußen, bevor ich ansetzen konnte, ihm mein Glaubensproblem anzuvertrauen.

Freitag, 10. Januar

War wieder in der Unity Hall, um zu sehen, wie sich die Band macht. Dieser technische Aufwand! Klang aber schon viel besser. Denke, sie haben jetzt das Stadium erreicht, wo sie sich mit Fug und Recht »Keine besonders gute Nachricht für den Teufel« nennen könnten.

Sie sagten, Sachen wie Plattenverträge würden sie überhaupt nicht reizen, außer natürlich, sie würden in diese Richtung geführt werden. Dieser William Farmer kommt mir allerdings noch immer ein bisschen überspannt vor. Wenn der in dem einen oder anderen christlichen Zirkel auftreten würde, die ich kenne, würde bestimmt irgendwann einer aufstehen und einen Exorzismus vorschlagen.

Anne sagt, die Flushpools könnten nächste Woche Donnerstag kommen. Wirkte dabei nicht übermäßig begeistert. Ungewöhnlich für Anne. Normalerweise ist sie sehr gastfreundlich.

Samstag, 11. Januar

Stand heute zeitiger auf, um dieser verflixten Büroklammer eine letzte Chance zu geben. Endete damit, dass ich sie grimmig, wenn auch phon-schwach (weil ich keinen wecken wollte), anzischte. Als ich aufgab und die Tür aufmachte, stieß ich auf Anne und Gerald im Nachthemd, die gelauscht hatten und ziemlich besorgt aus der Wäsche guckten.

Anne sagte: »Schatz, warum sagst du zu der Büroklammer, du würdest ihr schon zeigen, wo’s langgeht, wenn sie nicht endlich ihren dämlichen Akt bringt?«

Erklärte mit dem Rest von Würde, den ich aufbringen konnte, dass ich ein Glaubensexperiment durchgeführt habe und ein bisschen aus der Haut gefahren bin, weil es nicht geklappt hat.

Anne sagte: »Aber Liebling, Christsein heißt doch nicht, einem magischen Zirkel anzugehören. Warum sollte Gott wollen, dass du durch den Glauben eine Büroklammer versetzt?«

Gerald rieb sich die Augen und sagte: »Papa, ich finde, du bist unbezahlbar. Ich würde dich nicht für viel Geld hergeben.«

Gefiel mir, dass er das sagte. Anne kochte mir ein warmes Frühstück. Fühlte mich wirklich ziemlich glücklich.

Am Abend schlechte Karten bei Anne. Trank Tee mit Gerald, nachdem er seinen ersten Arbeitstag hinter sich hatte. Fragte ihn, ob es dort ein paar nette Mädchen gibt. Entwickelte sich zu einer Diskussion über das Aussehen von Frauen.

Schließlich sagte Gerald: »Wenn’s hart auf hart geht, kann ich mir keine Frau vorstellen, die’s mit Mama aufnehmen kann.«

Völlig in die Konversation vertieft sagte ich: »Oh, ich schon!«

Anne packte noch zwei Bratwürste auf Geralds Teller und nahm mir meine weg, bevor ich fertig war.

Gerald kann doch nicht geplant haben, dass das passiert … oder?

Sonntag, 12. Januar

Heute Morgen eine Sechs-Gummibärchen-Predigt zum Thema »Zeugnisgeben« von Edwin. Sehr gut. So, dass du gleich rausrennen wolltest und jemanden bekehren. Driftete in einen wohligen Tagtraum ab, in dem ich begann, auf den Straßen zu predigen. Am Schluss hatte sich eine riesige Menschenmenge um mich geschart, die alle unter Tränen Buße taten und von ihren Krankheiten geheilt wurden – nur durch die Berührung meiner Hand. War während des folgenden Liedes den Tränen nah, als ich mir vorstellte, wie ich zu den unüberschaubaren bedürftigen Massen der Welt redete.

Fuhr erschreckt hoch und kam zu mir, als ich merkte, dass Edwin Freiwillige suchte, die nächsten Freitag echte Straßenevangelisation machen wollten.

Rutschte so tief in den Sitz wie möglich und versuchte, wie jemand auszusehen, dessen brennender Missionseifer von unverrückbaren Sachzwängen gebremst wird.

Leonard Thynn, der neben mir saß, rammte mir den Ellbogen in die Rippen und tuschelte: »Komm! Du bist da bestimmt gut drin! Ich mach mit, wenn du mitmachst!«

Ehrlich! So was ist mir noch nie passiert. Thynn führte sich auf, als wären wir zwei Pfadfinderinnen, die sich darum reißen, im selben Zelt zu schlafen.

Hob also die Hand, Leonard ebenso. Bei einer besonderen Zusammenkunft im Anschluss sagte Edwin, wir würden zwei und zwei losmarschieren. Leonard und ich sollen mit den Leuten reden, die im Hamburger-Schnellimbiss in der High Street ein- und ausgehen.

Fühle mich bei der Aussicht ein bisschen deprimiert. Nur mal angenommen, ich treffe jemanden, den ich kenne! Habe Leonard sehr gern, aber er ist nicht der zuverlässigste Mensch auf der Welt.

Fragte heute Abend Anne und Gerald, was sie von dem Ganzen halten. Gerald sagte, seiner Meinung nach würden Leute, die Fischburger bevorzugen, offener sein als Hamburger-Fans. Versuchte, mich zu zwingen, nicht zu fragen warum, platzte aber nach zwei Minuten.

Ich fragte: »Und weshalb sind Fischburger-Esser angeblich offener?«

»Weil«, sagte Gerald, »sie dem Fleisch bereits abgeschworen haben.«

Er muss nachts wachliegen, um sich diesen Mist auszudenken.

Montag, 13. Januar

Lag selbst letzte Nacht eine Weile wach und machte mir Sorgen wegen Freitag. Ich werde nicht wissen, was ich sagen soll! Wünschte mir, ich würde einem abseitigen Kult angehören, der Frösche anbetet.

Fand eine Notiz von Gerald auf dem Tisch, ich sollte – wenn ich am Ende der Woche hinausgehe, um die Welt zu ändern – der gewichtigen Tatsache eingedenk sein, dass Mister Billy Graham ein Anagramm von Hybrisgellt am Rima ist.

Richard rief mittags an, um zu fragen, ob er morgen Abend mit seinem Sohn Charles vorbeikommen könnte, um über ein »kleines Problem« zu reden.

Alles ziemlich rätselhaft. Ich dachte, Charles ist erst unlängst zum zweiten Trimester in die Bibelschule abgereist. Im letzten Trimester hatte er wöchentlich einen Brief an die Gemeinde geschrieben, aus dem Edwin gelegentlich Auszüge vorgelesen hat. Gerald, der Einblick in die ungekürzten Originaltexte hatte, sagte, im Vergleich zu Charles’ Episteln wirken die Paulusbriefe wie knapp hingeschluderte Gelegenheitsschriften.

Möchte wissen, was schiefgegangen ist.

Und wer oder was ist Rima?

Dienstag, 14. Januar

Ging heute wieder in den christlichen Buchladen, um zu sehen, ob sie was Gutes zum Thema Straßenevangelisation haben. Schließlich fragte ich den Mann hinter der Theke. Es muss irgendwo eine Spezialschule geben, wo man Jugendherbergseltern, Fundbürobeamte und Leute ausbildet, die in christlichen Buchläden arbeiten.

Ich sagte: »Haben Sie bitte was über Straßenevangelisation?«

»Straßenevangelisation?«, fragte der Buchhändler derart angeekelt und ungläubig, dass ich unfreiwillig einen Schritt zurücktrat und dabei eine lebensgroße Pappfigur von Cliff Richard umriss.

Geriet etwas in Panik und sagte: »Keine Sorge, nur ein Sekündchen und schon habe ich ihn auferweckt.« Hob Cliff auf und wandte mich wieder an den Verkäufer, der asthmatisch schnaubte.

»Ja«, sagte ich tapfer, »Straßenevangelisation bitte!«

Verließ den Laden mit einem Buch, das wirklich großartig zu sein scheint. Der Buchhändler hat es schließlich leise schimpfend irgendwo in der Abteilung für christliche Gartenpflege aufgestöbert, wo es ein verschreckter Kunde in panikartiger Flucht fallen gelassen haben muss.

Es heißt »Prozeduren, Prinzipien, Praktiken und probate Problemlösungen für professionelle Promenaden-Prediger« und stammt von einem Mann namens A. P. Lunchington, der angeblich in seinen Breitengraden unter dem zärtlichen Kosenamen »die Straßenlaterne« bekannt ist, was auf seine unermüdlichen Bemühungen zurückgeht, den finsteren Gassen seiner Heimatstadt geistlich heimzuleuchten. Ich werde es lesen, wenn Richard weg ist.

Richard kam um halb acht mit Charles an. Der arme Junge sah meinem Empfinden nach völlig verstört aus. Ich sagte: »Ich dachte, das Trimester hat diese Woche angefangen, Charles. Ist es dir nicht gut ergangen?«

Charles sagte: »Der Herr hat mir kundgetan, ich solle nicht ins Kolleg zurückkehren. Er möchte, dass ich ihm anderswo diene.«

Anne sagte: »Und wohin meinst du, will er, sollst du gehen?«

Charles sagte, er dächte, er sollte so bald wie möglich die Koffer packen und in den Nahen Osten abreisen, weil Gott ihm klargemacht hätte, dass er ihn genau dort haben wollte.

Anne fragte sanft: »Wie hat er dir das klargemacht, Charles?«

Charles beugte sich vor und erklärte mit Feuereifer: »Es ist kaum zu glauben! Aber fast jedes Mal, wenn ich die Bibel aufschlage, steht da was über Israel oder die Juden!«

Prustete beinahe los, aber Anne blickte mich scharf an. Richard sah unglücklich aus.

Anne fragte: »Charles, mein Lieber, was stimmt nicht in der Schule?«

Hatte jenes Gefühl, das mich manchmal bei Anne beschleicht, dass ich eine ganze Passage der Konversation verpasst habe. Er hatte keinerlei Probleme am Kolleg erwähnt!

Nach ein paar Tränen von Charles und ein bisschen gut Zureden stellte sich heraus, dass sich der arme Kerl im letzten Trimester einsam, unnütz und sündig gefühlt hatte und einfach die Aussicht nicht aushielt, weitere drei Monate Misere vor sich zu haben.

Nach ein wenig Gebet, viel Kuchen und guten Ratschlägen von Anne, sagte Charles, dass er jetzt denkt, er geht doch zurück.

Richard sehr zufrieden. Lächelte sogar! Wie konnte Anne das wissen? Warum hat er nicht mit seiner Mutter geredet? Ich scheine manchmal gar nichts zu kapieren.

Zu spät, um abends noch mit dem neuen Buch anzufangen. Lag wieder wach und zermarterte mir wegen Freitag das Hirn. Was soll ich bloß sagen, Gott? Ich weiß absolut nichts. Was soll ich bloß sagen? Was soll ich bloß sagen?