Antikorruptions-Compliance

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c) Zuwendungen zur privaten oder freien Verfügung (§ 44a Abs. 2 S. 1 bis 3 AbgG)

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Das in § 44a Abs. 2 S. 3 AbgG statuierte Verbot der Annahme von Leistungen, die „ohne angemessene Gegenleistung des Abgeordneten gewährt werden, richtet sich in erster Linie gegen unangemessen hohe Vergütungen für Nebentätigkeiten, erfasst aber grundsätzlich auch sonstige gegenleistungsfreie Leistungen, z.B. Geschenke.[63] Für die Frage, ob die Gegenleistung des Abgeordneten unangemessen niedrig ist, soll die Verkehrsüblichkeit maßgebend sein, hilfsweise, ob Leistung und Gegenleistung „offensichtlich außer Verhältnis“[64] stehen. Der Nachweis, dass die ohne (angemessene) Gegenleistung gewährte Leistung den Abgeordneten bei der Mandatsausübung beeinflussen soll, ist nicht erforderlich. Die Beeinflussungsabsicht wird bei einer Leistung ohne angemessene Gegenleistung vielmehr vermutet; sie steht gewissermaßen unausgesprochen im Raum. Allerdings kann diese Vermutung, widerlegt werden, wenn sich für die fehlende (angemessene) Gegenleistung des Abgeordneten eine überzeugende, außerhalb des Mandats liegende Erklärung findet, wie z.B. bei der Auszahlung einer Betriebsrente oder der Gehaltsfortzahlung bei Krankheit oder Mutterschutz. Sinn und Zweck der Regelung gebieten dann eine einschränkende Auslegung des Annahmeverbots. So können Abgeordnete selbstverständlich Geschenke von Verwandten und Freunden annehmen oder an jedermann offenstehenden Rabattaktionen teilnehmen. Beispiele für gegen § 44a Abs. 2 S. 3 AbgG verstoßende Einkünfte sind hoch dotierte „Beraterverträge“, bei denen keine oder so gut wie keine Beratungsleistung vom Abgeordneten erwartet wird, oder die Weiterbeschäftigung von neugewählten Abgeordneten durch ihren bisherigen Arbeitgeber zu vollen Bezügen bei gleichzeitiger Freistellung von ihren Dienstpflichten.[65] Politische Spenden, die ja gerade gegenleistungsfrei gewährt werden sollen (Rn. 17), müssen sich nicht an § 44a Abs. 2 S. 3 AbgG messen lassen; dies stellt § 44a Abs. 2 S. 4 AbgG klar (Rn. 14).

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§ 44a Abs. 2 S. 1 AbgG, dem zufolge ein Mitglied des Bundestages „[f]ür die Ausübung des Mandats [. . .] keine anderen als die gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen oder andere Vermögensvorteile annehmen [darf]“, verbietet Zusatzdiäten, Honorare oder Belohnungen für Tätigkeiten, die zur Ausübung des Mandats gehören, ebenso wie materielle Vorteile, die auf den Erhalt oder die Herstellung des Wohlwollen des Abgeordneten bei der künftigen Wahrnehmung seines Mandats abzielen („Klimapflege“). Für einen Vortrag, den er in seiner Funktion als Abgeordneter hält, darf ein Mandatsträger also kein Honorar annehmen. Den Gepflogenheiten der Höflichkeit geschuldete Dankbarkeitsgesten oder sonstige sozialadäquate Zuwendungen sind selbstverständlich unproblematisch. Nicht von § 44a Abs. 2 S. 1 AbgG verboten, weil „gesetzlich vorgesehen“, sind ferner Zulagen, die Fraktionen besonderen Funktionsträgern (Fraktionsvorsitzenden, Parlamentarischen Geschäftsführern etc.) gewähren (vgl. § 52 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AbgG). Gleiches gilt mit Blick auf § 44a Abs. 2 S. 4 AbgG für Spenden, sofern kein Verstoß gegen die speziellen Spendenannahmeverbote in § 25 Abs. 2 PartG i.V.m. § 4 Abs. 4 VR vorliegt (Rn. 14 f., 16 ff.).

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Das in § 44a Abs. 2 S. 2 AbgG statuierte Verbot der Annahme von Zuwendungen, die „nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird“, erfasst den glasklaren Versuch, politischen Einfluss zu kaufen. Es verdeutlicht das zentrale Anliegen, das, auch wenn es dort nicht Tatbestandsmerkmal ist, letztlich auch hinter den beiden anderen Annahmeverboten des § 44a Abs. 2 AbgG steht.[66]

d) Gastgeschenke mit Bezug zum Mandat (§ 4 Abs. 6 VR)

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§ 4 Abs. 6 VR, Nr. 11 AB treffen schließlich eine spezielle Regelung zu „[g]eldwerten Zuwendungen, die ein Mitglied des Bundestages als Gastgeschenk in Bezug auf sein Mandat erhält.“[67] Gemeint sind damit sog. Protokollgeschenke, also Zuwendungen, die dem Abgeordneten als Höflichkeitsgeste im diplomatischen Verkehr bei Anlässen, in denen er als Gast oder Gastgeber fungiert, stellvertretend für die Bundesrepublik Deutschland oder den Bundestag übereicht werden, z.B. bei Dienstreisen als Mitglied einer Ausschussdelegation oder bei Einzeldienstreisen. Entgegen dem Eindruck, den die Einordnung der Regelung in § 4 VR erweckt, handelt es sich bei Gastgeschenken nicht um (der Unterstützung der politischen Tätigkeit des Abgeordneten dienende) Spenden. Streng genommen sind Gastgeschenke nicht einmal im eigentlichen Sinne Zuwendungen an den Abgeordneten, sondern an die staatliche Institution, die er repräsentiert. Folgerichtig ist vorgesehen, dass ein Gastgeschenk grds. dem Parlamentspräsidenten anzuzeigen und auszuhändigen ist (§ 4 Abs. 6 S. 1 HS 1 VR) – nicht deshalb, weil der Mandatsträger es nicht hätte annehmen dürfen, sondern weil er es stellvertretend für das Parlament angenommen hat. Da Gastgeschenke häufig auch einen persönlichen Erinnerungswert für den Abgeordneten haben, kann er aber den Antrag stellen, das Geschenk gegen Bezahlung des Gegenwertes an die Bundeskasse behalten zu dürfen (§ 4 Abs. 6 S. 1 letzter HS VR). Sowohl die Anzeige als auch der Auslösungsantrag sind entbehrlich, wenn das Gastgeschenk den Wert von 200 EUR nicht überschreitet (§ 4 Abs. 6 S. 2 VR i.V.m. Nr. 11 Abs. 1 AB). Die 200-Euro-Grenze entscheidet also nicht über die Annahmefähigkeit des Gastgeschenks, sondern allein darüber, ob der Abgeordnete das (zulässigerweise angenommene) Gastgeschenk anzeigen und aushändigen bzw. (wenn er es behalten möchte) auslösen muss. Die Annahme eines Gastgeschenks mit einem Wert von mehr als 200 EUR verletzt mithin kein Annahmeverbot.

D. Der Straftatbestand des § 108e StGB

I. Überblick

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Die Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit (§ 108e Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass ein Mandatsträger vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft „einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse“. Wer spiegelbildlich einem Mandatsträger vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft, einen solchen Vorteil in entsprechender Weise „anbietet, verspricht oder gewährt“, erfüllt den Straftatbestand in seiner aktiven Variante, der Bestechung (§ 108e Abs. 2 StGB).

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Die Mandatsträgereigenschaft (Rn. 4 ff.) muss im Zeitpunkt der Tathandlung vorliegen.[68] Bei Bundestagsabgeordneten ist insoweit regelmäßig der Zusammentritt des neugewählten Bundestages (nicht die Verkündung des Wahlergebnisses oder die Annahme der Wahl) maßgeblich.[69] Die Merkmale des Forderns, Sich-Versprechen-Lassens, Annehmens, Anbietens, Versprechens und Gewährens werden so ausgelegt wie die entsprechenden Begriffe in den für Amtsträger geltenden Straftatbeständen (1. Kap. Rn. 57 ff.).[70]

II. Ungerechtfertigter Vorteil für sich oder einen Dritten

1. Überblick

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Auch das Merkmal „Vorteil für sich oder einen Dritten“ wird so ausgelegt wie bei den §§ 331 ff. StGB (1. Kap. Rn. 45 ff.).[71] Dem Vorteilsbegriff unterfallen damit die oben (Rn. 15 ff.) dargestellten, von § 44a Abs. 2 AbgG und § 4 VR geregelten materiellen Zuwendungen an Abgeordnete (also z.B. Einkünfte aus Nebentätigkeiten, Geschenke, Abgeordnetenspenden). Erfasst werden darüber hinaus aber auch materielle Vermögenszuwächse für Dritte (z.B. Spenden an die Partei des Mandatsträgers) und immaterielle Besserstellungen des Mandatsträger oder eines Dritten. Solch ein immaterieller Vorteil kann in der Verleihung einer Ehrendoktorwürde[72] bestehen, aber auch in der Erlangung politischer Ämter und Funktionen[73] und dem damit regelmäßig verbundenem Zuwachs an politischen Einfluss und Ansehen.

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§ 108e StGB setzt allerdings nicht nur einen „Vorteil“, sondern einen „ungerechtfertigten Vorteil“ voraus. Durch dieses in § 108e Abs. 4 StGB präzisierte Erfordernis werden viele der genannten Vorteile sogleich wieder aus dem Straftatbestand ausgeklammert. Das betrifft insbesondere Vorteile, deren Annahme im Einklang mit den für die Rechtsstellung des Mandatsträgers maßgebenden Vorschriften steht (§ 108e Abs. 4 S. 1 StGB), nach den einschlägigen Spezialregelungen zulässige politische Spenden (§ 108e Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StGB) sowie politische Mandate und Funktionen (§ 108e Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StGB). Die Rechtfertigungstatbestände verfolgen unterschiedliche Zwecke. Bei § 108e Abs. 2 Nr. 1 StGB geht es in der Tat darum, die Kriminalisierung (ansonsten tatbestandsmäßiger) politischer Absprachen und Tauschgeschäfte zu vermeiden, die häufig politische Mandate und Funktionen zum Gegenstand haben, ohne die sich parlamentarische Mehrheiten aber nur schwer organisieren lassen (Rn. 35). § 108e Abs. 4 S. 1 und S. 2 Nr. 2 StGB bezwecken dagegen keine substanzielle Einschränkung des Straftatbestands. Im Interesse der Rechtssicherheit dienen sie vielmehr seiner Abstimmung auf Vorteilsannahmeregelungen, die ihrerseits bereits in Bestechungsabsicht gewährte Vorteile verbieten (vgl. § 44a Abs. 2 AbgG, § 25 Abs. 2 Nr. 7 PartG und § 4 Abs. 4 VR; dazu Rn. 14, 17 ff., 21) und von Verfassungs wegen auch verbieten müssen (Rn. 18 a.E.).

 

2. Einklang mit Mandatsträgerrechtsstellungsvorschriften (§ 108e Abs. 4 S. 1 StGB)

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Gem. § 108e Abs. 4 S. 1 StGB liegt ein ungerechtfertigter Vorteil nicht vor, wenn die Annahme des Vorteils im Einklang mit den für die Rechtsstellung des Mandatsträgers maßgeblichen Vorschriften steht. Damit wird Bezug genommen auf die für den jeweiligen Mandatsträger geltenden nichtstrafrechtlichen Antikorruptionsregelungen, die sich von Mandatsträgerversammlung zu Mandatsträgerversammlung unterscheiden können und typischerweise Vorschriften über die Annahme zumindest materieller Vorteile enthalten (Rn. 7 ff.). Regelungszweck des § 108e Abs. 4 S. 1 StGB ist es, wie gesagt (Rn. 26), nicht, an sich strafbares Verhalten straflos zu stellen, sondern für Rechtssicherheit zu sorgen: Mandatsträger sollen, wenn sie die für sie geltenden „Compliance-Regelungen“ beachtet haben, nach deren Inhalt sie sich im Zweifel beim Parlamentspräsidenten erkundigen müssen (Rn. 10), sicher davon ausgehen können, sich nicht wegen Mandatsträgerbestechlichkeit strafbar gemacht zu haben.

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Bei Mitgliedern des Bundestags sind die oben (Rn. 14 ff.) dargestellten Annahmeverbote in § 44a Abs. 2 AbgG und § 4 Abs. 4 VR i.V.m. § 25 Abs. 2 PartG einschlägig.[74] Hiernach ist insbesondere die Annahme von materiellen Vorteilen, die in Erwartung einer mandatsbezogenen Gegenleistung des Abgeordneten gewährt wird, unzulässig (§ 44a Abs. 2 S. 2 AbgG, § 25 Abs. 2 Nr. 7 PartG, dazu Rn. 17 f., 21), so dass durch diese Vorschriften nichts erlaubt wird, was nach § 108e StGB an sich strafbar wäre. Die Beachtung oder Nichtbeachtung von Rechnungsführungs- oder Anzeigepflichten in Bezug auf angenommene Vorteile (z.B. nach § 1 Abs. 3 oder 4 Abs. 1, 2 VR, s.o. Rn. 11 f., 16) ist im Rahmen des § 108e Abs. 4 S. 1 StGB irrelevant. Weder vermag eine frist- und formgerechte Anzeige den Verstoß gegen ein Annahmeverbot zu heilen, noch führt das Unterlassen einer (rechtzeitigen) Anzeige dazu, dass eine im Einklang mit § 44a Abs. 2 AbgG, § 4 Abs. 4 VR stehende Annahme im Nachhinein als rechtswidrig bewertet werden könnte. Zu beachten ist ferner, dass § 44a Abs. 2 AbgG und § 4 Abs. 4 VR nur materielle Vorteile für den Abgeordneten selbst regeln (Rn. 9, 14 f.). Für immaterielle Vorteile und Drittvorteile gibt es also keine für die Rechtsstellung von Bundestagsabgeordneten maßgeblichen Vorschriften, mit denen ihre Annahme „im Einklang“ stehen könnte.[75] Insbesondere soweit es um die Steigerung des politischen Ansehens und Einflusses geht, kann sich eine Rechtfertigung jedoch aus § 108e Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StGB und „parlamentarischen Gepflogenheiten“ ergeben (Rn. 35 f.).

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In allen Bundesländern finden sich ebenfalls Regelungen über die Annahme von materiellen Zuwendungen durch Mitglieder des Landtags in den für deren Rechtsstellung maßgeblichen Vorschriften. In einigen Ländern (z.B. Bayern, Hessen und Thüringen) entsprechen sie exakt den für Bundestagsabgeordnete geltenden Regelungen.[76]

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Mitglieder des Europäischen Parlaments dürfen nach dem einschlägigen Verhaltenskodex (Rn. 7) „keinen unmittelbaren oder mittelbaren Nutzen oder eine sonstige Vergünstigung in Form von Geld-oder Sachleistungen als Gegenleistung für ein spezifisches Verhalten im Rahmen der parlamentarischen Arbeit des Mitglieds [verlangen]“ und folglich auch nicht annehmen. Sie müssen „strikt jede Situation, die Korruption oder ungebührlicher Einflussnahme gleichkommen könnte, vermeiden.“[77] Insbesondere „versagen [sie] sich bei der Ausübung ihres Mandats die Annahme jeglicher Geschenke oder ähnlicher Zuwendungen außer solchen mit einem ungefähren Wert von unter 150 EUR, die nach den Gepflogenheiten der Höflichkeit überreicht werden, oder solchen, die ihnen nach den Gepflogenheiten der Höflichkeit überreicht werden, während sie das Parlament in amtlicher Funktion repräsentieren.“ Keine Anwendung findet diese Regelung allerdings auf „die Erstattung von Reise-, Unterkunfts- und Aufenthaltskosten von Mitgliedern oder auf die direkte Begleichung solcher Kosten durch Dritte, wenn die Mitglieder aufgrund einer Einladung und im Rahmen der Ausübung ihres Mandats an von Dritten organisierten Veranstaltungen teilnehmen.“[78]

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Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, um ein Beispiel für Mandatsträger nach § 108e Abs. 3 Nr. 5 StGB zu nennen (Rn. 7), „shall not promise, give, request or accept any fee, compensation or reward intended to affect their conduct as members, particularly in their decision to support or oppose any motion, report, amendment, written declaration, recommendation, resolution or opinion. Members shall avoid any situation that could appear to be a conflict of interests or accept an inappropriate payment or gift.“[79]

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Viele für Mitglieder ausländischer Parlamente geltende Vorteilsannahmeregelungen können den Berichten der Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) entnommen werden (Rn. 7). Für Mitglieder der Bundesversammlung gibt es keine speziellen Annahmeregelungen, ebenso wenig – soweit ersichtlich – für kommunale Mandatsträger (Rn. 7).

3. Zulässige Spenden (§ 108e Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StGB)

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Ebenfalls kein „ungerechtfertigter“ und damit strafbarer Vorteil liegt gem. § 108e Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StGB bei einer „nach dem Parteiengesetz oder entsprechenden Gesetzen zulässige[n] Spende“ vor. Von dieser Klausel werden Spenden an politischen Parteien und an Bundestagsabgeordnete erfasst. Jene sind nach dem Parteiengesetz (§ 25 Abs. 1 S. 1 PartG), diese nach „entsprechenden Gesetzen“ (§ 44a Abs. 2 S. 4 AbgG) zulässig, soweit nicht ausnahmsweise eines der in § 25 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 PartG bzw. in § 4 Abs. 4 VR i.V.m. § 25 Abs. 2 PartG geregelten Verbote (Rn. 16 ff.) greift, insbesondere das Verbot der Annahme von Spenden, die „erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen Vorteils gewährt werden“ (§ 25 Abs. 2 Nr. 7 PartG).[80]

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Die Bundesländer (außer Niedersachsen) verfügen ebenfalls über Regelungen, die ihren Landtagsmitgliedern die Annahme von Spenden grundsätzlich gestatten.[81] Die Formulierung „entsprechenden Gesetzen“ erfasst mit Blick darauf, dass auch ausländische Mandatsträger unter § 108e StGB fallen können, auch für diese geltende ausländische Spendenregelungen.[82]

4. Politische Mandate und Funktionen (§ 108e Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StGB)

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Ebenfalls kein ungerechtfertigter und damit strafbarer Vorteil sind gem. § 108e Abs. 4 S. 2 Nr. 1 „politische[. . .] Mandat[e]“ und „politische Funktion[en]“. Das können Partei-, Fraktions- oder Staatsämter sein, aber auch Wahlvorschläge und Listenplätze sowie Positionen auf der Ebene der EU oder in internationalen Organisationen.[83] Solche Positionen sind nicht selten Gegenstand politischer Absprachen, Tauschgeschäfte und „Paketlösungen“, ohne die sich die für parlamentarische Entscheidungen erforderlichen Mehrheiten häufig nicht organisieren lassen.[84] Deshalb werden sie aus dem Tatbestand des § 108e StGB ausgeklammert. Ein Mandatsträger, der sich parteiinternen politischen Positionierungen unterwirft, um sich die Aufstellung als Kandidat oder die Wahl oder Ernennung in bestimmte politische Funktionen oder Ämter zu sichern, macht sich somit nicht strafbar.[85] Entsprechendes gilt für das Anbieten von Ämtern im Rahmen von Koalitionsverhandlungen.[86] Allerdings muss es sich stets um „politische“ Mandate und Funktionen handeln, also Positionen, bei deren Besetzung politische Erwägungen überhaupt eine Rolle spielen dürfen.[87] Davon ist bei Wahlämtern oder hochpolitischen Positionen (z.B. Ministerposten[88]) regelmäßig auszugehen, nicht jedoch bei Positionen in öffentlichen Wirtschaftsunternehmen[89].

5. Sonstige „gerechtfertigter“ Vorteile

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Wie das „insbesondere“ in § 108e Abs. 4 S. 1 StGB zeigt, sind neben den drei behandelten noch weitere Kategorien „gerechtfertigter“ Vorteile denkbar.[90] Die Gesetzesmaterialein verweisen in diesem Zusammenhang ohne näherer Präzisierung auf sog. parlamentarischen Gepflogenheiten.[91] Im Hinblick auf materielle Vorteile dürfte, jedenfalls was den Bundestag angeht, angesichts der umfangreichen parlamentsrechtlichen Regelungen über den Umgang mit solchen Vorteilen (Rn. 14 ff.) für die Anwendung ungeschriebener parlamentarischer Gepflogenheiten kaum noch Raum sein. Anders ist die Situation in Bezug auf immaterielle Vorteile. Zu denken ist hier insbesondere an politische Tauschgeschäfte, bei denen die Abgeordneten der einen Seite eine ihren Überzeugungen an sich widersprechende Sachentscheidung mittragen, um dafür die Unterstützung der Gegenseite für eine ihnen wichtige Sachentscheidung in einer anderen Angelegenheit zu erlangen. Obwohl hier beide Seiten in der Regel einen immateriellen Vorteil in Gestalt der Steigerung ihres politischen Ansehens erlangen (wollen), können derartige für die Organisation parlamentarischer Mehrheiten unabdingbare und (deshalb) schon immer praktizierte politische Kompromisse nicht als strafbar angesehen werden – nicht anders als der entsprechende, ausdrücklich durch § 108e Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StGB legitimierte „Handel“ mit politischen Funktionen und Mandaten (Rn. 35).

III. Als Gegenleistung für eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung

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Der ungerechtfertigte Vorteil muss, wie es in § 108e Abs. 1 und 2 StGB heißt, „als Gegenleistung dafür“ gefordert, angeboten, gewährt etc. werden, dass der Mandatsträger „eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse“. Zu der Vornahme der Handlung oder auch nur zu einer entsprechenden Vereinbarung muss es nicht kommen.[92] Der objektive Tatbestand ist insoweit bereits verwirklicht, wenn der Täter (ausdrücklich oder konkludent) den Abschluss einer entsprechenden „konkreten“ oder „qualifizierten Unrechtsvereinbarung“[93] beim Fordern, Anbieten, Gewähren usw. des Vorteils anbietet.[94]

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Daran fehlt es („vornehme oder unterlasse“), wenn der Vorteil nicht mit einem künftigen Verhalten des Mandatsträgers verknüpft wird, sondern lediglich den Charakter einer im Nachhinein gewährten Belohnung hätte.[95] Darüber hinaus muss sich die Vorteilsgewährung, -annahme etc. auf ein konkretes Verhalten des Mandatsträgers beziehen und nicht nur allgemein auf die Mandatsausübung.[96] Die bloße Geneigtheit des Mandatsträgers, sein Wohlwollen genügt als Bezugspunkt des Vorteils nicht, mit der Folge, dass das, was gemeinhin als „Anfüttern“, „politische Landschaftspflege“, „Klimapflege“ oder „Stimmungspflege“ bezeichnet wird, bei Mandatsträgern nicht strafbar ist (wohl aber verboten sein kann, s. Rn. 2, 20).[97] Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu den bei Amtsträgern geltenden Regelungen,[98] die nicht nur die Bestechung im engeren Sinne unter Strafe stellen (§§ 332, 334 StGB), sondern als „Vorteilsannahme“ bzw. „Vorteilsgewährung“ (§§ 331, 333 StGB) auch Vorteile „für die Dienstausübung“ und damit auch die sog. Klimapflege erfassen (1. Kap. Rn. 92 ff., 97 ff.). Bei Personen, die sowohl Amtsträger als auch Mandatsträger sind (z.B. Abgeordnete, die Parlamentarischer Staatssekretär oder Minister sind), ist deshalb genau zu prüfen, in welcher Eigenschaft sie einen Vorteil fordern, sich versprechen lassen oder annehmen bzw. in welcher Eigenschaft ihnen ein solcher angeboten, versprochen oder gewährt wird (Rn. 1, 6, 40 f.).

 

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Schließlich muss die angestrebte Unrechtsvereinbarung zum Ziel haben, dass der Mandatsträger die als Gegenleistung dem Vorteil gegenüberstehende Handlung „im Auftrag oder auf Weisung“ vornimmt oder unterlässt. Hieran soll es fehlen, wenn in der Vornahme oder Unterlassung der Handlung keine Unterwerfung unter fremde Interessen läge, sondern lediglich ein Verhalten, das ohnehin im Einklang mit den politischen Überzeugungen des Mandatsträgers stünde.[99] Zu beachten ist jedoch, dass es dabei nicht auf die (unter Umständen geheim gehaltene) tatsächliche politische Überzeugung des Mandatsträgers ankommt, sondern auf das, was der Täter beim Anbieten, Versprechen, Gewähren, Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen des Vorteils objektiv (ausdrücklich oder konkludent) erklärt.[100] Ein Mandatsträger, der für einen Vorteil die Vornahme einer konkreten mandatsbezogenen Handlung in Aussicht stellt, die in Wirklichkeit seinen (geheim gehaltenen) inneren Überzeugungen entspricht, von der er aber (konkludent oder ausdrücklich) das Gegenteil behauptet, erfüllt also den Tatbestand des § 108e Abs. 1 StGB.[101] Umgekehrt erfüllt den Tatbestand des § 108e Abs. 2 StGB, wer von einem Mandatsträger für einen Vorteil die Vornahme einer Handlung verlangt, von der er (irrigerweise) annimmt, dass sie dessen inneren Überzeugungen widerspricht. „Entscheidend sind“, wie es der BGH ausdrückt, „nicht innere Vorbehalte, sondern der vom Vorsatz umfasste äußere Erklärungswert des Verhaltens.“[102]